Protocol of the Session on March 27, 2014

Wir sind auch zu der Auffassung gekommen, dass die Auswertung des Hochwasserereignisses vor allem Sinn macht, wenn man alle Akteure an einen Tisch holt. Aus diesem Grunde habe ich alle Landkreise und kreisfreien Städte in unserem Lande besucht und Gespräche zur Auswertung des Hochwasserereignisses sowie zu den aus der Sicht der Kommunen erforderlichen Handlungsbedarfen geführt. Viele Abgeordnete haben dankenswerterweise an diesen Gesprächen teilgenommen.

So ist sichergestellt, dass in die weiteren Betrachtungen auch die Anliegen der Kommunen einbezogen werden können. Nur so entsteht ein gesamtes bzw. rundes Bild und nur so können wir abgestimmt mit den Kommunen handeln.

Die im Rahmen dieser Gespräche gewonnenen Erkenntnisse fließen nun in die weiteren Betrachtungen sowie in die Aktualisierung der Hochwasserschutzkonzeption des Landes ein. Diese Konzeption werden wir im Sommer vorlegen.

Eine wichtige Erkenntnis aus diesen Gesprächen war, dass ein Programm zur finanziellen Unterstützung der Kommunen bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben in Bezug auf den Hochwasserschutz erforderlich ist. Wir erwägen, ein diesbezügliches Programm aus EU-Mitteln aufzulegen und stehen dazu im Austausch mit der EU-Kommission.

Auch dies zeigt, meine Damen und Herren, wie wichtig der Landesregierung das Thema Hochwasserschutz ist.

Neben der Bereitstellung dieser zusätzlichen Mittel ist es gelungen, die im Land maßgebliche Behörde bei der Realisierung der Hochwasserschutzmaßnahmen, den Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft, und das Landesverwaltungsamt personell aufzustocken. Die Einstellung der ersten zusätzlichen Bediensteten steht unmittelbar bevor.

Für die Schaffung dieser Möglichkeiten möchte ich mich ausdrücklich bei unserem Ministerpräsidenten Dr. Haseloff und beim Finanzminister Herrn Bullerjahn herzlich bedanken.

(Zustimmung bei der CDU und bei der SPD)

Die erforderliche finanzielle und personelle Ausstattung ist aber nur ein Baustein der Verbesserung des Hochwasserschutzniveaus. Ein weiterer ebenso wichtiger Aspekt ist die Akzeptanz der Hochwasserschutzmaßnahmen in der Bevölkerung.

Hochwasserschutz ja, aber nicht vor meiner Haustür - mit dieser Auffassung müssen sich die Fach

leute vor Ort häufig auseinandersetzen trotz einer sehr intensiven Informationspolitik des Landeshochwasserbetriebes und trotz einer unermüdlichen Kommunikationsbereitschaft. Hier müssen wir weiter Öffentlichkeitsarbeit und Überzeugungsarbeit betreiben.

Meine Damen und Herren! Zur Information gehört aber nicht nur das Gespräch über geplante Hochwasserschutzmaßnahmen, sondern auch die Darstellung des Hochwasserrisikos. Wir kommen auch hier weiter voran.

Es freut mich, dass auf den Internetseiten der Internationalen Kommission zum Schutz der Elbe, IKSE, am 19. März eine interaktive Karte veröffentlicht wurde. Diese ermöglicht einen zentralen Zugriff auf die Hochwassergefahren und Risikoarten Deutschlands sowie der Tschechischen Republik im Einzugsgebiet der Elbe.

Selbstverständlich stehen diese Karten auch auf den Internetseiten des Landesbetriebes für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft zur Verfügung. Darüber hinaus besteht seit Kurzem für Nutzer von mobilen Geräten die Möglichkeit, die Hochwassergefahrenkarten des Landes SachsenAnhalt für das Szenario eines 100-jährigen Ereignisses über eine App aufzurufen.

