Protocol of the Session on September 12, 2013

(Herr Scheurell, CDU: Das hoffen wir!)

Dies sind anspruchsvolle Ziele und keine Träumereien, vielleicht ist ein wenig Vision dabei. Diese Ziele werden wir auch in die Föderalismuskommission III einbringen. Dabei wird es auch darum gehen, diesen kooperativen Stil der Länder zu pflegen und nicht dem Wettbewerb zu frönen; denn sonst werden die Unterschiede zwischen den Ländern eher größer als kleiner. Ich werde mich dort einbringen. Ich denke, dass das Parlament selbst dort aktiv an den Diskussionen teilnehmen wird.

Meine Damen und Herren! Ich weiß natürlich, dass kein Haushalt den Landtag so verlässt, wie er eingebracht wurde - das muss man seit Struck ja immer sagen. Ich setze auf konstruktive Vorschläge und Konzepte und ich setze auch auf die Diskussion über unsere Konzepte. Mir ist klar, dass das Gute immer der Feind des Besseren ist. Auch weiß ich so gut wie Sie, dass Kompromisse dazugehören.

Gestatten Sie mir am Ende dennoch eine persönliche Anmerkung. Ich bin schon sehr lange in diesem Parlament und auch auf verschiedenen Seiten tätig. Ich denke, dass ich für mich in Anspruch nehmen kann, insbesondere in den letzten Jahren immer wieder gerade Linien in der Finanzpolitik aufgezeigt zu haben. Ich weiß, dass ich auch nicht ganz fehlerfrei war. Ich habe vorhin einen Punkt genannt, den ich vor Jahren noch anders gesehen habe.

Ich habe eine Bitte: Gehen Sie mit den Vorschlägen hart ins Gericht. Veränderung bedeutet für mich nicht Gesichtsverlust, wie es oft beschrieben wird. Oft geht es doch nur noch darum, wer sich zulasten von wem durchsetzt. Ich will nicht Recht haben, doch eines möchte ich: Was auch immer geändert wird - ich möchte eine bessere Lösung, eine tragfähige Lösung, damit uns das nicht im

nächsten Jahr wieder beschäftigt. Das ist meine Bitte. Daran sollten wir uns alle orientieren. Dies schließt ausdrücklich die Regierungsfraktionen und die Oppositionsfraktionen ein.

Wenn es uns irgendwann einmal so gut geht wie anderen Ländern, dann können wir uns einen Streit über eine Sache leisten, über die sich andere vielleicht nur wundern. Doch bis zum Jahr 2020 ist es immens wichtig, dass wir die richtigen Entscheidungen treffen. Danach wird manches schlichtweg nicht mehr möglich sein.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und von der Regierungsbank)

Deswegen sollte man nicht automatisch auf den meisten Beifall schauen. Dies war im Übrigen auch nicht das Ziel meiner Rede. Ich wollte Dinge im Zusammenhang darstellen, offen und wissend, dass es auch andere Sichtweisen geben kann. Lediglich mit Überschriften hier zu stehen in dem Wissen, dass an dieser Stelle alle tosend klatschen werden, weil sie genau das von mir hören möchten, das wird uns in den nächsten Jahren wahrscheinlich nicht immer gelingen.

Wir haben aber gute Aussichten. Wir diskutieren über diesen Kompass, gerade innerhalb der Regierung und mit den Fraktionen. Ich sage ausdrücklich: Dies werden wir, Reiner Haselhoff und ich, gemeinsam machen. Ich werde genauso mit den Dingen umgehen, die uns kritisch begleiten und die uns auch weiterbringen werden. Damit habe ich kein Problem.

Wenn diese Botschaften auch von unserer heutigen Debatte ausgehen, dann kann uns das sicherlich weiterhelfen. - Schönen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Starker Beifall bei der SPD, bei der CDU und von der Regierungsbank)

Ich danke Herrn Minister Bullerjahn für die Einbringung des Haushaltsplanentwurfes für das Haushaltsjahr 2014, des Haushaltsbegleitgesetzes und des Tilgungsplans.

