Protocol of the Session on September 13, 2013

Wir kommen jetzt zum Abstimmungsverfahren zur Drs. 6/2376. Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wissenschaft und Wirtschaft zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer ist dagegen? - Das sind die Oppositionsfraktionen. Damit ist die Beschlussempfehlung angenommen worden und wir verlassen den Tagesordnungspunkt 10.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 12 auf:

Beratung

Ausbau von Ganztagsschulen durch eine stärkere Kooperation zwischen Schule und Hort voranbringen

Antrag Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drs. 6/2368

Alternativantrag Fraktionen CDU und SPD - Drs. 6/2409

Einbringerin ist Frau Professor Dr. Dalbert. Bitte sehr.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der kürzliche erschienene Allensbach-Familienmonitor hat es ans Licht gebracht: Die Eltern wollen Ganztagsschulen. Drei Viertel der Eltern sagen: Wir wollen unsere Kinder in Ganztagsschulen schicken, weil wir glauben, dass Ganztagsschulen die Familien entlasten. Zwei Drittel der Eltern sagen: Wir wollen unsere Kinder in Ganztagsschulen schicken, weil Ganztagsschulen Kinder besser fördern können.

Die Eltern haben Recht. Ganztagsschulen sind besser für die Entwicklung der Kinder. Deswegen wollen wir sie voranbringen.

Bei den Ganztagsschulen müssen wir unterscheiden zwischen komplementären Ganztagsschulen, in denen die Kinder morgens in der Schule sind und am Nachmittag im schulischen Kontext betreut werden, und sogenannten gebundenen Ganztagsschulen, in denen sich der Schulunterricht und die unabhängig vom Schulunterricht betreute Zeit miteinander verschränken.

Besonders wichtig für die Entwicklung der Kinder sind die sogenannten gebundenen Ganztagsschulen. Warum ist das so? - Weil solche gebundenen Ganztagsschulen die Möglichkeit bieten, den Alltag der Kinder kindorientiert zu rhythmisieren, also Lernphasen mit Erholungsphasen, mit Bewegungsphasen, mit kreativen Phasen über den Tag verteilt abzuwechseln, weil Ganztagsschulen mehr Gelegenheit für Bewegung im schulischen

Alltag, aber auch für Entspannungsphasen im schulischen Alltag und natürlich auch mehr Gelegenheit für soziales Miteinander, für soziales Lernen bieten.

Ganztagsschulen bieten auch eine bessere Gelegenheit, von diesem unseligen 45-Minuten-Rhythmus wegzukommen und auch einmal längere Lerneinheiten in den Tag einzuplanen. Ganztagsschulen ermöglichen es, dass neben klassischem Unterricht auch andere Lernformen ihren Platz finden wie das selbständige Lernen, das Voneinander-Lernen der Kinder und auch die individualisierten Lernangebote.

Das heißt, in der Ganztagsschule gibt es für die einen auch mehr Gelegenheit zum Wiederholen, zum Üben, zum Vertiefen und für die anderen mehr Gelegenheit, besondere Kompetenzen zu entwickeln.

Wir haben gestern die Schüler und Schülerinnen hier im Landtag begrüßt, die an der Schülerolympiade in Mathematik und Physik sehr erfolgreich teilgenommen haben. Ich fände es schön, wenn wir Ganztagsschulen hätten, in denen die Vorbereitung dieser Schüler und Schülerinnen und ihre Forschungsprojekte Teil des normalen schulischen Alltags sind, und wenn die Schülerinnen und Schülern nicht extracurricular von Lehrern außerhalb der Schulzeit betreut werden müssten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ganztagsschulen bieten die Gelegenheit, besondere Kursangebote vorzuhalten, ob das die Mathematik oder die Physik betrifft oder musische, sportliche oder künstlerische Kompetenzen, die - das sage ich an dieser Stelle gern und ganz bewusst - zusammen mit den Musikschulen oder mit den Vereinen des Landes etwa in Lernblöcken in der Schule organisiert werden können.

Oft hören wir den Ruf nach neuen Fächern; man solle ein Fach Umweltbildung, ein Fach Wirtschaftskunde oder ein Fach Gesunde Ernährung in den schulischen Unterricht einführen. Viele von Ihnen wissen, dass ich darauf sehr konservativ reagiere und sage: Die klassische Unterrichtszeit sollte den Kernfächern gewidmet sein.

