Protocol of the Session on July 17, 2014

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung bei den GRÜNEN)

Danke sehr für die Einbringung, Kollegin von Angern. - Für die Landesregierung spricht Minister Möllring.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Landesregierung hat in ihrer Haushaltsklausurtagung Mitte Juni 2014 in Schindelbruch alle Posten auf den Prüfstand gestellt, die ein hohes Defizit aufweisen. Hierzu gehört auch die Rechtsmedizin an beiden Universitätskliniken unseres Landes. Im Rahmen der Haushaltsberatungen haben wir festgestellt, dass durch die Konzentration auf einen Standort die Möglichkeit besteht, dieses Defizit zu reduzieren bzw. abzubauen.

Zur weiteren Ausarbeitung dieses Modells wurde eine Staatssekretärs-AG eingesetzt, deren Ergebnis durch einen Beschluss der Landesregierung am 8. Juli 2014 bestätigt wurde.

Die Rechtsmedizin in Magdeburg soll nach der Auffassung der Landesregierung nach Halle verlagert werden, und das - das kann ich Ihnen sagen - auch nach der Auffassung beider Kliniken.

Als Außenstelle der Universitätsklinik Halle verbliebe in Magdeburg zur Durchführung von Obduktionen eine sogenannte Prosektur. Darüber hinaus soll unter der Federführung der Rechtsmedizin in Halle eine effektive Gewaltopferambulanz in Magdeburg und Halle weiter gewährleistet werden.

In diesen Gesprächen mit den Universitätsklinika hatte dieser Punkt eine besondere Bedeutung. Für die Übergangszeit bis 2016 wird die Finanzierung der bestehenden Defizite zu jeweils einem Drittel durch das Justizministerium, das Innenministerium und das Wissenschaftsministerium getragen.

Meine Damen und Herren! Dies ist ein Vorschlag der Landesregierung im Rahmen der Aufstellung des Doppelhaushaltes 2015/2016. Damit setzen wir uns nicht über einen Beschluss des Landtages hinweg, wie die Antragstellerin in der Begründung zu dem Ursprungsantrag eben ausgeführt hat.

Vielmehr kommt die Landesregierung ihrer Pflicht nach und unterbreitet einen Vorschlag, um Defizite

im Landeshaushalt zu begrenzen. Wie ich eingangs erwähnte, garantiert der Vorschlag, dass auch in Zukunft in Magdeburg Obduktionen durchgeführt werden und dass die Gewaltopferambulanz gewährleistet ist.

Nach der Auffassung der Dekane und der ärztlichen Direktoren in Halle und Magdeburg sichert ein Standort mit einer wie oben beschriebenen Außenstelle auch die rechtsmedizinische Ausbildung. Diesem Modell folgt der Beschluss der Landesregierung.

Dies ist ein Punkt, an dem man sieht, dass beide Vorstände der Kliniken gemeinsam ein Konzept erarbeitet haben. Das wird in Zukunft, da wir bei beiden Kliniken, unabhängig von der Rechtsmedizin, erhebliche Defizite haben, auch in anderen Bereichen erforderlich sein. Hinzu kommen natürlich auch Kooperationen mit den jeweiligen Kliniken vor Ort, die es außerhalb der Universitätskliniken gibt.

Ich darf vielleicht darauf hinweisen, dass seit geraumer Zeit im Land nur eine Professur für Rechtsmedizin vorgehalten wird, nämlich in Halle. Diese Entscheidung wurde vor vier Jahren in Abstimmung mit den beiden Hochschulen getroffen. Sowohl Halle als auch Magdeburg werden seitdem durch einen Professor betreut. Wenn nun eine höhere Konzentration an einem Standort erfolgt, so ist das im Prinzip nur die logische Folge der damaligen Entwicklung. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der CDU)

Es gibt eine Nachfrage vom Kollegen Lange, Herr Minister.