Ich eröffne nunmehr die verbundene Debatte und möchte es nicht versäumen, zu Beginn Gäste auf der Besuchertribüne herzlich willkommen zu heißen. Unter Ihnen befindet sich neben Vertretern ganz wichtiger gesellschaftlicher Organisationen auch ein ehemaliger Kollege aus unserem Hohen Haus, nämlich Herr Dr. Eichler. Wir heißen Sie und alle anderen Gäste herzlich willkommen im Haus.

(Beifall im ganzen Hause)

Denjenigen, die zum ersten Mal eine Haushaltsdebatte erleben, möchte ich sagen, dass dies der Auftakt für die Beratungen in den kommenden Monaten ist. Mit der Aussprache, die jetzt beginnt,

beginnen auch die Beratungen im Finanzausschuss und in den Fachausschüssen. Am Ende der Beratungen hat jeder der gewählten Abgeordneten über ein Budget von rund 10 Milliarden € zu entscheiden. Dies ist keine einfache Entscheidung, deswegen wird es dazu harte und ausgiebige Debatten und ganz viele Beratungen und Anhörungen geben.

Jetzt steigen wir in die Debatte ein. Im Ältestenrat ist die folgende Reihenfolge vereinbart worden: Fraktion DIE LINKE, CDU, GRÜNE, SPD. Die Redezeiten wurden wie folgt festgelegt: Fraktion DIE LINKE 48 Minuten, CDU 67 Minuten, GRÜNE 15 Minuten und SPD 43 Minuten.

Mir wurde von den Fraktionen der Wunsch übermittelt, die ihnen zugeteilte Redezeit auf mehrere Redner aufteilen zu können. Deswegen werde ich nach jeder Rede die verbliebene Redezeit bekanntgeben, sodass sich die Fraktionen darauf einstellen können und weitere Redner benennen können.

Ich schlage vor, bei den Rednern, die die verbliebene Redezeit nutzen, in der vom Ältestenrat für die erste Runde vorgeschlagenen Reihefolge zu verbleiben. - Ich sehe keinen Widerspruch. Dann können wir so verfahren.

Einer parlamentarischen Tradition folgend wird die Aussprache zum Haushalt vom Oppositionsführer eröffnet. Als Erster spricht der Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE Herr Abgeordneter Gallert.

Werter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, wir haben heute wahrscheinlich eine sehr entscheidende Debatte in diesem Landtag. Wir führen eine Debatte zu einem Haushalt, bei dem uns in der öffentlichen Diskussion mehr als in den vergangenen Jahren bewusst geworden ist, dass er nicht primär eine Ansammlung vieler verschiedener Zahlen ist, die nur noch von Fachleuten überhaupt zu erfassen sind. Vielmehr ist uns in den letzten Wochen und Monaten bewusst geworden, dass wir es mit einem Haushalt zu tun haben, auf den der folgende uralte Satz der Politik zutrifft: Ein Haushalt ist in Zahlen gegossene Politik.

Dieser Haushalt ist ein Instrument zur Umsetzung einer gesellschaftlichen Strategie. Dieser Haushalt hat relativ wenig mit Sachzwängen oder mit technokratischem Vollzug zu tun. In ihm finden sich gesellschaftlich-strategische Ansätze wieder und diese werden hier durchdekliniert.

Insofern ist es, glaube ich, tatsächlich wichtig, dass wir heute eine Debatte zu gesellschaftlichen Strategien führen, die hinter diesem Zahlenwerk stehen, und dass wir uns heute mit den numerischen Fragen weitgehend in Ruhe lassen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

An dieser Stelle müssen wir uns natürlich die Rahmenbedingungen anschauen, nämlich die Rahmenbedingungen, unter denen diese Haushalte im Land Sachsen-Anhalt entstehen, auch dieser Haushaltsplan für das Haushaltsjahr 2014. Natürlich sind diese nicht ohne Weiteres als günstig zu bezeichnen. Wir spüren die strukturellen Defizite der öffentlichen Kassen, die strukturellen Defizite der öffentlichen Kassen in dieser Bundesrepublik insgesamt. Selbst wir sind zurzeit gerade einmal in der Lage, diese auszugleichen, weil wir relativ günstige konjunkturelle Rahmenbedingungen haben.

