Protocol of the Session on March 28, 2014

Dazu hatte ich ausdrücklich eingeladen.

(Oh! bei der LINKEN)

Aber das zeigt eben auch die Gratwanderung der LINKEN. Man hinterfragt das System mit demokratischen Mitteln und stellt es infrage. Damit hätte man wirklich kein Alleinstellungsmerkmal. Aber die Infragestellung des Systems mit demokratischen Mitteln und eine gewollte Unschärfe zu radikalen und autonomen Strukturen, das bezeichnen wir als Doppelstrategie. Das haben Sie in Ihrer Rede als Pluralität bezeichnet. Erstaunlicherweise sind wir da gar nicht so weit auseinander.

Wir haben Ihr Motto „Kraft zur Differenzierung“ vernommen.

(Frau Bull, DIE LINKE: Das war Ihres!)

Dazu hatte ich in meiner Rede auch Anlass gegeben. Den Nachfragen nach zu urteilen haben

Sie diese Differenzierung selbst natürlich nicht geübt. Jetzt lasse ich einmal den Klamauk vom Heiligen Vater weg.

(Zuruf von Frau Bull, DIE LINKE)

Aber die Behauptungen, Angst vor Wahlkampf oder die Themen kalter Krieg, rote Socken, Verächtungstransfer zwischen rechts und links, waren reine Ablenkungen von dem Thema.

Ein Machtwechsel ist normal, Herr Striegel. Wir reden heute in der Aktuellen Debatte über die Frage des Systemwechsels und nicht über die Frage des Machtwechsels. Es geht also um die Frage, ob man eine gestaltende Oppositionskraft innerhalb eines Parlaments mit den parlamentarischen Mitteln ist oder ob man in Opposition zu den gesellschaftlichen Verhältnissen in diesem Land steht, also in Opposition zu einem repressiven Polizei- und Rechtsstaat, wie er in den Gliederungen Ihrer Partei auch immer wieder bezeichnet wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Darum ging es, wenn man die vielen Ablenkungen weglässt. Man muss nicht Straftaten beklatschen, um für Autonome wählbar zu bleiben.

(Zurufe von Frau Bull, DIE LINKE, und von Frau Tiedge, DIE LINKE - Unruhe bei der LINKEN)

Ich möchte noch einmal aus dem GrundsatzProgramm der CDU Sachsen-Anhalt zitieren:

„Unsere Demokratie lebt von der Achtung der Menschenwürde und dem Respekt gegenüber Andersdenkenden. Jedwede Form von politischem und religiösem Extremismus stellt die Grundlage des Zusammenlebens infrage. Daher ist jeder Form von Radikalisierung und deren Verharmlosung mit Entschiedenheit und mit allen rechtsstaatlichen Mitteln entgegenzutreten.“

So, meine Damen und Herren, sollten wir es halten. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Danke schön. - Als nächster Redner spricht für die Fraktion Die LINKE noch einmal der Fraktionsvorsitzende Herr Gallert.

Wissen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, man fühlt sich als Fraktionsvorsitzender wirklich genötigt, jetzt noch einmal an das Mikrofon heranzugehen. Ich kann das, was Frau Budde sozusagen als historische Replik vorgetragen hat, absolut akzeptieren.

Herr Schröder, wir haben zwar die Möglichkeit, als Fraktionsvorsitzende zu jeder Zeit an das Mikrofon

zu treten. Aber wissen Sie, ich finde es nicht in Ordnung, das jetzt so auszuweiten, dass man jedes Mal praktisch die Debatte noch einmal neu aufmacht und Sie den nächsten Diskussionsbeitrag liefern.

(Zustimmung bei der LINKEN und bei den GRÜNEN - Zuruf von Herrn Borgwardt, CDU)

Irgendwann werden uns die parlamentarischen Geschäftsführer diese Möglichkeit wegnehmen, wenn Sie so weitermachen. Ich sage Ihnen das.

Ich komme zum zweiten Punkt. - Es geht schon los. - Sie haben natürlich versucht, die Rede meiner Landesvorsitzenden zu charakterisieren bzw. Ihr Bild unbedingt als letztes Wort stehen zu lassen. Das werden wir Ihnen natürlich nicht durchgehen lassen.

(Herr Schröder, CDU: Zu spät!)

Dazu will ich aber auch gar nichts weiter sagen, Herr Schröder, weil Ihnen heute sowieso alles missglückt ist.

Nächster und letzter Punkt. Das will ich ganz klar sagen, eine Freiheit ist uns natürlich absolut wichtig, und das ist gerade in diesem Gebäude natürlich die Religionsfreiheit. Wenn meine Landesvorsitzende den Papst zitiert, dann ist das kein Klamauk. Dann ist das ehrlich gemeint, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, und zwar in voller Hochachtung.

(Zustimmung bei der LINKEN - Lachen bei der CDU)

Sie haben mich dazu veranlasst nachzugucken, was die AKL so aufgeschrieben hat. Ich habe jetzt nicht alle 15 Seiten gelesen. Was ich gelesen habe, ist das, was Frau Bull zitiert hat, die Erklärung des Papstes, die mit den Worten „Diese Wirtschaft tötet“ überschrieben ist.

(Frau Budde, SPD: Das tut sie auch!)

