Am 12. Februar 2013 hat die Landesregierung die bisherigen Erkenntnisse in strategischen Eckpunkten zusammengefasst, die nun weiter zu konkretisieren sind. Auch die Eckpunkte und die Beschlusslage der Landesregierung dazu sind dem Landtag übermittelt und auf den Europaseiten des Landes im Internet veröffentlicht worden.
Oberziele des Landes sind: nachhaltiges Wachstum, Beschäftigung und Innovation. Querschnittsziele und -themen sind: Gleichstellung der Geschlechter, Nichtdiskriminierung, Bewältigung demografischer Entwicklungen, nachhaltiger Umwelt- und Naturschutz sowie Internationalität.
Mit den strategischen Eckpunkten ist die Prioritätensetzung des Landes für die elf von der EU vorgegebenen thematischen Ziele verbunden. Wegen der leider noch nicht verabschiedeten EU-Verordnungen und der noch offenen Mittelverteilung hinsichtlich der einzelnen Fonds können sich noch Änderungen im Detail ergeben.
Die Unterstützung von Wissenschaft, Forschung, Entwicklung und Innovation wird einen breiten Schwerpunkt im Rahmen des Einsatzes aller Fonds einnehmen. Es darf hierbei allerdings nicht nur darum gehen, viel Geld in die Hand zu nehmen, sondern es gilt, auf unseren eigenen Stärken aufzubauen, anstatt sich in gerade angesagten Forschungsfeldern zu verzetteln, bei denen wir keinen Startvorteil gegenüber anderen Regionen aufweisen. Die EU-Kommission hat dafür den Begriff der intelligenten Spezialisierung geprägt.
Die Landesregierung erstellt hierzu derzeit eine regionale Innovationsstrategie auf der Basis einer Konsultation aller relevanten Akteure, die dieser Spezialisierung letztlich dient.
Weil bei uns - im Gegensatz zu anderen Ländern - die öffentliche Hand mit Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen einen deutlich höheren Anteil an den Forschungsausgaben hat als die Unternehmen, müssen wir den Wissenstransfers noch stärker in den Blick nehmen, damit aus Forschung noch häufiger und schneller markt- und exportfähige Produkte entstehen. Innovation muss zukünftig stärker als bisher von den Unternehmen - in Sachsen-Anhalt sind das vor allem kleine und mittlere Unternehmen - getragen und umgesetzt werden.
Nicht zuletzt deshalb nimmt die KMU-Förderung die zweithöchste Priorität der EFRE-Förderung ein. Wir wollen hierbei, wie auch in der laufenden Förderperiode, auch revolvierende Finanzierungsinstrumente nutzen, wenn uns die Kommission daran nicht noch hindern sollte.
In der Wissensgesellschaft wird die IKT- und speziell die Breitbandinfrastruktur immer wichtiger. In diesem Bereich hat Sachsen-Anhalt noch Nachholbedarf. Insofern planen wir eine Förderung der IKT-Strukturen des Landes mit jeweils rund 10 % der EFRE- und der ELER-Mittel.
Für das thematische Ziel der Verringerung von CO2-Emissionen ist die Fortführung des Programms Stark III ein Schwerpunkt. Vorbildliche Energieeffizienz in öffentlichen Gebäuden strahlt nach den Erfahrungen anderer Mitgliedstaaten auf die privaten Haushalte aus, entfaltet also eine Sogwirkung. Hinzu kommen im EFRE Förderaktivitäten für energieeffizientere Produktionen in Unternehmen, energetisch integrierte Stadtentwicklungskonzepte sowie die Förderung nachhaltigerer Formen des Verkehrs.
Den Themenkomplexen der nachhaltigen Stadtentwicklung sowie des Schutzes und Erhaltes des Naturraums werden wir eine eigene Prioritätsachse im EFRE widmen. Durch die Bündelung von sachverwandten Handlungsfeldern können wir die Vielfalt von Faktoren, die zur regionalen Entwicklung beitragen, besser abbilden.
Sachsen-Anhalt ist in jedweder Hinsicht durch einen vergleichsweise hohen Anteil des ländlichen Raums geprägt. Dessen Förderung einschließlich der Land- und Forstwirtschaft ist vor allem eine Aufgabe des ELER, bei dem fast die Hälfte der Mittel für die Förderung der sozialen Eingliederung und der wirtschaftlichen Entwicklung ländlicher Gebiete verwendet werden soll.
Der methodische Ansatz der Leader-Förderung, deren Umsetzung bei uns das Prädikat „Best practice“ verdient, wird dabei weiter verfolgt.
