Ich hatte mich deshalb gemeldet, weil Sie noch einmal dezidiert ausführten, wie wir in einem Bonus- und Malussystem die guten von den bösen Kindern unterscheiden und in welcher Art und Weise wir sie als Land gemeinsam erziehen. Das ist genau das Problem, um das es hierbei geht.
Wir betrachten zurzeit - der Finanzminister ist diesbezüglich wirklich die Personifizierung dieses Systems - die Kommunen im Land sozusagen als zu erziehende Kinder, denen wir an verschiedenen Ecken und Enden permanent auf die Finger zu klopfen haben, weil sie ansonsten nur falsche Entscheidungen treffen.
Wir sprechen nicht über einige wenige Kommunen, sondern wir sprechen über die Kommunen, die sich in der Konsolidierung befinden. Das ist - zumindest was die Einwohnerzahlen anbetrifft - die Mehrzahl der Kommunen.
Genau diese Perspektive ist es, über die wir uns einmal unterhalten müssen. Warum sind wir der Meinung, dass wir als Land permanent die Besseren, die Klügeren sind, die den Kommunen zeigen müssen, wo es langgeht? - Das ist die Schwierigkeit. Ich habe das sowohl bei den Dingen, die der Finanzminister angesprochen hat, als auch jetzt bei Ihnen wieder gehört, dass das die Perspektive ist.
Das muss ich doch noch einmal klarstellen. Die Kommunen sind nicht die trotzigen Kinder, die wir erziehen wollen. Diesem Eindruck will ich klar widersprechen.
Ich habe in den wenigen Jahren, in denen ich in der Politik bin, gelernt, dass Politik allzu oft der Versuchung unterliegt, auch Dinge mit Geld zu heilen - mit Ausgabeversprechen -, die bei objektiver Betrachtung der Haushaltssituation überhaupt nicht leistbar sind. Es ist unheimlich schwer, wenn in einer Gemeinderatssitzung viele Besucher sind, dort einmal Kante zu zeigen, sich geradezumachen und den Menschen zu sagen, dass es jetzt nicht geht. Man beugt sich viel zu oft aus völlig sachfremden Erwägungen heraus dem Druck der Öffentlichkeit und trifft falsche Entscheidungen.
Dabei ist es immer hilfreich, wenn es jemanden gibt, der zumindest als Korrektiv im Hintergrund aufpasst und sagt: Freunde, wenn ihr das macht, dann hat das an der Stelle die und die Konsequenz. - So sehe ich es auch bezüglich des Landes. Es ist mehr oder weniger auch für kommunale Entscheidungsträger ein Schutzschild, das man dann als bösen Onkel nach vorn schieben und sagen kann: Wir würden das gern machen, aber es geht jetzt nicht, und wir müssen in den sauren Apfel beißen.
Dass sich ein Land wie Sachsen-Anhalt mit 20 Milliarden € Schulden multiple Hilfsprogramme für die Kommunen leistet, finde ich schon bemerkenswert.
Das ist ein Kraftakt, und diesen werden wir nur durchstehen, wenn wir klare Regeln aufstellen, was bei einer Inanspruchnahme passiert.
Was die Binnenverteilung angeht, kann es doch niemand vernünftig finden, dass eine Kommune einen Hebesatz von deutlich unter 300 hat, die Einnahmen liegen lässt und am Ende der Landeshaushalt das ausgleicht. Es muss doch tatsächlich die Bedürftigkeit beurteilt werden und es dürfen nicht mögliche Fehler der Politik vor Ort belohnt werden.
Danke sehr, Kollege Barthel. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht der Abgeordnete Herr Meister.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die ursprüngliche Idee des neuen aufgabenbezogenen Finanzausgleichs in Sachsen-Anhalt war es, durch feste Berechnungsregelungen und eine transparente Fortschreibung den Kommunen Planbarkeit und eine auskömmliche Finanzierung zu ermöglichen. Außer dem Land Sachsen-Anhalt haben nur Thüringen und Hessen ein solches aufgabenbezogenes FAG gewählt.
Die grundsätzliche Problematik, die notwendige Finanzausstattung der Kommunen für die Erfüllung von Pflichtaufgaben und freiwilligen Aufgaben zu bestimmen, ist bis jetzt nicht gelöst. Der Verteilungskonflikt zwischen dem Land und den Kommunen ist offensichtlich. Eine Befriedung der politischen Diskussion erscheint schwierig; denn ein System, das nicht nachvollziehbar ist, das die Aufgaben nicht exakt abbildet, wird niemals eine breite Akzeptanz finden.
