Protocol of the Session on May 15, 2014

Ich möchte dafür plädieren, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass wir den Umstand, dass wir jetzt das Mediengesetz Sachsen-Anhalt novellieren und überarbeiten können, als eine Chance begreifen, auch diese Zukunftsaufgaben, diese grundsätzlichen Gesellschaftsaufgaben, die sich im Medien- und im Telekommunikationsbereich hier mit Landesgesetzgebung verbinden, zu lösen. Wir sollten die Chance am Schopfe packen und das Gesetz ganz genau darauf abklopfen, wo wir Bereiche finden, bei denen wir zu diesen Zukunftsfragen Dinge verändern und es für unser Bundesland besser machen können, meine Damen und Herren.

Zwei Stichworte: Die Angebotsvielfalt - auch darauf ist heute eingegangen worden - soll zusätzlich zur Meinungsvielfalt, so der Gesetzentwurf, zukünftig auch bei der Zuweisung von terrestrischen Übertragungskapazitäten berücksichtigt werden. Das ist den Telemedien geschuldet, und an diesem Punkt kommt die Netzneutralität beispielsweise wieder ins Spiel. Wir sollten schauen, ob wir sie hier, auf Landesebene, im Mediengesetz berücksichtigen können.

Der zweite Punkt, auch darauf wurde eingegangen: Nichtkommerzielle lokale Hörfunkveranstalter bedürfen künftig für die Beauftragung von Sendernetzbetreibern der Zustimmung der MSA, der Medienanstalt Sachsen-Anhalt - sicherlich ein diskussionswürdiger Punkt.

Man muss, glaube ich, die Kriterien, nach denen diese Zustimmung oder eine Ablehnung erfolgen soll - auch das müsste meines Erachtens noch gesetzlich geregelt werden; wenn Zustimmung nötig ist, muss auch eine Ablehnung geregelt werden -, sehr genau abstecken, denn dieses Ansinnen ist ja von uns selbst gewählt und ergibt sich nicht aus den Änderungen im Telekommunikationsgesetz.

Sie sehen, meine Damen und Herren, es gibt noch viel Gesprächsbedarf. Ich freue mich auf spannende Beratungen im Ausschuss. Ich würde auch dafür plädieren, dass wir im Ausschuss noch eine zusätzliche Anhörung einschalten. Wir haben die schriftlichen Stellungnahmen der Sender bekommen, aber ich denke, aus den Gründen, die ich eben genannt habe, sollten wir uns die Möglichkeit einer mündlichen Anhörung nicht selbst nehmen. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Kollege Herbst, es gibt eine Nachfrage des Kollegen Wagner. - Bitte sehr.

Herr Herbst, ich habe aus Ihrer Rede sehr viel herausgehört, was Sie im aktuellen Gesetzentwurf medienrechtlich vermissen. Dann haben Sie, wenn ich Sie richtig verstanden habe, gemeint, dass Sie diese Fragen jetzt alle im Ausschuss aufrufen wollen, um dort gegebenenfalls noch Änderungen am Mediengesetz des Landes Sachsen-Anhalt zu formulieren.

Wie würde sich das mit dem Zweilesungsprinzip vertragen? - Denn wir haben im Moment einen Gesetzentwurf zu beraten, wo die meisten der von Ihnen angesprochenen Themen eigentlich kein Behandlungsgegenstand sind.

Richtig. Die sind noch kein Behandlungsgegenstand. Deswegen habe ich eingangs in meiner Rede dafür plädiert, dass wir den Mut haben, das Gesetz auf die Punkte hin abzuklopfen, Herr Kollege Wagner, bezüglich deren wir vielleicht größere gesellschaftspolitische Fragestellungen, die Sie sicherlich auch im Kopf haben - ich habe einige Punkte davon angesprochen -, hier landesrechtlich mit verankern können.

Ich bin mir noch nicht sicher, inwieweit das möglich sein wird, aber wir sollten diese interessanten Punkte definieren, uns interessante Gäste dazu einladen, das rechtlich prüfen lassen und dann schauen, wie weit wir auf diesem Wege kommen.

