Ich stelle immer wieder fest, gerade wenn ich in die vom Hochwasser überfluteten Bereiche komme, dass viel Kopfschütteln herrscht, wenn wir versuchen, die Dinge vorzubringen, die wir für richtig halten. Die Leute nehmen uns noch nicht ab, dass alles so gut ist, wie Sie es geschildert haben. Diesbezüglich müssen wir noch besser werden, übrigens auch besser werden in der Öffentlichkeitsarbeit.
Last, but not least - 59 Sekunden habe ich noch - bleibt mir noch eines zu sagen: Wir haben viel über technischen Hochwasserschutz gesprochen. Den wird es in Zukunft weiter geben, auch über Deiche. Ich habe Sie, Herr Weihrich, nicht so verstanden, dass Sie die Deiche aufgrund des Bezugs zu der Klimaanpassung etc. pp. zwingend erhöhen wollen.
Ich glaube, der Hochwasserschutz durch Deiche, durch technische Anlagen kann insbesondere nur dann zu 100 % geleistet werden, wenn wir gleichzeitig die Mammutaufgabe lösen, Retentionsräume zurückzugewinnen, und zwar unabhängig davon, ob wir Deiche rückverlegen oder ob wir Polderflächen schaffen. Ohne Rückgewinnung der Retentionsräume ist alles nichts. - Vielen Dank, liebe Kollegen.
Danke schön, Kollege Bergmann. - Als Nächster spricht für die Fraktion DIE LINKE Herr Abgeordneter Lüderitz.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ja, die Große Anfrage - auch das wurde hier schon mehrfach erwähnt - wurde bereits am 21. August 2013 gestellt. Sie war damals nicht ganz unumstritten, weil die unmittelbare Bewältigung der Hochwasserfolgen im Mittelpunkt der Arbeit stand und die personelle Decke vor allem im LHW sehr dünn und die Anspannung sehr hoch war.
Der Kollege Bergmann hat den Dank insbesondere an Burkhard Henning schon vorweggenommen, aber ich möchte ihn an dieser Stelle wiederholen. Die Leistungen des Landesbetriebes für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft in diesem Zeitraum waren wirklich erstaunlich und sind zu würdigen.
Dafür hat aber die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ein sehr großes Zeitfenster zur Beantwortung eingeräumt. Ich denke, da relativiert sich einiges wieder. Auch das sollte man nicht außer Acht lassen. Die Antwort erreichte uns Anfang Februar 2014.
Der Analyseteil der Beantwortung ist umfassend und detailliert; auch das wurde hier schon gesagt. Damit kann man arbeiten.
Zwei Dinge fallen mir bei den Antworten der Landesregierung durchgängig auf. Es gibt offensichtlich ein zeitliches Loch zwischen den Zuarbeiten des Landesbetriebes und der Bearbeitung durch das Ministerium. Der LHW hat vermutlich Anfang Dezember 2013 seine Hausaufgaben gemacht, und das auch in sehr guter Qualität. Im Ministerium hat man das Ganze erst einmal liegengelassen und Ende Januar 2014 seinen Anteil hinzugefügt, ohne die Zuarbeiten zu aktualisieren.
Woran ist das zu erkennen? In der Antwort steht mehrfach: Entscheidung im vierten Quartal 2013 oder im Dezember 2013. Aber man sucht in dieser Antwort vergebens nach dem Inhalt der Entscheidung. - Herr Minister, ich finde, das ist eine Missachtung des Hohen Hauses.
Auch zeigt die Landesregierung überhaupt keine Sensibilität dafür, ihre bisherige Arbeit wenigstens in Ansätzen selbstkritisch zu hinterfragen. Bei der Vielzahl der Analysedaten könnte man das wenigstens annehmen. Aber auch da ist Fehlanzeige. Wir können immer nur nachlesen: Alles in bester Ordnung und es ist, wie Sie, Herr Dr. Aeikens,
immer so schön sagen, alles auf einem guten Weg. Leider ist das nicht in jedem Fall so. Ich möchte dies anhand von sechs Problemkreisen kurz darstellen.
Erstens. Aufgrund der Rahmenbedingungen - auch das wurde hier schon genannt -, der personellen und finanziellen Ausstattung der wasserwirtschaftlichen Einrichtungen des Landes, wird dem technischen Hochwasserschutz auch weiterhin der Vorrang eingeräumt.
Zweitens. Es gibt nach wie vor keine gesetzlichen Regelungen für die Schadensregulierung infolge der Inanspruchnahme von Flutungspoldern. Selbst der Staatsvertrag aus dem Jahr 2008 zum Havelpolder braucht eine einvernehmliche Regelung aller beteiligten Bundesländer, und dies nach jeder Inanspruchnahme. Ich habe das damals schon in diesem Hohen Haus kritisiert und kritisiere es nach wie vor. Das führt nämlich nicht dazu, dass die Flächeneigentümer ihre große Skepsis gegenüber solchen Regelungen ablegen.
