Protocol of the Session on June 19, 2014

Antrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 6/3180

Für die Einbringerin hat nunmehr Herr Abgeordneter Lange das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eigentlich ist alles gut, denn das Land hat für den nächsten Haushalt Geld zur Verfügung, mit dem es so gar nicht rechnen konnte. Denn werden im Bund die Weichen so gestellt wie verlautbart, stehen dem Land ca. 30 Millionen € freiwerdende Mittel zur Verfügung. Dann übernimmt hoffentlich, wenn das alles so klappt, der Bund vollständig die Leistungen, die als BAföG ausgezahlt werden.

Aber eigentlich ist auch nichts so richtig gut. Schließlich ist Herr Bullerjahn Finanzminister, und seinen Rotstift wenigstens in einen schwarz-grau schreibenden Bleistift zu verwandeln grenzt wahrscheinlich an ein Wunder. Aber es soll auch schon einmal Wasser in Wein verwandelt worden sein. Also die Hoffnung bleibt, insbesondere die Hoffnung für unsere von Kürzungen und Studienplatzabbau bedrohten Hochschulen. Deshalb liegt Ihnen unser Antrag vor.

Nun könnte man sagen: „Warten Sie doch erst einmal ab, welchen Haushaltsplanentwurf uns die Regierung wirklich vorlegt. Sie können dann doch immer noch Anträge stellen.“ Mich würde es nicht wundern, wenn das heute ins Feld geführt würde. Denn der Wohlfühlhaushalt wurde bereits nach der Kabinettsklausur angekündigt. Darauf gehe ich später noch einmal ein.

Aber, meine Damen und Herren, der Antrag kommt gerade noch zum richtigen Zeitpunkt. Denn gleich

zeitig verhandelt das Wissenschaftsministerium mit den Hochschulen über die zukünftige Hochschulstruktur, und eine Kabinettsvorlage für den Hochschulstrukturplan wird vorbereitet.

Offen bleiben dabei die Fragen: Ist es ein Kürzungskonzept oder tatsächlich ein Hochschulstrukturentwicklungsplan? Soll Geld aus der Grundfinanzierung der Hochschulen herausgezogen und sollen damit Studienplätze abgebaut werden, oder sollen die Studienplätze erhalten bleiben und die Strukturen nach den Bedürfnissen des Landes an Bildung, Forschung und Innovation entwickelt werden?

Die Beantwortung dieser Fragen hängt massiv mit der Antwort auf die Frage zusammen, was mit den zusätzlichen Millionen geschehen soll. Die LINKE gibt darauf eine klare Antwort: Das Geld kommt aus dem Bildungssektor und gehört auch wieder dorthin, und zwar on top!

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich unseren Antrag besonders in Bezug auf die Hochschulfinanzierung noch ein wenig erläutern. Dabei beziehe ich mich auf die Zahlen des Wissenschaftsministeriums. Denn je nachdem, wie man rechnet, plagt die Hochschulen ein Defizit von 12 bis 13 Millionen €. Das trifft die Fachhochschulen hart, aber längst nicht so hart wie die beiden Universitäten. Für die Universität in Magdeburg wird ein Defizit von 4 Millionen € angegeben, für die Universität in Halle ein Defizit von 6 Millionen €.

Die Folge davon sind nicht besetzte Stellen, riesige Vorlesungen wie beispielsweise im SteintorVarieté in Halle, aufgezeichnete Vorlesungen, die abends noch einmal abgespielt werden - das findet man in Magdeburg durchaus. Die Folge ist auch eine überbordende Zahl von Lehraufträgen, die auch noch schlecht bezahlt werden, und teilweise prekäre Beschäftigung. Zudem müssen Drittmittel benutzt werden, um die Lehre abzusichern, beispielsweise in den experimentellen Fächern für die Ausstattung der Praktika. Bestimmte Veranstaltungen finden nur jährlich und in zu geringem Umfang statt, was sich massiv auf die Studiendauer auswirkt.

Meine Damen und Herren! Einige von Ihnen erinnern sich sicherlich daran, dass wir uns bereits vor anderthalb Jahren mit den Defiziten der Hochschulen beschäftigt haben. Anlass dazu war damals die Aussage des Rektors der Uni Halle, dass er seine Struktur den finanziellen Mitteln anpassen müsse. Die damaligen Vorstellungen unterschieden sich von den Schließungsvorschlägen in Herrn Möllrings Strukturkonzept nur wenig. Ein Schelm, wer Arges dabei denkt!

