Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Der Antrag, über den wir jetzt zu befinden haben, sowie der vorangegangene Antrag sind - das werden Sie sicherlich genauso sehen - die logische Konsequenz aus den öffentlichen Debatten, die in den zurückliegenden Monaten oder gar Jahren um Tierbestandskonzentration, Haltungsbedingungen und insbesondere um die Fehlentwicklungen, zum Beispiel in der Schweinehaltung um den Schweinemäster Straathof, geführt wurden. Es war also überfällig, sich dieser Thematik noch einmal anzunehmen.
Dass wir uns gleich in der ersten Sitzung des neuen Jahres mit dieser Frage befassen, wird Sie ebenfalls nicht verwundern. Insbesondere für Sie, meine Damen und Herren von der CDU, wird das keine Überraschung sein. Überrascht waren wir und auch ich persönlich, als sich der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt Herr Haseloff angesichts des Skandals um den Schweinemäster Straathof kurz vor Weihnachten, sechs Tage vor dem Heiligen Abend, am 18. Dezember, medienwirksam - überall war es zu lesen und zu hören - für Bestandsobergrenzen in der Tierhaltung aussprach.
Ich sage es an dieser Stelle unumwunden: Obwohl ich denke, genug Selbstbewusstsein zu haben, ist es doch eine angenehme Erfahrung, wenn man Unterstützung zu einem Zeitpunkt erfährt, zu dem man am wenigsten damit gerechnet hat, und von einem Politiker, von dem man es am wenigsten erwartet hat.
Bedauerlich ist, dass dieser Mut für die öffentliche Propagierung dieser vernünftigen, wenn auch bei manchem umstrittenen Forderung erst dann aufgebracht wurde, als das Kind schon im Brunnen lag, nämlich jetzt, wo die Auseinandersetzung mit Straathof geführt wird - richtiger müsste ich eigentlich sagen: nachdem die Auseinandersetzung seit Jahren geführt wurde -
und nachdem wir im Landtag und in den Ausschüssen mehrmals eine ausgiebige Debatte über die Situation der Schweinehaltung geführt haben.
Jedenfalls können wir für uns als Fraktion verbuchen, dass wir die Einführung von Obergrenzen seit Jahren fordern und dass wir das Thema insgesamt seit Jahren verfolgen. Jedoch sind unsere Initiativen - ich muss das einfach feststellen - von den Koalitionsfraktionen immer wieder ignoriert, abgelehnt und von Ihnen, Herr Minister Aeikens, politisch kompromittiert worden. Ich möchte gar nicht auf Protokolle der Sitzungen eingehen.
Eine Anmerkung. Als Sie, Herr Minister, vorhin in der Debatte feststellten, dass wohl nicht die Politik oder die Behörden für die Missstände in Gladau verantwortlich zu machen sind, wollte ich eigentlich rufen: Doch, ein klein wenig schon.
Ich sage es ganz moderat. Ich habe es auch schriftlich von Ihnen, dass das Land letztlich in der Konsequenz mitverantwortlich ist.
Seit Jahren debattieren wir in Binde über den Schwarzbau. Herr Stadelmann war damals noch Staatssekretär, saß mit im großen Saal. Letztlich kam es bei der Frage „Rückbau oder nicht“ zur Entscheidung des Landesverwaltungsamtes und des Kreises: Der Schwarzbau wurde nachträglich sanktioniert, das Tun von Straathof toleriert.
Auf eine kleine Anfrage meinerseits mit dem Ziel, herauszufinden, auf welcher Rechtsgrundlage so entschieden werden musste, wurde geantwortet: Es gibt keine; es war eine Ermessensfrage. - Also hat man sich damals für Straathof entschieden und gegen die Bürger, gegen die Regionalentwick
So viel Verantwortung müssen Sie schon eingestehen - es hat fast fünf Jahre gedauert; das war schon in der vergangenen Legislaturperiode und weiter -, Herr Minister, ein wenig anders sollten Sie über diese Sache schon denken.
Ich bin Optimist und hoffe, dass dies jetzt von allen hier im Landtag, auch von den Koalitionsfraktionen, ein wenig anders gesehen wird. Handlungsbedarf gibt es. Unser Ministerpräsident hat dies öffentlich signalisiert.
Wenn wir über Obergrenzen sprechen, dann reden wir nicht über einheitliche, starre Bestandsgrenzen für alle Investitionsvorhaben. Herr Daldrup - er ist jetzt nicht da - hat das auch angemerkt. Wir sprechen von territorial ausgerichteten Bestandsgrößen bzw. zulässigen Tierkonzentrationen, also von Bestandsgrößen, die sich an regional vorherrschenden natürlichen Bedingungen messen lassen.
