Protocol of the Session on June 10, 2011

(Zustimmung bei der CDU - Zuruf von der CDU: Genau!)

Ich habe das auch noch einmal deutlich gemacht: Es geht ja nicht darum, dass wir diesbezüglich unterschiedliche Positionen haben, sondern wir wollen beim Thema Leiharbeit weiterkommen. Ich habe im politischen Geschäft - aber auch während der Zeit, in der ich Tarifverhandlungen geführt habe - gelernt, dass man Kompromisse machen muss, wenn man weiterkommen will.

(Zurufe von der LINKEN)

Das gilt auch beim Thema Leiharbeit, auch wenn die Kompromisse vielleicht lauten, dass man nicht 100 % seiner Zielsetzung erreicht hat.

(Herr Gallert, DIE LINKE: Ja, ja! - Weitere Zurufe von der LINKEN)

- Ja. Ich weiß, dass es schwierig ist, Opposition zu sein.

(Herr Gallert, DIE LINKE: Nö!)

Herr Miesterfeldt?

Nein, das war keine weitere Anfrage. Das können Sie dann in der Fraktion klären. - Dann danke ich für Ihren Beitrag.

(Zustimmung bei der CDU)

Wir schließen die Debatte zu diesem Tagesordnungspunkt ab.

Zur Erinnerung: Uns liegen im Abstimmungsverfahren der Antrag der Koalitionsfraktionen in der Drs. 6/69 sowie ein Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE in der Drs. 6/107 vor.

Wir haben zunächst über den Änderungsantrag abzustimmen. Wer dem Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE zustimmen möchte, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das ist die antragstellende Fraktion und die Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN. Wer stimmt dagegen? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer enthält sich der Stimme? - Es bleibt niemand mehr übrig. Damit ist mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen der Änderungsantrag abgelehnt worden.

Wir kommen somit zur Abstimmung über den Ursprungsantrag. Wer stimmt dem Ursprungsantrag zu? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer stimmt dagegen? - Das sind die Oppositionsfraktionen. Wer enthält sich der Stimme? - Niemand. Damit hat der Antrag eine Mehrheit gefunden und ist beschlossen worden. Wir können den Tagesordnungspunkt abschließen.

Meine Damen und Herren, ich rufe Tagesordnungspunkt 12 auf:

Beratung

Keine Vermittlung in Arbeitsverhältnisse mit Dumpinglöhnen durch die Bundesagentur für Arbeit

Antrag Fraktionen CDU und SPD - Drs. 6/70

Alternativantrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 6/108

Einbringer des Antrags ist der Kollege Steppuhn. Bitte sehr, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir kommen jetzt zu einem sehr interessanten Thema. Wie Sie wissen, hat im vergangenen Jahr das Thema „Vermittlung in Arbeitsverhältnisse zu Dumpinglöhnen durch die Bundesagentur für Arbeit“ bei uns im Land zu nicht unerheblichen Diskussionen geführt.

Wir Sozialdemokraten haben das zum Anlass genommen, das Thema in den Koalitionsverhandlungen aufzugreifen. Wir wollten festgelegt wissen, dass sich die Landesregierung im Rahmen einer Bundesratsinitiative dafür einsetzt, dass das SGB III in dieser Frage geändert wird.

Wir wollen, dass zukünftig keine Vermittlung in Arbeitsverhältnisse zu Dumpinglöhnen durch die Bundesagentur für Arbeit mehr stattfindet. Hierzu, meine Damen und Herren, ist es notwendig, den § 36 SGB III dahin gehend zu ändern, dass zukünftig die Bundesagentur für Arbeit berechtigt ist, die Vermittlung von Arbeitsangeboten zu Niedriglöhnen abzulehnen, wenn nicht der Tariflohn oder mindestens der ortsübliche Lohn gezahlt wird.

Meine Damen und Herren! Die Praxis der Vermittlung von Arbeitsverhältnissen zu absoluten Dumpinglöhnen wurde nicht nur in der Vergangenheit zu Recht von den Gewerkschaften angeprangert, sie passt auch nicht zu unserer Philosophie, unser Land Sachsen-Anhalt zu einem wirtschaftlich starken Land mit attraktiven Rahmenbedingungen und guten Löhnen weiterzuentwickeln.

