Protocol of the Session on June 20, 2013

Ich glaube aber, dass man auch den anderen Ministern an der Spitze der Ministerien für Inneres und Sport, für Landwirtschaft und Umwelt und für Landesentwicklung und Verkehr sowie ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die in den Stäben saßen und wochenlang dazu beigetragen haben, dass die Situation beherrschbar war und dass ganz schnell reagiert werden konnte - das sind Wochen, die sowohl hinter der Führung als auch hinter den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern liegen -,

(Herr Borgwardt, CDU: Das stimmt!)

hierfür Dank sagen kann, muss, soll und es auch tut.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Wir warten jetzt auf den Länderanteil. Über die Verteilung des Länderanteils soll bis zum 5. Juli 2013 verhandelt werden. Dann soll das in ein Gesetz gegossen werden. Wir hoffen natürlich ganz stark, dass der Länderanteil für uns so gering wie möglich ausfällt. Ich glaube, wenn man an die Haushalte denkt und daran, wie eng sie bemessen sind, dann kann man sich dies nur gemeinschaftlich wünschen.

Was die Schadensbeseitigung und der künftige Hochwasserschutz für den Landeshaushalt bedeuten werden, das können wir noch nicht genau sagen. Dafür brauchen wir erst die Schadensbilanz. Der Finanzminister hat in der vergangenen Woche bereits angedeutet, dass das in einem laufenden Haushalt schwierig sei. Darin stimme ich ihm voll und ganz zu.

Es ist, glaube ich, auch aus volkswirtschaftlicher und haushalterischer Sicht unbestreitbar, dass es für die gesamte Bundesrepublik besser ist, jetzt Geld in den Hochwasserschutz als nationale Aufgabe zu investieren, als alle zehn Jahre Schäden in Milliardenhöhe zu haben, die wir dann ad hoc beseitigen müssen. Es muss nach vorn gerichtet

und langfristig eine andere Finanzierung gefunden werden. Das kann kein laufender Haushalt in einem der Bundesländer im Abstand von zehn Jahren oder auch in kürzeren oder längeren Abständen aushalten.

Die Betroffenen wird das jetzt allerdings kaum interessieren. Für sie sind andere Dinge wichtig. Die Soforthilfe zur Unterstützung betroffener Einwohner ist zügig und unbürokratisch angelaufen. Auch die steuerlichen Erleichterungen werden erst einmal lindernd wirken. Auch dafür Dank an die Fachministerien, insbesondere an das Finanzministerium dafür, dass der Prozess so schnell anlaufen konnte, und auch für die Zuarbeiten aus den Ministerien und für die Hilfsprogramme beim Hochwasserschutz. Dazu komme ich gleich noch.

Ich möchte aber erst noch ein einige andere Dinge benennen, die wir nicht aus den Augen verlieren dürfen, die in das gesamte finanzielle Paket mit hineingehören.

Erstens. Die Kommunen können die Kosten für die Katastropheneinsätze allein nicht stemmen. Das wussten wir. Deshalb ist es gut, dass der Bund die Kosten für den Einsatz von Bundeswehr, THW und Bundespolizei nicht in Rechnung stellt. Das begrüßen wir ausdrücklich. Das hätte die Kommunen überlastet und das hätte auch das Land letztlich nicht stemmen können.

Zweitens. Die Helfer dürfen nicht zusätzlich belastet werden. Es geht um kleine Dinge, die wir tagtäglich erlebt haben, dass Firmen unkompliziert Unmengen von Essen gespendet haben und vor Ort waren. Ich finde, das ist nicht immer selbstverständlich. Eine Selbstverständlichkeit sollte es aber sein, dass sie dafür keine Umsatzsteuer zahlen müssen. Wir sind darüber mit dem Finanzministerium im Gespräch und ziehen sozusagen an einem Strang. Das ist ein kleiner Beitrag, der nicht vergessen werden darf; denn dabei kommen für kleine Unternehmen große Summen zusammen.

