Protocol of the Session on June 10, 2011

Das erinnert mich ein wenig an den Spruch: Bitte wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass.

Meine Damen und Herren! Im Namen meiner Fraktion beantrage ich die Überweisung in den Ausschuss für Inneres zur federführenden Beratung und in die Ausschüsse für Finanzen, für Arbeit und Soziales sowie für Recht, Verfassung und Gleichstellung.

Der Staatsminister hat schon gesagt, dass es noch einiges zu regeln gibt, was die Länder zu beraten haben. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Kollege Grünert, würden Sie eine Frage des Kollegen Erben beantworten?

Bitte schön, wenn ich es kann. Aber sagen Sie jetzt nicht, dass ich Ihnen erklären soll, wo die Zahl 80 % in Bezug auf die Spielsucht herkommt.

(Frau Budde, SPD: Vielleicht erklärt er es Ih- nen!)

Herr Kollege Grünert, das will ich Ihnen gern erklären: Das geht aus einer Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung aus dem Jahr 2009 hervor, also nach der Änderung der Spielverordnung.

Ich habe Ihnen sehr aufmerksam zugehört. Ich bin mir nicht sicher, was Sie wollen. Sagen Sie, es ist sowieso alles sinnlos, deswegen machen wir nichts? Oder sagen Sie, jegliches Glücksspiel verbieten? - Das ist überhaupt nicht deutlich geworden.

Sie haben alle denkbaren Maßnahmen und Probleme aufgezählt. Ich habe nicht an einer einzigen Stelle gehört, was konkret Sie auf der Ebene des Landes oder auf der Ebene des Bundes veranlassen wollen, um die Spielsucht zu bekämpfen.

(Zustimmung bei der SPD)

Herr Erben, ich habe nicht das Prinzip der Vollständigkeit gewählt. Ich habe nur auf einige Passagen hingewiesen, die tatsächlich nicht geregelt sind. Die Netzsperre - darüber ist vorhin schon diskutiert worden - ist nur eine davon.

Es geht natürlich auch um die Frage der Begrenzung der terrestrischen Betreiber, auch das ist nach wie vor ungeklärt: Soll dies entfallen, soll dies nicht entfallen? Genehmigungsverfahren für gewerbliche Spielvermittler: Wie sollen sie beschränkt werden und auf welche Höhe soll es beschränkt werden? - Auch an dieser Stelle gibt es derzeit mehr Fragen als Antworten.

Ich glaube, das geht Ihnen, falls Sie nicht den aktiven Draht zum Staatsminister haben, sicherlich ähnlich. Die Frage der Bestandsgarantie für Spielhallen: Soll sie aufgeweicht werden und, wenn ja, in welcher Form? Wie sollen dort Restriktionen eingebaut werden? Unter welchen Prämissen soll das kontrolliert werden? Wer soll die Folgekosten tragen? Das sind doch alles Fragen, die in diesem Zusammenhang stehen.

Wir wollen die Suchtbekämpfung. Wir sind auch für Angebote, um den Spieltrieb zu kanalisieren und die Spielsucht bekämpfen zu können. An dieser Stelle ziehen wir mit. Die Forderung ist: Holen Sie das Parlament entsprechend mit hinein und lassen die Landesregierung klipp und klar sagen, an welcher Stelle die Ansätze sind. Dann finden wir gemeinsam eine Lösung, um dieses Problem zu lösen.

Wenn Sie sich erinnern, hatte ich eingangs gesagt: Das erste Dilemma trifft uns alle. Wir wollen auf der einen Seite Sucht bekämpfen, auf der anderen Seite brauchen wir natürlich die Lotto-Toto-Mittel und andere Mittel, um damit notwendige Maßnahmen mit Blick auf die Infrastruktur vor Ort finanzie

ren zu können. Das ist doch vollkommen klar, doch wir müssen uns dieser Frage stellen. Diesbezüglich ist, so denke ich, in aller Ernsthaftigkeit zu unterstellen, dass wir Beratungsbedarf haben.

Also noch einmal die Aufforderung: Nehmen Sie uns als Parlament bei der Erarbeitung des Glücksspielstaatsvertrages mit; denn dann haben wir die Chance, diese Probleme zu diskutieren.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke schön. - Für die Fraktion der CDU spricht jetzt der Abgeordnete Herr Thomas.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kollege Grünert, das, was Sie zu diesem, wie ich finde, sehr ernsthaften Thema sagen, ist schon ein Stück weit abenteuerlich. Wenn Sie Glücksspiel und Spielsucht in einem Satz mit Aktien, Aktienbesitz und Aktienhandel nennen, dann möchte ich Sie von dieser Stelle aus fragen, ob Sie dem Ihnen sicherlich bekannten deutschen Philosophen mit Namen Karl Marx Spielsucht oder die Teilnahme an einem Glücksspiel unterstellen, weil er Aktien besaß. Das würde mich wundern.