Damals hat der Landtag mit Verweis auf die Strukturdebatte halt gerufen. Heute hat er die Chance,

die finanziellen Grundlagen zu schaffen, damit es tatsächlich nicht zu Schließungen kommen muss. Stimmen Sie deswegen unserem Antrag in diesem Punkt zu! Beenden Sie die Kürzungs- und Defizitdebatte, und sorgen Sie dadurch dafür, dass die Studienplätze in unserem Land erhalten bleiben.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren! Die Ankündigungen für den Wohlfühlhaushalt lassen in Bezug auf die Grundfinanzierung der Hochschulen keine Verbesserungen erkennen. Zwar ist von 10 Millionen € für den Wissenschaftshaushalt die Rede - wenn Herr Möllring eine Projektidee hat, wie man lesen konnte -, und prinzipiell ist gegen eine Förderung von Projekten auch nicht wirklich etwas einzuwenden. Aber doch bitte nur dann, wenn die Grundfinanzierung der Einrichtungen stimmt. Das ist aber nicht zu erkennen.

Deswegen sagen wir: Beispielsweise an der Landesexzellenzinitiative sieht man, wie es Projektmitteln ergehen kann. Im vergangenen Jahr wurden daraus 10 Millionen € herausgekürzt. Deswegen würden wir diesen Weg sehr kritisch begleiten.

Sogar der Ministerpräsident hat sich in die Debatte um die BAföG-Millionen eingemischt und verkündet, dass dieses Geld der Bildung zugute kommen soll. Na, Donnerwetter! Wenn man die Verlautbarungen zur Kabinettsklausur liest, könnte man das sogar glauben. Aber wenn man etwas dahinterschaut, merkt man, dass hier doch Haushaltskonsolidierung durch die Hintertür betrieben wird.

Wir finden es ja gut, dass sich die Landesregierung bei der Neueinstellung der Lehrerinnen korrigiert. Mein Kollege Höhn hat Sie dafür in diesem Jahr schon gelobt.

(Minister Herr Dorgerloh lacht)

Aber mit diesen Neueinstellungen verbessern Sie ja nichts zusätzlich. Sie sorgen lediglich dafür, dass die Unterrichtsversorgung aufrechterhalten bleibt. Das hätten Sie jedoch sowieso machen müssen, wenn Sie nicht Schlagzeilen über Unterrichtsausfall riskieren wollten. Bei den Lehrerinnen und Lehrern bleibt insgesamt eben ein sinkender Haushalt: Die Zahl der Personalstellen sinkt weiterhin, weil wesentlich mehr Lehrerinnen und Lehrer ausscheiden als neu eingestellt werden.

Da sage ich Ihnen: Diese Millionen in einen sinkenden Haushalt hineinzugeben, um das Sinken ein wenig abzumildern, ist eben doch Haushaltskonsolidierung durch die Hintertür. Das lehnen wir ab.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN)

Verstehen Sie mich nicht falsch. Wir sind auch gern bereit zu sagen, dass wir es nicht prinzipiell für falsch halten, in diesen Bereich der Bildung zu

sätzliche Mittel hineinzugeben. Aber dann müssen es eben zusätzliche Mittel für zusätzliche, abrechenbare Projekte sein, die auch einen tatsächlichen Mehrwert haben, und nicht einfach nur Mittel, die ein Absinken des Haushalts ein wenig kompensieren sollen.

Das Gleiche - wenn auch nicht ganz in dieser Form - gilt unter Umständen auch für die außeruniversitären Forschungseinrichtungen. Uns ist an dieser Stelle noch nicht klar, wofür die 5 Millionen € ausgegeben werden sollen. Wenn diese Mittel wirklich für Investitionen gedacht sind, dann muss ich sagen, dass die Investitionen eigentlich durch die fünfprozentige jährliche Steigerung für die außeruniversitären Forschungseinrichtungen abgegolten sind. Wir müssen uns anschauen, was die Landesregierung dort plant.

