Protocol of the Session on April 25, 2013

Die Förderpolitik sollte tatsächlich weniger den Wettbewerbsvorteil für einzelne Unternehmen im Blick haben, sondern mehr zur Sicherung der Attraktivität des Standortes Sachsen-Anhalts insgesamt beitragen. Dafür ist auch ein Wechsel in der Förderpolitik notwendig.

(Beifall bei der LINKEN)

Für gut ausgebildete Fachkräfte, die man im Land halten möchte, ist auch ein ausreichender Verdienst entscheidend. Ich erinnere nur an die heutige Schlagzeile in der „Volksstimme“, nach der 400 Fachkräfte im Bereich Logistik fehlen. Was sind die Gründe dafür? - Eine niedrige Bezahlung und schwierige Arbeitsbedingungen. Diese Dinge sind benannt worden.

Die Fakten für das Land Sachsen-Anhalt besagen, dass wir hinsichtlich der Bruttolöhne und -gehälter seit dem Jahr 2008 kontinuierlich auf dem vorletzten Platz vor Mecklenburg-Vorpommern sind. Im Jahr 2012 hat der Abstand zu Mecklenburg-Vorpommern sogar abgenommen.

Angesichts der aktuellen Lohnentwicklung unterstreicht unsere Fraktion ein weiteres Mal ihre Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Auch wenn ein solcher allein die Probleme nicht zu lösen vermag, wäre er ein wichtiger Schritt, um dem Lohndumping und dem daraus resultierenden Niedriglohnsektor wirksam entgegenzutreten. Gerade in diesem Bereich sind die Auswirkungen auf die Löhne in Sachsen-Anhalt besonders negativ.

Sachsen-Anhalt hat die Chance, voranzugehen und einen lang gepflegten Imageschaden zu beseitigen, indem es mit einem Landesmindestlohngesetz Zeichen setzt. Das wäre ein klares Signal an die Beschäftigten in Sachsen-Anhalt.

Insbesondere mit dem in diesen Tagen verabschiedeten Tarifvertrag für das Friseurhandwerk wurde eine wichtige Weichenstellung in einer Branche vollzogen, die als Paradebeispiel für Niedriglöhne steht. Aber es bleibt festzustellen, dass der Niedriglohn nur für tarifgebundene Unternehmen gilt und dass die Gefahr des Dumpingwettbewerbes weiterhin besteht. Dabei helfen offenbar nur die Einführung einer Allgemeinverbindlichkeit oder ein gesetzlicher Mindestlohn weiter.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Wir reden oftmals über einen Fachkräftemangel. Dazu habe ich bereits in der letzten Landtagssitzung ausführlich ausgeführt. Wenn es im Land Sachsen-Anhalt derzeit tatsächlich einen Fachkräftemangel gibt, dann betrifft dieser offensichtlich billige Arbeitskräfte. Diesbezüglich ist tatsächlich ein Mangel vorhanden.

Dieses Gefühl ist nicht nur ökonomisch begründet; vielmehr wird ein Fachkräftebedarf dann sichtbar, wenn die Arbeitskosten steigen. Dann bestimmen Angebot und Nachfrage den Preis.

Einem Essay des IWH zum Thema Arbeitskräfte für ostdeutsche Betriebe aus dem Jahr 2012 ist zu entnehmen, dass nicht nur die Abwanderung und die Folgen des demografischen Wandels zunehmend sichtbar werden, sondern dass der Arbeitsmarkt sich zu drehen beginnt. Er wandelt sich von einem vormals nachfrageorientierten zu einem verstärkt angebotsorientierten Markt.

Deswegen ist es für uns verwunderlich, wenn wir so manchem Unternehmer noch immer erklären müssen, woher ein angeblicher oder realer Fachkräftemangel eigentlich kommt.