Den zweitgrößten Anteil der ELER-Förderung wird der Schutz der Ökosysteme einnehmen. Hierzu soll im Sinne der fondsübergreifenden Strategie
auch der EFRE ergänzend beitragen. Wichtig sind auch die Maßnahmen gegen Hochwasser und Vernässung aus dem EFRE und dem ELER.
Im Bereich des Europäischen Soziafonds steht das Thema Bildung im Vordergrund. In Sachsen-Anhalt beginnt Bildung schon seit Langem spätestens im Kindergarten und sie endet nicht mit dem Eintritt in den Beruf. Bildung trägt zur Mobilisierung des Fachkräftepotenzials ebenso bei wie zur Inklusion und Armutsbekämpfung. Mit Blick auf die demografischen Herausforderungen muss Bildung zur Ausschöpfung aller Potenziale beitragen, auch in der beruflichen Bildung und Weiterbildung.
Zur Inklusion und zur Armutsbekämpfung werden vor allem die Maßnahmen zur Vermeidung von Schulversagen beitragen. Daher wird dieser Förderbereich in den strategischen Eckpunkten als eines von vier ESF-Vorrangzielen genannt. Zudem wird das Land die Alphabetisierung funktionaler Analphabeten weiter fördern.
Trotz der deutlichen Verbesserungen am Arbeits- und Ausbildungsmarkt besteht nach wie vor Bedarf an Maßnahmen, um Familien aus der Armutsfalle zu befreien. Deshalb werden wir das vor Kurzem gestartete Programm „Familien stärken - Perspektiven eröffnen“ in der nächsten Förderperiode weiterführen. Das strategische Profil des Landes beim Einsatz von EFRE, ESF und ELER in der nächsten Förderperiode wird demnach durch die folgenden fünf Begriffe geprägt: Innovation, Energie, Bildung, Demografie und - im Ergebnis - Lebensqualität.
Wenn wir unsere Ziele erreichen wollen, dann ist es eine zentrale Aufgabe, die Europafähigkeit unseres Landes weiter zu stärken. Die Beschäftigung mit europäischen und internationalen Themen ist eine Pflichtaufgabe der Verwaltung und muss noch selbstverständlicher werden. Wer sich mit aktuellen Fragestellungen und Lösungsansätzen für Problemlagen in Sachsen-Anhalt befasst, der muss dabei immer auch europäisch und international denken.
In den vergangenen Jahren wurden verschiedene Maßnahmen zur Entwicklung der Europafähigkeit der Landesverwaltung erfolgreich durchgeführt. Schwerpunkt war die Qualifikation von Landespersonal durch europabezogene Studiengänge, Fortbildungen und die Vermittlung von Fremdsprachenkenntnissen sowie die Entsendung von Bediensteten in die Vertretung des Landes in Brüssel oder in andere EU-Institutionen.
Das Ziel der Landesregierung bleibt es, die Sprach- und Europakompetenz der Landesverwaltung durch geeignete Qualifizierungsmaßnahmen, aber auch durch gezielte Personalentwicklung weiter zu verbessern. Auch die Bildung und Pflege
Zur nachhaltigen Entwicklung der Europakompetenz werden im Rahmen des qualitativen Personalmanagements die bestehenden Maßnahmen aufeinander abgestimmt, neue Maßnahmen werden entwickelt und in einem ressortübergreifenden Konzept zusammengeführt. Aktuell wird den Ressorts durch die Staatskanzlei ein neues Modul zur europabezogenen Führungskräftequalifizierung angeboten.
Meine Damen und Herren! Voraussichtlich im Juli dieses Jahres wird Kroatien das 28. Mitglied der Europäischen Union werden. Seit seiner Unabhängigkeit hat Kroatien weitreichende Veränderungen durchlaufen, um den Anforderungen an eine Mitgliedschaft vollauf gerecht zu werden. Daher sind wir zuversichtlich, dass der für Ende März 2013 angekündigte Monitoringbericht der Kommission insgesamt positiv ausfallen wird, sodass Bundestag und Bundesrat voraussichtlich im Mai 2013 abschließend über die Ratifikation des Beitrittsvertrages entscheiden können.
Der Beitritt Kroatiens zur EU ist auch ein Signal an die übrigen Staaten des Westbalkans, denen eine europäische Perspektive eingeräumt worden ist. Abzuwarten bleibt, wie sich die Verhandlungen mit Island im Anschluss an die dort im April 2013 stattfindenden Wahlen entwickeln und wie es mit der Türkei weitergeht.
