Ein früherer Ausstieg aus der Atomenergie ist für die Volkswirtschaft und für die Gesellschaft sowie angesichts der Realitäten in dieser Bundesrepublik Deutschland schlicht und einfach nicht möglich, auch nicht in Baden-Württemberg.
Denn wenn es darum geht, dass dort eine Steigerung des Anteils der Windkraftenergieerzeugung von 1 % auf 10 % geplant ist, dann ist man sich auch dort darüber bewusst, dass dies kein einfacher Weg ist, dass eine ambitionierte Zielstellung dahinter steht, dass Sachsen-Anhalt schon weit voraus ist - das ist ganz klar -, aber dass dieser Weg in Baden-Württemberg auch unter den jetzi
gen politischen Rahmenbedingungen noch längst nicht gegangen ist, nämlich innerhalb des geltenden deutschen Rechts.
Insofern ist nicht nur an dieser Stelle in Stuttgart Realismus eingetreten, wenn es darum geht, einerseits politisch etwas zu wollen, andererseits aber Realitäten zur Kenntnis nehmen zu müssen und das politisch Machbare umzusetzen.
Aber wir haben einen Konsens gefunden, der von den 16 Bundesländern auch der Bundesregierung vorgetragen wurde und der auch durch Intervention meiner Person dazu führte, dass wir diese Vertrauensbasis nun als gegeben darstellen können. Denn wir haben in der Beschlusslage der MPK Fakten gesetzt, die zum Ausdruck bringen, dass es nicht nur einen Anfangsschritt gibt und dass alles andere in den Jahren 2021 und 2022 erfolgen soll, unterbrochen durch das Evaluierungsdatum 2018, sondern dass wir verlässlich dokumentieren, dass der schon am 14. Dezember 2001 beschlossene Ausstieg in Deutschland entsprechend mit Jahresscheiben untersetzt wird, für die Standorte verlässlich planbar wird und nicht infrage gestellt wird.
Im Übrigen - das muss ich an dieser Stelle sagen - ist dieser im Jahr 2001 beschlossene Ausstieg durch eine CDU-SPD- oder durch eine CDU-FDPRegierung niemals infrage gestellt worden.
Die Frage war nur, wie die Zeitschiene und vor allen Dingen auch die gewählte Brückentechnologie aussehen. Diese Brückentechnologie ist im Sinne der Atomenergie und der Verlängerung von Laufzeiten zwischenzeitlich anders gewählt gewesen, als es im Jahr 2001 vorgesehen war.
Inzwischen befinden wir uns aber in einem gleichen Zeitraster wie 2001. Ich sage Folgendes auch ganz klar: Als es darum ging, die Atomenergie als Brückentechnologie für die nächsten Jahre und Jahrzehnte zu fixieren,
war damit ganz klar auch ein klimapolitisches Ziel verbunden, das wir nun auf einem anderen Weg erreichen wollen.
Das ist genau das, was auch die rot-grüne Bundesregierung einbezog, als sie bei der ursprünglichen Zeitplanung geblieben ist bzw. die ursprüng
liche Zeitplanung zugrunde legte. Wenn Sie sich die Beschlusslagen allein der letzten Legislaturperiode ansehen, dann wissen Sie, dass dabei auch fossile Brennstoffe eine Rolle spielen mussten, weil wir schlicht und einfach diese Volkswirtschaft in Deutschland am Leben erhalten müssen und weil wir keine Alternativen gesehen haben zu dem, was in den nächsten Jahrzehnten erforderlich ist, auch nicht unter einem Bundesminister Gabriel. Ich denke, genau das ist die Einstiegsschneise gewesen, die wir bei den 16 Bundesländern am letzten Freitag erzeugt haben.
Wir wissen, dass wir eine Verantwortung haben bezüglich dieser Volkswirtschaft, bezüglich der Versorgungssicherheit, bezüglich einer sozial verantworteten Preisgestaltung und auch bezüglich eines physikalischen Realismus, den wir an den Tag legen müssen. Ich mache das gleich anhand der folgenden Fakten für das Land Sachsen-Anhalt transparent.
Wie sieht es in Sachsen-Anhalt aus? - Wichtige Zahlen haben Sie schon genannt. Wir haben einen Jahresverbrauch von rund 13 Milliarden kWh. Wenn wir allein die Ausbaukapazität im Bereich der Windenergie sehen, die bei 3,284 Milliarden MW liegt, dann ist diese Ausbaukapazität für das, was die Haushalte derzeit verbrauchen, im Bereich der Windkraft bereits heute vollständig ausreichend.
