Protocol of the Session on September 18, 2014

Der Einbringer ist der bereits am Podium stehende Minister Herr Stahlknecht. Bitte schön.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Gesetzentwurf dient der fachlichen Fortentwicklung des Kommunalabgabengesetzes unseres Landes. Er greift tatsächliche Veränderungen auf und reagiert insbesondere auf Vorgaben der Rechtsprechung.

Der entscheidende Anlass für die Novellierung dieses Gesetzes ist der Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes vom 5. März 2013. Die Kernaussage dieses Beschlusses lautet, dass die Festsetzung von Abgaben zum Vorteilsausgleich nur zeitlich begrenzt zulässig ist. Wenn man eine solche zeitliche Begrenzung nicht hat, dann tritt nach einer gewissen Dauer eine Rechtsverwirkung ein. Das Bundesverfassungsgericht hat aber keine Dauer bestimmt. Das muss gesagt werden, weil das gelegentlich in den Medien durch Äußerungen von Abgeordneten und anderen Interessierten falsch dargestellt worden sind.

Nach dieser Entscheidung, die eine inzwischen aufgehobene Verjährungsvorschrift des bayerischen Kommunalabgabengesetzes zum Gegenstand hatte, besteht auch in Sachsen-Anhalt gesetzgeberischer Handlungsbedarf, weil wir nämlich eine solche verjährungsbegrenzende Regelung nicht haben.

Die geltende Rechtslage ermöglicht gerade im Hinblick auf die leitungsgebundenen Einrichtungen eine zeitlich unbestimmte Inanspruchnahme von Beitragsschuldnern. Dies verstößt aber gegen den

verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit, sodass der Gesetzgeber gefordert ist, einen verfassungskonformen Rechtszustand herbeizuführen.

Dazu sieht der Ihnen jetzt vorliegende Gesetzentwurf erstmalig die Einführung einer Verjährungshöchstfrist vor. Mit dieser Regelung bekommen Beitragsschuldner Klarheit darüber, bis wann sie maximal mit der Festsetzung von Beiträgen zum Vorteilsausgleich zu rechnen haben.

Die Verjährungshöchstfrist beträgt für Vorteilslagen, die zukünftig, also nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes, entstehen, zehn Jahre. Sie gilt gleichzeitig für die in der Vergangenheit entstandenen Vorteilslagen, soweit nicht bereits mit dem Inkrafttreten des Gesetzes eine Verjährung eingetreten sein würde oder in diesem Jahr noch eintritt. In diesen Fällen verlängert sich die Frist bis zum 31. Dezember 2015. Damit wird den Aufgabenträgern die Möglichkeit eröffnet, Altfälle zeitnah abzuschließen und die erforderlichen Beiträge noch festzusetzen.

Ich weiß, dass das streitbefangen ist. Auf der anderen Seite ist es so, dass die entstandenen Beiträge, die nicht mehr beigetrieben werden können, bei den Verbänden und damit bei den Kommunen und damit letztlich bei den Bürgern verbleiben.

Es ist keine Vorstellung einer einzelnen Fraktion - einen solchen Kommentar habe ich in der Zeitung von einem Herrn, der gerade nicht anwesend ist, gelesen -, sondern es ist ein übereinstimmender Konsens, dass man die finanzielle Lage der Verbände und der Kommunen insgesamt auch in diesem Zusammenhang im Auge behalten muss.

Meine Damen und Herren! Wir haben weiterhin die Bestimmungen über die Verwaltung der Realsteuern durch die Gemeinde vereinheitlicht und aufeinander abgestimmt. Es ist eine Reihe weiterer Anpassungen erfolgt. Zu erwähnen ist die degressive Gebührenbemessung.