(Herr Borgwardt, CDU: In dritter Lesung ist Ihre Absicht! Das war die Frage!)

Es ginge, das auch im Ausschuss weiter zu beraten, wie Sie damit umgehen. - Für die CDU-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Kurze.

Meine sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In Sachsen-Anhalt gibt es laut Erhebung von TNS Infratest für die Landesmedienanstalten 59 000 DAB-Empfangsgeräte. Bei rund 1,18 Millionen Privathaushalten bedeutet das: Statistisch steht in jedem 20. Haushalt in unserem Land ein Digitalempfänger. Daher ist es notwendig, dass wir dem Bund folgen und die UKW-Übertragung um weitere zehn Jahre verlängern.

Die Verlängerung die UKW-Verbreitung ist ein wichtiges Signal an unsere Anbieter. Damit bekommen sie Planungssicherheit. Die Radioveranstalter finanzieren sich meistens über Werbeumsätze. Die wiederum frequentieren sich durch Einschaltquoten. Um erfolgreich wirtschaften zu können, muss privater Rundfunk auch nachweisen, dass er seine Hörer erreicht, und dafür, meine

sehr verehrten Damen und Herren, braucht er die Ultrakurzwelle.

Im Gesetzentwurf ist unter anderem auch eine Straffung des Verfahrens zur Zuordnung der terrestrischen Übertragungskapazitäten enthalten.

Bisher musste man zunächst ein Planungsvergabeverfahren der Rundfunkveranstalter bestimmen, und dann wurde die Frequenz von der Bundesnetzagentur koordiniert. Später erfolgte dann die Zuordnung dieser Frequenz durch die Staatskanzlei - entweder direkt an den öffentlich-rechtlichen Rundfunk oder über die MSA an den Privatrundfunk.

Beide Verfahren sollen nun laut Gesetzentwurf zusammengeführt und damit das Verfahren gestrafft werden. Diese Verfahrensstraffung ist sicherlich im Sinne der Veranstalter, die vorgesehene Gebührenpflicht der Zuordnungsentscheidung sicherlich nicht.

Dieser Gebührentatbestand wurde vom Ministerium der Finanzen - Minister Bullerjahn wird sich daran erinnern - bereits mit der Verordnung zur Änderung der allgemeinen Gebührenordnung vom 8. Juli 2013 als neue Nummer 92a in die Anlage zur allgemeinen Gebührenordnung aufgenommen. Der Landtag, meine sehr verehrten Damen und Herren, war hierbei außen vor.

Sachsen-Anhalt ist nun neben Bremen das einzige Land, das an dieser Stelle zukünftig Gebühren vorsieht. Wir als CDU-Fraktion sind der Auffassung, dass die Gebührenbelastungen für die Rundfunkveranstalter in unserem Land so gering wie möglich zu halten sind. Von daher plädieren wir auch dafür, es bei diesen 500 €, die bereits von den Vorrednern angesprochen wurden, belassen wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am Ende noch ein Wort zur kommunalen Wahlwerbung. Wir als CDU-Fraktion sehen es so, wie es zwölf der sechzehn Bundesländer bisher auch praktizieren. Für uns wäre es ein Beitrag zur Stärkung der Demokratie, des politischen Wettstreits vor Ort. Daher würden wir gern sehen, dass wir im parlamentarischen Verfahren nochmals über diese Frage diskutieren. Vielleicht lässt sich unser Koalitionspartner doch ein wenig bewegen. Es ist immer richtig, dass wir über alles reden. Dann finden wir sicherlich auch ein gutes Ende.

Meine Redezeit ist zu Ende. - Herzlichen Dank. Ich freue mich auf die Beratungen im Ausschuss.

