Protocol of the Session on April 26, 2013

Unterbrechung: 12.57 Uhr.

Wiederbeginn: 14 Uhr.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 18 auf:

Beratung

FrauenOrte

Antrag Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drs. 6/1972

Änderungsantrag Fraktionen CDU und SPD - Drs. 6/2020

Einbringerin ist Frau Lüddemann. Bitte sehr, Sie haben das Wort.

Nach der Mittagspause zu reden ist immer undankbar. Aber so schlimm war es noch nie. Ach!

(Frau Bull, DIE LINKE: Dann steht im Proto- koll: Frau Lüddemann stöhnt! - Heiterkeit)

Ich habe jetzt nicht erwartet, dass das Plenum bis auf den letzten Platz gefüllt ist. Aber ein paar mehr

Interessenten hätte ich mir für das Thema schon gewünscht.

(Herr Hövelmann, SPD: Ich höre zu! - Frau Bull, DIE LINKE: Wir sind da!)

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Es war an der Schwelle des neuen Jahrtausends, als in Hannover die Expo 2000 auf den Weg gebracht wurde. Viele von Ihnen werden sich erinnern, Sachsen-Anhalt ist zum Korrespondenzstandort ausgerufen worden, damit die neuen Länder auch an dieser Ausstellung beteiligt waren.

Im Vorfeld dieser Expo 2000 gab es im Jahr 1998 im stillgelegten Kraftwerk in Vockerode eine Landesausstellung „Mittendrin - Sachsen-Anhalt in der Geschichte“. Ich sehe Nicken. Ich glaube, wer diese Ausstellung gesehen hat, dem wird sie in Erinnerung geblieben sein.

Es war eine sehr umfängliche Ausstellung, die das gesamte Kraftwerksgelände bespielt hat. Es war wirklich sehr beeindruckend zu sehen, welche Innovationen von Sachsen-Anhalt, von Mitteldeutschland ausgegangen sind, Innovationen in allen Bereichen des Lebens, in der Industriegeschichte, in der Kultur, im Tourismus.

Aber viele, die die Ausstellung gesehen haben, haben am Ende gesagt, irgendetwas fehlt. Ein wesentlicher Teil der Geschichtsschreibung ist ausgeblendet worden, nicht bewusst, vielleicht bewusst, aber auch, weil es ihn im Wesentlichen gar nicht gibt, und zwar die Perspektive der Frauen in der Geschichte.

Eine Gruppe von sehr engagierten Frauen hat sich zusammengefunden, der sogenannte Safir-Kreis, die Sachsen-Anhalt Fraueninitiativrunde. Diese Frauen haben sich auf den Weg gemacht, die Geschichte von Frauen auch in Sachsen-Anhalt aus der Unsichtbarkeit zu holen und in den Mittelpunkt zu rücken, diese Perspektive, die, wie ich finde, eine wichtige Perspektive der Landes- und Regionalgeschichte ist, in den Mittelpunkt des Interesses der Bevölkerung zu rücken.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LIN- KEN)

Die Expo 2000 Sachsen-Anhalt GmbH, die damals den Korrespondenzstandort verantwortete, war sehr aufgeschlossen für diese Ideen. Es wurde die Idee geboren, FrauenOrte und Frauengeschichte in Sachsen-Anhalt als Projekt auf den Weg zu bringen.

Das alles geschah anderthalb Jahre, bevor die Expo in Gang gesetzt wurde. Es ist, so finde ich, eine große Leistung gewesen, dass es bereits im Jahr 2000 gelang, 22 FrauenOrte der Welt - denn die Welt bewegte sich damals in Sachsen-Anhalt - zu präsentieren. Über diese FrauenOrte gelang es in wunderbarer Weise, das Wirken von Frauen in

die Öffentlichkeit zu holen, ihr Wirken und ihr Zusammenspiel mit der Gesellschaft darzustellen und sichtbar zu machen.

Um FrauenOrte sichtbar zu machen, wurde ein Logo entwickelt. Das ist eine stilisierte Rose. Einige von Ihnen werden es möglicherweise schon gesehen haben.

(Frau Dr. Klein, DIE LINKE: Das steht auf der Internetseite!)

