Protocol of the Session on February 27, 2015

Herr Minister Bischoff sagte es bereits, in dem Gespräch am 2. Dezember im Sachsen-Anhalt-Forum haben wir diese Thematik beraten. Die Wirtschaftskammern stehen bereit und stellen jedem ausbildungswilligen Jugendlichen einen Ausbildungsplatz zur Verfügung. Wir wehren uns aber

gegen das Wort, eine Ausbildungsplatzgarantie einzuführen, denn eine Garantie würde nach unserer Einschätzung den jungen Menschen bereits in der Schule jede Motivation nehmen, sich mit entsprechenden Leistungen für eine Ausbildung zu empfehlen.

Zweitens soll das Übergangssystem abgeschafft werden. Dazu kann ich nur sagen: Ja. Die bundesweit organisierten Strukturen im Übergangssystem Schule - Beruf sind ineffizient, auch intransparent. Hier werden jährlich viele Milliarden Euro mit zweifelhaften Erfolgen ausgegeben.

Der nahtlose Übergang von der Schule in den Beruf muss unser Hauptziel bleiben. Aber die gezielte Abschaffung der sinnvollen Maßnahmen für Jugendliche mit Unterstützungsbedarf, die es zu allen Zeiten geben wird, wie zum Beispiel die erfolgreiche Berufseinstiegsbegleitung und das in Sachsen-Anhalt erfolgreiche Modell der Einstiegsqualifizierung für Jugendliche mit mangelnder Ausbildungsreife, ist aus unserer Sicht der völlig falsche Weg. Gleichzeitig wollen Sie aber nach der Abschaffung neue Formen der Ausbildungsbegleitung installieren. Wir brauchen nicht noch mehr Programme, sage ich, sondern weniger und effizientere Maßnahmen.

(Zustimmung bei der CDU)

Bei dieser Gelegenheit möchte ich auch an unseren einstimmig gefassten Beschluss vom zurückliegenden Jahr erinnern, in dem die Landesregierung gebeten wurde, über alle Maßnahmen, Projekte und Programme im Übergangssystem in den entsprechenden Ausschüssen zu berichten. Der jetzt vorliegende Bericht weist aus meiner Sicht noch deutlich sichtbare Lücken auf, und ich hoffe, dass diese bis zu den geplanten Fachgesprächen im April dieses Jahres geschlossen werden. Insofern halte ich es für zielführend, die Fachgespräche in den Ausschüssen abzuwarten, bevor wir hier zu irgendwelchen neuen Beschlüssen kommen.

Meine Damen und Herren! An dieser Stelle wird es jetzt hoch spannend: Die GRÜNEN planen offenbar die Akademisierung der dualen Ausbildung. Das steckt meines Erachtens hinter der geforderten Modularisierung der Ausbildungsinhalte.

Der Auszubildende soll nach den Vorstellungen des Antragstellers künftig Teilqualifikationen erwerben können, vergleichbar mit Modulen und Zwischenprüfungen an Hochschulen. Doch im Gegensatz zur beruflichen Bildung würden die GRÜNEN sicherlich nie auf die Idee kommen, Hochschulteilabsolventen mit zwei Klausuren und einer Zwischenprüfung in die Wirtschaft zu entlassen. Ein bisschen Arzt oder ein bisschen Psychologie, das funktioniert dann eben doch nicht. Meines Erachtens funktioniert mit Teilqualifizierung in der beruf

lichen Bildung auch die Energiewende nicht und wird nur schwer umsetzbar sein.

Eine Erstausbildung in Modulen, verbunden mit der Ansammlung einer unübersichtlichen Fülle von Zertifikaten über die erreichten Teilqualifikationen verführt insbesondere leistungsschwächere Jugendliche, sich vor Abschluss einer voll qualifizierenden Berufsausbildung im Arbeitsmarkt zu etablieren oder die Teilnahme an einer Prüfung für den Vollberuf ganz zu meiden. Ebenso können Betriebe dazu verleitet werden, nur Ausbildungsmodule anzubieten, die aktuell im betrieblichen Ablauf erforderlich sind.

Ich frage Sie: Wollen wir das? Brauchen wir nicht fachlich breit aufgestellte und damit am Arbeitsmarkt flexibel einsetzbare Mitarbeiter in unseren Unternehmen? - Eine nachhaltige Beschäftigungsfähigkeit bzw. Fachkräftesicherung in Sachsen-Anhalt wird jedenfalls damit aus meiner Sicht konterkariert.