Ich muss auch sagen, dass es mich sehr betroffen gemacht hat, dass ich, als wir an den unterschiedlichen Stellen unterwegs waren, immer wieder Berichte von Helfern, insbesondere aus anderen Bundesländern, gehört habe, die ehrenamtlich in den Rettungsdiensten im Einsatz waren und gesagt haben: Mein Arbeitgeber hat dafür überhaupt kein Verständnis.

Diese Helfer sind also zusätzlich unter Druck geraten. Das darf man im Nachhinein nicht vergessen. Jeder Fall ist einer zu viel. Dass jemand in Not gerät, was seinen Arbeitsplatz angeht, weil er bei uns im Bundesland geholfen hat, das darf es nicht geben. Wir müssen darauf achten, wenn uns dies hinterher zu Ohren kommt.

Drittens. Das Hochwasser hat auch eine europäische Dimension, nicht nur weil Flüsse und Flu

ten nicht an Landesgrenzen Halt machen, sondern auch weil es ein Licht auf die Frage wirft, welchen Stellenwert die Daseinsvorsorge, wie wir sie in Deutschland organisieren, hat. Ich für meinen Teil war jedenfalls heilfroh, dass wir das Rettungsdienstgesetz so beschlossen haben, wie wir es beschlossen haben, dass der Katastrophenschutz Bestandteil des Rettungsdienstes ist und dass wir es mit den Vergaben so organisieren konnten, dass der Katastrophenschutz in Deutschland und damit auch in Sachsen-Anhalt gesichert ist.

Ich möchte nicht leugnen, dass auch Firmen aus anderen europäischen Ländern den Rettungsdienst erbringen können, aber den Katastrophenschutz kann wirklich nur jemand absichern, der vor Ort bei den Menschen tätig ist. Deswegen wird es eine europäische Debatte darüber geben, wie nationale Lösungen anerkannt werden können. Das betrifft jetzt konkret den Katastrophenschutz. Wir haben vor Kurzem aber auch über das Trinkwasser geredet. Auch das Thema Sparkassen muss man dazunehmen. Zu vielen Bereichen wird es europäischer Diskussionen bedürfen.

Unabhängig von diesen Problemen steht auch die Frage im Raum, wie wir den Hochwasserschutz künftig gestalten wollen. Wir brauchen in der Tat eine Evaluierung der Hochwasserschutzkonzeption. Ich glaube auch, dass es ein einfaches „Weiter so!“ nicht mehr geben wird. Vor allen Dingen können wir das nicht auf die lange Bank schieben. Wir dürfen uns darüber nicht erst in der nächsten Legislaturperiode unterhalten.

(Zustimmung von Herrn Weihrich, GRÜNE)

Das schnelle Aufeinanderfolgen von extremen Niederschlagsereignissen ist in die Statistik eingegangen. Das heißt, es wird mit Sicherheit auch in Zukunft so kommen, ob wir das wollen oder nicht. Es stellt damit auch eine zunehmende Bedrohung dar.

Das Wasser sucht sich seinen Weg. Wir haben es gesehen. Die Flüsse sind in den letzten Tagen vielfach in die alten Flutrinnen zurückgekehrt, die wir über die vergangenen Jahrhunderte und Jahrzehnte natürlich alle bebaut haben. Daraus kann es eigentlich nur eine Schlussfolgerung geben: Die Flüsse brauchen wieder mehr Raum, wenn auch nicht in den alten Flutrinnen, weil es dort möglicherweise Bebauungen gibt, die nicht rückgängig gemacht werden können.

Ich habe zum Beispiel gelernt, dass ein alter Elbarm in Magdeburg mitten durch den Zoo verläuft. Wir werden den Zoo nicht abreißen können, um den alten Elbarm zu revitalisieren. Dafür müssen die Flüsse aber an anderen Stellen mehr Raum bekommen, um das auszugleichen.

Das hört sich einfach an. Wir wissen, dass es notwendig ist. Wir müssen schauen, welche Räume es gibt. Ich weiß, dass es für Sachsen-Anhalt schon Karten mit, glaube ich, elf zusätzlichen

Überflutungsräumen gibt. Wir müssen dabei weiterkommen.