- Es gibt inzwischen auch eine Internetseite mit Musik unterlegt, auf der man das sehr schön sehen kann; ganz genau.

Diese Rose wurde auf Tafeln gedruckt. Diese Tafeln wurden an den FrauenOrten angebracht. Es gibt Materialien, die zu jedem Frauenort darstellen, warum er es wert ist, als besonderer Ort dargestellt zu werden.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Für diejenigen, die das Projekt nicht kennen, möchte ich ein paar Beispiele nennen. Denn es sind wirklich ganz unterschiedliche Frauen, die über die Jahrhunderte dargestellt werden. Es sind Frauen, die durch ihr eigenes Leben mit ihrem Namen in die Öffentlichkeit getreten sind, wie beispielsweise die Sozialdemokratin Marie Kettmann, die die erste Frau in einem Regionalparlament war. Daran erinnert der FrauenOrt in Dessau am Standort des ehemaligen anhaltischen Landtages.

Oder eine Frau - davon gibt es viele -, von der man heute sagen würde, sie hat ihrem Mann den Rücken freigehalten, damit dieser das tun konnte, wofür die Geschichte ihn über Jahrhunderte hinweg lobt. An Katharina von Bora erinnert ein FrauenOrt in Wittenberg.

Es gibt andere Frauen, die als Unternehmerinnen gewirkt haben in einer Zeit, als dies für Frauen eigentlich noch undenkbar war. Daran erinnert beispielsweise der FrauenOrt zu Käthe Kruse in Bad Kösen. Das Geburts- und Sterbehaus von Dorothea von Erxleben erinnert daran, wie schwierig es für Frauen war, eine akademische Berufslaufbahn einzuschlagen.

FrauenOrte erinnern auch an Frauen, die berühmte Nachnamen tragen und deren eigene Geschichte, wie bei Jenny Marx, wenig in der Öffentlichkeit steht. In Salzwedel kann man sehen, was auch Jenny Marx - man mag das, was dabei herausgekommen ist, bewerten wie man will - zur Geschichte beigetragen hat.

Es gibt auch FrauenOrte, die an Gruppen von Frauen erinnern. Beispielsweise war das Kloster Helfta der Ort für mittelalterliche Frauenmystik. Es hat mystische Impulse für ganz Europa gesetzt. An die Gruppe der Äbtissinnen und Klosterfrauen, die dort gewirkt haben, erinnert dieser Ort.

Ich könnte noch viele FrauenOrte aufzählen. Inzwischen sind es mehr als 50. Sie können, wenn Sie einen kleinen Spaziergang machen, gleich hier um die Ecke einen, wie ich finde, sehr besonderen FrauenOrt, einen sehr schön gestalteten FrauenOrt sehen. Am Fürstenwall gibt es einen FrauenOrt, der an die Ottonen-Frauen Adelheid und Theophanu erinnert. Oder der FrauenOrt für Elisabeth von Ardenne im Schloss Zerben.

In der nächsten Woche wird möglicherweise ein FrauenOrt in das Licht der Weltöffentlichkeit gerückt, den man so gar nicht damit verbindet. Ohne Gräfin Juliana von Stolberg-Wernigerode gäbe es den Thronwechsel in den Niederlanden nächste Woche nicht; denn das ist die Stammmutter des niederländischen Königshauses. So gibt es, wie gesagt, noch viele andere FrauenOrte, die bekannt sind, die unbekannt sind, die aber, wie ich finde, wichtig sind und aufbereitet gehören.

Jetzt kommen wir zum Kern des Antrages. Denn all diese Orte sind - ich habe es bereits erwähnt - geschichtlich aufbereitet und es gibt Materialien dazu. Es gibt Tafeln, die den Standort kenntlich machen. Allerdings muss man sagen, dass sie in sehr unterschiedlichem Zustand sind. Einige Tafeln werden gepflegt und gehegt. Andere sind kaum noch erkennbar.

Zu einigen wenigen FrauenOrten gibt es abgeleitete touristische Angebote. In Magdeburg ist dies der Fall, in Halle, in Zerbst, in Sangerhausen und ein bisschen auch in Quedlinburg.

