Protocol of the Session on September 12, 2013

Kernproblem ist seit Langem die chronische Unterfinanzierung der Pflegeversicherung. Ich will hier nicht in die Tiefe gehen, sondern erinnere an Anträge der LINKEN auf Landes- wie auf Bundesebene für eine solidarische Bürgerversicherung.

Also: Das Problem der Unterfinanzierung besteht und wird sich angesichts der demografischen Entwicklung noch drastisch verschärfen. Hinzu kommt, dass nicht nur zu wenig Geld im System ist, sondern dieses Geld zumindest zum Teil in die falschen Taschen fließt. Das heißt, liebe Kollegen der Koalition, dieses Geld fehlt den Pflegebedürftigen, und es kann leider auch nicht dafür verwendet werden, die beschämend niedrigen Tarife der Pflegekräfte zu erhöhen.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Wir setzen uns daher mit unserem Antrag dafür ein, eine Antikorruptionsabteilung bei der Landesheimaufsicht anzusiedeln. Diese sollte einerseits Fälle von Betrug und Korruption aufdecken - dazu gehört zum Beispiel, die Geschäftsverbindungen zwischen Pflegeketten und Heilmittelherstellern zu überprüfen - und andererseits aus der Erfahrung dieser Arbeit Vorschläge für politische Maßnahmen entwickeln. Diese Maßnahmen müssen darauf zielen, die strukturellen Einfallstore für Korruption zu beseitigen.

Außerdem müssen Fehlanreize im System aufgedeckt und abgebaut werden. Das heißt, ein pflegebedürftiger Mensch soll immer die Anwendungen, Therapien usw. bekommen, die er benötigt, und nicht die, die der Pflegeeinrichtung, dem behan

delnden Arzt oder dem Heilmittelvertreiber das beste Geschäft bedeuten.

Außerdem möchten wir auf Bundesebene strengere gesetzliche Rahmenbedingungen für die Pflege erreichen. Nicht zuletzt sollte sich der sogenannte Pflege-TÜV des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen zu einem tauglichen und transparenten Instrument entwickeln. Es ist blanker Hohn, wenn alle unsere Einrichtungen offiziell sehr gute Noten erhalten und die Erfahrungen vieler Pflegebedürftiger oder deren Angehöriger gänzlich andere sind. Viele von uns Abgeordneten - das gilt sicher fraktionsübergreifend - sind doch schon ein- oder mehrfach auf Missstände in Pflegeeinrichtungen angesprochen worden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mir ist schon jetzt klar, dass die CDU in ihrem Redebeitrag gleich das große Wort für die Einführung einer Pflegekammer sprechen wird, diese quasi als Allheilmittel der Probleme in der Pflege darstellen wird. Wir hatten das Thema erst im Juli-Plenum auf der Tagesordnung.

Die Untersuchung von Transparency bestätigt uns in unserer Skepsis. Denn ein zentrales Argument, das wir gegen die Einrichtung einer Pflegekammer aufgelistet hatten, war die fehlende Vertretung der Interessen der Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen.

In der Schwachstellenanalyse von Transparency wird ein genereller Problempunkt als „AnbieterLobbyismus“ bezeichnet. Es sind die Gewinninteressen der Investoren im boomenden Pflegemarkt, die zunehmend die Pflege gestalten, und eben nicht die eigentlichen Bedarfe und Bedürfnisse der Bevölkerung.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Als LINKE können wir nur gebetsmühlenartig wiederholen: Gewinnorientierung hat in der öffentlichen Daseinsvorsorge nichts zu suchen.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Mit der Einrichtung einer Pflegekammer würden wir quasi Aufgaben der Politik - inklusive bestimmter Richtlinienkompetenzen - an die Pflegeanbieter übertragen. Das lehnen wir als LINKE ab. Die Politik ist in der Verantwortung und sollte auch so handeln. Wenn Betrug und Korruption einen Raum in der Pflege finden konnten, müssen wir das abstellen. Ich bitte daher um Zustimmung zu unserem Antrag. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Hohmann. - Für die Landesregierung spricht jetzt Herr Minister Bischoff. Bitte schön, Herr Minister.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Hohmanns Wunsch hat sich fast erfüllt, der Raum ist gut gefüllt. Selbst die antragstellende Fraktion ist vermehrt vertreten.

Das Thema, das dahinter steht - das ist völlig klar -, ist wichtig. Korruption hat dort nichts zu suchen, auch nicht Gewinnstreben, falsche Abhängigkeiten und Ähnliches. Von daher kann man sagen, dass es in Ordnung ist, wenn man darauf aufmerksam macht.