Zulässig ist nur so viel Tierhaltung, wie ein Standort und eine Region vertragen. Dabei müssen Fragen der Besiedlung und Vorranggebiete, unter anderem für Tourismus, unbedingt Berücksichtigung finden, wie auch die Zweckmäßigkeit zur Vermeidung von Lebendvieh-, Gülle- und Futtertransporten. Es geht um die verfügbare Flächenkapazität für die Sicherung der Versorgung mit Futter aus eigenem Aufkommen sowie um eine nachhaltige und vor allem schadlose Ausbringung von Gülle und landwirtschaftlichen Reststoffen.
Eine an den Boden gebundene Tierhaltung, die wieder einem gesunden Verhältnis von Boden, Pflanze und Tier und damit den Anforderungen einer wissenschaftlichen Fruchtfolge als hoher Schule der Landwirtschaft gerecht wird, muss das Ziel sein. Dafür muss der Weg geebnet werden.
Ja, meine Damen und Herren, Sachsen-Anhalt hat bezüglich der Erhöhung der Tierbestände noch Reserven. Wir können sie aber nicht erschließen, indem wir den Tierbestand an einigen wenigen Standorten konzentrieren. Wir sind für eine flächendeckende Landwirtschaft, die Arbeit und Auskommen im ländlichen Raum sichert und mehr Transparenz und öffentliche Kontrolle auch zum Wohle der Tiere mit sich bringt. Eine so flächengebundene, örtlich getragene Tierhaltung eröffnet auch ganz objektiv größere Möglichkeiten der öffentlichen Kontrolle und der Mitbestimmung.
Der wachsende Imageverlust der Landwirtschaft und die mangelnde Akzeptanz in großen Teilen der Bevölkerung sind doch vor allem dort zu beklagen, wo Investoren weder Bindung zum Boden
noch zu den Menschen vor Ort haben. Es sind nicht der Milchviehstall mit 500 Plätzen in Pretzier oder die 15 000er-Schweinmastanlage in Loburg, die dem Image der Landwirtschaft zu schaffen machen. Vielmehr sind es die uns hinreichend bekannten Investoren, die ohne Beachtung regionaler ländlicher Bedingungen und unter Missachtung der Anforderungen für das Tierwohl alles unternehmen, um Gewinnmaximierung und Marktbeherrschung zum Maßstab ihres unternehmerischen Handelns zu machen - so viel zum Unterschied zu meinem Beispiel der Genossenschaft und dem Vorsitzenden, das ich vorhin erwähnte - und dabei Gesetze - das haben wir jetzt ausführlich und öffentlich erfahren - missachten und der Landwirtschaft allgemein großen Imageschaden zufügen.
Mit Blick auf den vorhin eingebrachten Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN möchte ich hier zum Schutz der Landwirtschaft ausdrücklich differenzieren zwischen unseren bodengebundenen Landwirten und dem Wildwuchs von gewerblichen, nicht landwirtschaftlichen Schweine- und Geflügelmästern.
Trotzdem geht es uns nicht darum, nur auf schwarze Schafe zu zeigen oder auf Rechtsverletzer in einer ansonsten agrarpolitisch heilen Welt aufmerksam zu machen. Wir müssen uns sehr wohl um die Rahmenbedingungen kümmern, unter denen die Landwirte ihr Auskommen bestreiten. Dazu gehören auch die restriktiven Maßnahmen wie zum Beispiel Obergrenzen.
Die Debatte ist dann natürlich auch weiterzuführen über die Qualität der Tierhaltung, die Tiergesundheitsvorsorge und die konkrete Situation vor Ort. Ganz wichtig ist, dass wir uns mit Blick auf Verarbeitung, Handel und Preisgefüge mit der ungerechten Marktordnung auseinandersetzen - hier muss ich das, was Frau Frederking zu diesem Thema gesagt hat, ausdrücklich unterstützen -,
die soziales und ökologisches Handeln zum betriebswirtschaftlichen Risiko in Tierhaltungsbetrieben werden lässt.
Deshalb gehört eine gerechte Gewinnverteilung vom Stall bis zum Supermarkt in diese Debatte. Dann müssen Lebensmittel auch nicht zwangsläufig teuerer werden, wenn Tiere unter besseren Bedingungen gehalten werden.
Ja, als DIE LINKE setzen wir uns auch hier für den Tierschutz ein. Auch Nutztiere haben ein Recht darauf, nicht wie eine Sache, sondern wie lebende Geschöpfe behandelt zu werden. Wir setzen uns auch dafür ein, dass dieses Recht notfalls eingeklagt werden kann. Das haben Sie bereits erfahren.