Im Übrigen, meine Damen und Herren: Wer mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Agenturen für Arbeit vor Ort spricht, wird sehr schnell erkennen, dass diese Vermittlungspraxis eine Vorgehensweise ist, von der auch die BA-Mitarbeiter nicht begeistert sind; sie waren aber aufgrund der Rechtslage quasi dazu verpflichtet, dieses zu tun.

Das Problem, vor dem die Bundesagentur für Arbeit steht, wird insbesondere in den Bereichen deutlich, in denen es keine überwiegende Tarifbindung von mehr als 50 % und keinen branchen

bezogenen Mindestlohn gibt. Unsere derzeitige Rechtslage sieht vor, dass die Tarifverträge bei der Arbeitsvermittlung nicht herangezogen werden können, wenn die Tarifbindung unterhalb von 50 % der Beschäftigten in den genannten Unternehmen liegt. Immer dann hat die Bundesagentur für Arbeit auf der Grundlage des SGB III auf den ortsüblichen Lohn abzustellen.

Die Vermittlung eines Arbeitsangebots darf jedoch nach derzeitiger Rechtslage in diesem Fall nur dann abgelehnt werden, wenn der tatsächlich gezahlte Lohn im Bereich der Sittenwidrigkeit liegt. Laut Rechtsprechung beginnt die Sittenwidrigkeit immer dann, wenn der tatsächlich gezahlte Lohn mindestens 30 % unterhalb des tariflichen oder aber ortsüblichen Lohns liegt, allerdings mit Ausnahme der Bereiche, in denen es Mindestlöhne gibt.

Im Übrigen: Würde es einen gesetzlichen Mindestlohn geben, hätten wir das Problem nicht.

(Zustimmung bei der LINKEN - Zuruf von der LINKEN: Das stimmt!)

Meine Damen und Herren! Das heißt - um im Bereich der Ortsüblichkeit zu bleiben -, dass bei einem ortsüblichen Stundenlohn von zum Beispiel 8 € - den es ja geben soll - eine Vermittlung des Arbeitsplatzangebots erst dann nicht mehr erfolgen darf, wenn der Stundenlohn unterhalb von 5,60 € liegt. Bei einem ortsüblichen Stundenlohn von 6 € würde die sittenwidrige Grenze sogar bei 4,20 € liegen. Klar ist: Bleibt diese gegenwärtige Praxis so, führt das auch immer zu einer Lohnspirale nach unten.

(Zuruf von der SPD: So ist es!)

Das sind Arbeitsverhältnisse, die wir nicht wollen, von denen man nicht leben kann, und deshalb dürfen solche Angebote zukünftig nicht mehr vermittelt werden.

(Zustimmung bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Wir wollen keine Niedriglöhne fördern, sondern wir wollen den Stellenwert von Arbeit erhöhen, um den Menschen, aber auch ihren Familien ausgehend von ihrer Arbeit Perspektiven zu geben.

Meine Damen und Herren! Ich denke, diese Rechenbeispiele machen aber auch deutlich, dass es hierbei dringenden Handlungsbedarf gibt. Daher bin ich froh darüber, dass der Wirtschaftsminister des Freistaats Thüringen bereits signalisiert hat, dass er bereit ist, die aus Sachsen-Anhalt kommende Bundesratsinitiative zu unterstützen.

In der Auseinandersetzung und Diskussion über dieses Thema wurde auch immer wieder die Frage gestellt: Wann wird denn der Tarifvertrag einer Branche für die Vermittlung in Arbeitsverhältnisse herangezogen, und wann greift die Ortsüblichkeit?

Meine Damen und Herren! Die Ortsüblichkeit kann man am besten daran festmachen, wenn Unternehmen in einer Stadt oder in einem regionalen Umfeld miteinander konkurrieren, und zwar in einer Branche.