Beispielhaft sei die Genese des jetzt vorliegenden FAG-Entwurfs in Erinnerung gerufen. Im Juli legten Sie einen ersten Entwurf vor. Darin enthalten waren ein veränderter Hebesatzvergleich und ein neues Benchmarksystem. Beides führte zu erheblichen Kürzungen der Finanzausgleichsmasse.
Nach massiver Kritik an diesem Entwurf legen Sie nun einen neuen FAG-Entwurf vor. Den Hebesatzvergleich wollen Sie nun nicht mehr vornehmen. Das Benchmarksystem, dessen Grundlage übrigens völlig willkürlich ist, wird nochmals geändert.
Hinzu kommen Veränderungen bei den Tilgungszuschüssen und bei den Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen wegen Sonderlasten
durch die strukturelle Arbeitslosigkeit. Letzteres hatten Sie bisher bei der Bestimmung der Finanzausgleichsmasse vergessen. Das kann schon mal passieren. Zum Glück wurde es noch bemerkt.
Im Ergebnis fällt die Finanzausgleichsmasse etwas höher aus als nach dem ersten FAG-Entwurf. Gegenüber dem Jahr 2014 sollen die Kürzungen im Jahr 2015 statt 129 Millionen € nur 91 Millionen € betragen. Im darauffolgenden Jahr soll die Finanzausgleichsmasse nicht um 33 Millionen €, sondern nur um 22 Millionen € gekürzt werden. Bei der Gegenfinanzierung ist mir unklar, wie sie erfolgen soll. Ich nehme an, Sie hoffen auf eine positive Steuerschätzung. Dazu haben wir noch nichts gehört.
Wie wollen Sie bei dieser Beliebigkeit der Ansätze noch den Anspruch auf eine Aufgabenbezogenheit aufrechterhalten? - In der Praxis - so sieht es für mich aus - wird so lange an den Ansätzen geschraubt, bis das Ergebnis zum Haushaltsansatz passt. Der Eindruck drängt sich auf.
Unsere Kritik am hier vorgelegten Gesetzentwurf zielt sowohl auf Grundsätzliches als auch auf Details.
Erstens. Bei der Ermittlung des Zuschussbedarfs ziehen Sie den Saldo von Einnahmen und Ausgaben der letzten Jahre heran. Aber die Ausgaben der Vergangenheit bilden nicht die Aufgaben der Kommunen ab. In einem aufgabenbezogenen FAG ist der Bezug zur Vergangenheit bei der Bestimmung des Finanzbedarfs verzerrend.
Zweitens. Ein zu knapp bemessener Finanzbedarf treibt die Nachfrage nach Kassenkrediten voran. In den letzten vier Jahren stieg das Volumen dieser kurzfristigen Kredite der Kommunen um 40 % an.
Drittens. Das Grundproblem, dass sich kommunale Konsolidierungsanstrengungen für die Kommunen nicht lohnen, wird weiterhin nicht angegangen. Ein erster einfacher Lösungsansatz wäre es doch, dass Einnahmen aus sogenannten Bagatellsteuern wie Hundesteuer, Zweitwohnsitzsteuer und dergleichen nicht zu 100 %, sondern nur anteilig angerechnet werden. Dies würde deutliche Anreize für die Kommunen setzen, die eigene Einnahmeposition zu stabilisieren.
Viertens. Hierbei geht es um die Kosten für die Maßnahmen zur Bewältigung der Flüchtlingssituation. Hierzu meinen wir, dass diese zu gering angesetzt sind. Der Minister hat vorhin schon gesagt, dass er bereit ist, diesbezüglich Anpassungen vorzunehmen, wenn sich das so herausstellen sollte.
Ich könnte noch eine Reihe weiterer Kritikpunkte vortragen, will es aber an dieser Stelle dabei bewenden lassen. Eine tiefergehende Diskussion werden wir dazu im Ausschuss führen können.
Aktuellen Presseberichten zufolge scheint es bei der Frage, wie sich der Bund im Rahmen des Teilhabegesetzes und der Eingliederungshilfe finanziell engagiert, doch noch Bewegung zu geben, und zwar in eine bisher nicht erwartete Richtung. Hierzu wird man das Verhandlungsergebnis abwarten und das FAG gegebenenfalls anpassen müssen.