Staatliche Bildungspolitik - das möchte ich hervorheben - schafft lediglich Voraussetzungen für gut ausgebildete Fachkräfte; sie kann jedoch nicht die Verantwortung für andere Bereiche übernehmen. Den Hochschulen den schwarzen Peter zuzuschieben und sie mit der Forderung nach Absolventenlenkung und der Aufgabe allein zu lassen, den Klebeeffekt, also den Effekt des Verbleibens der Studenten auch nach dem Studium in SachsenAnhalt, zu erhöhen, ist nicht nur feige, sondern auch falsch.

Der Magdeburger Rektor Jens Strackeljahn hat es im „Deutschlandradio“ nach unserer Auffassung richtig gesagt - ich zitiere -:

„Da würde ich mir Rahmenbedingungen und einen Schwung durch die Landesregierung, so einen Wind, der hier durchs Land weht, wünschen. Eine Ansiedlungspolitik, sodass man sagt: Jawohl, hier komme ich hin. Das ist ein Land in Deutschland, in Europa, wo die Post abgeht. Das wäre mein Wunsch.“

(Beifall bei der LINKEN - Frau Dr. Klein, DIE LINKE, lacht)

Ich stelle mir natürlich die Frage, warum der Rektor der Magdeburger Universität noch nicht begriffen hat, dass hier die Post abgeht. Was ist eigentlich sein Problem?

(Herr Gallert, DIE LINKE: Er hat die Regie- rungserklärung nicht richtig verstanden! - Herr Schröder, CDU: Sie wurde falsch er- klärt!)

Meine sehr geehrte Damen und Herren! Eine Ausrichtung der Wirtschaftspolitik allein auf die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen ist nach unserer Auffassung nicht zielführend. Die jahrelange Imagekampagne der Landesregierung, bei potenziellen Investoren mit geringen Lohnstückkosten aufgrund niedriger Löhne, geringer Tarifbindung, geringen Mitspracherechten der Beschäftigten oder billigen Gewerbeflächen zu werben, hat sich negativ auf die Attraktivität des Landes und vor allem auf die Bindungswirkung und die Anziehungskraft für junge Menschen ausgewirkt.

Es ist daher die Auffassung unserer Fraktion, dass es dringend einer Neuausrichtung der Standort- und Ansiedlungspolitik bedarf. Es müssen heute die Weichen für die Zukunft des Landes gestellt werden, um ein weiteres Auseinandergehen der Schere zwischen Sachsen-Anhalt und den anderen Bundesländern zu verhindern.

Deshalb haben wir unter Punkt 2 unseres Antrags entsprechende Vorschläge für die Diskussion unterbreitet. Dazu ist vor allem in Köpfe zu investieren. Vor diesem Hintergrund ist das Signal, das von einer Ausgabenkürzung im Bildungsbereich ausgeht, eines der falschesten für eine effektive Wirtschafts- und Innovationsförderung. Denn - hier

mit wiederhole ich das, was ich bereits im Rahmen der letzten Landtagssitzung gesagt habe, gern - gut ausgebildete Fachleute sind das beste Potenzial, das Unternehmen in Sachsen-Anhalt - und nicht nur hier - bekommen können. Ich werbe um Zustimmung zu unserem Antrag. - Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke sehr, Herr Kollege Dr. Thiel. - Für die Landesregierung spricht Minister Möllring

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wissen Sie, Herr Dr. Thiel, wenn man für eine Sache werben möchte, dann muss man die positiven Dinge herausstellen und sollte nicht auf möglichst viele Fehler hinweisen. Das sollten wir gemeinsam tun, quer durch alle vier Fraktionen, quer durch die Regierung. Wir sollten wie Herr Strackeljahn sagen: Sachsen-Anhalt ist ein Land auf dem Sprung, in das es sich zu kommen lohnt. Dann kommen auch welche.

Wenn Sie aber sagen, hier ist alles öde, dann wird man sich fragen: Warum soll ich denn dorthin kommen?

(Zustimmung bei der CDU)

Es ist völlig klar: Die Opposition muss grundsätzlich die Regierung kritisieren. Dabei muss sie jedoch nicht falsche Zahlen nennen und das Land schlecht machen.

