Schafhaltung ist - das möchte ich ausdrücklich betonen - nicht nur Tierhaltung. Schafhaltung ist Landschaftspflege, Hochwasserschutz und kultu
relles Erbe. Insofern ist es auch mehr als gerechtfertigt, dieses Thema in den Prioritätenblock der heutigen Landtagssitzung aufzunehmen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben in den vergangenen drei Jahren mehr als 20 % unseres Schafbestandes verloren. Die letzten verfügbaren Zahlen des Statistischen Landesamtes vom November 2012 besagen, dass derzeit in Sachsen-Anhalt weniger als 80 000 Schafe gehalten werden. Im Jahr 2000 waren es noch ca. 140 000 und im Jahr 2010 noch etwas über 100 000 Schafe.
Nun dürfte zumindest den Mitgliedern des Agrarausschusses bekannt sein, dass es in den zurückliegenden Jahren vonseiten des Parlaments eine ganze Reihe von Anstrengungen gegeben hat, um den Schafbestand zu stabilisieren. Ich will diese Bemühungen keineswegs kleinreden. Wahrscheinlich wäre der Schafbestand ohne dieses Engagement weit dramatischer gesunken. Dennoch können wir uns mit der Entwicklung nicht zufriedengeben. Wir müssen überlegen, was wir tun können, um für die Schäfer eine Kehrtwende herbeizuführen.
Die Gründe, weshalb es kontinuierlich bergab geht, liegen im ökonomischen Bereich. Schafhaltung ist ohne Ausgleich für die damit verbundenen ökologischen Leistungen kaum wirtschaftlich zu betreiben, schon gar nicht, wenn man die Einkommenssituation mit anderen Berufsgruppen vergleicht. Viele Schäfer können von einem Stundenlohn in Höhe von 8,50 € nur träumen.
Ein Hauptproblem der Schafhaltung in Deutschland ist die Tatsache, dass ausgehend von der Besiedlungs- und Infrastrukturdichte ein gewisses Maß an Arbeitsaufwand in der Tierhaltung einfach erforderlich ist. Die Schäfer können die Tiere nicht über Monate sich selbst überlassen, wie es zum Beispiel in Teilen Neuseelands oder auf irischen Inseln der Fall ist.
Die nächste Frage, die wir uns stellen müssen, lautet: Brauchen wir überhaupt Schafhaltung? - Wir brauchen sie nicht unbedingt, um uns an ihrem Anblick zu erfreuen. Das wäre natürlich auch in einem Zoo möglich. Wir brauchen sie aber, um unsere Landschaft zu pflegen. Wir können sie ökonomisch effizient zur Pflege unserer Deiche einsetzen.
Wir müssen uns vor Augen halten, wie der Artenreichtum in vielen Landschaftsteilen entstanden ist und sich insbesondere auf Flächen, die von je her mit Schafen bewirtschaftet wurden, erhalten hat. Schafe wurden als genügsame Tiere vor allem dort gehalten, wo Ackerbau oder ertragreiche Grün
landnutzung nicht möglich waren. Dies betrifft insbesondere unwegsames Gelände und Trockenstandorte. Um diese Flächen zu nutzen, wurden dort Schafe und Ziegen gehalten.
Mit der Schafhaltung verbunden war die Offenhaltung der Landschaft. Das heißt, mit der Schafhaltung wurde die Verbuschung verhindert. Das war und ist die Voraussetzung dafür, dass bestimmte Arten überleben konnten. Dazu gehören zum Beispiel auch sehr viele Orchideenarten. Es ist also so, dass die Schafhaltung wesentlich zur Erhaltung der Artenvielfalt beigetragen hat. Viele Naturschutzgebiete brauchen die Schafhaltung, um die Landschaft offen zu halten und damit die Arten zu erhalten.
Meine Damen und Herren! Im Rahmen der freiwilligen Naturschutzleistung wird die Schafhaltung aus diesem Grund auch in angemessener Form gefördert. Problematisch wird es, wenn durch die Naturschutzgebietsverordnung bestimmte Bewirtschaftungsbeschränkungen auferlegt werden, welche beinhalten, dass bestimmte Extensivierungsmaßnahmen einzuhalten sind. In diesem Fall wird die ökologische Leistung nicht mehr als freiwillig gewertet, sondern vorgeschrieben.