Nehmen wir einmal an, in dieser Region, die bei der Bewertung der Ortsüblichkeit nicht immer gleich sein muss, gibt es zehn Unternehmen im kunststoffverarbeitenden Gewerbe. Wenn sechs von diesen Unternehmen mit mehr als 50 % der Beschäftigten nicht tarifgebunden und vier Betriebe tarifgebunden sind, dann gilt hier das Prinzip der Ortsüblichkeit, das die Bundesagentur für Arbeit anwendet.

Somit kann die Vermittlung in Arbeitsverhältnisse nach jetziger Rechtssituation im SGB III nur abgelehnt werden, wenn der tatsächliche Lohn mindestens 30 % unterhalb dieser Schwelle liegt. Erst dann beginnt laut Rechtssprechung die Sittenwidrigkeit.

Meine Damen und Herren! Ich erwähne diese Sachverhalte deshalb noch einmal im Detail, weil ich glaube, dass in der Vergangenheit in der öffentlichen Diskussion nicht immer ganz klar geworden ist, worum es hierbei ganz konkret geht.

Richtig ist: Wir wollen hier handeln. Wir wollen gemeinsam handeln. Deshalb ist es gut, dass der Landtag dieses heute feststellt und wir somit den Startschuss für diese dringend notwendige Bundesratsinitiative geben.

Die Ausschüsse für Arbeit und Soziales sowie für Wissenschaft und Wirtschaft werden sich im Rahmen von Berichterstattungen durch die Landesregierung zeitnah über die Aktivitäten und Ergebnisse unterrichtet lassen. Ich darf die Landesregierung bitten, bei diesem Thema an die Arbeit zu gehen. - Danke schön.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU - Frau Niestädt, SPD: Genau!)

Danke sehr, Herr Steppuhn, für die Einbringung. - Für die Landesregierung spricht Minister Herr Bischoff.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bin in der letzten Debattenrunde vergessen worden. Der Landtagspräsident hat mich am Ende gefragt, ob ich noch einmal das Wort ergreifen will. Ich habe dann auf die Uhr geguckt und meinem inneren Drang nicht nachgegeben. Ich bin nicht nach vorn gegangen, weil ich dachte, dass eigentlich von den Partnern alles gesagt worden ist. Deshalb will ich hier nicht noch einmal anknüpfen. Aber ich wollte mich nicht drücken.

Wir werden im Bundesrat natürlich - jetzt gibt es auch neue Mehrheiten in den Ländern, zum Bei

spiel in Baden-Württemberg - noch einmal den Versuch unternehmen, zu einer Regelung zu kommen. Die Kompromisslinie ist ja entstanden, weil es im Vermittlungsausschuss im Frühjahr zu keinem Ergebnis gekommen war. Aber so viel nur als Rückblick auf den letzten Antrag.

Zum jetzigen Thema besteht wahrscheinlich Einigkeit hier im Haus, dass die Vermittlung in Arbeitsverhältnisse mit Dumpinglöhnen verhindert werden muss. Das ist zweifellos ein wichtiges Thema, zumal immer wieder Fälle öffentlich werden, in denen die Arbeitsagenturen Menschen Arbeitsplätze vermittelt haben, die nach allgemeiner Einschätzung mit Dumpinglöhnen vergütet werden.

Ich möchte aber trotzdem das Thema am Anfang etwas einengen. Denn wenn man es zumindest nicht auch von einer anderen Seite mit beleuchtet, könnte man vielleicht auch einer Irreführung erliegen. Denn es besteht die Gefahr, dass durch eine solche Diskussion der Eindruck entsteht - das wurde auch in Wahlkampfzeiten immer diskutiert -, in Sachsen-Anhalt würden ausschließlich Dumpinglöhne gezahlt.

Das ist aber nicht der Fall. Nach dem IBA-Betriebspanel, einer jährlich wiederholten repräsentativen Betriebsbefragung, ist zwar nur jedes vierte Unternehmen in Sachsen-Anhalt tarifgebunden. In diesen tarifgebundenen Unternehmen arbeiten aber gut 50 % der Beschäftigten in Sachsen-Anhalt.