Protocol of the Session on June 10, 2011

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zum Ausstieg aus der Atomenergie gehört der rasche Ausbau der erneuerbaren Energien. Wir in Sachsen-Anhalt produzieren bereits heute knapp 40 % unseres Stroms aus erneuerbaren Energien. Das zeigt, wie hasenfüßig das Ziel der Bundesregierung ist, bis zum Jahr 2020 den Anteil der erneuerbaren Energien beim Strom auf lediglich 35 % zu verdoppeln.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Unser Ziel muss es sein, zu 100 % erneuerbare Energien zu nutzen. Wir in Sachsen-Anhalt können zu 100 % erneuerbare Energien für den Strombereich im Jahr 2030 schaffen, und für den Bereich, der Mobilität und Wärme einschließt, im Jahr 2040.

Die Frage ist natürlich, wie wir das erreichen können. Schauen wir uns die Hauptenergieträger an.

Wir haben die Windenergie. In wenigen Jahren werden die ersten Windkraftanlagen in ein Alter kommen, in dem sie ersetzt werden, das so genannte Repowering. Durch das Repowering können wir den Stromertrag auf 10 bis 13 Milliarden kWh verdoppeln, und das mit 2 000 Windkraftanlagen statt wie bisher mit 2 300.

Bei der Sonnenenergie haben wir in Sachsen-Anhalt einen Nachholbedarf. Durch den Ausbau von Photovoltaik auf Dächern und Brachflächen können wir den Stromertrag von derzeit 0,3 Milliar

den kWh auf 2 Milliarden bis 3 Milliarden kWh erhöhen.

Dann haben wir noch die Biomasse. In diesem Bereich streben wir eine Verdopplung von derzeit 1,9 Milliarden kWh auf 3 Milliarden bis 4 Milliarden kWh an. Das ist natürlich eine große Herausforderung, weil wir die Fehlentwicklung, was die Maismonokulturen betrifft, stoppen müssen. Das geht gar nicht. Eine weitere Herausforderung liegt darin, dass wir mehr Grünabfälle für die Energiegewinnung nutzen müssen. Aber das ist möglich und das ist auch wichtig; denn aus der Biomasse können wir Biogas gewinnen und damit flexibel zuschaltbare Gaskraftwerke betreiben.

Wenn wir diesen Weg gehen, stünden uns in Sachsen-Anhalt im Jahr 2030 15 Milliarden bis 20 Milliarden kWh Strom aus erneuerbaren Energien zur Verfügung. Das ist mehr, als wir heute an Strom in Sachsen-Anhalt verbrauchen, nämlich mehr als 13,9 Milliarden kWh.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das heißt ganz klar: Wir können in Sachsen-Anhalt das Ziel, zu 100 % erneuerbare Energien für die Stromversorgung zu verwenden, bis zum Jahr 2030 erreichen und das Ziel, zu 100 % erneuerbare Energien für Strom, Wärme und Mobilität zu verwenden, bis zum Jahr 2040. Wir müssen uns nur auf den Weg machen.

Darum frage ich die Regierungsfraktionen: Warum wollen Sie, dass ein neues Braunkohlekraftwerk gebaut wird? - Braunkohle ist ein Klimakiller. Mit 1 100 g CO2-Ausstoß pro Kilowattstunde erzeugt die Braunkohle die höchste Emission von allen Energieträgern. Deswegen dürfen keine neuen Braunkohlekraftwerke gebaut werden. Mit Braunkohle werden wir unsere Klimaziele nicht erreichen.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zuruf von Herrn Schröder, CDU)

Dann frage ich Sie: Was ist denn Ihr Argument? - Das könnte vielleicht die Versorgungssicherheit sein. Dazu muss ich Ihnen sagen: Schon heute produziert Sachsen-Anhalt mehr Strom, als es verbraucht.

(Herr Erben, SPD: Wenn der Wind richtig geht und die Sonne scheint! - Weitere Zuru- fe)

Das heißt, den Strom, den ein neues Braunkohlekraftwerk im Burgenlandkreis produzieren würde, würden wir komplett exportieren.

Hinzu kommt, dass ich Ihnen gerade vorgerechnet habe, dass wir unseren Strom in 20 Jahren zu 100 % aus den erneuerbaren Energien produzieren können. Dazu kämen noch Einspareffekte durch höhere Energieeffizienz. Kurz und gut: Wir brauchen keinen weiteren Braunkohlestrom.

Ein weiterer Punkt könnte die Sorge um die Grundlast sein. Traditionelle Grundlast, also Kraftwerke, die 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr laufen, gibt es schon heute wegen des großen Windkraftanteils kaum noch. Aber interessant ist die Frage, was an diesen vielbeschworenen Tagen passiert, an denen die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht.

Darf ich Sie an Ihr Zeitbudget erinnern?

Bei der Einbringung gibt es ein Zeitbudget?

Ja, Sie liegen schon mit mehr als einer Minute darüber.

Gut. Ich werde versuchen, mich kurz zu fassen. - Auch die Grundlast werden wir in den Jahren von 2030 bis 2035 dadurch absichern können, dass wir Stromspeicher und intelligente Stromnetze bauen, die Angebot und Nachfrage besser in Übereinstimmung bringen.

Es könnten auch die Energiekosten sein, die Sie umtreiben. Dazu sage ich: Sie bewegen sich da auf dünnem Eis. Die Schätzungen zu den Kostensteigerungen liegen zwischen 0 Cent und 5 Cent. Das Bundesumweltamt geht etwa von 0,3 Cent aus. Die Kostensteigerung ist also mehr als ungewiss, wenn wir auf erneuerbare Energien umsteigen.

