Protocol of the Session on May 15, 2014

Meine Fraktion ist der Auffassung, dass der, der in Sachsen-Anhalt lebt, lernt, arbeitet oder Steuern zahlt, auch mitentscheiden können soll. Ein Wahlrecht für Migrantinnen und Migranten ist deshalb für uns ein konsequenter Weg zur gelebten Demokratie und zu echter Willkommenskultur.

Ich möchte an dieser Stelle auf ein von meiner Fraktion in Auftrag gegebenes und durch Professor Hans Meyer erstelltes Gutachten verweisen, das zeigt, dass ein Wahlrecht für Ausländerinnen und Ausländer bei der Wahl des Landtages und bei der Wahl kommunaler Vertretungen grundgesetzlich möglich ist. Die sachsen-anhaltische Landesverfassung regelt in Artikel 42 Abs. 2 ausdrücklich, dass die Ausweitung des Wahlrechts auf Ausländer und Staatenlose möglich ist.

Aus den gleichen Überlegungen zur Teilhabe an demokratischen Entscheidungsprozessen gibt es auch keinen vernünftigen Grund, Jugendliche, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, vom wichtigsten Instrument der Willensbildung auszuschließen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Rechtssystematik kennt die Altersschwelle von 14 Jahren. Mit 14 Jahren dürfen junge Menschen wählen, ob sie sich einer Religionsgemeinschaft anschließen oder aus derselben austreten. Mit 14 Jahren werden junge Menschen strafmündig. Es gibt keinen Grund, 14-Jährigen das Wahlrecht vorzuenthalten.

Wir sind - das wissen alle hier - Schlusslicht im Volksentscheidsranking. Das muss sich ändern.

Zur Stärkung der Beteiligungsrechte von Einwohnerinnen und Einwohnern ist das Zulässigkeitsquorum für den Einwohnerantrag auf 1 % abzusenken. Das Bürgerbegehren nach § 26 ist als Vorstufe des Bürgerentscheids das zentrale Instrument effektiver Bürgerbeteiligung im kommunalen Bereich. Zur Stärkung der Beteiligungsmöglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger ist die Zulässigkeitshürde und mithin das Beteiligungsquorum auf 3 % abzusenken.

Angesichts der Bedeutung eines Bürgerentscheids nach § 27 ist die Frist zur Durchführung ohne Einschränkung auf sechs Monate zu erstrecken und eine informatorische Waffengleichheit zwischen Vertretern der Gemeinde und Initiatoren des Bürgerbegehrens im Abstimmungsprozess sicherzustellen. Zudem muss die unverhältnismäßig hohe Hürde erfolgreicher Bürgerbeteiligung in Form des 25%-Quorums fallen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Der Bürgerentscheid soll vielmehr als angenommen gelten und einem Beschluss der Vertretung gleichgestellt werden, wenn die Mehrheit der abgegebenen Stimmen dem Bürgerbegehren zustimmt.

Herr Scheurell, Sie schauen immer wieder interessiert nach Baden-Württemberg. Das ist für Sie offensichtlich ein Spezialgebiet.

(Zuruf von Herrn Scheurell, CDU)

Ihnen wird daher nicht verborgen geblieben sein, dass in Baden-Württemberg derzeit die Kommunalverfassung modernisiert wird, reformiert wird und vor allem demokratisiert wird. Dort sind die GRÜNEN deutlich dabei und sagen: Hier ist mehr Mitmachen möglich. - Schauen Sie doch einmal dorthin und bringen Sie auch diese Beispiele hier ein.

Den beabsichtigten Formelkompromiss der Koalition, die von ihnen verabschiedete Regelung zu den kommunalen Gleichstellungsbeauftragten nunmehr auf dem Erlassweg für nicht anwendbar zu erklären, halten wir für groben Unfug. Was Sie, meine Damen und Herren, regeln wollen, gehört in das Gesetz. Dann ändern Sie das Gesetz, meine Damen und Herren von der SPD. Stimmen Sie unserem Antrag zu.