Jetzt komme ich zu dem Problem, das wir mit den FrauenOrten haben. Man muss ganz klar sagen, dass die Landesregierung in der Antwort auf meine Kleine Anfrage in der Drs. 6/1376 vom August 2012 eine völlig falsche Aussage getroffen hat. Es gibt kein Netzwerk, dem man die Aufgaben, die die Landesregierung dort aufgelistet hat, zuordnen könnte.

In der Tat ist die Idee der FrauenOrte lange hochgehalten worden. Ich habe es erwähnt. Sie ist zuerst von der Expo 2000 GmbH finanziell unterstützt worden. Dann ist überlegt worden, wie kann man das Projekt in diesem Land weiter am Leben erhalten. Die Krux in diesem Land ist immer, man muss ein neues Projekt erfinden und man muss einen neuen Schwerpunkt setzen. Erst hat sich das Sozialministerium engagiert, dann hat sich das Kultusministerium engagiert.

Im Rahmen dieser neuen Förderung sind zwei sehr schöne Wanderausstellungen entstanden, „Schattenrisse - Frauenleben zwischen Altmark und Unstruttal“ und - wir sprachen gerade beim Mittagessen darüber - eine Wanderausstellung über Hexenverbrennungen mit dem Titel „Nach ferner erinnern bekennt sie...“.

Das alles hat aber dem Netz der FrauenOrte nicht geholfen. Deswegen fanden sich ungefähr zwei

Handvoll Frauen zusammen, die zu Anfang dieses Jahrtausends den Verein FrauenOrte SachsenAnhalt e. V. gegründet haben, um zu versuchen, aus den FrauenOrten das touristische Potenzial zu ziehen, die Materialien noch besser aufzubereiten und im besten Fall buchbare Angebote zu entwickeln.

Es gab sicherlich viele Gründe, warum sich der Verein nach einigen Jahren auflöste. Aber einer war im Wesentlichen - das ist klar -, dass all das, was diese Damen sich vorgenommen haben und mit großem Engagement versucht haben anzugehen, ehrenamtlich, nebenbei und ohne finanzielle Förderung einfach nicht leistbar war.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Es ist eigentlich traurig. Aber ich glaube, es ist bemerkenswert und es ist wichtig, das hier festzuhalten.

Die Rechte liegen jetzt bei dem Verein Courage e. V. in Halle. Aber die können damit auch nichts weiter anfangen. Gestatten Sie mir, an Frau Dr. Elke Stolze und an Frau Carmen Niebergall von dieser Stelle aus einen Dank zu richten; denn ohne diese beiden Damen würde es die FrauenOrte in der Weise, wie wir sie heute kennen, nicht mehr geben.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LIN- KEN - Zustimmung von Frau Niestädt, SPD)

Insofern ist es also völlig unmöglich, das umzusetzen, was die Landesregierung in der Antwort auf die Kleine Anfrage vorschlägt - ich zitiere -:

„Aus tourismusfachlicher Sicht muss das Netzwerk der FrauenOrte die Zusammenarbeit mit den regionalen Tourismusverbänden aufnehmen und sich in die touristischen Strukturen des Landes integrieren.“

Das ist eine gute Idee. Das ist das genau das, was wir, was die FrauenOrte vorantreiben wollen. Aber, wie gesagt, ohne ein tatsächliches Netzwerk geht es nicht. Es gibt ein Netz an FrauenOrten, aber kein Netzwerk.

Deswegen sieht der Antrag meiner Fraktion vor zu prüfen, wie man dieses touristische Potenzial, das wir sehen und dessen Vorhandensein in den Städten, die ich genannt habe, auch vermarkten kann, in den Landestourismusplan, in den Masterplan integrieren kann.

Gerade in den letzten Tagen ist noch einmal festgestellt worden, dass Sachsen-Anhalt eine Zunahme beim Kurzzeittourismus hat, dass immer mehr Gäste nach Sachsen-Anhalt kommen. Aber leider ist es bisher noch nicht gelungen, die Aufenthaltsdauer der Gäste zu steigern. Ich glaube, dass die FrauenOrte, wenn sie in der Gesamtheit vermarktet würden, ein Potenzial haben, die Aufenthaltsdauer zu erhöhen.