Er beschreibt, dass dieser Kapitalismus tötet. Gegen seine Analyse ist alles das, was ich bei der AKL gefunden habe, extrem weichgespült.

(Herr Schröder, CDU: Sie machen gerade den Papst zum Anwalt für Kommunisten!)

Ich sage es noch einmal ausdrücklich, Herr Schröder: Wenn Sie diese Dinge nicht ernst nehmen, die bereits weit und breit in der Gesellschaft diskutiert werden, und zwar aus gutem Grund, dann werden Sie den Extremismusbegriff ins Unendliche ausweiten.

Ich empfehle Ihnen Folgendes: In der katholischen Kirche hat der Papst noch viel mehr zu sagen als bei uns der Landesvorsitzende bzw. die Landesvorsitzende. Wenn Sie so weitermachen, dann müssen Sie aufpassen, dass Sie demnächst nicht

alle Katholiken aus Ihrer Partei ausschließen. - Danke.

(Beifall und Heiterkeit bei der LINKEN)

Damit ist Aussprache zur Aktuellen Debatte beendet. Gemäß § 46 der Geschäftsordnung des Landtages werden hierzu keine Beschlüsse gefasst. Ich schließe diesen Tagesordnungspunkt.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 23 auf:

Erste Beratung

Auf dem Weg zu mehr inklusiver Bildung in den Schulen Sachsen-Anhalts

Antrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 6/2912

Für die Einbringerin hat die Abgeordnete Frau Bull das Wort.

Sehr geehrte Damen und Herren! Inklusion wird gehasst und geliebt, so ist meine Erfahrung in vielen unterschiedlichen Zusammenhängen. Woher kommt das? - Zunächst will ich sagen, dass Inklusion grundlegende Prämissen des Zusammenlebens infrage stellt. Ich denke, es ist kein Zufall, dass die Debatte um Inklusion nicht aus konservativen bildungsstarken Milieus stammt, sondern dass sie aus Teilen der Wissenschaft angestoßen wurde, die sich sehr stark mit Bildungsungleichheiten beschäftigen.

Inklusion wird vor allem von denen thematisiert, die sich selbst als benachteiligt oder behindert erleben. Die Idee der Inklusion thematisiert Ausgrenzung und Stigmatisierung. Sie stellt Bildungsprivilegien infrage und - das ist interessant - thematisiert Inklusion nicht nur als bildungspolitische Forderung, sondern gibt ihr eine demokratische Dimension. Es geht um Mitbestimmung über das, was gelernt wird, und darüber, wie und mit wem gelernt wird.

Als wäre das doch nicht genug, meint Inklusion in der Tat nicht nur Gleichstellung, sondern sie zielt auf ein anderes Bild von Normalität ab. Vielfalt ist normal - so wird gemeinhin formuliert -, und zwar in der Person jedes und jeder Einzelnen. Sie sollen Wertschätzung und Mitbestimmung erfahren. Denn unterschiedliche Lebenslagen sind derzeit auch sehr stark mit Wertehierarchien, mit Ausgrenzung und mit Stigmatisierung verbunden.

Ich will es einmal ein bisschen polemisch formulieren. Es geht nicht allein um die - in Anführungsstrichen - Zuführung von Menschen mit Behinderungen in das Regelschulsystem. Es ist weitaus mehr als der gemeinsame Unterricht, wenngleich

dies ein wichtiger und ein kleiner Baustein ist. Aber Betroffene von Inklusion sind wir alle.

Das klingt alles sehr abstrakt, hat aber sehr gravierende Auswirkungen auf alles das, was bisher ein Stückweit als gewiss und vertraut erschien. Mit anderen Worten: Inklusion bringt Sand ins Getriebe.

Der zweite Grund. Wandel - das wissen wir alle aus unseren persönlichen Zusammenhängen - birgt immer auch Ängste und Gefahren in sich, vor allem dann, wenn er von einer solch großen Tragweite ist. Politik, die darauf aus ist oder die zur Folge hat, dass öffentliche Kassen ausbluten, und die nur noch mit dem Tunnelblick von Schuldenabbau agiert, kommt mit solchen Visionen natürlich ganz unweigerlich in Kollision.

Inklusion ist nicht zum Nulltarif zu haben. Inklusion als Low-Budget-Modell ruiniert die Idee, meine Damen und Herren, entzieht ihr das Vertrauen und stärkt die Front der Ablehnung. Grundsätzliche, aber verbrämte Ablehnung einerseits und die berechtigte Sorge um das Gelingen andererseits führen an der Stelle zu heimlichen und unheimlichen Allianzen, in denen sich diese Motive miteinander kreuzen und gegenseitig stärken, und zwar die Motive, die genau genommen eben nicht das Gleiche wollen.

So sind die Debatten um die Frage der Inklusion oder, um es im kleineren Zusammenhang zu sehen, um inklusive Bildung in Schulen häufig emotional sehr aufgeladen.

Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Ich gehöre - das dürfte bekannt sein - keineswegs zu denjenigen, die die Idee der Inklusion auf eine Ressourcenfrage beschränken, nach dem Motto: Erst die Ressourcen sicherstellen und dann können wir inklusive Bildung organisieren. Ich denke, das ist es nicht. Ich wiederhole meinen schon sehr oft formulierten Satz: Inklusion ist in erster Linie eine Frage der inneren Haltung, meine Damen und Herren.