Protocol of the Session on February 27, 2014

Deshalb will ich ein paar Anmerkungen zu dem Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE machen.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Teilhabe von Kindern und Jugendlichen spielte nicht nur in unseren Debatten der letzten Jahre eine große Rolle. Eigentlich ist das in der gesamten Kinder- und Jugendarbeit so - zumindest seitdem ich sie gestaltet habe, als ich noch nicht grau war.

(Frau Budde, SPD, und Frau Grimm-Benne, SPD, lachen)

Denn die Möglichkeit, wie Kinder und Jugendliche sich bewegen, wie sie ihr Leben gestalten, hängt sehr stark davon ab, welche Teilhabemöglichkeiten man ihnen einräumt. Von daher verstehe ich das Anliegen nur allzu gut.

Das Zweite, was mich bei den Ausführungen von Frau Bull neugierig gemacht hat, ist die Frage - dazu hätte ich auch nachgefragt -, wie die Kinder und Jugendlichen bei einem solchen Gesetz, das in der Überschrift „Teilhabe“ suggeriert, beteiligt und an welchen Stellen nicht in Verbänden organisierte Jugendliche und in den Verbänden organisierte Jugendliche einbezogen worden sind. Wo finden sich diese wieder? Was ist sozusagen der Punkt, bei dem sie sagen: Das sind Angebote und Handlungsfelder, die Jugendliche selbst sehen?

Darüber können wir im Ausschuss sprechen, da der Gesetzentwurf sowieso dorthin überwiesen wird, und beraten, wie man es macht. Richtig ist allerdings - deshalb will ich es bei den Bemerkungen belassen und nicht direkt auf das Gesetz eingehen -, dass die Demokratie davon lebt, dass Menschen Teilhabemöglichkeiten haben. Diese beziehen sich aber nicht nur darauf. Ich beteilige mich nicht daran zu beurteilen, wann ein Mensch reif ist; denn das gilt für das Alter ebenso wie in jungen Jahren.

Demokratie lebt nicht allein davon, dass man einmal entscheidet oder eine Mehrheitsentscheidung erlebt. Kinder und Jugendliche leben davon, dass sie mitmachen können,

(Zustimmung von Frau Niestädt, SPD)

dass man sie ernst nimmt, dass das, was sie selbst vorschlagen und umsetzen können, möglichst tagtäglich Wirklichkeit wird und nicht aller vier oder fünf Jahre. Daher lege ich darauf den größeren Wert.

Zu der Frage der eigenständigen Jugendpolitik. Das hat mich schon beim letzten Mal beschäftigt. Was bedeutet eigentlich „eigenständig“? Das kam ja von den GRÜNEN. Ich dachte immer, alle sind eigenständig: Die Älteren, die Eltern; jeder Mensch ist eigenständig. Was bedeutet das eigentlich?

Wenn eigenständig heißt, ich grenze mich von anderen ab, dann finde ich es nicht gut, auch nicht im Sinne der Inklusion. Denn dabei läuft es mehr auf das Miteinander hinaus: Die Älteren müssen auf Jüngere Rücksicht nehmen und umgekehrt; man muss für die anderen mitdenken; wir sind eine Gesellschaft.

Aber ich habe mich in den letzten Wochen mit der Thematik beschäftigt: Eigenständig meint - das haben Sie sicherlich auch so gemeint -, dass Jugendliche und Kinder selber und eigenständig formulieren, was sie wollen, was sie umsetzen möchten, welche Ansprüche sie haben, wie sie sich beteiligen wollen. Anders könnte ich es nicht verstehen. Ich halte es für richtig, dass wir hierfür Möglichkeiten schaffen.

Es bleibt zu fragen, ob wir hierfür ein Gesetz benötigen. Brauchen wir für Partizipationsmöglichkeiten von Kindern und Jugendlichen gesetzliche Grund

lagen, womöglich auch verfassungsrechtliche Änderungen, oder können wir das auch anders regeln? - Diese Frage würde ich gern während der Ausschussberatungen erörtern. Auch möchte ich fragen, was Jugendliche selber denken. Das sind die existenziellen Fragen, die man zwar gesetzlich regeln kann, man aber auch darüber diskutieren sollte, ob es Kinder und Jugendliche selbst so wollen.

Zum Entschließungsantrag. Den ersten Teil des Entschließungsantrags halte ich für bedenklich; denn der Landesjugendhilfeausschuss ist ein Teil der Exekutive, der Verwaltung. Zumindest wäre es systemfremd, diesem Sonderanhörungsrechte zu gewähren, die man anderen nicht gewährt. Daher sollte man sich das gut überlegen. Ich werde es nicht unterstützen.