Allerdings gehen die Vorschläge nach meinem Dafürhalten nicht in die richtige Richtung.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Die Einrichtung einer Antikorruptionsabteilung bei der Heimaufsicht des Landes ist gefordert. Nach meiner Auffassung reichen die bestehenden Vorgaben des Heimrechts und der Sozialgesetzbücher zur wirksamen Korruptionsbekämpfung aus.

Das Wohn- und Teilhabegesetz des Landes haben wir erst vor zwei Jahren beschlossen. Es regelt - anders als in anderen Ländern - die ordnungsrechtlichen Pflichten der Träger von Wohneinrichtungen für pflegebedürftige und behinderte Menschen umfassend und gewährleistet damit den Schutz der Interessen und Bedürfnisse der Bewohnerinnen und Bewohner.

Die Heimaufsicht ist die Behörde, die dieses Gesetz umsetzt. Sie handelt dabei als Ordnungsbehörde mit speziellem Aufgabenbereich. Das heißt, sie verfügt für ihren Aufgabenbereich über alle erforderlichen Befugnisse zur Gefahrenabwehr und zur Ahndung von Verstößen.

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter prüfen bei der Kontrolle der Einrichtungen, ob die Anforderungen nach dem Wohn- und Teilhabegesetz und den dazu gehörenden Verordnungen erfüllt werden. Bei konkreten Hinweisen auf korruptives Verhalten des Einrichtungsträgers oder der Beschäftigten wird dem nachgegangen. Wenn sich Hinweise bestätigen, stehen Maßnahmen von der sogenannten Anordnung über Beschäftigungsverbote bis hin zur Schließung der Einrichtung zu Gebote. Gegebenenfalls werden auch die Strafverfolgungsbehörden informiert.

Die Schaffung einer gesonderten Abteilung zur Korruptionsbekämpfung innerhalb des Referats „Heimaufsicht“ im Landesverwaltungsamt ist deshalb nicht erforderlich; ich wüsste auch nicht, wie.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Im Bereich der ambulanten Pflege hat die Heimaufsicht übrigens keine Befugnisse. Daran würde auch die Gründung einer Antikorruptionsabteilung nichts ändern.

(Herr Borgwardt, CDU: So ist es!)

Erlauben Sie mir an dieser Stelle noch eine Bemerkung zu Ihrem Antrag, zu der angesprochenen Studie von Transparency International Deutschland bezüglich Transparenzmängeln, Betrug und Korruption im Bereich der Pflege und Betreuung: Wie Sie vielleicht in den letzten Tagen und Wochen gelesen haben, ist diese Studie in der Fachwelt mittlerweile sehr umstritten, also nicht nur bei Einrichtungsträgern; die haben sich dagegen gewehrt. Sie ist deutlicher Kritik ausgesetzt. Kritisiert wird vor allem, dass in der Studie viele pauschale Vorwürfe erhoben werden und die gesamte Pflegebranche unter Generalverdacht gestellt wird.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Viele Maßnahmen, die die Studie von der Politik fordert, sind bereits geltendes Recht. Exemplarisch möchte ich folgende Punkte nennen: Bewohnerinnen und Bewohner von Einrichtungen haben nach dem Wohn- und Teilhabegesetz schon heute ein weitgehendes Informations- und Beteiligungsrecht zu den sie betreffenden Pflege-, Hilfe- und Förderplanungen, unter anderem durch Einsichtsmöglichkeiten in Aufzeichnungen und Unterlagen des Trägers.

Es gibt bereits seit Langem regelmäßige unangemeldete Prüfungen der Pflege- und Behinderteneinrichtungen durch die Heimaufsicht und andere Prüfinstitutionen. Die Heimaufsicht und der Medizinische Dienst der Krankenversicherung sind gesetzlich zur Zusammenarbeit verpflichtet und setzen das jedenfalls bei uns im Land um.

Ich darf an dieser Stelle darauf hinweisen, vielleicht wissen Sie das auch, dass die Korruptionsbekämpfung im Bereich der Pflege nach Bundesrecht auch Aufgabe der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung ist. Speziell für die Aufdeckung von Abrechnungsbetrug im Leistungsrecht sind die bei den Krankenkassen und Pflegekassen angesiedelten Stellen zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen gemäß § 47a SGB V zuständig. Diese Stellen kümmern sich auch um Leistungserbringer im Bereich der Pflege. Ich könnte diese Passage jetzt zitieren, das will ich aber nicht tun.

Erkenntnisse, dass die vorhandenen Strukturen in Sachsen-Anhalt nicht ausreichen, um Korruption wirksam zu bekämpfen, liegen mir nicht vor. Ich gehe deshalb davon aus, dass diesbezüglich derzeit kein weiterer Handlungsbedarf besteht.