Sie sehen daran, dass wir der Bitte um Information ausdrücklich nachkommen. Das tun wir auch in einem weiteren Punkt. Die Informationen, die den Hochwasserrisko- und Hochwassergefahrenkarten Sachsen-Anhalts zugrunde liegen, werden dem Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft zur Einbindung in das Informationssystem „ZÜRS Geo“, dem Zonierungssystem für Überschwemmungsrisiko, Rückstau und Starkregen, zur Verfügung gestellt.

Damit stellen wir sicher, dass die Versicherungsunternehmen auf aktuelle und offiziell ermittelte Daten bei der Beurteilung der Versicherbarkeit von Grundstücken zurückgreifen können. Es ist dann vorgesehen, eine öffentliche Plattform ZÜRS-Public in Sachsen-Anhalt zügig einzuführen.

Meine Damen und Herren! Das Thema Baurecht haben wir ebenfalls im Auge. Wir können beobachten - natürlich sind in den 90er-Jahren Sünden begangen worden -, dass die Sensibilität aufgrund der Informationspolitik und der vielen Gespräche mit den Kommunen gewachsen ist. Ich glaube, dass die Ausweisung weiterer Baugebiete in Risikogebieten der Vergangenheit angehören wird. Ich setze hierbei auf die Vernunft der kommunalen Verantwortungsträger, meine Damen und Herren.

Lassen Sie mich abschließend noch auf ein Thema eingehen, das mir besonders wichtig ist. Für zusätzliche Polder- und Retentionsflächen werden über die bisherigen Planungen hinaus im Sommer die Suchräume für weitere Standorte vorgestellt.

Meine Damen und Herren! Wir sind hier schon sehr ambitioniert unterwegs. Wir haben 17 Polder- und Deichrückverlegungsprojekte. Ich kenne kaum ein Bundesland, das in dieser Sache ähnlich stark engagiert ist wie Sachsen-Anhalt. Richtig ist, Polder- und Rückverlegungsprojekte dauern in der Realisierung länger als Deicherhöhungsmaßnahmen und die Errichtung sonstiger Hochwasserschutzanlagen.

Insofern ist die Strategie richtig, zunächst einmal den Grundschutz herzustellen und parallel dazu zu prüfen, wo wir dem Fluss mehr Raum geben können. Das haben wir vor; das werden wir tun; das ist Bestandteil unserer Planung.

Wie Sie meinen Ausführungen und den Antworten auf die 110 Fragen entnehmen können, haben wir in den neun Monaten nach dem Hochwasserereignis vieles erreicht, um die Menschen an den Flüssen unseres Landes vor zukünftigen Ereignissen besser zu schützen. Es bleibt aber auch noch viel zu tun. In den kommenden Wochen wird dies auch in der Landschaft sichtbar werden, wenn weitere Bauarbeiten beginnen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hochwasserschutzpolitik ist ein elementares und prioritäres Anliegen dieser Landesregierung. Wir werden den Schutz unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger vor den Gefahren des Hochwassers engagiert in den nächsten Jahren weiter voranbringen. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung von der Landesregierung)

Danke schön, Herr Minister. - Wir fahren fort in der Aussprache. Als nächster Redner spricht für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Herr Bergmann.

Heute lässt hier jeder etwas liegen.

(Herr Bergmann, SPD, nimmt das Redema- nuskript von Minister Herrn Dr. Aeikens vom Rednerpult und bringt es zu dessen Platz - Heiterkeit bei allen Fraktionen - Minister Herr Dr. Aeikens: Vielen Dank!)

- Ich bin sonst nicht nachtragend. - Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, es ist die dritte oder vierte Debatte zum Thema Hochwasser im Landtag. Oft wurde auch in den Ausschüssen darüber beraten.