Den zweiten Punkt des Entschließungsantrags greife ich gern auf, dass im Fortbildungskatalog des Landesjugendamtes Fragen bezüglich der Moderatoren und Moderatorinnen, der Beteiligung und Partizipation von Kindern und Jugendlichen aufgenommen werden. Das halte ich für richtig.

Man kann von den Jugendlichen auch nicht erwarten, dass sie sofort sagen, was sie wollen. Dann sagen sie nichts. Sie brauchen auch ein Stück weit Anleitung und Erlebnisse, um am Ende des Weges zu wissen, welchen Weg sie gehen wollen und was sie im jeweiligen Alter, im jeweiligen Umfeld und am jeweiligen Ort machen wollen. Das sollte man mit ihnen gemeinsam tun. Dabei sollten alle Jugendlichen einbezogen werden, nicht nur diejenigen, die in Verbänden organisiert sind. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Minister. - Herr Gallert, Sie wollen dem Minister eine Frage stellen?

Der Minister eilt zum Pult. Das heißt, er will Ihre Frage beantworten. Sie haben das Wort für Ihre Frage.

Ob Frage oder Bemerkung, ist zunächst irrelevant. - Herr Minister, Sie haben gefragt, wie wir Kinder und Jugendliche bei der Erarbeitung dieses Gesetzentwurfes beteiligt haben. Das hat die Kollegin Bull umfangreich erläutert. Deswegen möchte ich es nicht wiederholen.

Ich möchte auf eine Schwierigkeit hinweisen: Es ist kein Verfahren, das nur wir gemacht haben, und

es ist kein Verfahren, das völlig ungeübt wäre. Das große Problem ist aber, dass sich Kinder und Jugendliche in dem Fall, in dem sie den Eindruck haben, dass mit ihnen Demokratie geübt oder gespielt wird, genauso wenig an diesen Prozessen beteiligen wie Ältere. Erst wenn klar wird - das ist auch unsere Erfahrung -, dass ihre Beteiligung direkt politische Entscheidungen beeinflusst, dann werden sie sehr aktiv und dann mischen sie sich auch ein. Diese Erfahrung ist eine Bestärkung für uns, diesen Gesetzentwurf vorzulegen. - Danke.

(Minister Herr Bischoff: Ich habe eine Be- merkung!)

Sie dürfen bemerken, Herr Minister.

Ich habe das wohlwollend zur Kenntnis genommen. Ich wusste nicht, dass sie den Weg über das Internet und andere Möglichkeiten gegangen sind, um junge Leute zu beteiligen. Frau Bull hat ja beschrieben, welche Schwierigkeiten es dabei gibt. Das ist unbenommen. Nicht alle nutzen diese Netze. Die Jugendlichen haben eine Vielzahl von Möglichkeiten, sich selbst zu organisieren und etwas zu nutzen.

Ich möchte Ihre Anregung aufnehmen. Es gibt noch immer den Auftrag des Landtages an die Landesregierung, ein eigenständiges jugendpolitisches Programm zu erstellen. Dieses Programm werden nicht wir als Haus vorlegen. Es wird nicht von Ministeriellen erarbeitet, sondern gemeinsam mit Kindern und Jugendlichen. Das ist kein einfacher Prozess. Daran können nicht nur Jugendliche, die in Verbänden organisiert sind, teilnehmen, sondern viele andere mehr.

Deshalb wird es geraume Zeit dauern, bis dieses Programm vorgelegt wird. Wir werden es gemeinsam mit den Kinder- und Jugendverbänden erarbeiten, aber nicht ausschließlich mit diesen. Darauf bin ich gespannt. Wir legen also nicht etwas vor, was kritisiert werden kann, sondern es muss von den Kindern und Jugendlichen selber getragen werden.

(Herr Borgwardt, CDU: Genau so, Herr Mi- nister!)

Vielen Dank, Herr Minister. - Nun hat Kollege Jantos das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf sowie dem dazugehörigen Entschließungsantrag will

die Fraktion DIE LINKE die Rechte von Kindern und Jugendlichen stärken und auch verfassungsrechtlich verankern. Der Gesetzentwurf bündelt eine Reihe von Initiativen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und auch der Antragstellerin, deren Zusammenhänge sich teilweise bereits im Beratungsgang des Landtages befinden.

Zu einer Reihe der im Gesetzentwurf enthaltenen Vorschläge ist eine Position meiner Fraktion hinreichend bekannt. Daher möchte ich das nicht wiederholen.

Dass die CDU-Fraktion einer Änderung der Landesverfassung sowie der Absenkung des Mindestwahlalters skeptisch gegenübersteht, dürfte niemanden von Ihnen überraschen. Dass die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Mindestwahlalter sogar auf 14 Jahre absenken will, überrascht nicht. Die Begründung dazu wirft allerdings eine Vielzahl von Fragen auf. Wer das Wahlalter von der Volljährigkeit abkoppeln will, braucht dafür gute Gründe.