Das Problem ist aber, dass die Windkraft nur an ca. 3 000 Stunden im Jahr zur Verfügung steht. Ein Jahr umfasst aber 9 000 Stunden. Das heißt, wir hätten, sofern diese Kapazität im Netz ist, lediglich für rund ein Drittel des Jahres eine Versorgungssicherheit und sind uneingeschränkt auf eine grundlastfähige fossile Erzeugung von Strom angewiesen, sofern wir auf Atomstrom verzichten wollen.
(Herr Striegel, GRÜNE: Deswegen wollen wir speichern! - Herr Borgwardt, CDU: Das möchte ich sehen, wo Sie speichern!)
Derzeit haben wir einen Atomstromanteil in Höhe von 18 %. Genau diesen Anteil müssen wir substituieren, und zwar verbunden mit der Ersetzung von alten Kraftwerken, wie zum Beispiel im Süden Sachsen-Anhalts, wo wir gegebenenfalls mit einem neuen Braunkohlekraftwerk drei alte Kraftwerke mit Wirkungsgraden um 23 % substituieren können,
und wo wir allein mit einem Wirkungsgrad von 43 %, der heute erreichbar ist, einen klimapolitischen Beitrag leisten können.
benennen, wo eine Speicherkapazität für zwei Drittel des Jahres vorhanden ist, und zwar in der Größenordnung, die eine Speicherung der 10 Milliarden kWh, die allein die Industrie benötigt, ermöglicht, und wo diese Speicherkapazitäten unter unseren geologischen Voraussetzungen erzeugbar sind. Denn wir können eben nicht beliebig auf Wasserkraftwerke, auf Pumpspeicherwerke bzw. auf Kavernen zurückgreifen.
Das Projekt „Adele“, das wir erst vor Kurzem angeschoben haben, wird nur einen verschwindend kleinen Bruchteil an Kapazitäten zur Verfügung stellen. Das ist eine technologische Herausforderung. Es ist für uns in Sachsen-Anhalt in den nächsten Jahrzehnten unabweisbar, dass wir auch fossile Kraftstoffe bzw. fossile Rohstoffe in der Energieerzeugung vorhalten, wohl wissend dass es sich um eine Kombination aus Erdgas und Braunkohle handeln muss.
Wohin wollen wir? - Das ambitionierte Ziel, im Jahr 2022 auszusteigen, werden wir auf jeden Fall erreichen können, sofern eine Reihe von Gesetzen so schnell wie möglich umgesetzt bzw. verändert wird. Das betrifft sieben Gesetze. Sie kennen sie alle: das Energiewirtschaftsgesetz, die Netzausbaubeschleunigungsgesetze, das Atomgesetz. Auch das Bauplanungsrecht muss verändert werden bezüglich der Trennung zwischen Raumordnungszuständigkeit und entsprechender Planfeststellung, die wir bei den Ländern halten wollen.
Aber auch die Änderung des EEG, verbunden mit dem EEG-Erfahrungsbericht, ist in diesem Zusammenhang zu erwähnen. Darüber hinaus sind die Änderungen des KWK-Gesetzes und die Änderung des EKF-Gesetzes - das ist das Gesetz zur Errichtung eines Sondervermögens „Energie- und Klimafonds“ - zu nennen.
Ich will es nicht komplett beschreiben. All das sind Maßnahmenbündel, die so umfänglich sind, dass diese Bundesrepublik Deutschland in den nächsten zehn Jahren energiepolitisch ein völlig anderes Bild aufweisen wird, als dies in den letzten Jahrzehnten der Fall gewesen ist.
Es ist übrigens in dieser Konzentration der Maßnahmen auch ein Verdienst der jetzigen Bundesregierung, dass dieses Thema offensiv aufgegriffen und ohne Tabus angegangen wurde. Aber es ist auch eine Verstärkung der Maßnahmen, die in den letzten zehn Jahren nicht ausgereicht hätten, um nach dem jetzigen Maßstab überhaupt die Jahre 2021, 2022 oder, wie ursprünglich vorgesehen, das Jahr 2023, zu erreichen.