Natürlich ist es wichtig, dass Kinder etwas über die Wirtschaft, über gesunde Ernährung oder über die Umwelt, über den Erhalt der Umwelt und den sinnvollen Umgang mit Ressourcen lernen. Ich bin aber davon überzeugt, dass in einer Ganztagsschule im gemeinsamen Alltag auch dafür Zeit ist, ohne dass es dafür neuer Unterrichtsfächer bedarf. Vieles von dem würden die Kinder bei der Gestaltung des gemeinsamen Alltags in der Ganztagsschule lernen.

Also: Die Wichtigkeit der Ganztagsschule ist relativ unbestritten. Das kann man sagen. Die Wichtigkeit ist auch in der Koalition unbestritten; denn die

Koalition schreibt in ihrem Koalitionsvertrag - die Abgeordneten der CDU-Fraktion wissen das; aber ich zitiere es gern für alle -:

„Die Koalitionspartner sind sich darin einig, die Ganztagsschulangebote im Land deutlich auszubauen und qualitativ zu verbessern.“

(Zustimmung von Herrn Striegel, GRÜNE, und von Herrn Hövelmann, SPD)

Das können wir nur unterstreichen.

Nun haben wir schon die halbe Legislaturperiode hinter uns gebracht. Wir können jetzt einmal Bilanz ziehen, wie es mit diesem Versprechen der Koalitionsfraktionen vorangegangen ist. Dazu liegen uns auch Zahlen vor. Diese Zahlen sprechen eine beredte Sprache, nämlich dass nichts passiert ist.

Im Schuljahr 2010/2011 waren laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung 24,6 % der Schulen Ganztagsschulen. Das betraf 22,4 % der Schülerinnen und Schüler. Im Schuljahr 2011/2012 waren 25,8 % der Schulen Ganztagsschulen, also ein knappes Prozent mehr. Das verbuche ich unter Stillstand. Es hat also eigentlich keinen Fortschritt bei den Ganztagsschulen gegeben.

Betrachtet man die Zahlen dann noch hinsichtlich der Differenzierung Ganztagsschule versus gebundene Ganztagsschule - ich habe die Differenzierung eingeführt -, muss man feststellen, dass nur 7,8 %, also knapp 8 %, der Schülerinnen und Schüler in gebundene Ganztagsschulen gehen. Im Bundesdurchschnitt sind es, auch wenn das nicht ganz so toll ist, immerhin knapp doppelt so viele, nämlich 13,7 %.

Daher fragt man sich schon, liebe Kolleginnen von der SPD und von der CDU, was die CDU und die SPD getan haben, um die Ganztagsschulen auszubauen und qualitativ zu verbessern, wie es im Koalitionsvertrag vereinbart worden ist.

Ich frage mich auch, wie der Entwurf des Haushaltsplans dazu passt. Darin sehen Sie eine Kürzung der Mittel für den Ausbau der Ganztagsschulen vor. Waren es im Jahr 2013 noch Mittel in Höhe von 1 Million € sollen es im Jahr 2014 nur noch Ausgaben in Höhe von 580 000 € sein, also 420 000 € weniger als im letzten Jahr. Ich frage mich, wie das zum Koalitionsvertrag passt.

(Herr Striegel, GRÜNE: Überhaupt nicht!)

Wahr ist aber auch, dass wir es finanziell überhaupt nicht hinbekämen, selbst wenn wir einen zügigen Ausbau von Ganztagsschulen wollten. Das ist keine Rechtfertigung für die Kürzung der Mittel im Haushalt. Ich möchte damit nur sagen: Wollten wir tatsächlich den beschleunigten Ausbau, den wir pädagogisch für sinnvoll halten, könnten wir das als Land gar nicht stemmen.

Ich erinnere daran, dass wir hier im Hohen Haus an verschiedenen Stellen über das Kooperationsverbot gesprochen haben. Das ist eine Stelle, an der man darüber natürlich erneut reden muss. Für einen zügigen Ausbau der Ganztagsschulen brauchen wir Mittel vom Bund.

