Kommen wir zum nächsten Thema, zur kommunalen Finanzausstattung. Ja, durch die Höhe der Kassenkredite ist dieses Thema in der letzten Zeit noch einmal in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Auch hier können Sie möglicherweise sagen, meine Wahrnehmung sei völlig verkehrt.
Ich nehme einmal einen Sozialdemokraten. Der Kollege Trümper, der Oberbürgermeister von Magdeburg, hat vor Kurzem in der „Mitteldeutschen Zeitung“ ein sehr interessantes Interview gegeben. Es ist bei Weitem nicht so, dass ich alle seine Einschätzungen teile. Aber an zwei oder zweieinhalb ist sehr wohl etwas dran.
Erstens sagt er ausdrücklich, wir hätten eine landespolitische Verantwortung für die Höhe der Kassenkredite bei den Kommunen. - Dazu sage ich ja.
Zweitens sagt er, die falsche Strategie dieser Landesregierung beim Umgang mit der Schuldenlast besteht darin, einen Schrumpfungskurs zu realisieren, der aus seiner Sicht deshalb falsch ist, weil dieser Schrumpfungskurs den Kommunen und dem Land die Möglichkeit und die Kraft nimmt, Einnahmen zu bekommen, mit denen man Schulden abbauen könnte. - Ich sage, sehr gut, Herr Trümper, damit haben Sie Recht; das ist genau unsere Analyse.
Dann kommt er zu einer dritten Feststellung, die mich in dieser Radikalität überrascht hat, aber der ich auch nicht richtig widersprechen kann, nämlich dass diese Landesregierung dieses Land ins Chaos führt. - Nun gut.
Kommen wir nun zur Frage der Refinanzierung. Wir haben schon relativ früh in dieser Haushaltsdebatte einen Vorschlag unterbreitet. Wir haben gesagt - darauf ist der Finanzminister heute eingegangen -, wir können, solange so gewaltige Einschnitte in die öffentliche Daseinsvorsorge, in Bildung und Kultur sowie bei den sozialen Standards in diesem Land zur Debatte stehen, nicht ernsthaft Vorsorgemaßnahmen und Altschuldentilgung realisieren.
Interessanterweise ist genau diese Position von der Landesregierung jetzt weitgehend umgesetzt worden; die Steuerschwankungsreserve, die Tilgung und die pauschale Zuführung zum Pensionsfonds. Ich meine, das erleben wir immer wieder; wir machen Einsparvorschläge und die Landesregierung greift sie auf, aber nicht für die Dinge, für die wir sie gedacht hatten. Das ist keine neue Situation. Das ist aber hier besonders stark passiert.
All unsere Vorschläge sind inzwischen von der Landesregierung umgesetzt worden. Aber Sie haben natürlich nicht die Einschnitte damit ausgeglichen, um die es uns geht. Wenn es so ist, dann - das sage ich ganz klar - gibt es in diesem Haushaltsplanentwurf Reserven. Ich verspreche Ihnen, wir werden diese Reserven erschließen.
Nein, liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt auch in diesem Haushaltsrahmen politische Handlungsalternativen. Diese politischen Handlungsalternativen scheitern nicht an den Zahlen, sie scheitern an dieser Landesregierung.
Wir haben eine starke Protestbewegung erlebt. Wir haben eine Vernetzung von Protesten erlebt. Das ist neu. Bisher hat jeder für sich allein demonstriert und am besten noch gegen den anderen; denn wenn bei dem anderen mehr gekürzt wird, wird vielleicht bei mir weniger gekürzt.
In den letzten Wochen und Monaten haben wir etwas anderes erlebt. Bei diesen Protesten haben wir Vernetzung und Solidarität erlebt. Ich glaube, diesem Land kann nichts Besseres passieren, als wenn in einer solchen schwierigen Situation die Menschen auf die Straße gehen, sich vernetzen und solidarisch zueinander sind. Dafür unseren herzlichen Dank!
Halle und Magdeburg, Kultur und Bildung, Soziales und Jugend miteinander solidarisch zu erleben ist etwas, das man nicht hoch genug schätzen kann. Wir brauchen diesen Widerstand weiterhin. Wir brauchen diesen substanziellen Widerstand gegen den Schrumpfungskurs, gegen die Abwärtsspirale dieser Landesregierung.
Aber wir haben natürlich als Abgeordnete von der Verfassung her eine ganz besondere Verantwortung dafür. Auch diese Verantwortung - das sehen wir so - ist dazu angetan, Widerstand gegen den Kurs dieser Landesregierung zu leisten.
- Gegen den Kurs dieser Landesregierung, weil er inhaltlich falsch ist. - Ich sage ganz klar, in der Opposition dürfte das relativ einfach sein. Wir hatten auch selten so gute Gründe als Opposition, gegen diese Landesregierung zu opponieren.
Aber diese Erwartung richtet sich natürlich auch an die Koalitionsfraktionen. An dieser Stelle muss man auch sagen, dass unsere Erwartungshaltungen unterschiedlich sind. Die Erwartungen an die CDU-Fraktion sind außerordentlich beschränkt.
Ich sage ganz klar, der Schrumpfungskurs dieser Landesregierung - das ist völlig richtig - folgt ganz wesentlich CDU-politischen Grundsätzen. Dieser Entwurf der Landesregierung ist ganz wesentlich die in Zahlen gegossene Umsetzung von CDUPolitik. Deswegen wissen wir, dass der Widerstand gegen die Kürzungen bei Ihnen sehr gering sein wird.
