Am 28. November 2012 stellten die 80 deutschen Industrie- und Handelskammern das neue Internetportal „IHK transparent“ vor. Sie gaben damit der Öffentlichkeit einen Einblick in ihre Struktur, ihre Arbeit und ihre Finanzen. Das Portal macht viele wichtige Daten auch der Kammern Magdeburg und Halle-Dessau öffentlich, wie die Zahl der Ausbildungsverträge und Existenzgründungsberatungen, die Ertragslage, die Mitarbeiterzahlen, den Personalaufwand, Pensionsrückstellungen, Beiträge und Gebühren.
Meine Damen und Herren! Da sich die Industrie- und Handelskammern aus den Beiträgen ihrer Mitglieder finanzieren, unterliegen sie Rechenschafts- bzw. Prüfungspflichten gegenüber ihren Mitgliedern. Gleichzeitig sind sie selbst an einem hohen Maß an Transparenz interessiert und gewähren diese auch zunehmend.
Daher sehe ich für die im Gesetzentwurf geforderte zusätzliche Prüfung durch den Landesrechnungshof nicht als notwendig an. - Vielen Dank.
Danke, Herr Minister. - Es ist eine Dreiminutendebatte vereinbart worden. Als erster Debattenredner spricht der Abgeordnete Herr Mormann für die SPD.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf der GRÜNEN soll das Prüfungsverbot des Landesrechnungshofes gegenüber den Kammern im Land abschaffen. Ein wahrlich kurzer, aber nicht minder gewichtiger Gesetzentwurf.
Zu Beginn möchte ich kurz auf Folgendes hinweisen: Gemäß § 88 der Landeshaushaltsordnung ist der Landesrechnungshof zur Prüfung der Wirtschaftsführung des Landes einschließlich seiner Sonderbetriebe verpflichtet. Das ist völlig unstrittig.
Zu den Personen des öffentlichen Rechts gehören auch die Kammern. Auch das ist bekannt. Die IHK ist jedoch von dieser Prüfung ausgeschlossen. Das ist letztlich der Gegenstand, über den wir heute debattieren.
Der Hintergrund ist allerdings relativ einfach. Mich wundert, dass das so selten erwähnt wird. Die Industrie- und Handelskammern sind auf der Basis von Selbstverwaltung organisiert. Das hat letztlich seinen guten Grund, wenngleich auch feststeht, dass wir hier im Hause mit einer entsprechenden politischen Entscheidung etwas anderes regeln könnten.
Rechtlich wäre es möglich, den Prüfauftrag für die Industrie- und Handelskammern auf den Landesrechnungshof zu übertragen. Dazu gibt es eine Reihe von Rechtsprechungen, wie in der Begründung der GRÜNEN auch aufgeführt wird. Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, wollen wir das ernsthaft? - Eine Diskussion über die Rolle der Industrie- und Handelskammern, über die Pflichtmitgliedschaft und alles andere, was oftmals kritisch im politischen und öffentlichen Raum diskutiert wird, können wir gern führen.
Herr Minister Möllring wies bereits auf die stetigen Diskussionen im Rahmen eines Bund-LänderAusschusses über Industrie- und Handelskammern, in denen die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen diskutiert werden, hin. Aber diese Diskussionen insbesondere über die Prüfungsbefugnisse des Landesrechnungshofes zu führen, erachte ich persönlich als falsch.
Meine Damen und Herren! Die Selbstverwaltung der Kammern macht Sinn und hat gute Gründe. Man sollte gelegentlich auch einmal darauf hinweisen; denn in dem entsprechenden Gesetz wird darauf ganz eindeutig abgehoben.
Der gesetzliche Auftrag verlangt von den Industrie- und Handelskammern und auch von den Handwerkskammern, die Interessen der Mitglieder unabhängig von der Politik zu vertreten. Ich glaube, genau das ist der richtige Ansatz.
Der mit der Selbstverwaltung einhergehenden Selbstverantwortung sind sich die Kammern aus unserer Sicht bewusst. Mit der vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag errichteten Rechnungsprüfungsstelle, die unabhängig agiert, tragen sie dem Rechnung.
Meine Damen und Herren! Dort, wo öffentliches Geld im Spiel ist, bedarf es naturgemäß auch einer öffentlichen Kontrolle. Aber Fördergelder oder andere zweckgebundene Gelder werden auch heute schon im Rahmen der für alle, beispielsweise private Bildungsträger, gültigen Kontrollbestimmungen überwacht.
Sie erwähnen es auch selbst in der Begründung zu Ihrem Gesetzentwurf in Bezug auf die Geschehnisse um das IHK-Bildungszentrum in Dessau: Eine Stärkung der Transparenz liegt im eigenen Interesse der Kammern. Die Daseinsberechtigung eines Landesrechnungshofs bedarf sicher keiner solchen Erweiterung.
Meine Damen und Herren! Kurzum: Wir sehen die Notwendigkeit Ihrer Gesetzesinitiative nicht. Wir nehmen Ihre generelle Skepsis gegenüber den Kammern, die hier im Land zusammen mit den Unternehmen und Betrieben Großartiges zum Beispiel bei der Ausbildung junger Fachkräfte leisten, zur Kenntnis. Diese Skepsis aber teilen wir nicht.