Ich freue mich darüber, dass wir heute wieder über das Hochwasser debattieren und dass das Hochwasser unsere Köpfe noch nicht verlassen hat, wenn ich das einmal so sagen darf. Vor Ort wird uns Politikern oft genug vorgeworfen, dass wir eine

gewisse Hochwasserdemenz haben und viele das Thema schon vergessen haben. Ich hoffe, wir können einige der Betroffenen von dem Gegenteil überzeugen, auch mit der heutigen Debatte.

Ich möchte als Allererstes meinen Dank aussprechen, weil es mir ein besonderes Bedürfnis ist. Ich würde Herrn Burkhard Henning, den Leiter des Landesbetriebes LHW, sogar zum Mitarbeiter des Jahres der Landesverwaltung machen.

(Zustimmung bei der SPD und bei der LIN- KEN)

Ich möchte das kurz begründen. Es geht nicht darum, dass jede Entscheidung von ihm richtig war. Aber er hat erstens nicht die Möglichkeit, hier zu reden und viele Dinge zu erklären. Er hat zweitens die Aufgabe, vor Ort sämtliche Kritik, ob sie berechtigt oder unberechtigt ist, abzufangen.

Ich habe letztens erlebt, als er auf die Mammutaufgabe, die er zurzeit zu leisten hat, angesprochen wurde, hat er gesagt, er mache sich keine Gedanken um sich oder um seine Mitarbeiter. Wir wissen, wie es teilweise um die Mitarbeiter bestellt ist, die in den letzten Wochen und Monaten ein Wahnsinnspensum bewältigt haben. Deswegen, denke ich, ist es einmal nötig, sich bei ihnen zu bedanken.

(Zustimmung bei der SPD und bei der LIN- KEN)

Dank auch an den Fragesteller der Großen Anfrage. Das bringt dann doch manche neue Erkenntnis, aber eben nicht nur. Herr Kollege Weihrich, ein bisschen Politik müssen wir ja auch machen.

Ich kann nicht verstehen, wie man zehn Monate nach dem Hochwasserereignis zum x-ten Male die Blaue Keiljungfer bemühen muss, um Kritik an der Landesregierung zu üben. Das hat Ihre Fraktion schon x-mal über Presse, Funk und Fernsehen bekannt gegeben. Ich glaube, das Thema ist längst erledigt. Ich glaube auch, im Hinblick auf den Naturschutz müssen wir uns in SachsenAnhalt nicht verstecken, auch nicht im Zusammenhang mit den Verfahren zu den Hochwasseranlagen.

(Zustimmung bei der SPD und bei der LIN- KEN)

Ich will ausdrücklich noch einmal darauf hinweisen, dass wir eine ganz elegante Eingriffsregelung im Naturschutzgesetz kreiert haben, die zwar noch sehr jung ist und vielleicht auch nicht voll greift, aber nach der durch die Erarbeitung von Komplexmaßnahmen vorgearbeitet werden kann und zum Beispiel in Zukunft, auch als Service für den LHW oder andere, Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen ständig zur Verfügung stehen, sodass bestimmte Dinge sehr schnell umgesetzt werden können. Wir müssen uns dabei nicht immer nur schlecht ma

chen, schon gar nicht da, wo wir es richtig gut machen.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Sicherlich, die fachliche Diskussion, die ich sowieso lieber in den Ausschüssen führe, über die Sicherheit der Deiche - - Ich habe vor wenigen Tagen noch einer Veranstaltung mit Herrn Henning und Herrn Kürschner beiwohnen dürfen. Sie haben noch einmal über das neue Bemessungshochwasser gesprochen, woraufhin die Deiche abgeglichen werden müssen oder teilweise schon abgeglichen sind. Der LHW zeigt auch ganz mutig die Karten mit den rot markierten Deichen, also denjenigen, die noch nicht zu 100 % den maximalen Anforderungen entsprechen. Das sind noch jede Menge Deiche. Dabei handelt es sich um eine Riesenaufgabe, die geleistet werden muss.

Natürlich kann man heute klar und deutlich sagen: Das Land Sachsen-Anhalt ist noch nicht da, wo es hinkommen muss, was die Deichsicherheit angeht. Da ist noch viel zu bauen, es ist noch viel umzusetzen, da ist viel zu tun.