(Frau Lüddemann, GRÜNE: Die haben wir! - Herr Striegel, GRÜNE: Haben wir!)

Bei der Festlegung des Wahlalters geht es um die Anwendung allgemein akzeptierter Kriterien, die frei von politischem Manipulationsverdacht sind. Dabei ist die Verknüpfung von Wahlrecht und Volljährigkeit die stichhaltigste und plausibelste Regelung.

Der innere Zusammenhang zwischen Wahlalter und Volljährigkeit konkretisiert sich in der Frage, warum jemand über die Geschicke der Gesellschaft mitentscheiden soll, den diese Gesellschaft noch nicht für reif genug hält, seine eigenen Lebensverhältnisse selbständig zu regeln.

Wer die Wahlberechtigung von der Volljährigkeit entkoppelt, löst zugleich den Zusammenhang zwischen Bürgerrechten und Bürgerpflichten auf. Vornehmste Bürgerpflicht ist nämlich die Übernahme der vollen Verantwortung für die Folgen des eigenen Handelns, wie sie mit der durch die Volljährigkeit gewährten vollständigen Entscheidungsfreiheit des Bürgers einsetzt.

Die Wahlberechtigung für Minderjährige ist ein Widerspruch in sich, weil sie das Wahlrecht von der Lebens- und Rechtswirklichkeit abkoppelt.

Wer noch 16 Jahre alt ist, darf zwar Mofa fahren, aber kein Auto lenken, zwar Bier trinken, aber keine hochprozentigen Alkoholika zu sich nehmen, und ohne Erlaubnis der Eltern eine Diskothek nur bis Mitternacht besuchen. Heiraten darf man zwar ab 16 Jahren, aber nur, wenn ein Familiengericht dazu die Genehmigung erteilt und der Ehepartner bereits volljährig ist. Kaufverträge, die von Jugendlichen unter 18 Jahren geschlossen werden, sind nach dem sogenannten Taschengeldparagraph nur wirksam, wenn sie aus Mitteln bezahlt werden,

die von Erziehungsberechtigten überlassen wurden.

Es ist auffällig, dass auch die Befürworter einer Absenkung des Wahlalters nicht vorschlagen, dass an diesen genannten Alterseinschränkungen etwas geändert wird. Sie plädieren nicht für eine Absenkung der Volljährigkeit. Das Kriterium der Volljährigkeit schützt auch vor Willkür bei der Festlegung des Wahlalters je nach eigener politischer Interessenlage.

Es ist sicherlich berechtigt, sich darüber Gedanken zu machen, ob und wie die Partizipation von Kindern und Jugendlichen verbessert werden kann. Minister Herr Bischoff hat darauf hingewiesen.

Anlässlich der Beratung des Antrages der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu dem Thema „Eine eigenständige Jugendpolitik für Sachsen-Anhalt - Weiterentwicklung des jugendpolitischen Programms“ sowie des Änderungsantrages der Regierungsfraktionen in der Landtagssitzung am 13. Dezember 2012 ist vieles hierzu gesagt worden. Ich will dies nicht erneut vortragen.

Auch die CDU-Fraktion hat erhebliche Zweifel, ob die Beteiligungsmöglichkeiten, wie sie der Gesetzentwurf vorsieht, tatsächlich eine Verbesserung darstellen. Was wären die Folgen, wenn dieses Gesetz das Licht der Welt erblicken würde? Welche Personengruppen würden danach die gleichen oder zumindest ähnliche Rechte für sich reklamieren?

Ich glaube nicht, dass von derartigen Interessen geleitete Gesetze zu einer Verbesserung der Beteiligung und Teilhabemöglichkeiten führen würden. Auch die Praktikabilität solcher Regelungen ist zu hinterfragen. Die bisherigen Erfahrungen auf anderen Gebieten zeigen, dass die Beteiligungsrechte in der Regel zu erheblichen Verzögerungen bei der Umsetzung von Vorhaben führen und sich Entscheidungswege derart verlängern, dass wir uns hinterher über die Verfahrungsdauer beklagen.

(Herr Striegel, GRÜNE: Oh!)

Aus diesen Überlegungen werden wir den im Entschließungsantrag unter Ziffer 1 beschriebenen Vorstoß ausdrücklich nicht unterstützen. Herr Minister Bischoff führte das gerade aus.

Hierzu schließe ich die Frage an: Wird es zum Beispiel anschließend Regelungen für den Bereich der Senioren und Seniorinnen geben, mit denen diesen ähnliche Rechte eingeräumt werden? Kurzum, wir halten derartige Regelungen für nicht praktikabel.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf sowie der dazu gehörige Entschließungsantrag weisen eine Vielzahl von ungeklärten Fragen und Problemen auf, die einer vertieften Erörterung in den Ausschüssen bedür