Herr Minister, uns allen ist doch klar, welche Aufgaben die Rechtsmedizin hat. Sie hat Aufgaben in der Forschung und in der Lehre und sie hat Aufgaben im Bereich der Untersuchung von Fällen. Können Sie mir in diesem Zusammenhang einmal erklären, wie gerechnet wird, dass dort Defizite erwirtschaftet werden? Defizite kann ich nur erwirtschaften, wenn ich bestimmte Einnahmen nicht generieren kann oder wenn ich zu teuer arbeite.

Was bedeutet in diesem Fall „Defizite werden erwirtschaftet“? Meines Wissens werden die sogenannten Defizite doch nur dadurch erwirtschaftet bzw. entstehen dadurch, dass sich das Land nicht angemessen an dem beteiligt, was eigentlich zu finanzieren ist, nämlich die Untersuchung von Fällen, Leichenschau etc.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Das sind doch eigentlich Defizite, die dadurch auflaufen. Dann kann man doch nicht davon reden,

dass die Rechtsmedizin Defizite erwirtschaftet. Man muss doch davon reden, dass das Land diese Defizite im Prinzip selbst verursacht.

(Zustimmung bei der LINKEN)

An beiden rechtsmedizinischen Kliniken, an beiden Universitätsklinika ist es natürlich immer ausgesprochen schwierig - das ist kein Problem von Sachsen-Anhalt, sondern das ist bei jeder Hochschulmedizin so -, scharf zu trennen, was Krankenversorgung ist, wie sie jedes normale Kreiskrankenhaus oder ein anderes Krankenhaus vorhält, und was Forschung und Lehre ist.

Forschung und Lehre - damit haben Sie völlig Recht - müssen durch die Hochschule finanziert werden, sprich durch das Land. Dies geschieht bei der Rechtsmedizin dadurch, dass von der Fakultät ein bestimmter Betrag - ich glaube, es sind 100 000 € - zur Verfügung gestellt wird, damit Forschung und Lehre stattfinden können. Die anderen Fälle, die dort bearbeitet werden, werden eben, wie andere Klinikfälle auch, einzeln abgerechnet.

Dem stehen natürlich Kosten gegenüber. Wenn diese Einnahmen die Kosten nicht decken, dann entsteht das Defizit. Das haben wir hier dargestellt. Das stellen auch beide Kliniken entsprechend dar. Ich glaube, wir sollten versuchen, den Weg zu gehen, dass beide Kliniken in Zukunft enger miteinander zusammenarbeiten.

Gerade heute ist von Herrn Hennicke von der Techniker-Krankenkasse die Aufforderung gekommen, keine Doppelstrukturen aufrechtzuerhalten. Denn im Moment ist es so, dass diese Defizite nicht vom Land erstattet werden, sondern dass diese Defizite in der Klinik quersubventioniert werden. Das heißt, im Prinzip bezahlt das jetzt die gesetzliche Krankenversicherung. Das kann auf keinen Fall hingenommen werden.

(Zustimmung bei der CDU)

Es ist sehr seltsam, was Sie erzählen.

Es gibt noch eine weitere Nachfrage von Herrn Gallert. Bitte sehr.

Herr Minister, Ihre Antwort wundert mich ein bisschen, weil die Diskussion an vielen Stellen schon viel, viel weiter war.

(Zustimmung von Herrn Lange, DIE LINKE)

Das ist ja so, weil die Defizite bei der Rechtsmedizin eindeutig dadurch zustande kommen, dass die Serviceleistungen, die die Rechtsmedizin für Justiz und Polizei erbringt, nicht entsprechend den Aufwendungen vergütet werden. Das geschieht so gut wie nirgendwo in der Bundesrepublik, aber eben auch eindeutig bei uns nicht.

Das Problem der Rechtsmedizin besteht darin, dass die Leistungen, die sie im Interesse der öffentlichen Sicherheit in Sachsen-Anhalt und im Interesse der Justiz erbringt, nicht vergütet werden. Deshalb - da haben Sie völlig Recht - gibt es eine systemfremde Querfinanzierung durch die Universitätsklinika, die nun für etwas zahlen müssen, was wahrlich nicht ihre Aufgabe ist. Darin besteht doch das Problem.