Diese Herangehensweise verkennt aber, dass die Schafhaltung als Dienstleister des Naturschutzes an sich einen Wert darstellt. Für die Schäfer ist es nicht nachvollziehbar, dass sie einerseits mit einer neuen Naturschutzgebietsverordnung attestiert bekommen, in der Vergangenheit wertvolle Landschaftspflege geleistet zu haben, und dass ihnen andererseits die Honorierung dieser ökologischen Leistung gestrichen oder gekürzt wird.
Das wäre ungefähr so, als würde ein Unternehmen aufgrund seiner engagierten Mitarbeiter Rekordumsätze machen und die Geschäftsführung quittiert dies mit Gehaltskürzungen. Das geht also überhaupt nicht.
Ich denke über Änderungen in der GAK und der entsprechende Richtlinie nach, die zwingend erforderlich sind. Die SPD setzt sich auf der Bundesebene im Rahmen der Koalitionsverhandlungen dafür ein, eine Weiterentwicklung der Gemeinschaftsaufgabe vorzunehmen.
Der Antrag der Koalitionsfraktionen beinhaltet zehn Punkte, welche die wesentlichen Aspekte der Schafhaltung abdecken. Eine Gesamtkonzeption für die Entwicklung der Schafhaltung halten wir dringend für erforderlich, um unsere Schafbestände zu stabilisieren.
Das Ziel, mittelfristig wieder einen Bestand von mehr als 100 000 Tieren zu erreichen, ist ambitioniert und beinhaltet natürlich auch einen gewissen
Herr Dr. Aeikens, in allen Berufsgruppen gibt es gute und weniger gute Akteure. Wir sind aber davon überzeugt, dass Schäfer grundsätzlich eine wertvolle Arbeit in der Landschafts- und Deichpflege leisten.
Lassen Sie uns also gemeinsam etwas für die Schafhaltung in unserem Land tun. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Kollege Barth. - Für die Landesregierung spricht der schon angesprochene Minister Herr Dr. Aeikens. Bitte schön, Herr Minister.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Schafe sind aus unserer Landschaft nicht wegzudenken. Fachgerechte Schafhaltung spielt eine bedeutende Rolle für den Naturschutz, für die Landschafts- und für die Deichpflege. Schafe gehören einfach zum ländlichen Raum.
Die Landesregierung lässt ihre Schäfer bei der Bewältigung der schwierigen Rahmenbedingungen nicht im Stich. Durch einen komplexen Ansatz von verschiedenen Maßnahmen unterstützen wir unsere schafhaltenden Betriebe. Aber wie in anderen Ländern auch, haben wir leider einen Bestandsrückgang, den wir mit diesen Maßnahmen auch nicht haben aufhalten können.
Wenn wir die uns vorliegenden Zahlen der einzelnen Bundesländer ansehen, dann liegen die Dinge so, dass in Bayern, in Baden-Württemberg und in Sachsen-Anhalt die Bestandsrückgänge dann doch geringer ausfielen als in anderen Flächenländern. Das heißt also, unsere Maßnahmen haben schon etwas gewirkt, aber leider nicht in dem gewünschten Umfang.
Wir haben, wenn wir tiefer in die Zahlen einsteigen, insbesondere zu beklagen, dass große Herden aufgegeben werden. Bei kleineren Schafhaltungen haben wir hier und dort durchaus Zunahmen zu verzeichnen.
Insgesamt liegen die Dinge aber so, dass sich die Schafbestände in Deutschland von 2,8 Millionen Tieren im Jahr 1999 auf derzeit ca. zwei Millionen Tiere reduziert haben. Dafür ursächlich ist vor allen Dingen, dass die Kosten für Futtermittel, Energie
Meine Damen und Herren! Wenn wir über Schafhaltung sprechen, dann müssen wir natürlich auch schauen, dass wir das Mögliche tun, um die Erlöse am Markt für Schaf- und Ziegenfleisch zu erhöhen. Wir haben bei uns nur einen Selbstversorgungsgrad von etwa 50 %. Leider ist es auch so, dass der Pro-Kopf-Verbrauch an Schaf- und Ziegenfleisch nur bei 1 kg pro Jahr liegt. Ich glaube, hier gibt es noch Reserven.