Ich habe mir sagen lassen, dass es mittlerweile Stellungnahmen des Städte- und Gemeindebundes zu Änderungswünschen gibt, die diese Organisationen erhoben haben und die durch uns in dem Gesetzentwurf berücksichtigt worden sind. Sie sehen das jetzt etwas anders und möchten, dass diese Auffassungen revidiert werden. Auch das nehmen wir zur Kenntnis. Darüber wird das Hohe Haus mit der üblichen Weisheit entscheiden. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister. - Es wurde eine Fünfminutendebatte vereinbart. Für die Fraktion DIE LINKE eröffnet sie jetzt Herr Grünert. Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hatte bezogen auf den Antrag meiner Fraktion zum Bundesverfassungsgerichtsurteil vom 5. März 2013, also vor eineinhalb Jahren, auf die fortdauernden Nachbesserungen des Kommunalabgabengesetzes des Landes Sachsen-Anhalt seit seiner Inkraftsetzung am 21. Juli 1991 hingewiesen und unterstellt, dass alle Änderungen nicht zu einer höheren Transparenz oder Rechtssicherheit geführt haben. Sie erinnern sich an die Aussprache zur Drs. 6/1999 am 26. April 2013 und an die Überweisung in den Ausschuss für Inneres und Sport.

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf hat die Landesregierung, nachdem sie damals ausführte, dass das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes keinerlei Auswirkungen auf Landesregelungen hätte - das war der O-Ton der Parlamentsdebatte - und folglich kein Änderungsbedarf da sei, nunmehr wiederum den eingangs unterstellten Vorwurf betätigt. Die vorliegenden Regelungen haben einen Verlierer. Das sind in erster Linie die Eigentümer selbstgenutzter Wohngrundstücke.

Da offensichtlich alle für die Bürgerinnen und Bürger wichtigen Fragen in Fünfminutendebatten abgehandelt werden, kann ich mich nur auf einige Details des Entwurfs beschränken.

Meine Damen und Herren! Die Diktion des vorliegenden Entwurfs verdeutlicht die eigentliche Zielsetzung, die darin besteht, die Finanzmittel aus den kommunalen Haushalten in den Landeshaushalt umzuverteilen und damit gleichzeitig die Belastungen der Einwohnerinnen und Einwohner über die Kommunen zu verstärken.

Ich komme nun zu einigen einzelnen Regelungsvorschlägen. Das Bundesverfassungsgericht hielt bezogen auf die Situation in Bayern eine Verjährungsfrist für angemessen. Der Minister ging gerade darauf ein. In unserem Land besteht seit 22. April 1999 Klarheit darüber, dass die Kommunen Satzungen erlassen müssen, auf deren Grundlage Beiträge zu erheben wären.

Daher erachtet meine Fraktion einen Übergangszeitraum bis zum 31. Dezember 2015 - hier geregelt in § 13b neu - zur Erarbeitung kommunaler Satzungen unter Hinzuziehung einer Task-Force nicht nur für frech, sondern für eine bewusste Hinauszögerung zum Nachteil der Betroffenen und als Rechtsverstoß gegen das besagte Urteil.

(Zustimmung bei der LINKEN)

15 Jahre sind unserer Meinung nach genug. Die Verjährung hat sofort, also unmittelbar zu erfolgen.

Durch die Ausweitung der Beitragserhebung für Kreisstraßen bezogen auf Nebenanlagen und auf die Straßenoberflächenentwässerung, hier konkret

für Gehwege und Parkplätze, wird ein weiterer Tabubruch begangen. Bisher musste die Straßenoberflächenentwässerung durch die Kommune getragen werden. Allein der Ausbau von Kreisstraßen führte für die Grundstückseigentümer zu Angleichungsarbeiten für ihre Zuwegungen, Einfriedungen und gegebenenfalls auch zur Änderung der Hofentwässerung.

Jetzt wird die Absicht verfolgt, weitere Kosten abzuwälzen, was zu Aufwendungen führt, die den Verkaufswert der Grundstücke in vielen Fällen übersteigen und damit unmittelbar die Kreditfähigkeit der Grundstückseigentümer gefährden. Die heute veröffentlichten Inhalte der Studie der Postbank sind dafür Beweis genug.

Die rechtlichen Bedenken des Wasserverbandstages zu den Regelungen, die in Nr. 3c Doppelbuchstabe aa enthalten sind, teilt auch meine Fraktion. Wenn man Seite 8 der Begründung der Landesregierung zu den Einwänden des Wasserverbandstages liest, dann wird die Zielrichtung klar.