(Zuruf von Herrn Grünert, DIE LINKE)

Insofern, denke ich, ist das abenteuerlich. Ich meine, das hat dieses ernste Thema auch nicht verdient.

Ich möchte mich bei dem Kollegen Erben bedanken, der dieses, wie ich finde, sehr wichtige Thema heute eingebracht hat, auch wenn - das muss man der Vollständigkeit halber sagen - die Spielsucht in Sachsen-Anhalt wesentlich weniger ausgeprägt ist als in Ballungsräumen wie Berlin oder dem Ruhrgebiet.

Nichtsdestotrotz hat es in der Glückspiellandschaft eine Veränderung gegeben. Es musste sie auch zwangsläufigerweise geben, nachdem das Spielen im Internet möglich ist. Insbesondere das klassische Automatenspiel hat sich von einem Unterhaltungsspiel hin zu einem Glücksspiel, mit dem Ziel Geld zu gewinnen, verändert.

Wir haben in der Tat eine rückläufige Zahl an Konzessionen und auch die Standorte werden weniger. Das haben wir gerade gehört. Dennoch steigt die Zahl der Spieler, die an Automaten spielen, weiter. Genau dieses Phänomen war für uns als Regierungskoalition der Hauptgrund, uns heute mit dieser Thematik zu befassen. Ich möchte an dieser Stelle nicht weiter auf statistische Zahlen eingehen. Die Frau Ministerin hat das bereits getan.

Dennoch möchte ich eine Zahl anführen, nämlich zur so genannten pathologischen Spielsucht, von der bundesweit 100 000 Menschen betroffen sind.

Wie gesagt, auch wenn wir hier nicht ganz so schwere Brennpunkte haben, sind wir uns, so denke ich, in diesem Hohen Hause darin einig, dass bei jedem Süchtigen, ob spielsüchtig oder anderweitig süchtig, ein persönliches Schicksal daran hängt, daran hängen Existenzen, daran hängt vielfach Kriminalität und daran hängen leider oft auch hohe Schulden.

Meine Damen und Herren! Für viele von uns ist dieser Bereich sehr abstrakt. Ich habe gerade überlegt, wie oft ich in den letzten 20 Jahren, seitdem wir in Sachsen-Anhalt Spielhallen haben, persönlich in einer Spielhalle gewesen bin. Ich bin auf zwei Mal gekommen. Ich gestehe offen ein, ich war dort nicht zum Zocken, sondern zum Billard spielen. Ich durfte beim zweiten Mal nicht mehr hinein, weil das Queue beim ersten Mal sehr gelitten hatte.

Dennoch habe ich mit großer Verwunderung erleben müssen oder erleben dürfen, wie Leute stundenlang an diesen Automaten saßen. Ich glaube, genau das ist das Problem. Wir müssen uns mit diesen Menschen beschäftigten, die vor diesen Automaten sitzen und die man auf dieses Leben vor diesen Automaten vielleicht nicht vorbereitet hat oder auch nicht vorbereiten konnte. Dazu ist der Ansatz, den wir heute schon vernommen haben, ein richtiger.

Deswegen möchte ich ergänzend zu den Ausführungen des Kollegen Erben noch drei Dinge benennen, die für uns als CDU-Fraktion besonders wichtig sind. Erstens wollen und müssen wir die präventiven Maßnahmen weiter ausbauen. Jawohl, wir müssen unsere Kinder, wir müssen unsere Jugendlichen auf diese Welt der Automatenspiele und auf das Spiel im Internet vorbereiten. Das Automatenspiel ist sicherlich eine besondere Spezies.

Alle die wir Kinder haben wissen, wie schwierig es ist, Kinder rechtzeitig vom Computer wegzubekommen. Wenn sie in der Community sind, wenn sie richtig Zocken, dann bleibt gern alles andere liegen. Kinder müssen erlernen, dass man zu festen Zeiten das Spiel unterbricht. Das bezieht sich insbesondere auch darauf, wenn es um etwas geht, wenn es um das liebe Geld oder wenn es um das Taschengeld geht. Ich denke, diesbezüglich benötigen unsere Kinder mehr Kompetenz. Das haben wir erkannt, und wir wollen prüfen, wie wir das zukünftig auch in den Schulen und in den Bildungseinrichtungen mehr durchsetzen können.