Wir müssen versuchen, die Märkte besser zu bedienen. Unsere Agrarmarketinggesellschaft ist auf diesem Weg auch gut unterwegs. Ich erinnere insbesondere an das Projekt „Lammfleisch aus dem Elbtal“, das eine überregionale Ausstrahlung hat.
Durch Schutzmaßnahmen hat sich der Wolf in den letzten Jahren auch in Sachsen-Anhalt ausgebreitet und vermehrt. Steigende Populationen führen auch zu Übergriffen insbesondere auf Schafherden.
Wir haben das Thema im parlamentarischen Raum intensiv erörtert. Wir haben auch in den Ausschüssen über die Grundsätze für eine Förderung des Herdenschutzes gesprochen. Ich sage hier auch noch einmal sehr deutlich: Wir werden unsere Schäfer bei der Prävention finanziell unterstützen, und zwar wirkungsvoll, meine Damen und Herren.
Die Bedeutung der Schafhaltung - Herr Barth hat das unterstrichen - für die Landschaftspflege, für den Erhalt der Kulturlandschaft ist unbestritten. Wir haben bereits eine Reihe von Fördermöglichkeiten entwickelt, um diese Potenziale zu nutzen. Auch mit Agrarumweltmaßnahmen werden schafhaltende Betriebe gefördert, die daneben natürlich von der Ausgleichszulage Gebrauch machen können, vom Natura-2000-Ausgleich oder vom Erschwernisausgleich.
Ich habe heute Morgen bereits erläutert, dass die Planungen für die neue EU-Förderperiode laufen. Ich sehe, dass wir die Möglichkeiten haben, aus diesem Paket weitere Unterstützungsmaßnahmen für die schafhaltenden Betriebe zu kreieren und die schafhaltenden Betriebe im Rahmen eines Gesamtpakets, das wir gemeinsam entwickeln wollen, besserzustellen, meine Damen und Herren.
Lassen Sie mich an dieser Stelle noch auf einen wertvollen Beitrag der Schafhaltung für das Land Sachsen-Anhalt hinweisen, nämlich auf den Einsatz der Schafe im Rahmen der Deichpflege und der Deichbeweidung. Die Unterhaltung der Lan
desdeiche mit Schafen ist neben dem positiven Beitrag für den Hochwasserschutz auch aus ökologischer Sicht von Vorteil. Sie wissen, dass wir dies seit Jahren fördern.
Mich freut es besonders, dass diese Bemühungen erfolgreich waren. Die Größe der Flächen, auf denen Schafe weiden, hat sich in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt. Aktuell werden ca. 1 150 ha Deichfläche - das entspricht mehr als einem Viertel der gesamten Deichfläche in SachsenAnhalt - mit Schafen gepflegt und unterhalten.
Im Jahr 2012 konnten neue Verträge abgeschlossen werden. Das zeigt, dass die Maßnahmen wirken. Wir haben die Entgelte für Deichschafbeweidung erhöht. Wir wollen Schafe auf den Deichen. Wir sind auch bereit, dafür mehr Mittel aufzuwenden als andere Bundesländer.
Ich stimme dem Abgeordneten Barth in dem Fazit voll und ganz zu, dass unsere Schäfer in SachsenAnhalt wertvolle Arbeit leisten. Wir sollten gemeinsam im Lichte der Münchner Beschlüsse versuchen, die Schafhaltung in Sachsen-Anhalt zu stabilisieren. Ich freue mich auf die Diskussion in dem jeweiligen Fachausschuss.
Vielen Dank, Herr Minister. - Wir treten in die vereinbarte Fünfminutendebatte ein. Das Wort hat der Kollege Herr Czeke für die Fraktion DIE LINKE. Bitte schön, Herr Czeke.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach der Anekdote vom bösen Wolf folge nun ich als Roter. Was für eine Symbolik!
Auf den ersten Blick erweckt der vorliegende Antrag tatsächlich schon wegen des Umfangs den Anschein, dass das Thema Schafhaltung sehr komplex angegangen werden soll. Es bedarf in der Tat eines ganzheitlichen Ansatzes, um den weiteren Rückgang der Schafhaltung zu verhindern. Diejenigen, die die vielen Schäferstammtische und Fachkonferenzen besucht haben, wissen, was ich damit andeuten möchte.