Ich habe mir von den bei den Krankenkassen angesiedelten Stellen zur Bekämpfung von Fehlverhalten die Berichte der letzten zwei, drei Jahre geben lassen. Dabei handelt es sich um interne Auswertungen. Hierin findet sich kein Hinweis auf einen ähnlichen Fall, wie Sie ihn geschildert haben. Vielmehr geht es um ganz andere Dinge, bei

spielsweise um eine ausreichende medizinische Betreuung und Ähnliches.

Ich möchte deutlich sagen: Wenn Sie als Abgeordnete des Landtages oder andere von irgendwelchen Missständen, Verdachtsmomenten wissen, dann sollten Sie sich an die genannte Stelle wenden. Diese nimmt dann die Kontrolle vor. Dies ist besser als extra eine Einrichtung zu installieren, die dann ausgestattet werden müsste und von der ich nicht weiß, mit welcher rechtlichen Handhabe ich sie zusätzlich ausstatten und kontrollieren müsste.

Von den Prüfungen der Heimaufsicht sind die Qualitätsprüfungen nach § 114 SGB XI zu unterscheiden, die der Medizinische Dienst der Krankenversicherung durchführt. Dieser prüft die Qualität der Leistungserbringung.

An dieser Stelle gebe ich Ihnen Recht: Diese Prüfkriterien - Pflege-TÜV -, also die bekannten Transparenzverfahren sind seit mindestens fünf Jahren in der Diskussion. Es wird unter anderem darüber diskutiert, ob sie überhaupt all das widerspiegeln, was zu einer ordentlichen Pflege gehört.

Diese Kriterien, die kulturelle Angebote teilweise genauso hoch bewerten wie pflegerische Angebote und Ähnliches, werden schon seit Langem von den Gesundheits- und Sozialministern der Länder kritisiert, von den Ministern aus den westlichen Bundesländern noch mehr, weil es dort viel mehr Heime gibt, die die Note 2 oder 3 erhalten haben.

In Sachsen-Anhalt bekommen beinahe alle stationären Einrichtungen die Note 1. Dies wird auch kritisiert; denn sie haben oft die Note 1 erhalten, weil die Prüfkriterien nicht gut gewichtet sind. Dabei handelt es sich um bundeseinheitliche Regelungen. Daran wird gearbeitet. Darauf müssen wir nicht noch einmal hinweisen. Ich halte die Überprüfung der Kriterien für wichtig.

Mit Blick auf die Mindestpersonalausstattung ist festzuhalten, dass es bereits eine entsprechende Regelung gibt. Diese wird zwischen den Kostenträgern und Leistungserbringern gemäß § 84 Abs. 5 SGB XI ausgehandelt und vereinbart. Darauf möchte ich jetzt nicht eingehen.

Am Ende möchte ich etwas zu dem Antrag generell sagen. Ich habe in der Zeitung gelesen, was andere dazu sagen. Ich war selbst in einer Einrichtung tätig. Ich kenne also auch die Abläufe in der Pflege. Meine viel größere Sorge ist, dass die vielen Menschen, die in diesem System arbeiten, viel zu wenig Wertschätzung, auch von der Politik, und viel zu wenig Anerkennung bekommen und viel zu viel Bürokratie mit dieser Arbeit verbunden ist. Das ist meine Meinung.

(Zustimmung von Herrn Steinecke, CDU, und von Frau Hohmann, DIE LINKE)

Ich denke, man kann den Pflegekräften schon deshalb vertrauen, weil man nur in Pflegeeinrichtungen arbeiten kann, wenn man für diese Menschen ein Herz hat; denn sonst würde man dies manchmal nicht aushalten. Diese Menschen bedürfen unserer Wertschätzung und unserer Unterstützung und es ist nicht angemessen, generell zu unterstellen, dass vieles nicht richtig läuft.

Wir alle sind dafür zuständig, Missstände zu melden, wenn sie vorhanden sind. Wenn das totale Ausnahmeerscheinungen sind, dann würde ich das nicht dramatisieren, wenn es anderswo geregelt wird.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister Bischoff. - Wir treten jetzt in die vereinbarte Fünfminutendebatte ein. Als Erster spricht für die CDU-Fraktion Herr Krause. Bitte schön, Herr Kollege.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Studie von Transparency International Deutschland zu Transparenzmängeln, Betrug und Korruption im Bereich der Pflege und Betreuung, die Anlass für den vorliegenden Antrag der Fraktion DIE LINKE ist, hat niemanden von uns unberührt gelassen.

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass diese Studie von der Fachwelt wegen der pauschal erhobenen Vorwürfe und des unter Generalverdacht-Stellens der gesamten Pflegebranche heftig kritisiert wurde.

Sie mag Anlass sein, noch genauer hinzuschauen, als dies ohnehin schon geschieht. Ob dies allerdings so weit gehen sollte, wie dies die Antragstellerin fordert, ist eine andere Frage. Wir meinen, nein.