(Beifall bei der CDU)

Danke sehr, Kollege Kurze. - Damit ist die Aussprache beendet. Wir stimmen jetzt über die Drs. 6/3006 ab. Es geht um die Überweisung des Gesetzentwurfs der Landesregierung in den Ausschuss für Bundesangelegenheiten, Europa und

Medien. Wer stimmt dem zu? Diejenigen bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind alle Fraktionen. Damit ist der Gesetzentwurf in den Ausschuss überwiesen worden. Wir beenden Tagesordnungspunkt 10.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 11 auf:

Erste Beratung

Wissenschaftliche Begleitung der Umsetzung der schulischen Inklusion in Sachsen-Anhalt

Antrag Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drs. 6/2999

Einbringerin ist Frau Professor Dr. Dalbert. Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir kehren jetzt zurück zum Bildungsblock des heutigen Nachmittags und zum Thema schulische Inklusion. Was bedeutet Inklusion und wann wollen wir von gelungener schulischer Inklusion reden?

Die UN-Behindertenrechtskonvention spricht jedem Menschen das individuelle Recht auf gemeinsames Lernen zu, und zwar unabhängig von der Art und der Schwere der Behinderung. Schulische Inklusion bedeutet die Verwirklichung dieses Rechts.

Die Verwirklichung dieses Rechts ist aufseiten der Wissenschaft und der Inklusionspolitikerinnen und -politiker, die Inklusion befürworten, mit der Erwartung verbunden, dass die Kinder mit speziellen Förderbedarfen im gemeinsamen Unterricht an den Regelschulen ihre Kompetenzen besser entwickeln können als durch Exklusion an den jeweiligen Förderschulen.

Auf der Seite der Gesellschaft ist die Verwirklichung dieses Rechts häufig mit Ängsten des Scheiterns verbunden und mit der Sorge um die Benachteiligung der Kinder ohne spezielle Förderbedarfe.

In einem erweiterten Sinne bedeutet inklusive Schule die Schaffung eines Schulsystems, in dem Heranwachsende mit sehr unterschiedlichen familiären, sozialen, physischen, psychischen und intellektuellen Voraussetzungen gemeinsam erfolgreich lernen und gemeinsam erfolgreich ihre Potenziale entfalten können. Schulische Inklusion bedeutet also die Umwandlung unseres Schulsystems hin zu einem Schulsystem, das für alle Heranwachsenden ein optimales Lern- und Entwicklungsumfeld bietet.

(Zustimmung von Frau Bull, DIE LINKE)

Wie gestaltet sich nun bei uns in Sachsen-Anhalt der Aufbau eines inklusiven Schulsystems? Wie weit sind wir auf dem Weg vorangekommen? - Der gemeinsame Unterricht ist seit 2001 im Schulgesetz ausgewiesen. Sie, Herr Minister, haben in der letzten Landtagssitzung dem Hohen Haus mitgeteilt, dass im Schuljahr 2013/2014 4 089 Schülerinnen und Schüler mit festgestelltem sonderpädagogischen Förderbedarf bereits an den allgemeinbildenden Schulen unterrichtet werden. Man spricht hierbei auch vom Inklusionsanteil. Der Inklusionsanteil in Sachsen-Anhalt liegt demnach für dieses Schuljahr bei gut 27 %.

Damit wir eine positive Entwicklung fortgeschrieben, die wir auch im Datenreport Inklusion der Bertelsmann-Stiftung nachlesen können. Danach betrug im letzten Schuljahr der Inklusionsanteil in Sachsen-Anhalt 24 % und befand sich damit schon auf dem Weg der Annäherung an den Bundesdurchschnitt von 28 %.

Aber nach wie vor gehört Sachsen-Anhalt zu den Bundesländern mit einer auffallend hohen Quote von Schülerinnen und Schülern mit einem gesetzlich festgestellten Förderbedarf. Insgesamt gab es im Schuljahr 2012/2013 15 400 Heranwachsende mit einem diagnostizierten sonderpädagogischen Förderbedarf. Das entspricht einer Förderquote von 9,4 %.

Damit liegt unser Anteil an dieser Förderquote deutlich über dem Bundesdurchschnitt von knapp 7 % und ist nahezu gleichauf mit dem Schlusslicht Mecklenburg-Vorpommern mit 10 %. Das heißt also, bei uns hat nahezu jedes zehnte Kind einen diagnostizierten Förderbedarf.