Gleichzeitig sagen wir auch ganz deutlich: Wir möchten nicht nur über das Wohl der Tiere in den Ställen diskutieren, sondern auch über das Wohl der Menschen, die in den Ställen und mit den Tieren arbeiten.
Moderne Agrarstrukturen mit Agrarbetrieben in optimalen Größenordnungen bieten akzeptable Arbeitsbedingungen, unter denen gut ausgebildete Landwirte gern arbeiten, weil sie gleichzeitig mit einer fairen Vergütung rechnen können.
Eine letzte Anmerkung: Über den konkreten Ansatz des vorliegenden Antrags der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, eine Bestandsobergrenze von 2,0 GVE pro 100 ha im Gemeindegebiet festzulegen, muss unbedingt geredet werden. Wenn man bedenkt, dass eine Gemeinde, zum Beispiel Salzwedel - Ähnliches gilt aber auch für Arendsee -, bereits 48 Ortschaften, viele landwirtschaftliche Betriebe und mehrere Tausend Hektar umfasst, dann wird einem klar, wie groß eine Gemeinde ist und dass man aufpassen muss, sich nicht rechnerisch zu verrennen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Kollege Krause. Herr Kollege Stadelmann möchte Sie gern etwas fragen. Sie haben ihn angesprochen. - Bitte.
Sehr geehrter Herr Kollege Krause, unter Bezugnahme auf die Ermessensentscheidung des Landesverwaltungsamtes in Binde, die Sie erwähnt haben, würde ich von Ihnen gern erfahren, ob es für die Gemeinde Binde, die heute Ortsteil der Stadt Arendsee ist, einen Flächennutzungsplan gibt, der den Bau, die Erweiterung und den Betrieb von Tierhaltungsanlagen untersagt.
Herr Stadelmann, diese Frage stellt sich bei der Entscheidung, den Schwarzbau zu sanktionieren, nicht im Geringsten. Ich habe dieses Thema auch im Kreistag angesprochen. Unser Landrat, nun noch etwas höher angebunden, hat ganz klar geantwortet: Man musste so entscheiden, weil es gesetzlich so vorgegeben war. Daraufhin habe ich die Kleine Anfrage an die Landesregierung gestellt und nachgefragt, auf welcher Rechtsgrundlage, nach welchem Paragrafen „pro“ hätte entschieden werden müssen. Die Antwort lautet - schauen Sie nach -: Es ist eine Ermessensfrage.
Es ist nicht gesetzlich festgeschrieben, dass man so entscheiden musste. Daher spielt Ihre Frage keine Rolle.
Herr Krause, Ihren Äußerungen entnehme ich, dass Sie gerechnet haben - wir haben das auch getan -, um zu sehen, wie sich die Viehdichte im Land darstellt und wie sich das an einzelnen Orten zeigt. Wir haben im Antrag allerdings gefordert, dass die jeweilige Gemeinde die Möglichkeit bekommen soll, die Viehdichte auf zwei Großvieheinheiten pro Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche im gesamten Gemeindegebiet zu begrenzen. Die Bezugsgröße von 100 ha haben wir nicht in unserem Antrag. Das wollte ich klarstellen, weil Sie eben 100 ha genannt haben.
Dann muss ich mich korrigieren. Es stand drin 2 GVE pro Hektar. Dennoch besteht aber das Problem, dass diese Zahl aufgrund der Größe überall bei Weitem unterschritten wird.
Vielen Dank. - Die Landesregierung möchte die Debatte abwarten. Deshalb treten wir jetzt in die vereinbarte Fünfminutendebatte ein. Der nächste altmärkische Landwirt hat das Wort, Herr Kollege Barth.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wo ist denn Herr Krause? - Er schwatzt wieder. - Hallo!
„Hallo“ darf hier nur ich rufen! - Kollege Barth wünscht die ungeteilte Aufmerksamkeit der Fraktion DIE LINKE. Ich gebe das weiter.
Es kommt nicht oft vor, dass ich Herrn Krause zustimme; deshalb soll er jetzt einmal zuhören. - Die Forderungen aus dem Antrag der LINKEN könnte ich so, wie sie jetzt dort stehen - sicherlich mit einigen kleinen Abänderungen -, unterschreiben.
Aus diesen Forderungen ergibt sich - das haben wir in der Diskussion zu dem vorherigen Tagesordnungspunkt schon gesehen - eben die Bestandsobergrenze. Jetzt eine Zahl zu nennen, wie