Doch wir haben, wie viele andere in dieser Bundesrepublik, auch eine relativ große Schuldenlast zu tragen. Dies ist wiederum Ausfluss einer neoliberalen Steuerpolitik - einer neoliberalen Steuerpolitik, die ganz bewusst, vor allen Dingen mit den Eichel’schen Steuerreformen in den Jahren 1998 bis 2001, darauf gesetzt hat,

(Herr Leimbach, CDU: Neoliberal und 1998!)

der öffentlichen Hand Mittel zu entziehen, mit der Folge und mit der Absicht, zugunsten des Marktes dem Zurückdrängen der öffentlichen Daseinsvorsorge den Weg zu bereiten. Diesen Prozess haben wir noch heute zu erleiden. Diesen Prozess haben wir noch heute zu ertragen. Und dies findet sich leider auch ganz stark in diesem Haushaltsplanentwurf für das Jahr 2014 wieder.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir haben in den letzten Jahren noch einmal eine Verschärfung dieses politischen Ansatzes erlebt, und zwar mit der Schuldenbremse. Nicht nur dass man auf der Einnahmenseite eine strukturelle Unterfinanzierung des Öffentlichen realisiert, nein, auch auf der Ausgabenseite schiebt man sozusagen die Tür zu, indem man sich in der Bundesrepublik politisch mehrheitlich auf diese Schuldenbremse verständigt hat.

(Zuruf von Herrn Leimbach, CDU)

Nur vor diesem Hintergrund ist überhaupt zu erklären, dass wir es in einer Zeit, in der die Bundesregierung selber behauptet, sie sei die beste aller Bundesregierungen in dieser Bundesrepublik,

(Zustimmung von Herrn Scheurell, CDU)

in einer Zeit, in der wir es laut Aussage der Bundesregierung mit einem radikalen Wirtschaftswachstum und mit einer hervorragenden Bilanz zu tun haben, in Sachsen-Anhalt mit einer Situation zu tun haben, in der die Menschen mit einem Schrumpfungsprozess nach dem anderen konfrontiert sind. Eine Grundlage ihres gesellschaftlichen Lebens nach der anderen wird infrage gestellt und die Dinge gehen in eine Abwärtsspirale über. Nur wenn man diese Zusammenhänge versteht, dann versteht man auch dieses Problem.

(Beifall bei der LINKEN)

Es sind Rahmenbedingungen, von denen der Ministerpräsident und der Finanzminister ausdrücklich sagen, dass sie sie gut finden. Ich verweise auf den Satz: Wir haben kein Einnahmenproblem, wir haben nur ein Ausgabenproblem.

Natürlich gibt es ein Spezifikum der ostdeutschen Länder, nämlich das Auslaufen des Solidarpaktes zum Jahr 2020 und die Verringerung der Einnahmen aus der Europäischen Union.

Als dies beschlossen worden ist, ist man davon gegangen, dass bis zum Auslaufen des Solidarpaktes, also 30 Jahre nach der Wende, die Notwendigkeit für die besondere Unterstützung ostdeutscher Länder wegfällt. Das war die Situation. Welche Annahme war das? - Die Annahme war, dass wir im Osten Deutschlands die wirtschaftlichen Parameter des Westens erreichen.

Jetzt sehen wir uns einmal die Realität an. Wie hoch ist das durchschnittliche Bruttoinlandsprodukt im Osten? Wie hoch sind die durchschnittlichen Einkommen? Wie hoch sind die durchschnittlichen Rentenerwartungen? - Sie liegen nach wie vor maßgeblich unter dem westlichen Durchschnitt. Im Grunde genommen wissen wir, wenn die Entwicklung so weitergeht, dann werden wir nicht aufholen, sondern es wird das passieren, was in den letzten zwei Jahren passiert ist: Die Unterschiede zwischen Ost und West werden wieder größer.