Ich erinnere daran, dass wir unter Rot-Grün ein Ganztagsschulprogramm hatten und den Ausbau von Ganztagsschulen in den Ländern mit Bundesmitteln gefördert haben. So etwas brauchen wir dringend wieder, um in großen Schritten voranzukommen.

(Zustimmung bei der SPD)

Dennoch ist es mehr als bedauerlich, dass wir als Sachsen-Anhalt in den Statistiken über die Ganztagsschule in der Schlussgruppe sind. Das ist bedauerlich, weil es schlecht für unsere Kinder ist, weil es nicht den Wünschen der Eltern entspricht und weil wir als Land doch eigentlich die allerbesten Voraussetzungen hätten, um Ganztagsschulen schnell nach vorn zu bringen; denn wir haben ein sehr gutes KiFöG und den Anspruch auf Ganztagsbetreuung für Kinder bis zum Alter von 14 Jahren. Darum haben wir ein sehr gut ausgebautes Netz an Horten, die sehr gut arbeiten. Daher haben wir eigentlich alle Ingredienzien, um eine Ganztagsschule voranzubringen. Wir haben Schulen und wir haben Horte.

Inhalt unseres Antrages ist, dass wir sagen: Lasst uns überlegen, ob ein Brückenmodell hin zu mehr Ganztagsschulen nicht darin bestehen kann, zu einer besseren Verzahnung von Schule und Hortarbeit zu kommen. Im Augenblick ist es so, dass die Horte und die Schulen unverbunden und nebeneinander her arbeiten.

(Zustimmung von Frau Bull, DIE LINKE)

- Genau. Unverbunden und nebeneinander her. - Es gibt vielleicht hier und da eine Ausnahme, die einzelnen Personen zu danken ist,

(Frau Bull, DIE LINKE: So ist es!)

aber systematisch arbeiten Schulen und Horte nebeneinander her.

Deswegen sagen wir: Die enge Zusammenarbeit von Horten und Schulen könnte ein Brückenmodell auf dem Weg zu mehr Ganztagsschulen sein. Wir fordern die Landesregierung auf, ein Modell für eine enge Zusammenarbeit von Horten und Schulen zu finden, in dem der Informationsfluss über den Entwicklungsstand, die Lernschwierigkeiten oder die soziale Entwicklung der Kinder in beide Richtungen geht: vom Hort zur Schule und von der Schule zum Hort.

Hort und Schule sollen auf der Basis eines gemeinsamen pädagogischen Konzepts arbeiten, bis hin zu der gemeinsamen Gestaltung des Schulalltags bei der gebundenen Ganztagsschule. Das

soll ein ganztägiges Schulangebot sein, durch die enge Kooperation von Schule und Hort, als Brückenmodell hin zur Ganztagsschule. Das ist unsere Forderung. Das würden wir gern gemeinsam mit Ihnen auf den Weg bringen.

Weil das der Kern unseres Antrags ist - ein Brückenmodell, um von der Schule, die wir jetzt haben, die neben dem Hort her arbeitet, zu einer Ganztagsschule zu kommen, und zwar über eine Vereinbarung zwischen beiden Akteuren -, lehnen wir den Alternativantrag der regierungstragenden Fraktionen selbstverständlich ab.

(Zustimmung bei den GRÜNEN - Frau Bull, DIE LINKE: Der ist Schnulli!)

- Ich nehme den Spruch, der mir gerade zugerufen wurde, gern auf: Der ist Schnulli! Ich hätte es hier anders formuliert und gesagt: Darin steht nichts. - Einen Alternativantrag, in dem nichts steht, braucht kein Abgeordneter in diesem Hohen Haus, und deswegen lehnen wir diesen Antrag ab. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke sehr, Frau Kollegin Dalbert. - Für die Landesregierung spricht Herr Minister Dorgerloh.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Claudia Dalbert, ich möchte vorweg sagen: Der qualitative und quantitative Ausbau von Ganztagsschulen und Ganztagsangeboten im Land genießt bei der Landesregierung hohe Priorität, wie es in der Koalitionsvereinbarung festgeschrieben ist.

(Frau Bull, DIE LINKE, und Herr Lange, DIE LINKE, lachen)

Ich möchte das kurz begründen.