Wissen Sie, wenn wir die Fälle, die jetzt schon zu schlecht bezahlt werden, einfach mal nach Halle schaffen, ohne an der Vergütung etwas zu ändern, dann werden sie dort auch schlecht bezahlt oder - und das ist das Problem - es wird diese Fälle in dieser Zahl nicht mehr geben. Das bedeutet aber, sehenden Auges Abstriche bei der Unterstützung der Justiz und des Innenministeriums bei der Verfolgung von Straftaten hinzunehmen. Das kann doch wohl nicht in unserem Interesse sein. - Danke.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Defizit hat ja unterschiedliche Ursachen. Die Erstattung der Kosten für Leichenöffnungen ist durch eine entsprechende Änderung der Kostenerstattungsregelungen verbessert worden. Sie ist immer noch nicht ganz kostendeckend.

Aber es kommt auch auf die Fallzahlen an. Auch das habe ich im Ausschuss schon erläutert. Wenn man zu wenige Fälle hat, dann ist es eben sinnvoll, diese Fälle an einer Stelle zu konzentrieren. Dann hat man dort eine bessere Auslastung und ein geringeres Defizit.

Wichtig ist für uns, dass wir bei beiden Kliniken in großem Umfang Defizite reduzieren müssen. Hierzu haben wir einen Vorschlag von beiden Vorständen. Ich halte es für gut und richtig, diesen Vorschlägen auch zu folgen.

Ich sehe eine letzte Frage bei Frau von Angern.

Herr Minister, Sie wissen sicherlich, dass beispielsweise in Niedersachsen für die Begutachtung von Gewaltopfern eine Pauschale an die rechtsmedizinischen Institute gezahlt wird, summa summarum in Höhe von 500 €. Bei uns in Sachsen

Anhalt passiert die Begutachtung für null Euro; also die rechtsmedizinischen Institute bekommen dafür gar nichts.

Können Sie bitte wiedergeben, wie im Kabinett bzw. in der Staatssekretärsrunde seitens des Sozialministeriums argumentiert wurde, warum man nicht bereit sei, das auch in Sachsen-Anhalt zu tun, um dadurch das Defizit zu verringern? - Wir reden hierbei über fünf- bis sechsstellige Beträge.

Die Rechtsmedizin hat vor geraumer Zeit versucht, entsprechende Rechnungen an die Jugendämter zu schicken. Die Jugendämter haben erklärt, die Begutachtung sei Amtshilfe und damit kostenfrei. Dieser Widerspruch müsste einmal aufgelöst werden.

Ich habe eine andere Frage gestellt.

Sie haben die Frage gestellt, ob es eine Erstattung gibt. Diese Erstattung gibt es in Sachsen-Anhalt nicht.

Darf ich noch einmal nachfragen?

Entschuldigen Sie, wenn ich es falsch verstanden habe.

Vielleicht ist es bewusstes Missverstehen. Das glaube ich aber nicht.

Nein, nicht bewusst.

Ich habe folgende Frage gestellt: In Niedersachsen bezahlt das Sozialministerium diese Pauschale, nicht die Jugendämter. Dort gibt es das gleiche Problem, dass die Jugendämter das im Rahmen der Amtshilfe einfordern. Das heißt, auch dort besteht das Problem, dass die rechtsmedizinischen Institute die Kosten nicht erstattet bekommen.

Deshalb ist in Niedersachsen das Sozialministerium in die Bresche gesprungen und hat gesagt, dass man pro Fall eine Pauschale von 500 € bezahle, weil man wisse, dass das Defizit sonst bei

den Universitätskliniken landen würde. Warum ist das Sozialministerium in Sachsen-Anhalt nicht bereit, dieses Geld zu zahlen?