Soweit es die Einhaltung der Beitrittskriterien betrifft, begrüßen wir die im vergangenen Jahr vom Europäischen Rat beschlossene veränderte Herangehensweise in den Bereichen Justiz, Grundrechte, Freiheit und Sicherheit. Auch in Fragen von Wirtschaft und Wettbewerbsfähigkeit erfolgt künftig eine genauere Prüfung im Hinblick darauf, ob die Beitrittskandidaten den Anforderungen an eine EUMitgliedschaft genügen, bevor Beitrittsverhandlungen aufgenommen werden. Auch das dient der Akzeptanz von Europa in der Bevölkerung.
Ob und wie es uns gelingt, die Vorteile der europäischen Integration zu nutzen und wie wir dies den Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes deutlich machen, davon wird auch die Beteiligung an den Europawahlen 2014 in Sachsen-Anhalt abhängen. Der genaue Zeitpunkt steht noch nicht fest. Das Europäische Parlament hat im November 2012 den Europäischen Rat aufgefordert, die Europawahl auf Ende Mai 2014 vorzuziehen. Bei uns wird sie voraussichtlich gemeinsam mit den Kommunalwahlen stattfinden.
Sachsen-Anhalt hat allen Anlass, sich mehr als andere für Europa zu engagieren. Die Öffentlichkeit fragt sich immer öfter, ob wir eine neue europäische Erzählung brauchen oder - von Habermas anspruchsvoller formuliert - ein neues Narrativ wider die Skepsis und für die Integration. Europa als
Friedensprojekt, das sei fast 70 Jahre nach Kriegsende doch ganz selbstverständlich, und Europa als Wirtschaftsgemeinschaft reiße junge Menschen auch nicht vom Hocker.
Das vereinte Europa der Nationalstaaten und Regionen mit einem starken Europäischen Parlament und einer handlungsfähigen Exekutive ist zweifellos die Zukunft unseres Kontinents. Es zu verwirklichen ist die große Herausforderung der Gegenwart.
Europa ist aber gerade in Sachsen-Anhalt auch ein faszinierender Aspekt unserer Vergangenheit. Seit 1990 ist in verschiedenen Projekten, namentlich den Europaratsausstellungen in Magdeburg, die europäische Dimension des unter unseren Ottonischen Kaisern begründeten Heiligen Römischen Reiches herausgearbeitet worden.
Europäisch im besten Sinne sind aber auch das Magdeburger Recht, die Universität Halle-Wittenberg, unser reformatorisches Erbe, unsere Komponisten vom Barock bis zu Weill, Winckelmann als Begründer der europäischen Archäologie und Kunstgeschichte, unser Wörlitzer Gartenreich als Europa im Kleinen und das Bauhaus.
Europäisch sind letztlich auch die von hier ausgehenden Beziehungen über Katharina aus Zerbst nach Russland, über die Blankenburger Welfen nach England, über Anhalt und Stolberg in die Niederlande und über das Haus Wettin zu vielen heute noch aktiven Regenten in Europa.
Für uns in Sachsen-Anhalt - das will ich damit sagen - ist Europa kein gewöhnungsbedürftiges Kunstprodukt, sondern unsere Vergangenheit, unsere Gegenwart und unsere Zukunft - so selbstverständlich wie unsere Einbindung in den deutschen Bund der Länder, die Bundesrepublik Deutschland.
Vor diesem Hintergrund sollten wir schon heute deutlich machen, dass die Wahlbeteiligung bei der Europawahl ein Ausdruck der Vitalität europäischer und nationaler Demokratie ist. Alle sind es sich schuldig, ihr Wahlrecht bei europäischen Wahlen und natürlich auch bei der bevorstehenden Bundestagswahl auszuüben.
Nicht wer gewählt wird, sondern dass gewählt wird, sollte uns ein gemeinsames Anliegen sein. Die Landesregierung wird ihre europapolitische Öffentlichkeitsarbeit im Jahr 2014 darauf ausrichten, für eine hohe Wahlbeteiligung bei den Europawahlen zu werben. Ich möchte Sie schon heute bitten, sich ebenfalls dafür einzusetzen.
Meine Damen und Herren! Bundespräsident Gauck hat kürzlich gefordert, Europa brauche Bannerträger, keine Bedenkenträger, keine Zauderer, son
dern Zupackende. Ergreifen wir also das europäische Banner und packen wir zu! - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Wir möchten nämlich noch Schülerinnen und Schüler des Einstein-Gymnasiums Magdeburg bei uns begrüßen, die einer so wichtigen Debatte lauschen.