Mir ist keine schlüssige Antwort auf die Frage bekannt, warum wir denn eine so hohe Förderquote haben. Sind unsere Heranwachsenden tatsächlich problembelasteter als die Heranwachsenden in anderen Bundesländern? Oder diagnostizieren wir anders als in anderen Bundesländern? - Mir ist, wie gesagt, keine Antwort bekannt. Hierzu ist die schlüssige, wissenschaftlich fundierte Antwort noch offen.

Als Folge dieses eklatant hohen Förderbedarfs gehen bei uns in Sachsen-Anhalt trotz der zunehmenden gemeinsamen Beschulung von Förderkindern immer noch deutlich mehr Schülerinnen und Schüler auf Förderschulen. Dieser sogenannte Exklusionsanteil liegt bei uns bei 7 %, im Bundesdurchschnitt liegt er bei 5 %.

Was aber noch schwerer wiegt als die Tatsache, dass bei uns mehr Kinder auf Förderschulen exkludiert werden, als es im Bundesdurchschnitt der Fall ist, ist der Umstand, dass es unseren Förderschulen nicht gelingt, die Förderschülerinnen und Förderschüler zu einem qualifizierten Schulabschluss zu bringen. Auch hierzu wieder ein paar Zahlen; die sind bei dem Thema einfach notwendig.

Im Schuljahr 2012/2013 verließen in Sachsen-Anhalt knapp 84 % der Förderschülerinnen und Förderschüler die Schule ohne Schulabschluss. Der Bundesdurchschnitt liegt bei 73 %.

Noch eine Zahl: In Sachsen-Anhalt schafften nur 12,6 % der Förderschüler und Förderschülerinnen einen Hauptschulabschluss. Im Bundesdurchschnitt ist die Zahl nahezu doppelt so hoch.

Das heißt, wir exkludieren mehr Schüler in Förderschulen als andere Bundesländer und dann bringen wir sie nicht in ausreichendem Maße zu einem Schulabschluss.

Insgesamt betrachtet ist also noch viel zu tun. Wir müssen uns auf dem Weg zur erfolgreichen schulischen Inklusion verschiedenen Fragen stellen: Warum gibt es in Sachsen-Anhalt so viel mehr Heranwachsende mit speziellen Förderbedarfen als in anderen Ländern? Warum gelingt es in Sachsen-Anhalt so viel schlechter als in anderen Bundesländern, Förderschüler und Förderschülerinnen auf dem Weg zu einem Schulabschluss zu begleiten? Wie sehen die Lernerfolge der Heranwachsenden ohne spezielle Förderbedarfe im gemeinsamen Unterricht aus? Welche Bedingungen braucht es, um erfolgreich schulische Inklusion zu gestalten? Das heißt, welche räumlichen Bedingungen, welche Teams, welche Didaktik, welche Leitbilder und vieles mehr erforderlich ist.

Und schließlich: Welche Aus- und Fortbildung von Lehrern und Lehrerinnen braucht es und welche Schulentwicklungsbegleitung braucht es, um diesen anspruchsvollen Weg der Umwandlung unseres Schulsystems hin zu einem wahrhaft inklusiven Schulsystem zu begleiten?

Um schlüssige, wissenschaftlich fundierte Antworten auf diese Fragen zu finden, bedarf es einer unabhängigen wissenschaftlichen Begleitung der schulischen Inklusion.

Schulische Inklusion setzt nicht nur auf die gemeinsame Beschulung von Heranwachsenden mit und ohne Förderbedarf, schulische Inklusion nimmt auch sehr genau den Lernerfolg in den Blick. Erst dann, wenn alle Schüler und Schülerinnen zu dem für sie persönlich bestmöglichen Schulabschluss kommen und eine gute persönliche Entwicklung nehmen, können wir von einer erfolgreichen schulischen Inklusion sprechen. Es muss also für alle Kinder gut sein, für die Kinder mit Förderbedarf und für die Kinder ohne Förderbedarf.