Wenn es darüber Auseinandersetzungen mit den Eigentümern gibt - Sie haben völlig Recht, Herr Aeikens, dass das manchmal nicht nur kurios aussieht, sondern dass es so ist, dass wir an manchen Stellen auch abseits der Deiche nicht weitergekommen sind, weil es Eigentums- und Nutzungsverhältnisse gibt -, dann - das sage ich ganz deutlich - müssen wir für die Eigentümer, die auf diesen Flächen zum Beispiel Landwirtschaft betreiben, andere Lösungen finden.

Ich möchte nicht gleich wie Herr Tillich von Enteignungen reden. Man muss nicht gleich die große Keule schwingen, weil alle zehn Jahre ein Problem auftritt. Wir brauchen diese Flächen aber, damit die bewohnten Gebiete entlastet werden. Deshalb müssen wir für die landwirtschaftliche Produktion auf diesen Gebieten andere Entschädigungsvarianten finden, als wir sie heute haben. Das wird nicht einfach werden. Das lässt sich zwar einfach sagen, es wird aber ganz schwierig werden, dafür auch eine europäische Lösung zu finden. Ich denke aber, dass das notwendig sein wird.

Wir brauchen natürlich weiterhin die Deichkonzeption. Sie muss fortgeführt werden. Wir werden bebaute Gebiete und Wohnhäuser schützen müssen. Daran führt kein Weg vorbei. Es wird aber ein neuer und anderer Mix sein.

Für diese Maßnahmen entstehen jetzt und in den nächsten zwei, drei Jahren natürlich hohe Kosten. Aber welche Kosten auf Dauer entstehen würden, wenn wir diese Maßnahmen nicht jetzt planen und durchführen würden, das ist nicht zu ermessen. Die Kosten würden mit Sicherheit sehr viel höher liegen, weil die Infrastruktur immer wieder neu aufgebaut werden müsste. Das sind Kosten, die mit Sicherheit sehr viel höher liegen würden, als wenn wir jetzt eine vernünftige Hochwasserschutzkonzeption angehen.

Ein Satz, mit dem man das vielleicht zusammenfassen kann: Wir müssen die Flüsse weniger zwingen und sollten sie mehr respektieren. Diesen Satz unterschreibe ich sofort. Es geht nicht um ein Deichwettrüsten, sondern um einen vernünftigen Mix aus beidem.

(Zustimmung von Herrn Weihrich, GRÜNE)

Ich unterstütze den Minister darin, dass es schneller gehen muss. Es muss einfach schneller gehen. Wir können uns dafür nicht 20 oder 30 Jahre Zeit lassen. Wir werden eine Lösung finden, auch ohne die Beteiligungsrechte völlig auszuschalten; denn das darf nicht passieren.

(Zustimmung bei der SPD)

Das Thema wird uns noch lange begleiten. Heute geht es um eine Aktuelle Debatte und um einen

Antrag, der von allen Fraktionen gemeinsam eingebracht wird. Ich möchte mich ausdrücklich bei der Fraktion DIE LINKE, die den Antrag erst allein, mit eigenen Ideen einbringen wollte, dafür bedanken, dass wir den Antrag auf alle Fraktionen ausweiten konnten. Ich glaube, es ist gut, wenn das alle machen. Dazu muss es aber auch die Bereitschaft des Antragstellers geben. Dafür herzlichen Dank.

Zum Schluss möchte ich noch einen Blick in die Gegenwart werfen und zwei Aspekte kurz benennen. Zum einen haben uns dringende Anrufe von gerade im touristischen Bereich tätigen Unternehmen in Sachsen-Anhalt erreicht, die sagen, es ist nicht überall Wasser;

(Herr Gallert, DIE LINKE: Ja!)

bitte transportiert auch, dass es noch Regionen gibt, in die ihr kommen könnt.

Sie haben völlig Recht. Wenn nun auch die Regionen, die nicht von der schweren Katastrophe und von den Fluten betroffen sind, mit Einnahmeausfällen zu rechnen haben, dann wird es ganz schwierig, dann wird auch in diesem Bereich dieses Standbein der Wirtschaft in Sachsen-Anhalt noch geschädigt. Lassen Sie uns schauen, dass wir, wie auch immer, für das Land publizieren, dass es sich natürlich noch immer lohnt, nach Sachsen-Anhalt zu kommen, und dass wir nicht völlig weggeschwemmt sind.