Meine Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen! Ohne die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger ist lebendige Demokratie vor Ort schlicht nicht möglich. An dieser Stelle zitiere ich gern aus dem Gesetzentwurf:

„Die Einbeziehung und direkte Teilhabe der Einwohner und Bürger in lokale Prozesse und Entscheidungen ist deshalb im kommunalen Raum von herausragender Bedeutung.“

Lassen Sie uns das gemeinsam konsequent umsetzen. Stimmen Sie unseren Anträgen zu! Machen Sie das Mitmachen in Sachsen-Anhalt mit uns gemeinsam möglich. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Striegel. - Für die SPDFraktion spricht Frau Schindler. Bitte schön, Frau Abgeordnete.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Meine Vorredner haben es schon ausgeführt: Das Gesetz ist durch umfangreiche Beratungen schon im Vorfeld der Vorlage des Gesetzentwurfs und natürlich auch jetzt, im Gesetzgebungsverfahren, zustande gekommen. Es gab Beratungen, Symposien, Stellungnahmen und ein umfangreiches Anhörungsverfahren.

Wie die Befragung und das Anhörungsverfahren zeigen, sind die unterschiedlichsten Interessen zum Tragen gekommen. Die unterschiedlichsten Abwägungen und auch die unterschiedlichsten Darstellungen sind entsprechend der unterschiedlichen Betroffenheit berücksichtigt worden.

Dies alles in dem Gesetzentwurf zu beachten und entsprechend zu verankern, war eine große Aufgabe. Ich denke, wir haben es trotz der Kritik der Oppositionsfraktionen gemeinsam geschafft und es ist gut gelungen.

Wenn Sie kritisieren, dass die bürgerschaftliche Mitwirkung nicht verbessert worden ist, dann möchte ich dem hier entgegenhalten: Nein, sie ist verbessert worden. Wir haben sie erleichtert und wir haben sie auch erweitert. Mehr Mitmachen ist möglich.

Mehr Mitmachen ist möglich bei Einwohneranträgen und Bürgerbegehren. Wir haben das Verfahren erleichtert. Bei den Einwohneranträgen und beim Bürgerbegehren haben wir die Ausweitung der Einreichungsfrist vorgesehen und - das war auch im Gesetzentwurf schon vorgesehen - die Anzahl der maximal notwendigen Unterschriften für die Gültigkeit gesenkt.

Wir haben beim Einwohnerantrag auch auf den Kostendeckungsvorschlag verzichtet. Der Einwohnerantrag ist für alle die Gemeinde betreffenden Fragen möglich. Wir haben auf den Negativkatalog verzichtet. Das heißt also, die Bürger können sich mit allen ihren Fragen, die die Gemeinde betreffen, an die Gemeindevertretung wenden.

Beim Bürgerbegehren haben wir eine Frist von sechs Wochen festgelegt, innerhalb deren die Vertretung über die Gültigkeit des Begehrens entscheiden muss.

Wir haben im Beratungsgang auch festgestellt, dass diese Erleichterungen, die wir eingebracht haben, nicht bei allen auf Zustimmung treffen. Vor allen Dingen die kommunalen Spitzenverbände haben uns gegenüber diese Erleichterung schon kritisiert.

(Zuruf von Herrn Striegel, GRÜNE)

Dem habe ich, haben wir seitens der SPD entgegengehalten, dass wir Bürgerbeteiligung nicht verteufeln, sondern ernst nehmen. Ich sage es immer wieder, auch in den Gremien: Die Informationspolitik der Verwaltungen und der Räte gegenüber den Bürgern muss verbessert werden, sie muss über das förmliche Verfahren hinausgehen. Dabei haben wir an der einen oder anderen Stelle durchaus Nachholbedarf.

Mit den maßvollen Veränderungen haben wir auch respektiert, dass - das wurde vorgetragen - die repräsentative Demokratie, die wir in unserem Staat haben, und deren Möglichkeiten Bestand und Berechtigung haben müssen.

Wir, die SPD, hätten uns - das habe ich schon bei der ersten Beratung über den Gesetzentwurf gesagt - an dieser Stelle mehr gewünscht. Aber wir haben doch einiges erreicht.

Wir haben auch ein neues Instrument der Bürgerbefragung eingebracht, ein Instrument, das vom Rat ausgeht, und zwar ein Initiativrecht des Rates, die Bürger zu befragen.

All diese Instrumente müssen jetzt mit Leben erfüllt werden, müssen entsprechend angewandt werden. Ich denke, dann ist Bürgerbeteiligung wirklich möglich.

Mit Blick auf die am übernächsten Wochenende stattfindende Kommunalwahl bin ich erst einmal froh, dass wir entgegen allen Unkenrufen im Land doch eine große Anzahl von Kandidaten gefunden haben, die sich für dieses Ehrenamt zur Verfügung stellen. Deshalb ist es auch wichtig - das haben wir mit unserem Gesetzentwurf ebenfalls erreicht -, diese ehrenamtliche Tätigkeit anzuerkennen.