Das ist übrigens nicht nur meine alleinige Sicht, sondern das finden Sie auch in einem Konsenspapier, welches gemeinsam von den Sozialpartnern ZDH, Zentralverband des Deutschen Handwerks, und dem DGB mit dem Titel „Plädoyer für eine ganzheitliche Berufsausbildung“ verfasst wurde. Falls Sie es noch nicht kennen, Frau Professor Dalbert, würde ich Ihnen empfehlen, es einmal zu lesen. Ich kann es Ihnen auch gern zur Verfügung stellen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es macht auch überhaupt keinen Sinn, die im Antrag favorisierte Verbundausbildung mit einer Modularisierung zu koppeln. Dass Verbundausbildungen, speziell bei uns im Handwerk, vielleicht nicht so funktionieren, wie sich das der eine oder andere vorstellt, hat andere Gründe, die durch eine Kopplung an eine Modularisierung nicht gelöst werden können.

Lieber Herr Kollege, Sie sind schon eine Minute über der Zeit.

Dann mache ich gleich Schluss. - Auch die im Antrag genannten Konfliktlotsen existieren heute schon unter einem anderen Namen, Stichwort: Ausbildungscoach. Bei der Berufsorientierung am Gymnasium bin ich ganz bei Ihnen; aber auch dazu hat der Ausschuss für Bildung und Kultur noch nicht abschließend beraten. Hierzu sind ebenfalls Fachgespräche für April angesagt. Also: Wozu auch an dieser Stelle dieser Doppelantrag?

Meine Damen und Herren! Wir Koalitionspartner empfehlen, den Antrag in die Ausschüsse zu überweisen, zur federführenden Beratung in den Ausschuss für Arbeit und Soziales sowie zur Mitbera

tung in den Ausschuss für Bildung und Kultur und in den Ausschuss für Wissenschaft und Wirtschaft. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege. Herr Hövelmann hat eine Frage. Wollen Sie ihm antworten?

Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Kollege Keindorf, Sie haben Ihren Redebeitrag mit durchaus kritischen Worten an die Politik eingeleitet, dass das Thema berufliche Bildung nicht immer - ich sage es einmal vorsichtig - Priorität 1 gehabt habe. Sind Sie mit mir gemeinsam der Auffassung, dass das Thema bessere berufliche Bildung und damit bessere Lebens- und Berufsperspektiven von jungen Menschen eine gemeinsame Aufgabe für Wirtschaft und Politik ist?

Teilen Sie meine Einschätzung, dass leider noch nicht alle Unternehmen auch in unserem Lande Sachsen-Anhalt das Thema berufliche Bildung für sich erkannt haben und sich darauf verlassen, dass der Staat oder andere Unternehmen, nämlich die, die die das Thema ernst nehmen und sich engagiert um die Ausbildung junger Leute kümmern, für diese Unternehmen, die das nicht tun, fertig Ausgebildete zur Verfügung stellen?

(Zustimmung bei der SPD)

Vielen Dank. - Die Antwort.

Antwort zu Frage 1: Ja, das ist eine gemeinsame Aufgabe von Politik und Wirtschaft. Die Wirtschaft hat es aber in den zurückliegenden Jahren sehr schwer gehabt, gegen diesen sogenannten Akademisierungswahn anzukämpfen. Das Abitur war als der allein glückselig machende Schulabschluss im Gespräch.

Zur Frage 2 helfen Sie mir bitte auf die Sprünge, Herr Hövelmann.

Dass es Unternehmen gibt, die sich nicht engagieren bei der Ausbildung junger Menschen.

Diese Unternehmen gibt es sicherlich. Nicht jedes Unternehmen engagiert sich dabei und sieht darin die Zukunft für das eigene Unternehmen. Aber wir als Handwerk - ich spreche an dieser Stelle für

Handwerk - haben schon immer über unseren eigentlichen Bedarf hinaus ausgebildet.

(Zustimmung von Frau Take, CDU)

Das wurde von den Industrieunternehmen schon immer gern in Anspruch genommen, und zwar zu unserem Leidwesen.

(Frau Take, CDU: So ist es! - Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank. - Nun spricht für die Fraktion DIE LINKE der Abgeordnete Herr Dr. Thiel.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Minister Bischoff, Ihr erster Satz, dass dieses Thema bereits Ziel der strategischen Überlegungen der Landesregierung sei und wir nicht mehr darüber nachdenken müssten, halte ich für sehr fatal.

(Zustimmung bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Wir lassen uns davon nicht einlullen,

(Frau Prof. Dr. Dalbert, GRÜNE, lacht)

sondern wir werden bei passender Gelegenheit immer wieder unsere Anmerkungen zu diesem Thema machen.