Wir sollten dazu eine klare gesetzliche Vereinbarung treffen. Wenn wir mehr Polder brauchen und haben wollen - ich denke, das ist unstreitig -, brauchen wir klare Entschädigungsregelungen oder wir verschieben, wie auch im letzten Jahrzehnt, den Bau von Flutungspoldern auf den Sankt-Nimmerleins-Tag. Den Polder Mauken - auch das kann man der Antwort entnehmen - verschieben wir mit dem jetzt vorliegenden Hochwasserschutzkonzept bereits in die Zeit nach dem Jahr 2020.
Drittens Deichrückverlegungsmaßnahmen mit Retentionsflächenzuwachs. Das ähnelt sehr der Polderproblematik. Auch in diesem Fall wird eingeschätzt, dass es einerseits eine fehlende Flächenbereitstellung gibt, aber dass es andererseits in vielen Fällen ganz einfach nicht möglich war, schnell vollständige Planungsunterlagen beizubringen. Auch das hat Kollege Weihrich schon dargestellt. Das wiederum, meine ich, ist nicht dem LHW, dem Landesverwaltungsamt oder dem MLU anzulasten. Das ist die Widerspiegelung einer verfehlten Personalpolitik dieser Landesregierung.
Ja, ich kann vieles in der Planung an Dritte vergeben. Aber auch diese Unterlagen bedürfen gerade im Hochwasserschutz einer fachlichen und rechtlichen Prüfung sowie einer intensiven behördlichen Begleitung bei der Öffentlichkeitsbeteiligung und bei der Ausführung.
Deshalb kann ich mich bei der Personalentwicklung im wasserwirtschaftlichen Bereich eben nicht an der demografischen Entwicklung und an dem 1 000-Einwohner-Schlüssel orientieren. Das funktioniert nicht. Es ist völlig egal, wie viele Einwohner hier leben. Das Wasser fließt durch Sachsen-Anhalt. Es bedarf einer Personalplanung, basierend auf Flusskilometern. Dies gilt übrigens auch für die
Kommunen, die insbesondere für die Gewässer zweiter Ordnung und damit für die Vorflut Verantwortung tragen.
Das sieht die Koalition inzwischen wohl auch so. Wir kommen bei den nächsten Tagesordnungspunkten zumindest zu einigen Aspekten.
Der fünfte Problemkreis: Die Antworten zur Umsetzung des Hochwasserschutzkonzeptes 2020 haben mich besonders betroffen gemacht. Vermutet hatten wir es mehrfach; aber da es keine detaillierte Finanzplanung zu dem Konzept gab, war es schwer nachzuvollziehen.
Zum Zeitpunkt des Hochwassers im vorigen Jahr war bekanntlich das Zeitvolumen des bestehenden Hochwasserschutzkonzeptes bereits zu 25 % verstrichen. Mittel haben wir im Umfang von 10,7 % eingesetzt, also ganze 51 Millionen € von geplanten 500 Millionen € für den gesamten Zeitraum.
Ich möchte in diesem Zusammenhang auch daran erinnern, dass wir mehrfach, auch hier im Landtag, auf die Umschichtung von EU-Mitteln zuungunsten des Hochwasserschutzes aufmerksam gemacht haben. Die stereotype Antwort der Landesregierung lautete bis Juni 2013: Alles kein Problem, alles im Griff. Wir werden alle Mittel wie geplant umsetzen.
Ich möchte auch daran erinnern, dass die Landesregierung noch im Frühjahr 2013 verkündet hat, das Hochwasserschutzkonzept 2020 mit der Zielstellung der Streckung der Maßnahmen und der Mittelreduzierung für das Hochwasserschutzkonzept zu überarbeiten. Auch dazu findet man natürlich in der Antwort auf diese Anfrage keinerlei Bemerkungen.
Der Themenkomplex Katastrophenschutz wird natürlich umfänglich hinterfragt. Ja, auch meine Fraktion schließt sich der Einschätzung an. Die Leistungen der Menschen vor Ort sind nicht hoch genug einzuschätzen.
Es war überwältigend, wie die Menschen zusammenstanden, um Schlimmeres zu verhindern, und das Zusammenwirken der Rettungskräfte und Katastrophenschutzkräfte funktionierte bis auf wenige Ausnahmen sehr gut.
Zwei Dinge möchte ich aus der Analyse herausnehmen. Erstens. Es ist wichtig, die Zeitabfolge und den Rhythmus der Hochwasserübungen auf den Prüfstand zu stellen. Bezüglich der kreislichen Übungen haben wir teilweise Zeitabstände von bis zu fünf Jahren. Das halte ich für etwas problematisch.
Zweitens. Der LHW muss möglichst schnell die Sonderpläne Hochwasser gemeinsam mit den Kommunen überarbeiten. Ich weiß, dass man gegenwärtig dabei ist. Kritisch ist mir in diesem Zu
sammenhang die Formulierung aufgefallen, bei der es um die Einsatztechnik der Kommunen geht, die da lautet: Die Haushaltsmittel werden auch zukünftig als ausreichend betrachtet. - Ich denke, das sehen insbesondere die Kräfte vor Ort, in den Regionen völlig anders.