Wir werden uns daher bei der Abstimmung zur Überweisung Ihres Gesetzentwurfes der Stimme enthalten. - Danke schön.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wird eine bundesweit stattfindende Debatte aufgegriffen, welche die Rolle und Funktion der Industrie- und Handelskammern, das Thema Zwangsmitgliedschaft oder auch die Einräumung von Prüfungsrechten für den Landesrechnungshof betrifft.
In Bayern wurde dieses Prüfungsrecht bereits eingeräumt. In Brandenburg haben die Bündnisgrünen im April 2014 einen analogen Antrag eingebracht, dessen Behandlung in den zuständigen Ausschüssen auch die CDU unterstützt hat. Allerdings lautete der Einwand von Wirtschaftsminister Christoffers, dass die wegen der Vorkommnisse bei der IHK Potsdam bezüglich Vetternwirtschaft und Verschwendung laufenden Untersuchungen noch nicht abgeschlossen seien und dass die notwendige Behandlung in den Ausschüssen gar
nicht möglich ist. Schließlich wird der Landtag neu gewählt. Aber ab Oktober sollte man sich diesem Thema wieder zuwenden.
In unserem Land - wir haben es bereits gehört - geht es um die Vorgänge im Zusammenhang mit der Dessauer Fördermittelaffäre. Diesbezüglich ist es durchaus berechtigt festzustellen: Eine richtige Aufarbeitung hinsichtlich der Rolle der IHK hat bis heute nicht stattgefunden. Eine Stellungnahme des zuständigen Ministeriums als Fachaufsicht ist ebenso wenig bekannt.
In diesem Sinne plädiert unsere Fraktion für eine Überweisung des Gesetzentwurfes in den Ausschuss für Wissenschaft und Wirtschaft und zur Mitberatung in den Ausschuss für Finanzen. Die Federführung sollte beim Ausschuss für Wissenschaft und Wirtschaft liegen, weil das aus unserer Sicht ein klassisches Wirtschaftsthema ist.
Dabei ist auch eine Anhörung einzuplanen, in der die beiden Kammern, der Landesrechnungshof und auch die Rechnungsprüfstelle der IHK in Bielefeld neben der Landesregierung als Aufsichtsbehörde ihre Meinungen zu dem Prüfungsrecht darlegen sollten. Insbesondere Prüfstelle und Rechnungshof arbeiten ja, was den Prüfauftrag betrifft, in analoger Art und Weise. Es gilt auch, die Frage zu klären, inwieweit der Landesrechnungshof zusätzliche finanzielle und personelle Ressourcen benötigt.
Über eines sind wir uns im Klaren: Bezüglich des Fördermittelskandals ist es tatsächlich notwendig zu klären, ob es innerhalb der IHK-Strukturen begünstigende Faktoren gab, die beseitigt oder nicht beseitigt wurden. Die Frage, ob der Auftrag an den Rechnungshof damit ausreicht, diesen Vorgängen vorzubeugen, wäre auch noch zu klären.
Wichtiger ist die Frage, ob es notwendig ist, die Sonderstellung der IHK gegenüber anderen Kammern zu beseitigen. Mit einem solchen Prüfungsrecht könnte das Land möglicherweise einen Beitrag zum Schutz der Pflichtmitglieder leisten.
Danke sehr, Kollege Hoffmann. - Für die CDUFraktion spricht der Abgeordnete Herr Thomas. Bitte sehr.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Kollege Meister, wow, da haben Sie aber eine mächtige Keule ausgepackt, eine Keule, mit Misstrauen gegenüber der IHK versehen. Sie haben auch gleich Ihren Redebeitrag dafür genutzt, eine Art
Generalabrechnung bezüglich Ihrer Probleme mit der IHK zu machen. Ich würde mich freuen, wenn ich eine solche Rede vielleicht einmal vor der IHKHauptversammlung hören würde; denn dort sind diejenigen, die es betrifft. Hier sind lediglich die politischen Entscheidungsträger.
Ich glaube - das haben wir doch schon gehört -, dass die IHK durchaus eine Selbstverwaltung hat; das ist gut so. Wenn man sich mit der Geschichte der Industrie- und Handelskammern befasst, erfährt man - darauf möchte ich hinweisen -, dass sich die ersten Handelskammern zu Beginn des 18. Jahrhunderts bildeten. Es waren Kaufleute, die sich damals gesagt haben, sie wollen ihre wirtschaftlichen Interessen losgelöst von politischen Ereignissen selbst vertreten, sie wollen eine Lobby bilden, damit sie unabhängig von politischen Gestaltungen ihre Interessen wohlverdient vertreten können. Das setzte sich dann mit der Industrialisierung fort. Damals hieß es dann „Industrie- und Handelskammern“. Dann kamen die Eisenbahn und die Schifffahrt dazu. Da gab es sehr bedeutende, sehr lange Transportwege.