Natürlich kennen wir die Privatisierungsideologie der CDU, den Abbau des Öffentlichen zugunsten des Marktes, was sich in diesem Papier an vielen Stellen wiederfindet. Ich will das einmal an einem Beispiel durchdeklinieren. So haben wir in dem Möllring-Papier den Vorschlag zur Reduzierung
Ich glaube übrigens, dass dies bei der konservativen Wählerklientel keine Erschütterung auslöst. Wir haben ohnehin permanent die Debatte darüber, dass eigentlich viel zu viele auf die Hochschulen sollen; man solle doch einmal die gesellschaftliche Schichtung - die Elite an die Hochschulen und die anderen gefälligst in die Berufsschulen - beibehalten. Diese Debatte führen sie doch permanent.
Ich glaube sehr wohl, dass es in dem konservativen Teil der Bevölkerung akzeptiert wäre zu sagen, wir verengen den Zugang zu den Hochschulen. Denn davon haben nämlich diejenigen einen großen Vorteil, die von zu Hause aus die besten materiellen und immateriellen Voraussetzungen haben, dorthin zu kommen. Sie können damit ihre Eliteposition gegenüber denjenigen sichern, die nicht an die Hochschulen kommen, wenn die Plätze verknappt werden.
Deswegen erwarte ich von der CDU keinen großen Widerstand. Aber die Frage ist doch, wie sieht das die SPD. Bei allen Irritationen der letzten Jahrzehnte ist es schon so, dass es in der SPD einmal einen völlig anderen Grundkonsens gegeben hat.
Es ist zweifellos eine der großen historischen Leistungen der Sozialdemokratie, mit der Bildungsoffensive in den 70er-Jahren eine Ausweitung der Hochschulzugänge erreicht zu haben. Viele Menschen aus Arbeiterfamilien hatten damit erstmals die Chance, eine Hochschulausbildung zu erlangen, viele über den zweiten Bildungsweg. Die historische Leistung der SPD bestand darin, damit auch eine wesentliche Demokratisierung der Gesellschaft realisiert zu haben. Das kann der SPD auch niemand nehmen.
Das Problem ist aber, dass sich seither viele in der Sozialdemokratie von diesem Weg verabschiedet haben. Auch dieser Haushaltsplanentwurf legt das nahe. Aber ist denn dieser Weg wirklich irreversibel? Kann diese sozusagen alte Tradition der Sozialdemokratie nicht auch wieder ihren Niederschlag in der Politik der SPD finden? - Ich stelle diese Frage. Beantworten, liebe Kolleginnen und Kollegen, müssen Sie diese.
nanzierten Theater- und Kulturförderung im konservativen Teil der Bevölkerung gar nicht so viele Proteste auslöst.
Es gab einen interessanten Brief des Geschäftsführers des Theaters von Bad Lauchstädt, der einen sehr detaillierten Strukturvorschlag gemacht hat. Er führte aus, dass öffentlich finanzierte Kultur nur noch in maximal drei Städten und dort bitte maximal mit einer bzw. zwei Sparten stattfinden sollte. Die Menschen könnten dann, weil sie beweglich sind, zu dieser Event-Kultur hinfahren. Das alles kann man in der „Mitteldeutschen Zeitung“ nachlesen.
Ich glaube sehr wohl, dass dieses Konzept unter den Konservativen in der Gesellschaft Anklang findet. Wir halten es für grundsätzlich falsch, weil keinerlei Reflexion regionaler Probleme in der kulturellen Arbeit, keine Ausstrahlung der Theater vor Ort in die Gesellschaft und auch keine Kinder- und Jugendarbeit von Theatern mehr stattfindet. Das sei alles verzichtbar. Wir sagen dazu nein und glauben, dass das unbedingt verteidigt werden muss. Deswegen sind wir gegen diese Kürzungen. Die Frage lautet: Was will die SPD in dieser Frage? Beantworten Sie diese Frage!
Ich komme zum nächsten Thema: Inklusion. Ich glaube, dass es im konservativen Teil der Bevölkerung gar nicht einen so großen Druck gibt, die Inklusion und die Teilhabe aller Menschen wirklich zu realisieren. Es gibt schon eine große Tradition, unterschiedlich stark ausgeprägte Gesellschaftszugänge zu akzeptieren.
Es reicht nicht, eine UN-Behindertenrechtskonvention zu unterschreiben und zu sagen, wir wollen die Menschen inkludieren, wenn man zum Beispiel bei den Nichtbehinderten unbedingt an einem gegliederten Schulsystem festhalten will, also Exklusion realisiert. Ich glaube, an dieser Stelle ist es klar, dass Konservative nicht so hart betroffen sind.
DIE LINKE ist klar dagegen. Wir wollen die Teilhabe aller Menschen, auch die Teilhabe der Menschen mit Behinderung.
Deswegen müssen wir die Kürzung des Blindengeldes verhindern. Ich frage die SPD: Was meinen Sie dazu?
die Streichung der Mittel für die Jugendpauschale nicht so wahnsinnig große Auswirkungen haben wird. Klar, es gibt viele Menschen, die sagen: Um Kinder und Jugendliche haben sich gefälligst die Familien zu kümmern. Sie müssen dazu in der Lage sein, das zu organisieren und zu finanzieren. Öffentlich finanzierte Jugendarbeit ist etwas, was man sich in guten Zeiten leisten kann, aber wenn das Geld knapp wird, kann man sie auch abschaffen. - Ich glaube ausdrücklich, dass diese Position falsch ist.