Wir sind der Meinung, dass die 16 Bundesländer und diese Bundesregierung in der Lage sind, dieses Gesetzgebungsverfahren entsprechend durchzuziehen. Am 17. Juni 2011 wird ein erster Durchgang im Bundesrat erfolgen. Für diese Sitzung steht die Beratung der genannten sieben Gesetze
Aber 8. Juli 2011 ist der große Tag im Bundesrat. Dann geht es darum, über die am 30. Juni 2011 im Bundestag gegebenenfalls zur Beschlussfassung gelangten Gesetze abzustimmen. Wir sind klar darum bemüht, den Konsens zwischen den Ländern zu erhalten und auf keinen Fall an dieser Stelle ein Aufbröckeln der Allianz zuzulassen. Denn das würde einen zeitlichen Verlust bedeuten und würde damit einhergehen, dass wir bestimmte Zielstellungen nur noch schwer erreichen.
Klar ist für uns auch: Wir wollen das, was auf der Bundesebene notwendig ist, auf der Landesebene auf jeden Fall erreichen. Das bedeutet eine weitere Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energien. Das wird auch in Verbindung mit den Maßnahmen zur Wärmedämmung und zur Energieeffizienz zu einem erheblichen wirtschaftspolitischen Impuls führen.
Ich bin der Meinung, dass wir in den nächsten zehn Jahren dadurch viele Tausend neue Arbeitsplätze erhalten werden, dass wir in den nächsten zehn Jahren auch bezüglich der Kapazitäten im Bereich der Produktion von Anlagen für den Bereich der erneuerbaren Energien einen zusätzlichen Impuls bekommen, dass wir das Augenmaß bekommen, das wir beim Erneuerbare-EnergienGesetz walten lassen müssen und dass wir für unsere schon entstandenen Strukturen Planungssicherheit bekommen.
Aber wir werden dies nur mit einem kreativen Energiemix hinbekommen, der auch mit einem Leitungsausbau verbunden ist, für den wir auch eine hohe Akzeptanz brauchen. Denn diese hohe Akzeptanz, die in der Bevölkerung erforderlich sein wird, wird nur erreichbar sein, wenn es gelingt, auch die Kostenfaktoren an dieser Stelle mit Augenmaß zu gestalten.
Wenn es zu einer erheblichen Erhöhung der Energiepreise kommt - das muss gemeinsam verhindert werden -, dann werden wir an bestimmten Stellen auch eine klimapolitische Diskussion führen, die wir alle nicht wollen und die für das jetzige Szenario auch kontraproduktiv wäre.
Deswegen bin ich der Meinung, dass von diesem Haus ein ganz klares Signal ausgehen sollte, dass wir es erstens schaffen, dass wir es zweitens nur dann schaffen, wenn wir die Bevölkerung insgesamt zusammenhalten, dass wir es drittens nur dann schaffen, wenn wir auch bezüglich der anderen Maßnahmen, etwa der Endlagerfrage, die fachpolitischen Dinge in den Vordergrund stellen und keine ideologische Diskussion führen.
An dieser Stelle müssen wir auch zur Kenntnis nehmen, dass das zuständige Bundesinstitut bezüglich der möglichen Endlagervarianten in Deutschland nicht prioritär das Land Sachsen
Anhalt ausweist. Zudem sollten wir zur Kenntnis nehmen, dass die Ausführungen des Kollegen Aeikens bisher vor den Hintergründen dieser fachpolitischen Bewertung gemacht wurden. Es hat keinen Sinn, an dieser Stelle zusätzliche Baustellen zu eröffnen, zumal wir an anderen Stellen unsere Beiträge für die Erreichung der Ziele bundesweit, aber auch landepolitisch, entsprechend ansetzen wollen.
An dieser Stelle möchte ich Sie bitten, mit uns gemeinsam die Arbeit fortzusetzen und die vielen hundert Anträge, die sich zurzeit im Gesetzgebungsverfahren in den Ausschüssen des Bundesrates befinden, vernünftig abzuarbeiten.
Es ist wichtig, vor allem dafür zu sorgen, dass sich die Bundesländer am 8. Juli 2011 im Bundesrat - egal, wie die Konstellation aussieht, ob SchwarzGelb, ob Schwarz-Rot, ob Grün-Rot oder ob es die Konstellation ist, die wir aus dem Saarland kennen - nicht nur auf einen gemeinsamen Zeitplan, sondern auch auf die Umsetzung der Gesetze verständigen. Das ist die große Chance auch für Sachsen-Anhalt, langfristig eine Energiepolitik zu haben, die nicht nur nachhaltig und verantwortbar ist, sondern die auch wirtschaftspolitisch das Beste für unser Land ist.
In diesem Zusammenhang rufe ich zu einer gemeinsamen Strategie auf, die wir auch aus diesem Landtag heraus entsprechend dokumentieren können. - Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.