All das begleiteten die IHK; das war gut so. Schließlich gab es einen Bruch - 40 Jahre DDR. Das war für die IHK nicht so toll. Mit der friedlichen Revolution und der Wende vor nunmehr knapp 25 Jahren ging es mit den IHK wieder stetig aufwärts.
Ich glaube, wir alle in diesem Hohen Hause wissen sehr genau, dass man sich über Wirtschaftspolitik trefflich streiten kann, muss und soll. Wir werden nie große Einigkeit über alle Parteigrenzen hinweg in unseren generellen Ansichten zur Wirtschaft erreichen. Wir brauchen aber wertvolle Ratgeber, wir brauchen Impulse und wir brauchen Interessenverbände. Da sehe ich die IHK ganz vorn. Ich bin froh, dass wir die IHK in dieser Art und Weise als Unterstützer haben. Wir tun gut daran, diese Selbstverwaltung und auch diese Selbstkontrolle, die vorhanden ist, weiterhin zu stärken.
Es gibt Wirtschaftsprüfer, es gibt Rechnungsprüfer, es gibt Mechanismen. Wir können alle Finanzberichte im Internet nachlesen - ich habe das gerade getan -; das ist dort alles veröffentlicht.
Ich komme zu einer interessanten Argumentation, Kollege Meister, die Sie uns in der Begründung zu Ihrem Gesetzentwurf hier vorlegen. Darin schreiben Sie etwas von zweifelhaften Umgängen. Ich will das Wort „zweifelhaft“ nicht näher definieren. Es ist in jedem Fall kein Fakt. Es ist eine Behauptung, eine Vermutung, etwas nicht Bewiesenes.
Sie schreiben etwas von vermutlichem Fördermittelbetrug. Wir beide sitzen im Untersuchungsausschuss und wissen ganz genau, dass das kriminelle Handlungen waren. Auch der Landesrechnungs
hof hätte in dem Moment, in dem sie passiert sind, nicht helfen können. Ich möchte nur darauf hinweisen, dass es die IHK Halle-Dessau selbst war, die das zur Anzeige gebracht hat, als sie es festgestellt hatte.
Ich möchte festhalten, dass es als mögliches Argument nichts taugt, hierbei den Landesrechnungshof einzuschalten. Ich glaube, es ist eine falsche Aussage, dass der Landesrechnungshof besser prüft als unabhängige Wirtschaftsprüfer, die wir hier in diesem Land auch haben.
Insofern, Kollege Mormann, möchte ich Ihnen Ihre Frage beantworten. Sie haben gefragt: Wollen wir wirklich, dass der Landesrechnungshof bei der IHK prüft? - Für die CDU-Fraktion kann ich Ihnen sagen: Nein, wir wollen das nicht. Insofern werden wir der Überweisung nicht zustimmen. Wir werden uns der Stimme enthalten. Ich freue mich auf eine tiefergehende Diskussion im Ausschuss mit Ihnen, Herr Kollege Meister. - Herzlichen Dank.
In der gebotenen Kürze: Das Argument, das gegen unseren Gesetzentwurf spricht, ist tatsächlich die Selbstverwaltung. Wenn sich eine Einheit selbst verwaltet, macht es wenig Sinn, dass sie von außen überprüft wird, so könnte man meinen.
Die Frage ist natürlich, was die Selbstverwaltung wert ist, wenn man Wahlbeteiligungen von 4 %, 5 % hat. Das ist eben der Witz bei einer Pflichtmitgliedschaft, dass ich die große Masse einsammele, sich alle an den Finanzen beteiligen müssen, dagegen auch nichts unternehmen können, allerdings in den Strukturen tatsächlich nur wenige in ausgewählten Bereichen tätig sind. Insofern hängt das natürlich mit der Pflichtmitgliedschaft zusammen.
Wenn Sie zur Pflichtmitgliedschaft ja sagen, heißt das für mich, müssen Sie auch zu den entsprechenden Kontrollmechanismen ja sagen, die an so einer öffentlich-rechtlichen Geschichte hängen; das heißt dann auch Landesrechnungshof.
Wenn wir miteinander übereinkommen würden - das ist nicht Gegenstand des Gesetzentwurfes - und sagen, nein, wir brauchen da keine Pflichtmitgliedschaft mehr, wenn das eine freiwillige Geschichte ist, gut, dann hat der Landesrechnungshof nichts darin zu suchen, dann ist es tatsächlich klassische Selbstverwaltung; da haben Sie Recht.
man kann sich schon die Frage stellen: Wieso hat das IHK BIZ in dieser Art und Weise funktioniert? Das war ja eine Struktur, die das Ganze ermöglichte. Da spielt die Art und Weise, wie die IHK aufgestellt ist, wie die IHK sich da selbst gibt und wie sie sich selbst in den Markt begibt, schon eine Rolle. Man fragt sich: Wieso macht sie das eigentlich so? Wenn der Landesrechnungshof da nachgefragt hätte, hätte es möglicherweise tatsächlich andere Entscheidungen gegeben.