Die Kommunen haben vielfältige Gebiete als Gewerbegebiete erschlossen und aufgrund des erheblichen Leerstandes Probleme, die Kosten wieder einzubringen, da die Erschließungskosten höher als die für Grundstücke zu erzielenden Marktpreise sind. Wie soll die Entlastung erfolgen? - Man schafft für die privaten Grundstückseigentümer weitere Beitragstatbestände.

Die vorgeschlagene Degression für Trinkwasser- und Abwassergebühren können wir nachvollziehen. Jedoch war bisher eine degressive Bemessung möglich, wenn daran - das war der Unterschied - ein öffentliches Interesse gebunden war.

Die Regelungen zu übergroßen Grundstücken entsprechen den damals von meiner Fraktion vorgetragenen Einwendungen.

Eine Verjährungsfrist von maximal vier Jahren nach Beendigung der Baumaßnahme, wie sie die Verbände Haus und Grund und VDGN vorschlagen, wäre ein richtiger Weg zu einer klaren Belastungsvorhersage und zeitnahen Rechnungslegung und würde in Übereinstimmung mit den §§ 169 und 170 der Abgabenordnung stehen.

Da alle Kommunen geltende Satzungen haben, ist diese Frist einhaltbar und angemessen, da die Kommunen nach § 99 Abs. 2 des Kommunalverfassungsgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt gehalten sind, diese Einnahmen unmittelbar zu ziehen.

Meine Damen und Herren! Dies konnte nur ein kurzer Exkurs zum Gesetzentwurf sein. Offen ist aus unserer Sicht unter anderem die nachträgliche Umwandlung von Straßenausbau- in Erschließungsbeiträge, ohne die damaligen Ausbaugepflogenheiten konkret zu berücksichtigen.

Meine Fraktion wird im Zuge der Beratungen des Gesetzentwurfes Änderungsvorschläge einbringen und beantragt die Überweisung zur federführenden Beratung in den Ausschuss für Inneres und Sport sowie in die Ausschüsse für Landesentwicklung und Verkehr, für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, für Umwelt und für Finanzen zur Mitberatung. - Ich danke für die Aufmerksamkeit

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Grünert. - Für die Fraktion der SPD spricht jetzt die Abgeordnete Frau Schindler. Bitte schön, Frau Kollegin.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Meine Vorredner haben schon erwähnt, dass es eine lang angekündigte Gesetzesänderung ist, die uns nunmehr vorliegt. Auch wir haben uns im Haus oft über das Kommunalabgabengesetz unterhalten und mögliche Änderungen angemahnt bzw. diskutiert.

Sie wissen alle, dass die Kommunalabgaben ein Thema sind, das alle beschäftigt, bei dem alle mitreden können und das natürlich auch die Gemüter erhitzt. Wir haben es in den Pressemitteilungen verfolgen können. Es gab - auch das ist dem geschuldet - immer wieder schwierige Situationen bei den Kommunen und bei den Verbänden vor Ort, erst die Gründung der Verbände, dann der Beschluss über rechtsgültige Satzungen, Gebühren und Beiträge. Sie alle sind vor Ort so tief verankert, dass Sie wissen, um welche Probleme es sich hierbei handelt, die bis weit in die 2000er-Jahre bestanden.

Oft war in diesem Hohen Haus eine Gesetzesänderung notwendig, weil aufgrund von Gerichtsentscheidungen andere Rechtslagen geschaffen werden mussten - nun auch in diesem Fall. Es ist gesagt worden, dass das Bundesverfassungsgericht am 5. März 2013 zu dem bayerischen Abgabengesetz einen Beschluss gefasst hat, der nun auch Auswirkungen auf das Kommunalabgabengesetz in Sachsen-Anhalt hat. Wir sind nun aufgefordert, dieses Gesetz verfassungsgemäß anzupassen.

Ich möchte aber auch auf andere Änderungen, die im Gesetzentwurf vorgesehen sind, eingehen. Einige sind schon von Herrn Grünert genannt worden. Ich möchte erwähnen, dass neben den Änderungen, die sich bereits aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes ergeben, die Möglichkeit geschaffen worden ist, bei der Wasserversorgung auch degressive Gebühren zu kalkulieren.