Meine Damen und Herren! Wir schlagen in unserem Antrag auch vor, die öffentliche Finanzierung der Studentenwerke und dadurch die Studienbedingungen im Land wieder zu verbessern. Wir haben schon vor geraumer Zeit gefordert, die Graduiertenförderung neu auszurichten und die Stipendien endlich zu erhöhen. Dazu warten wir, nebenbei gesagt, übrigens auch noch auf ein Papier aus dem Wissenschaftsministerium.

Aber am wichtigsten ist uns jetzt, die Weichen für die Hochschulen richtig zu stellen. Sorgen Sie dafür, dass es nicht zu einem Studienplatzabbau kommt. Sorgen Sie für eine solide Grundfinanzierung unserer Hochschulen. Sorgen Sie für bessere Studien- und Forschungsbedingungen. Stimmen Sie unserem Antrag zu!

(Beifall bei der LINKEN)

Für die Landesregierung spricht nun der Minister der Finanzen Jens Bullerjahn.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist das vornehme Recht der Opposition, sich über die Zukunftsfähigkeit eines Landes, soweit es den Haushalt betrifft, keine Gedanken machen zu müssen.

(Oh! bei der Linken)

Es ist das vornehme Recht der Opposition, beim Thema Bildung nur an die Hochschulen zu denken und nicht an Kindertagesstätten oder allgemeinbildende Schulen. Es ist das vornehme Recht der Opposition, dem Land beim Thema Hochschulausgaben zu sagen, was es machen soll, aber bei der Eingliederungshilfe zu sagen: Das geht uns nichts an.

Es ist also das vornehme Recht der Opposition, alles Mögliche zu fordern. Ich hoffe, Sie haben sich

bei dem Antrag, den Sie sich schließlich abgerungen haben, nicht allzu viel Zeit nehmen müssen. Es ist auch das vornehme Recht der Opposition - das sage ich Ihnen ganz persönlich, Herr Lange -, Menschen gegeneinander auszuspielen, etwa Universitäten gegen Finanzämter, wie in Halle geschehen. Das alles können Sie tun. Ich habe das nicht zu kommentieren, will es aber einmal sagen.

Ich will auch mit einer Legende aufräumen: Es gab keine Maßgabe des Bundes. Ich selber war bei diesem Gespräch dabei. Die Länder sind frei in der Verwendung dieser Mittel. - So weit zur Grundlage.

Die Länder selber haben in großer Zahl beschlossen, das Geld für die Bildung zu verwenden. Bildung ist mehr als nur ständiger Lobbyismus für die Hochschule. Das Parlament streitet heftig - das ist auch gut so - über die Frage, wie unsere Hochschulstruktur aussehen soll, übrigens nicht nur in Sachsen-Anhalt. Da lohnt ein Blick über die Landesgrenzen: Selbst das reichere Sachsen passt in einem Maße an, wie wir es gar nicht miteinander diskutieren. Ich finde die Profilierungsdiskussion richtig.

Gestern hat Mecklenburg-Vorpommern übrigens beim Thema Theater geschrieben, dass man darüber nachdenkt, auch bei den Kulturausgaben effizienter zu werden. Einige Einrichtungen sollen zusammengelegt, andere geschlossen oder aus dem Landeshaushalt herausgenommen werden. Diese Diskussion gibt es doch nicht nur in SachsenAnhalt. Bei einem gleichbleibenden Haushalt von seit Jahren ungefähr 10 Milliarden € verspürt man den Druck auf allen Ebenen und muss darauf reagieren.

Nun haben wir uns aber innerhalb der Koalition mit den Fraktionen im Kabinett abgesprochen - das wurde auch von mir nie bestritten -, dass wir diese Gelder für Bildung ausgeben wollen. Nur - das sage ich einmal - kann man es wirklich nur als Opposition machen, dass man immer nur von „on top“ spricht, ohne sich darüber Gedanken machen zu müssen, wie die Basis ausfinanziert wird.

Insofern haben wir vor zwei Landtagssitzungen hier etwas Kluges gemacht. Wir haben anhand konkreter Forderungen und nach Darstellung des Bildungsministers verabredet, in den Jahren 2015 und 2016 150 zusätzliche Lehrerinnen und Lehrer einzustellen. Das sind dann insgesamt 370 zusätzliche Stellen.