(Zustimmung bei der CDU - Oh! bei der LIN- KEN)

Im Jahr 2008 betrug das Bruttoinlandsprodukt in Sachsen-Anhalt 50,3 Milliarden €.

(Unruhe bei der LINKEN)

Im Jahr 2012 wurde ein Wert von 52,8 Milliarden € erreicht. Damit liegt das Bruttoinlandsprodukt von Sachsen-Anhalt 5 % über dem Niveau des Jahres 2008. Unzutreffend ist daher die Behauptung in Ihrem Antrag, dass das Bruttoinlandsprodukt Sachsen-Anhalts 1,2 % unter dem Wert von 2008 liegt. Das sind im Übrigen keine Regierungszahlen; vielmehr sind sie amtlich erhoben worden. Diese sollten wir gemeinsam zur Grundlage machen.

Die Landesregierung wirbt auch nicht offensiv mit geringen Lohnstückkosten, geringer Tarifbindung, geringen Mitspracherechten oder mit billigem Bauland. Es ist schlicht nicht von der Landesregierung zu beeinflussen, dass einige dieser Kriterien zum Recherchegegenstand und zu Entscheidungsparametern in einem Standortwettbewerb von Investoren gehören und dementsprechend natürlich gar nicht verheimlicht werden können.

Wobei festzustellen ist, dass billiges Bauland nichts Abschreckendes hat. Um Investoren dazu zu bewegen, hierher zu kommen, ist man auch bereit - das weiß jeder Bürgermeister, das weiß jeder Landrat, das weiß jeder Wirtschaftsförderer -, den Preis für das Bauland zu senken.

(Zuruf von Herrn Czeke, DIE LINKE)

Zutreffend ist allerdings Ihr Hinweis, dass Sachsen-Anhalt im Bundesländer-Niveau-Ranking - damit ist das sogenannte Bestandsranking gemeint - im letzten Jahr den vorletzten Platz erreichte. Aber wir müssen auch sehen, dass dabei übersehen wurde, dass das Land Sachsen-Anhalt im sogenannten Dynamikranking - das ist die Betrachtung der Entwicklung von 2006 bis 2011 - den siebenten Platz erreicht hat und damit in der ersten Hälfte liegt.

Es ist logisch: Wenn man weiter hinten läuft und man will nach vorn, dann muss man etwas schneller laufen als die anderen. Das tut das Land Sachsen-Anhalt im Moment.

(Zustimmung bei der CDU)

Wir sollten gemeinsam in der restlichen Bundesrepublik den Stolz darauf verbreiten, dass die Landeshauptstadt Magdeburg im vergangenen Jahr zur wirtschaftlich dynamischsten Stadt Deutschlands erklärt wurde.

(Zustimmung bei der CDU)

Das sind Argumente, mit denen man Werbung machen kann. Man sollte nicht versuchen, irgendwo Fehler zu finden.

(Herr Gallert, DIE LINKE, lacht)

Sachsen-Anhalts Wirtschaft hat seit der Wende einen langen, steinigen Weg zurückgelegt und ist selbstverständlich, wie andere Bundesländer auch, noch nicht in allen Punkten an der Spitze. Dennoch sind die aktuellen Herausforderungen andere als noch vor 23 Jahren.

Die Arbeitslosenzahl ist gesunken, ich gebe zu: auf einen noch immer zu hohen Wert von 11 %. Manche Unternehmen beklagen inzwischen schon einen Fachkräftemangel.

(Zuruf von Herrn Grünert, DIE LINKE)

Darunter versteht man eben nicht Menschen mit prekärem Einkommen; vielmehr werden Fachkräfte ordentlich entlohnt. Wenn das hier fehlt, müssen wir gemeinsam daran arbeiten.

(Frau Thiel-Rogée, DIE LINKE: Dann haben wir gemeinsam viel Arbeit!)

- Natürlich müssen wir gemeinsam viel arbeiten. Wissen Sie, wer meint, dass alles gut ist, der hat aufgehört, besser zu werden.

(Zuruf von Frau Bull, DIE LINKE)