Kurz noch zum Antrag der Fraktion DIE LINKE. Wie die Fraktion DIE LINKE sehen auch wir Bündnisgrüne den Runderlass über Zuweisungen aus dem Ausgleichsstock kritisch. Insbesondere die Voraussetzungen für die Gewährung von Liquiditätshilfen erscheinen uns deutlich zu scharf. Eine zwangsweise Heraufsetzung der Hebesätze kann negative Auswirkungen auf die Einnahmeseite der
Auch dürfte der Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung entschieden zu weit gehen, wenn man die Anhebung auf generell 100 Punkte über dem Landesdurchschnitt festsetzt, ohne die konkrete regionale Situation zu betrachten. Herr Barthel hat dazu bereits Ausführungen gemacht.
Dass Kommunen eigene Anstrengungen unternehmen müssen, halte ich für eine Selbstverständlichkeit, die wir entsprechend begleiten müssen. Es wird nicht ohne Bedingungen gehen. In der Art und Weise, wie es hier formuliert ist, ist es nicht okay.
Die fehlende Einbeziehung der kommunalen Spitzenverbände ist kein guter Stil. Das hätte mit ihnen diskutiert werden müssen. Wir werden den Antrag der Fraktion DIE LINKE unterstützen. - Danke.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will mich gleich zu Beginn meiner Rede der Kritik, die Kollege Barthel vorhin zum Thema Redezeit kundgetan hat, ausdrücklich anschließen.
Wir müssen eine andere Lösung finden. Es können nicht 40 Minuten lang Anträge bzw. ein Antrag und ein Gesetzentwurf zu einem so komplexen Thema eingebracht werden und anschließend gibt es eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion. Das ist einem Gesetz, das 1,5 Milliarden € im Jahr bewegt, nicht angemessen.
Wir haben ein Finanzausgleichsgesetz in einer besonderen Ausprägung. Es ist eines der fortschrittlichsten Finanzausgleichsgesetze in Deutschland. Das hat aber zur Folge, dass wir an seiner Weiterentwicklung immer wieder arbeiten müssen. Das FAG ist im Jahr 2010 „auf„s Gleis gesetzt“ worden und ist nun einmal kein bewährtes System. Es ist auch kein System, bei dem man einfach mal schauen kann, was die anderen Bundesländer machen, und es dann nachmacht. Wir müssen vielmehr selbst dazulernen.
Der Herr Minister hat bereits darauf hingewiesen, dass der heute zu beratende Gesetzentwurf nicht mehr der jungfräuliche Entwurf vom Sommer ist, der auch Gegenstand der Erörterungen mit den kommunalen Spitzenverbänden war. Ich will auf
die wesentlichen Themen noch einmal eingehen, weil sie uns als Fraktion in besonderer Weise wichtig waren.
Da ist zum einen die Veränderung beim sogenannten System Best Practice Sachsen-Anhalt, das immer wieder als landesinterne Benchmark bezeichnet wird. Da sich nun einmal der Durchschnitt ergibt aus denjenigen, die darunter liegen, und denjenigen, die darüber liegen, ist es nachvollziehbar, dass man nicht bei 100 % kappen kann, sondern bei einem Betrag, der darüber liegt, kappen muss, was völlig korrekt ist.
Der Hebesatzvergleich, von dem heute schon mehrmals die Rede war, wäre in Sachsen-Anhalt sicherlich nur sehr schwer begründbar gewesen. Ich begrüße ausdrücklich, dass der Schuldendienst um den Stark-II-Effekt bereinigt worden ist und - das ist sicherlich eine Frage, die man nach dem zweiten Nachdenken ausdrücklich bejahen muss - die Bereinigung der weggefallenen SoBEZ aus der alten Ostmilliarde aus der Arbeitsmarktfinanzierung. Das wird nach hinten hinaus auslaufen.
Noch einige wenige Worte zum Thema der sogenannten Vorabmilliarde aus der Eingliederungshilfe. Ich stimme dem Finanzminister ausdrücklich darin zu, dass das für die Eingliederungshilfe gedacht war, die wir ja auch bezahlen. Deswegen muss das Geld auch beim Land ankommen.
An dieser Stelle möchte ich die Kritiker auf das System hinweisen. Selbst wenn man das jetzt nicht machen würde, führt unser System dazu, dass das in den Folgejahren sowieso wieder abgezogen würde. In unserem System bringen sogenannte Bundeshilfen nicht unbedingt eine Besserstellung der Kommunen mit sich. Das haben wir aber auch gewusst, als wir das System geändert haben. Deswegen möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich darauf hinweisen.