Wir haben in Absprache mit den Regierungsfraktionen während der Klausurtagung vorgeschlagen, dass wir das nicht nur für den Doppelhaushalt machen, sondern auch für die folgenden Haushalte.

Dieser Ansatz, der im ersten Jahr ungefähr 9 Millionen € ausmacht, wächst auf bis zu einem Betrag - das muss Sie jetzt nicht umtreiben, aber uns schon; ich habe es schon vor zwei Sitzungen gesagt - von mehr als 100 Millionen € zusätzlich al

lein für diese zusätzlichen Stellen. Das ist gut angelegtes Geld. Wir werden eben nicht wie andere Länder im Vorwahlkampf der Versuchung erliegen zu sagen, ich stelle so nebenbei einmal 1 000 Lehrer oder 1 000 Polizisten ein. Ich möchte schon, dass diese Bedarfe anhand von Strukturen und von Anforderungen aus den jeweiligen Bereichen auch dargestellt werden.

Das sind die ersten 10 Millionen €, die gemeinsam getragen werden. Das werden wir vorschlagen und so in den Haushalt einstellen.

Es gibt einen Trend, der so vor Jahren nicht voraussehbar war. Er wurde durch den Kultusminister erläutert und während der Klausurtagung dann von allen bestätigt. Das sind die sehr stark aufwachsenden Mittel bei den Schulen in freier Trägerschaft.

Wir finden es gerechtfertigt, dass dafür 5 Millionen € zusätzlich eingestellt werden. Man muss sich diesen Trend aber einmal anschauen, wieso und weswegen die Kosten anwachsen, und nicht nur bei der Frage der Neustrukturierung von Schulen, sondern innerhalb des bestehenden Schulsystems. Das hat etwas mit Kosten, mit Tarifen und anderen Dingen zu tun.

Insofern ist es unstrittig, dass von diesen rund 30 Millionen € die Hälfte für Bildung verwendet wird, also tatsächlich auch in Schulen geht, also in Bereiche, die wir aus dem Landeshaushalt hätten finanzieren müssen.

Dann wurde festgestellt, dass wir die andere Hälfte für das Thema Hochschule vorhalten sollten. Das ist innerhalb der Regierungsfraktionen und des Kabinetts unstrittig. Hier gehen 5 Millionen € - Sie haben es gerade angesprochen, Herr Lange - einmal in den Bereich der Begleitung von Profilierungen, auch von außeruniversitären Forschungseinrichtungen. Das hat nichts mit dem Bund und seiner Steigerungsrate der 5 % zu tun, sondern dabei gibt es auch Investitionsbedarfe in den nächsten Jahren. Hierzu gab es Überlegungen, vom LeibnizInstitut und von anderen, die dem Minister für Wissenschaft und Wirtschaft angetragen wurden. Wir haben ihn gebeten, dazu konkrete Vorschläge zu unterbreiten.

Was auch gemeinsam getragen wird, ist, dass diese restlichen 10 Millionen € nicht, wie Sie meinen, zur Verkleisterung von offenen Problemen genutzt werden, sondern bei Profilierung zusätzlich bereitgestellt werden, ob es für Professuren, Großgeräte oder Investitionen ist. Das halte ich für richtig. Ich möchte schon - dabei sind wir uns im Kabinett einig mit den Fraktionen -, dass die Strukturdiskussion, was sich Sachsen-Anhalt in jedem einzelnen Bereich leisten kann, auch in diesem Bereich geführt wird. In allen anderen Bereichen, wie in den Bereichen Theater, Polizei, Finanzverwaltung, haben wir es gemacht.

Wir werden die Diskussion auch bei den Hochschulen zu Ende bringen. Ich denke auch - das sieht man im Bereich Kultur, wo die Gelder in den nächsten Jahren in vernünftigen Strukturen gegenüber dem Ausgangspunkt aufwachsen werden -, dass die Profilierung den Hochschulen eher nützen als schaden wird. Denn das ist Verkleisterung, dass seit Jahren bekannt ist, dass die Uni in Halle ein Defizit hat. Niemand hat sich darum bisher geschert. Am liebsten möchte man das Geld dort wieder nur einstellen und die Debatte vermeiden. Aber das wird nicht passieren.