Wir haben im Innenausschuss mehrfach darüber diskutiert, ob diese Möglichkeit besteht und wie

hierbei der Interessenausgleich geschaffen werden kann, dass es - das ist das Anliegen des Gesetzes - den Aufgabenträgern ermöglicht wird, durch degressive Gebühren Anschlussnehmer in das System zu bringen, die bisher außen vor waren. Das heißt, dass mit einer degressiven Gebühr eine Ver- und Entsorgung noch intensiver genutzt werden kann.

Im Gesetz sind aber Schranken gesetzt worden - das ist uns auch wichtig -, dass es keinen Rechtsanspruch gibt. Es können degressive Gebühren erhoben werden. Es gibt aber keinen Rechtsanspruch von Großverbrauchern auf eine Gebührenstaffelung. Vor allen Dingen ist dies den örtlichen Verhältnissen anzupassen, und in der konkreten Kalkulation ist nachzuweisen, so wie es auch im Gesetz steht, dass bei zunehmender Leistungsmenge eine Kostendegression für alle Gebührenzahler eintritt.

Ein zweiter Punkt, der schon angesprochen wurde, ist die Abweichung von der sogenannten Globalkalkulation. Die Beiträge werden für das gesamte Verbandsgebiet berechnet und nicht nur für die einzelne Straße. Das beinhaltet diese Globalkalkulation. Nun schaffen wir die Möglichkeit für neu erschlossene Gebiete, also die Gebiete, die bisher in dieser Kalkulation noch nicht enthalten waren, von der bisherigen Gesamtkalkulation abzuweichen und für diese eine gesonderte Kalkulation im Rahmen einer Teileinrichtung vorzunehmen. Dies dient der Wirtschaft und der Ansiedlungspolitik in unserem Land.

Jetzt noch kurz zu der schon angesprochenen Einführung einer Verjährungsfrist. Ich habe gesagt, dass uns das Bundesverfassungsgericht aufgetragen hat, eine verfassungsgemäße Neuregelung zu schaffen. Es muss eine bestimmbare Obergrenze für die Inanspruchnahme der Beitragsschuldner enthalten.

Das Land Sachsen-Anhalt hat sich abweichend von anderen Ländern - ich nenne als Beispiele Brandenburg mit 15 Jahren, Sachsen mit 20 Jahren und Thüringen mit zwölf bzw. acht Jahren - für eine Verjährungsfrist von zehn Jahren entschieden. Diese Verjährungsfristen gelten auch in den anderen Bundesländern in unterschiedlicher Anpassung. Das Land Sachsen-Anhalt hat mit der Zehnjahresfrist und einem Zeitraum bis zum Inkrafttreten am 31. Dezember 2015 die kürzesten Fristen aller neuen Bundesländer.

Ich möchte dem entgegentreten, wie es zu lesen war, dass Beiträge auch für Kanalnetze aus dem Jahr 1938 erhoben werden. Auch hierbei handelt es nur um den Beitrag für Investitionen, die nach dem Jahr 1991, nämlich nach dem Inkrafttreten des Kommunalabgabengesetzes in Sachsen-Anhalt durch die Verbände und die Kommunen getätigt wurden.

Die Beitragserhebungen sind in der Vergangenheit verwaltungsrechtlich anerkannt gewesen, und die Aufgabenträger sind sogar im Jahr 2008 durch Erlass des Innenministeriums zur Erhebung aufgefordert worden. Seit dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes sind die Verbände und Kommunen nicht mehr in der Lage, Beiträge nach der bestehenden Regelung zu bestimmen. Wir treten für eine Fristhemmung ein, um hier eine Abgabengerechtigkeit zu schaffen.

Im Namen meiner Fraktion bitte ich um Überweisung zur federführenden Beratung in den Innenausschuss und zur Mitberatung in den Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung sowie in den Ausschuss für Umwelt. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Schindler. - Für die Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN hat jetzt Herr Abgeordneter Meister das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Herr Präsident! Sehr geehrten Damen und Herren! Das eher spröde Thema der Kommunalabgaben wird in der Öffentlichkeit immer wieder intensiv, engagiert und auch emotional diskutiert. Das ist kein Wunder, denn es geht sowohl für die Einzelnen als auch für die Kommunen um viel Geld.