Zum sechsten und letzten Punkt, den rechtlichen Änderungsbedarfen: Ja, Herr Dr. Aeikens, da bin ich etwas anderer Auffassung als Sie. Wer sich die Mühe macht, die Anlagen 9 und 10 anzuschauen - das ist das, was Kollege Weihrich vorhin schon dargestellt hat -, kann sehr schnell den Handlungsbedarf erkennen. Es ist immer noch zu hinterfragen, wie man mit dem Bauen in Überschwemmungsgebieten umgeht. Ich meine, für Neubauten und grundhafte Sanierungen sollte es keinerlei Ermessensspielraum geben.
Auch wenn das kurz vor der Kommunalwahl unpopulär ist, bin ich diesbezüglich für eine nicht wegwägbare Entscheidung im Wassergesetz und in der Landesbauverordnung, was Bauen in Überschwemmungsgebieten betrifft. Hier müssen den Wasserbehörden wesentlich mehr Rechte eingeräumt werden.
Die Problematik der Versicherungspflicht hat man gekonnt umschifft, obwohl die Justizministerin diesbezüglich im Bundesrat bereits aktiv geworden ist. Aber auch hier sollten wir gemeinsam nach Lösungen suchen. Erste Ansätze, denke ich, sind dazu da.
Meines Erachtens macht die Beantwortung Folgendes deutlich: Wir können es uns nicht noch einmal leisten, bei der Umsetzung von Hochwasserschutzkonzepten aus fiskalischen oder anderen Gründen Maßnahmen zu schieben und zu strecken. Die Politik hat hier den Haushalts- und den gesetzlichen Rahmen so vorzugeben, dass es nicht zu einer Hochwasserdemenz kommt, wie es manche Betroffene befürchten.
- Herr Kollege Borgwardt, dieses Wort ist von den Fachleuten und von den Betroffenen gefunden worden. Es macht eigentlich deutlich, welche Verantwortung die Politik hat.
Ich hoffe auf eine recht intensive Diskussion in den Ausschüssen. Vor allem hoffe ich, dass wir die Antworten auch dazu nutzen, Veränderungen herbeizuführen. - Danke für die Aufmerksamkeit.
Danke schön, Herr Kollege Lüderitz. Es gibt eine Nachfrage. Möchten Sie diese beantworten? - Herr Kollege Bergmann.
Kollege Lüderitz, in Bezug auf die Überschwemmungsgebiete und die Bautätigkeit sind wir uns im Grundsatz einig; das weiß ich. Dennoch die Frage: In den Bereichen der Unterläufe, in tieferliegenden Bereichen wie zum Beispiel Fischbeck oder auch Breitenhagen sind teilweise Häuser erstmalig unter Wasser gewesen, die in der Vergangenheit nie unter Wasser gewesen wären, zum Beispiel deswegen, weil im Oberlauf weiter versiegelt wurde oder Retentionsräume abgeschnitten wurden.
Wie - ich sage das so brachial - würden Sie da vorgehen? Denn diese Leute können nichts für das, was im Oberlauf passiert ist. Würden Sie diesen Menschen auch den Wiederaufbau oder die Sanierung untersagen, damit sie an anderer Stelle siedeln? Das interessiert mich sehr, weil auch ich nicht weiß, wie ich damit umgehen soll.
Mein lieber Kollege Bergmann, wenn Sie die Antworten richtig gelesen haben und auch meine Diskussion kennen, was die Benehmens- und Einvernehmensregelung betrifft, dann will ich nur so viel antworten: Fischbeck ist definitiv kein Überschwemmungsgebiet in dem Sinne, in dem wir davon reden. Ich rede hier insbesondere von den Baugebieten - das Beispiel Zeitz ist genannt worden -, wo zum Beispiel das Industriegebiet weiter revitalisiert wird, obwohl man weiß, dass man dort kaum Chancen hat, einen vernünftigen Hochwasserschutz - oder wenn, dann nur mit erheblichem Aufwand - hinzubekommen. Man könnte auch die Diskussion zum Gimritzer Damm, die wir letztens im Umweltausschuss hatten, noch einmal anführen.
Muss ich, wenn ich solche Baugebiete weiter ausbaue oder in ihnen grundhaft saniere, weiterhin diesen Weg gehen, hier Geld hineinzupumpen, um hinterher von der öffentlichen Hand, wenn es zu Überschwemmungen kommt, erneut Geld hineinzupumpen, um die Schäden zu beseitigen?
Ich halte eine Einvernehmensregelung nach wie vor für zwingend. Wenn die untere Wasserbehörde bzw. der LHW, wenn es Gewässer erster Ordnung sind, sagt: Es funktioniert an dieser Stelle nicht, dann muss es zwingend sein, dass die Kommune an dieser Stelle nicht bauen oder grundhaft sanieren darf. Das ist meine ganz klare Auffassung dazu.
Weitere Nachfragen gibt es nicht. Vielen Dank, Kollege Lüderitz. - Wir fahren in der Aussprache fort. Als Nächster spricht für die Fraktion der CDU Herr Abgeordneter Leimbach.