Ein letzter Punkt könnte die Sorge um Arbeitsplätze sein. Im Bereich der Kohleverstromung haben wir in Sachsen-Anhalt 1 400 Arbeitsplätze. Im Bereich der erneuerbaren Energien haben wir bereits 20 000 Arbeitsplätze. Das zeigt deutlich, wo der Jobmotor in Sachsen-Anhalt liegt.

Durch den Ausbau von Sonnenstrom und Solarwärme können wir hier im Land 5 000 neue Jobs für Handwerk und Mittelstand schaffen, nicht exportierbare Jobs für die nächsten 20 Jahre. Durch energetische Gebäudesanierung können wir weitere 11 000 Jobs für die nächsten 30 Jahre schaffen. Die Energiewende wäre gut für Handwerk und Mittelstand in Sachsen-Anhalt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie sind jetzt fast drei Minuten über der Zeit.

Ja. - Daher lade ich Sie ein: Lassen Sie uns gemeinsam unsere Verantwortung für den Ausstieg aus der Atomenergie und die Wende hin zu 100 %

erneuerbaren Energien wahrnehmen. Ich werbe für den frühestmöglichen Ausstieg. Je früher wir vom Netz gehen, desto geringer ist das atomare Risiko und desto weniger hochgefährlichen Atommüll produzieren Sie.

Ich appelliere an Sie: Bitte, hören Sie auf, eine Braunkohlerenaissance zu betreiben. Lassen Sie uns gemeinsam - -

Frau Kollegin, ich müsste Ihnen jetzt langsam das Wort entziehen. Sie haben 15 Minuten Zeit für die Einbringung gehabt. Wir sind jetzt bei 18 Minuten und 29 Sekunden.

(Frau Weiß, CDU: Aus! Schluss!)

Ja. Gut. - Also lassen Sie uns gemeinsam die Weichen für einen schnellen Atomausstieg, für einen zügigen Weg zu 100 % erneuerbaren Energien stellen. Deswegen werbe ich um Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der Kollege Borgwardt möchte jetzt intervenieren oder eine Frage stellen?

(Frau Budde, SPD: Bitte intervenieren!)

Herr Präsident, ich hatte eigentlich eine konkrete Frage. Aber wenn Sie mich jetzt so fragen, würde ich intervenieren wollen.

Ich wollte Ihnen nicht Ihre Frage nehmen, wirklich nicht.

Für diejenigen, die in diesem Raum sitzen - ich sage das einmal für alle hier - ist es Konsens, dass wir verantwortbar damit umgehen.

Aber ich wollte auch noch sagen: Wenn andere vielleicht schon über eine so lange Zeit Wahlkreise betreuen wie die meisten, die hier im Saal sitzen, dann wissen sie auch: Wenn sie mehr Bürgerbeteiligung wollen, dann bekommen sie auch die Probleme: „Atomkraft? - Nein, danke!“, keine Kohlekraftwerke wegen des CO2-Ausstoßes, keine Biogasanlagen, und wenn, dann höchstens in einem anderen Ort, aber auch keine Stromtrassen in unserem Gebiet.

Angesichts dessen, dass die GRÜNEN meistens die Bürgerinitiativen, die das nicht wollen, anführen, sage ich Ihnen Folgendes: Mit einem normalen Appell werden Sie große Probleme haben, Ihre

Ziele, die Sie hier so vehement vertreten, zu erreichen.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der SPD)

Bevor für die Landesregierung gleich der Ministerpräsident spricht, würde ich gern Ordnung in die Antragslage bringen. Es gibt den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in der Drs. 6/88. Es gibt den Alternativantrag der Fraktionen der CDU und der SPD in der Drs. 6/112. Und es gibt den Alternativantrag der Fraktion DIE LINKE in der Drs. 6/113. Jetzt haben wir das geklärt.

Für die Landesregierung spricht der Ministerpräsident Herr Dr. Haseloff. Bitte schön.

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Frau Dalbert, ich glaube, dass der Meinungsbildungsprozess in der Bundesrepublik Deutschland zum heutigen Zeitpunkt schon etwas weiter ist, als Sie es darzustellen versucht haben.

(Zustimmung bei der CDU)

Ich sage das von dem Hintergrund dessen, dass wir uns in einer Zeit befinden, die bezüglich der Entscheidungsprozesse sicherlich sehr dynamisch ist. Aber heute können wir konstatieren, dass die Bundesländer und die Bundesregierung seit dem letzten Freitag auf einem gemeinsamen Weg sind, der irreversibel ist. Ich denke, das ist durchaus keine selbstverständliche Entwicklung gewesen. Aber vor einer Woche ist ein Schlussstrich unter das gegenseitig unterstellte Misstrauen gezogen worden.

Dass der Weg, der in Deutschland beschritten wurde, irreversibel ist, wird von keinem seriösen Politiker mehr bestritten. Das macht sich auch an dem Abstimmungsergebnis von 16 : 0 Stimmen der Ministerpräsidentenkonferenz fest. Dieses Ergebnis wird also auch durch den Kollegen Kretschmann getragen, der uneingeschränkt festgestellt hat, dass die jetzige Zeitachse unter Einbeziehung der Jahre 2021 und 2022 alternativlos ist.

Ein früherer Ausstieg aus der Atomenergie ist für die Volkswirtschaft und für die Gesellschaft sowie angesichts der Realitäten in dieser Bundesrepublik Deutschland schlicht und einfach nicht möglich, auch nicht in Baden-Württemberg.