Weiterhin ist es für uns ein Ziel, für Menschen, die von der Spielsucht betroffen sind, die hochverschuldet sind und sich in eine Suchtberatung begeben und dort einer Therapie unterziehen, durch eine gezielte Schuldnerberatung Angebote zu schaffen und die Angebote, die wir haben, weiter auszubauen.

Zweitens - jetzt komme ich zu dem Automatenspiel, um das es heute zentral geht - geht es um

die Technik dieser Automaten. Denn es ist die Technik, die letztendlich zur Abhängigkeit animiert. Besonders Kinder und Jugendliche werden durch Angebote von bestimmten Glücksspielen verführt oder erst durch deren ständige Verfügbarkeit auf die Idee gebracht: Machen Sie Ihr Spiel.

Eine schnelle Abfolge von einzelnen Spielen mit schneller Gewinn- und Verlustentscheidung ist ebenfalls gefährlich und kann zu einer regelrechten Sucht nach Glücksspielen führen. An dieser Stelle steht nicht der mögliche Geldgewinn im Mittelpunkt, sondern allein der Nervenkitzel, der Kick, das Risiko, etwas zu verlieren, die Chance, etwas zu gewinnen.

Gefährlich wird es insbesondere dann, wenn Spielerinnen und Spieler das Gefühl haben, dass sie einen Einfluss auf das Spielergebnis haben und sich somit in den Spielverlauf einbezogen fühlen, so etwa durch Stopptasten an Geldspielautomaten, die blinken und suggerieren, wenn du mich jetzt drückst, dann gewinnst du etwas.

Dass der Spielausgang immer vom Zufall abhängig ist, gerät bei Spielerinnen und Spielern oft in den Hintergrund, da sie sicher sind, den Spielausgang kontrollieren, beeinflussen und vorhersagen zu können, was natürlich nicht der Fall ist.

Drittens denke ich, dass wir in diesem Hohen Hause, auch wenn die Automatenspielbranche Suchtpotenzial hat, Verantwortung für diese Branche haben; denn sie ist dennoch ein wirtschaftlicher Zweig, auch in unserem Land. Ich denke, es liegt auch in dem Bereich unserer Verantwortung, uns um die Arbeitsplätze in diesem Gewerbe zu bemühen. Es sind oft Familienbetriebe, die seit vielen Jahren am Markt sind, die sich dort behaupten müssen, die viel Zeit investiert haben und dementsprechend hiervon leben müssen.

Kollege Erben, deswegen habe ich es als sehr wohltuend empfunden, dass Sie angedeutet haben, dass wir bei allen möglichen Neureglungen über einen Schutz des Besitzstands reden müssen. Das heißt, das jene Anbieter, die bereits am Markt sind, die Gewissheit haben und auch die Berechenbarkeit, dass sie in dem derzeitigen Rahmen auch weiter ihrer wirtschaftlichen Aktivität nachgehen können.

Diese Punkte werden sicherlich auch zentraler Bestandteil der Beratung in den Ausschüssen sein, wobei ich für die Regierungskoalition darauf hinweisen möchte - ich habe das jetzt beim Kollegen Grünert nicht so schnell mitbekommen -, dass wir die Ausschüsse, die in Punkt 4 unseres Antrages genannt sind, für ausreichend halten. Wir freuen uns - vonseiten des Wissenschafts- und Wirtschaftsministeriums ist uns neues und aktuelles Datenmaterial versprochen worden - auf die Beratungen. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Herr Kollege, gestatten Sie eine Frage des Kollegen Grünert?

Die gestatte ich gern.

Wollen Sie sie auch beantworten?

Na, ich schaue einmal.

Noch besser.

Herr Thomas, ich habe zwei Fragen.

Sie haben ausgeführt, dass Sie die Kinder und Jugendlichen auf die Suchtgefahr vorbereiten wollen. Verstehe ich das unter dem Aspekt richtig, dass Sie im Vorfeld aufklären wollen? Oder wollen Sie nur auf die zukünftige Ausnutzung der Suchtgefahr vorbereiten?

Das Zweite. Ich bin nicht so sattelfest bei dem Kollegen Marx.

(Herr Borgwardt, CDU: Leute, Leute! - Wei- tere Zurufe von der CDU)