Über alle Fraktionen hinweg ist es gemeinsam gelungen, die Gewährung der Aufwandsentschädigung auszuweiten. Die Aufwandsentschädigung unterliegt nicht mehr der Haushaltskonsolidierung. Ich denke, das ist gerade jetzt vor den Kommunalwahlen ein wichtiges Signal.

Wir haben auch die Rechte der Mitglieder in den Vertretungen gestärkt, haben Auskunftsrechte und Auskunftspflichten des Hauptverwaltungsbeamten festgehalten. Ich denke, all das trägt dazu bei.

Zu den Hinweisen der kommunalen Spitzenverbände zu Veränderungen der Haushaltswirtschaft, die wir aufgenommen haben, hat Herr Kolze schon Ausführungen gemacht.

Es ist insgesamt ein Gesetzeswerk, auf das wir stolz sein können. In guter Zusammenarbeit und konstruktiver Diskussion im Ausschuss ist ein Werk entstanden, das jetzt auf der kommunalen Ebene mit Leben erfüllt werden muss.

Es tritt zum 1. Juli 2014 in Kraft. Die Konstituierung der neu zu wählenden Räte erfolgt auf der Grundlage des neuen Gesetzes. Ich hoffe, dass es entsprechend aufgenommen und angenommen wird. Ich bitte um Zustimmung zu der vorliegenden Beschlussempfehlung und um Zustimmung zu unserem Änderungsantrag. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der SPD)

Frau Kollegin, wollen Sie eine Anfrage der Kollegin Hohmann beantworten?

Ja, das kann ich tun.

Dann haben Sie jetzt das Wort.

Ich bin Ihren Ausführungen aufmerksam gefolgt. Vor allen Dingen habe ich den Satz: „Mehr Mitmachen ist möglich“, wohlwollend aufgenommen. Vielleicht können Sie mir den Widerspruch erklären, dass wir in der neuen Kommunalverfassung Kinder und Jugendliche bis zum 18. Lebensjahr ausgrenzen, zeitgleich aber ein kinder- und jugendpolitisches Programm auflegen, das mehr Teilhabe und Mitbestimmung auch auf kommunaler Ebene vorsieht. Vielleicht könnten Sie mir diesen Widerspruch erklären. Bitte klären Sie auf, warum in dieser Kommunalverfassung Kinder und Jugendliche ausgeschlossen worden sind.

Frau Hohmann, Sie beziehen das nur auf diesen einen Fakt. An dieser Stelle, das kann ich Ihnen sagen, haben wir eine andere Auffassung. Das Wahlrecht ab 16 Jahren besteht auf kommunaler Ebene. Wir wollen, dass eine entsprechende Beteiligung stattfindet.

Ich habe in meiner Rede sehr deutlich gesagt und bin ausführlich darauf eingegangen, wo Erleichterungen für die Bürgerbeteiligung in dem Gesetzentwurf enthalten sind. Die von Ihnen geforderte ist nicht enthalten, aber es sind viele andere Punkte erwähnt und dargestellt, wo Bürgerbeteiligung stattfindet. Deswegen habe ich gesagt: Mehr Mitmachen ist möglich.

(Zustimmung von Herrn Kurze, CDU - Herr Borgwardt, CDU: So ist es!)

Sie möchten eine Nachfrage stellen, Frau Hohmann? Bitte schön.

Frau Schindler, Sie haben das auf das Wahlalter reduziert. Wir haben aber noch weitere Vorschläge für die Kinder- und Jugendbeteiligung auf kommunaler Ebene. Das möchte ich einmal anmerken. Dabei ging es auch um die Kinder- und Jugendbeauftragten und um die Einbeziehung von Kindern und Jugendlichen, wenn es um ihre Belange geht. - Danke.

Ja, Frau Hohmann, man kann sich immer noch mehr wünschen. Wir haben einiges erreicht, nicht alles. Das, was möglich war, haben wir erreicht.

Vielen Dank, Frau Kollegin. - Damit ist die Debatte beendet. Vor Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, liegen der Gesetzentwurf in der Fassung der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres und Sport in der Drs. 6/2925 und die drei schon genannten Änderungsanträge. Ich hoffe auf Ihre Zustimmung zu dem Vorschlag, über diese Änderungsanträge zuerst abzustimmen. - Dem widerspricht niemand.