Deswegen brauchen wir eine Debatte über eine Anschlussfinanzierung, über einen Solidarpakt III. Das wissen wir. Dieser darf dann nicht nur für Ostdeutschland, sondern muss eben auch für schwache westdeutsche Regionen gelten.

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung von Frau Budde, SPD)

Ich bin außerordentlich froh, dass ich diese Position nicht nur mit meiner eigenen Partei teile, sondern auch mit der Fraktions- und Landesvorsitzenden der SPD und ihrem Spitzenkandidaten zur Bundestagswahl.

Kommen wir nun zu der Frage, wie diese Rahmenbedingungen wirken. Wir haben die Situation, dass wir im Grunde genommen all die Dinge, die als Negativum benannt werden können, schon seit vielen Jahren kennen. Sie sind zumindest seit dem Beginn der Legislaturperiode nicht neu.

Wir müssen klar sagen, dass sich die finanzpolitischen Rahmenbedingungen seit Beginn der Legislaturperiode eigentlich verbessert haben. Die Konjunktur läuft einigermaßen und ist nach wie vor ungebrochen. Und der Finanzminister hat gesagt: Die Zahlungen für den Schuldendienst, die Zinslast ist gegenüber den Erwartungen gesunken. Dies ist die Situation, vor der wir heute stehen. Eine Situation, die besser ist, als wir sie zum Abschluss der Koalitionsvereinbarung im Jahr 2011 zu erwarten hatten.

Aber die Strategie dieser Landesregierung ist auf einmal eine völlig andere. Zeigen Sie mir in der Koalitionsvereinbarung bitte die Passage, in der steht, dass wir maßgebliche Teile unserer Wissenschaftslandschaft schließen wollen. Zeigen Sie mir in der Koalitionsvereinbarung bitte die Passage, in der steht, dass wir unsere Theaterlandschaft zusammenstreichen.

Zeigen Sie mir in der Koalitionsvereinbarung die Passage, in der steht, dass die Jugendpauschale gestrichen werden soll, dass das Blindengeld gekürzt werden soll, in der all diese Maßnahmen aufgeführt sind. Nichts davon steht in dieser Koalitionsvereinbarung. Nichts davon!

(Zustimmung bei der LINKEN)

Nein, liebe Kolleginnen und Kollegen, nicht der finanzpolitische Rahmen hat sich seitdem verändert. Der politische Wille dieser Landesregierung hat sich verändert, er ist gedreht in Richtung auf einen neoliberalen Schrumpfungskurs in diesem Land, und das ist Gegenstand dieses Haushaltsplanentwurfs.

(Zustimmung bei der LINKEN - Zuruf von Herrn Leimbach, CDU)

Es gibt Alternativen. Es gibt sehr wohl auch unter ostdeutschen Bedingungen Alternativen. Um diese zu sehen, muss ich tatsächlich nicht sehr weit weg suchen.

Wir haben im Land, seitdem diese Kürzungsvorschläge und diese Schrumpfungspolitik auf dem Tisch liegen, eine Debatte darüber, was das für die Menschen in diesem Land bedeutet. Wir haben in Sachsen-Anhalt tatsächlich ein elementares Problem: Sachsen-Anhalt hat mit großem Abstand die bundesweit höchste Abwanderungsrate zu verzeichnen. Bei uns ist die Differenz zwischen Einwanderung und Abwanderung am höchsten. Wir verlieren zurzeit in Sachsen-Anhalt in jedem Jahr kumulativ 20 Millionen € aus dem Länderfinanzausgleich aufgrund unseres Wanderungsverlustes. 20 Millionen € Mindereinnahmen kommen in jedem Jahr dazu.