Zum Schluss: Es warten noch immer Tausende Menschen im Elbe-Saale- und im Elbe-HavelWinkel darauf, endlich in ihr Heim zurückkehren zu können. Deshalb möchte ich sagen, dass ich ihnen allen von ganzem Herzen wünsche, dass sie das bald können und dass möglichst viele entweder die Schäden rasch beseitigen können oder vielleicht doch trockenen Fußes in ihr Haus zurückkehren können. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Kollegin Budde. - Wir fahren in der Debatte fort. Als Nächster spricht der Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE Herr Gallert.

Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben es bei dieser Debatte über die Hochwasserkatastrophe in den letzten Wochen in Sachsen-Anhalt tatsächlich noch einmal mit einem sehr denkwürdigen Ereignis zu tun. Wir sprechen über eine Katastrophe, die zu einer ganzen Reihe von außergewöhnlichen Belastungen für jeden Einzelnen, der davon betroffen ist, aber auch für die gesamte Gesellschaft geführt hat.

Wir sprechen darüber in einer Situation, in der noch nicht einmal alle Menschen in Sachsen

Anhalt sicher sein können, dass sie die Flutkatastrophe nicht noch mehr als bisher betreffen wird. Wir haben die Situation im nördlichen Teil des Elbe-Havel-Winkels noch immer nicht hundertprozentig unter Kontrolle. Dort findet jetzt das Wasser aus dem Deichbruch bei Fischbeck parallel zum normalen Verlauf der Elbe den Weg in die Havel. Zwar sinken auch dort die Pegelstände, aber wir haben es noch immer mit sehr viel Angst zu tun. Auch dem sollten wir Rechnung tragen, wenn wir heute darüber reden.

Wir haben es massenhaft mit der unmittelbaren Belastung von Betroffenen zu tun. Wir kennen die Zahlen evakuierter Menschen, die in den letzten Tagen und Wochen eine Rolle gespielt haben. Es sind die Einzelschicksale, mit denen die Menschen zum Teil besser, zum Teil schlechter fertig werden, die wir aus diesem Raum heraus allerdings kaum ermessen können.

Wir haben eine Reihe von sehr substanziellen psychologischen Belastungen bei den Menschen, die betroffen sind, die sich die Situation vor Ort anschauen und sich dann manchmal die Frage stellen, ob sie nach einer solchen erneuten Hochwasserkatastrophe zum wiederholten Mal die Kraft für einen Neuanfang haben.

Das dürfen wir nicht vergessen. Viele Menschen stehen vor dieser Situation. Viele Menschen sind in einer Situation, in der sie nicht wissen, ob sie noch einmal die Kraft für einen Neuanfang aufbringen. Unsere Aufgabe als Politik wird es sein, ihnen alle Möglichkeiten zur Verfügung zu stellen, damit sie diese Kraft für einen Neuanfang wieder finden, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung von Herrn Scheurell, CDU, und bei der SPD)

Darüber hinaus haben wir es mit einer Reihe weiterer psychologischer Belastungen und Bedrohungen zu tun. Dabei geht es - egal ob man selbst betroffen oder dieses Mal davongekommen ist - um die große Frage: Wann kommt die nächste Flut? Erwischt es mich beim nächsten Mal oder komme ich beim nächsten Mal auch wieder davon? - Auch das müssen wir in unsere Überlegungen einbeziehen.

Außerdem haben wir bereits jetzt die Situation, dass wir ein altes Problem, das wir hier seit mehreren Jahren thematisieren, in einer neuen Dimension bekommen werden, das sich - im wahrsten Sinne des Wortes - an die Oberfläche zurückarbeitet, und zwar das Problem des Grundhochwassers, das infolge der Flutkatastrophe stärkere Dimensionen annehmen wird als im Jahr 2011.

Das wird den Kreis der unmittelbar Betroffenen in den nächsten Wochen und Monaten noch einmal stark ausweiten. Dieses Thema wird uns in den nächsten Monaten stark betreffen. Wir haben