Frau Professor Dalbert hat in ihrer Einbringungsrede die Situation auf dem Berufsbildungsmarkt in Sachsen-Anhalt charakterisiert. Die Zahlen und Fakten kann man sicherlich noch ergänzen; sie zeigen zumindest die Komplexität eines sehr dynamischen Systems, das sich hier entwickelt hat. Deswegen finde ich es nach wie vor bedauerlich, dass Sie vor einem Jahr beschlossen haben, dass der Berufsbildungsbericht nur alle zwei Jahre vorgelegt wird; er ist eigentlich jedes Jahr fällig.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Wenn man sich Dinge richtig anschaut, dann stellt man fest, dass die Zahl der Ausbildungsplätze nicht zunimmt; sie nimmt trotz der Bemühungen tendenziell ab, lieber Kollege Keindorf. Das hängt vielleicht auch damit zusammen, dass die Anzahl der Bewerber rückläufig ist. Aber momentan ist dieser Trend festzustellen.

Bei 12 500 offenen Ausbildungsstellen und 13 000 Bewerbern ergibt sich nach wie vor eine Lücke von 500. Unter den Bewerbern sind auch 4 000 sogenannte Altnachfrager, die eine zweite Runde bereits durchlaufen haben.

Ich finde es gut, dass es einen Chancenatlas gibt, den die Regionaldirektion für Arbeit erstellt hat, der

mit einem Update im Jahr 2015 wieder erscheinen soll. Wir haben es seit Längerem mit dem Problem zu tun, dass wir Berufszweige haben, in denen die Anzahl der Bewerber entweder ansteigt oder zurückgeht.

Die Missverhältnisse sind offensichtlich. Die Fakten aus dem Sommer 2014: In den Bereichen Handel, Vertrieb und Tourismus gab es fünf bis sieben Lehrstellen pro Bewerber. Selbst im Bereich der Produktion und Fertigung gab es neun bis drei Lehrstellen pro Bewerber. Das heißt, die Situationen stellen sich sehr unterschiedlich dar. Sehr oft treffen Faktoren wie Attraktivität, Arbeitsbedingungen, Facharbeiterentlohnung und Karrierechancen aufeinander und lassen sich nicht ohne Weiteres zusammenbringen.

In diesem Kontext eine Ausbildungsplatzgarantie zu fordern, ist eine nachdenkenswerte Anregung - so möchte ich es einmal formulieren. Man kann darüber debattieren, ob es um e i n e n Ausbildungsplatz oder um m e i n e n Ausbildungsplatz geht.

Die Forderung der Gewerkschaften nach dieser Garantie kommt aus einer Zeit, in der die Zahl der Bewerber die der Ausbildungsplätze deutlich überstieg. Sie haben es in der Debatte selbst gesagt: Wer will, der kann. Es kann durchaus passieren, dass dann einer sagt: Wer nicht will, der kann auch. Daher muss man nach Möglichkeiten suchen, um dies über entsprechende Instrumente zu regeln.

Wir sind bei Ihnen, wenn es darum geht, das Recht aller Jugendlichen auf eine qualifizierte Berufsausbildung zu ermöglichen. Über diese Dinge sollten wir im Ausschuss diskutieren.

Wir finden die Forderung nach der Modularisierung der Ausbildung interessant. Aber dabei geht es nicht, wie Sie, Herr Keindorf, sagten, darum, die jungen Menschen mit einer Vielzahl von Zertifikaten zu verwirren. Sie selbst haben im vorigen Jahr gefordert, das Thema Teilfacharbeiter verstärkt in das Blickfeld zu rücken. Das halten wir für falsch; denn der Teilfacharbeiter wäre ein Weg in die prekäre Beschäftigung. Das sollte man von Vornherein unterbinden.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Aber die Feststellung, dass es in verschiedenen Ausbildungsberufen gleiche Anforderungen gibt und dass daher nach Möglichkeiten gesucht werden sollte, dies bei der Ausbildung zu berücksichtigen und den jungen Menschen bei ihrer Suche nach dem richtigen Beruf mit entsprechenden Maßnahmen zur Seite zu stehen, halten wir für richtig. Das Stichwort ist in diesem Zusammenhang die triale Ausbildung als Ergänzung zur dualen Ausbildung. Auch darüber wird derzeit in Deutschland diskutiert, leider noch nicht in Sach

sen-Anhalt. Wir werden dazu in den nächsten Wochen und Monaten unseren Beitrag leisten.