Ich finde jede Diskussion, die wir im Zusammenhang damit führen, auch richtig und wichtig. Um noch einmal den einen oder anderen neuen Aspekt anzuführen: Wir diskutieren - ich hoffe, demnächst auch noch einmal im Umweltausschuss - darüber, inwieweit Bergbaufolgelandschaften, also Restlöcher, für die Rückhaltung von Wasser genutzt werden können. Ich muss aber zu bedenken geben, dass dies kein Automatismus ist. Wenn ich ganz hinten Frau Take als Vorsitzende des Ausschusses für Vernässungen sehe, muss ich betonen: Wir wissen, dass das Fluten von Tagebauen auch immer andere Nachfolgeprobleme mit sich bringen kann.

Ich möchte aber auch die Thematik der Bebauungspläne ansprechen. Herr Weihrich, Sie wollen nachher noch darauf eingehen. Ich halte es schon für wichtig - ich habe das an mehreren Stellen gesagt -, dass wir den Gemeinden die Möglichkeit geben, gerade in den überschwemmungsgefährdeten Bereichen neue Flächennutzungspläne aufzustellen, ihre Bauleitplanung neu zu ordnen.

Ich habe mehrfach gesagt, sie können, gerade nach der Gebietsreform, diese Flächennutzungspläne aus eigener Kraft nicht erstellen, weil schlicht und ergreifend das Geld fehlt. In diesen Mengen ist das Geld nicht vorhanden. Wir müssen als Land überlegen, ob wir die Gemeinden dabei unterstützen können.

Ich werde aber eines nicht tun: Ich werde die Kommunen nicht aus der Verantwortung entlassen.

(Zustimmung von Frau Grimm-Benne, SPD, und von Frau Niestädt, SPD)

Ich halte nichts davon, dass wir sagen, wir müssen verbieten, in bestimmten Bereichen zu bauen, sondern die Verantwortung muss in den Kommunen bleiben. Es muss - diesbezüglich gebe ich Ihnen Recht - damit aufhören, dass man, wenn das Hochwasser zwei Jahre vorbei ist, sich doch wieder Filetstückchen heraussucht, weil man von einem Grundstück vielleicht besonders schön die Elbe sehen kann und dann sagt, dort muss jetzt unbedingt gebaut werden. - Nein, da müssen wir konsequenter werden. Aber das müssen eben auch die Kommunen.

Was habe ich noch auf meinem Zettel stehen? Ich hatte eine andere Rede vorbereitet, aber ich wollte dann auf Sie eingehen. Ich glaube, ich habe die wesentlichen Aspekte beigetragen.

Vielleicht noch zu Herrn Dr. Aeikens: Ja, Herr Dr. Aeikens, wir sind in der Sache nah beieinander, insbesondere in den Regierungsfraktionen und in Zusammenarbeit mit dem MLU. Dennoch muss ich sagen, bei Ihrer Rede hätte es in den Hochwassergebieten trotzdem das eine oder andere Kopfschütteln gegeben. Die Leute dort sind auch noch zum jetzigen Zeitpunkt sehr, sehr kritisch eingestellt. Das ist immer so eine Mischung von Ortskennern, die manchmal besser als der LHW wissen, was vor Ort zu tun ist. Manchmal ist es aber auch ein falscher Gedanke, der da kommt. Wir müssen aber die Leute dort sehr ernst nehmen.

Ich stelle immer wieder fest, gerade wenn ich in die vom Hochwasser überfluteten Bereiche komme, dass viel Kopfschütteln herrscht, wenn wir versuchen, die Dinge vorzubringen, die wir für richtig halten. Die Leute nehmen uns noch nicht ab, dass alles so gut ist, wie Sie es geschildert haben. Diesbezüglich müssen wir noch besser werden, übrigens auch besser werden in der Öffentlichkeitsarbeit.