Zweitens. Wo stehen wir heute? Zunächst ist die Umsetzung der Strategie Europa 2020 zu nennen, die selbstverständlich auch für Sachsen-Anhalt ein Leitbild ist. Die fünf europäischen Kernziele bis zum Jahr 2020 und die Bezugsgrößen für Sachsen-Anhalt haben wir Ihnen in dem Europabericht 2013 dargestellt.
Nach dem Beschäftigungsziel sollen mindestens 75 % der Menschen im Alter von 20 bis 64 Jahren in Arbeit stehen. Dieses europäische Ziel haben wir erreicht.
Nach dem FuE-Ziel sollen auf nationaler Ebene mindestens 3 % des Bruttoinlandsprodukts der EU in Forschung und Entwicklung investiert werden. National lag Deutschland zuletzt nur knapp unter 3 % seines Bruttoinlandsproduktes. Auch wenn wir im Land diese Marge vor allem wegen der Forschungsschwäche der Wirtschaft rein objektiv nicht erreichen können, bleibt für uns viel zu tun.
Die Klimaschutz- und Energieziele, auch bekannt als 20-20-20-Ziele, sind von uns überwiegend erfüllt. Der Anteil der erneuerbaren Energien am Bruttostromverbrauch lag im Jahr 2010 in Sachsen-Anhalt mit fast 42 % weit über den europäischen Zielwerten. Den Primärenergieverbrauch hatten wir im Zeitraum von 1990 bis 2010 um ca. 27,5 % vermindert und damit auch das Energieeffizienzziel der EU bereits übertroffen.
Ein Problem haben wir noch bei den Treibhausgasemissionen. Ich nehme allerdings zur Kenntnis, dass auch die Kommission die Erreichbarkeit der 20-20-20-Ziele kritisch sieht und in einem neuen Grünbuch zu Klima und Energie, das die Kommissare Hedegaard und Oettinger gemeinsam Ende März 2013 veröffentlichen werden, eine Roadmap für das Jahr 2050 mit neuen Zwischenzielen für das Jahr 2030 auflegen will.
Das Bildungsziel, meine Damen und Herren, strebt an, den Anteil der Schulabbrecher auf unter 10 % zu reduzieren und 40 % der jungen Menschen für eine Hochschulausbildung zu gewinnen. Die Schulabbrecherquote in Sachsen-Anhalt konnte bis zum Jahr 2012 auf 11,7 % gesenkt werden. Die Studienberechtigtenquote lag im Jahr 2010 bei 35,1 %. Unter Berücksichtigung des Stellenwertes unserer Meisterausbildung sollten also noch etwas mehr Studienberechtigte für die Aufnahme eines Studiums - nach Möglichkeit im Land selbst - gewonnen werden.
Nach dem Armutsbekämpfungsziel sollen europaweit 20 Millionen Menschen weniger als bisher von Armut betroffen sein. Unsere sogenannte Mindestsicherungsquote liegt mit 13,9 % weiterhin leicht über dem Durchschnitt der östlichen Bundesländer. Es besteht noch Handlungsbedarf.
Als ein weiteres Beispiel für die Standortbestimmung möchte ich die Nutzung der EU-Förderprogramme, und zwar außerhalb der Zielgebietsförderung der Strukturfonds, anführen. Hierbei handelt es sich um Programme, für die die Mittel im Wettbewerbsverfahren nach europaweiter Ausschreibung vergeben werden. Das ist nicht trivial, sondern stellt Interessenten vor große Herausforderungen.
Die Landesregierung hat schon in der vergangenen Legislaturperiode damit begonnen, die Inanspruchnahme dieser Programme durch Träger aus Sachsen-Anhalt jährlich zu analysieren und zu verbessern. Das setzen wir fort. Wir haben insbesondere das Beratungs- und Unterstützungsangebot für die Projektträger ausgebaut.
Inzwischen hat sich die Inanspruchnahme solcher EU-Programme verbessert. Gerade bei der Nutzung der Programme im Rahmen des 7. EU-Forschungsrahmenprogramms konnten Fortschritte erzielt werden, wenn auch unsere Beteiligungsintensität und Erfolgsquote noch immer deutlich unterdurchschnittlich ist.
Horizon 2020, das Forschungsrahmenprogramm der nächsten Finanzperiode, wird mit einem Volumen von insgesamt ca. 80 Milliarden € besser denn je ausgestattet sein. Unsere Universitäten und Forschungsinstitute sollten den Ehrgeiz haben, daran angemessen zu partizipieren.
überwiegend an Unternehmen richten. Die hierfür geltend gemachten Gründe sind vielfältig. Die Projektträger weisen uns natürlich auch auf das Erfordernis geeigneter Rahmenbedingungen hin.
Deshalb werden wir erneut prüfen, wie künftig eine Inanspruchnahme der Programme verbessert werden kann, insbesondere durch Bereitstellung von Vor- oder Zwischenfinanzierungen für genehmigte Projekte, zum Beispiel über die IB des Landes.
Außerdem wird die Landesregierung schon jetzt gemeinsam mit den Beratungseinrichtungen über die neue Programmgeneration für die Periode 2014 bis 2020 informieren, Interessenten sensibilisieren und potenzielle Träger noch gezielter unterstützen.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich ergänzend und ohne Anspruch auf Vollständigkeit einige Beispiele aus den Ressorts zur Umsetzung der für die verschiedenen Politikbereiche beschlossenen Kernziele hervorheben:
Im Abschnitt Wirtschaftspolitik finden Sie das Kernziel „Vertretung industriepolitischer Zielstellungen des Landes auf europäische Ebene“. Dieses Ziel setzen wir unter anderem mit dem Europäischen Netzwerk der Chemieregionen - ECRN - um, aktuell zum Thema „Stoffliche Verwertung von Kohle“, das Eingang in den Programmentwurf für Horizon 2020 gefunden hat.
Zur Umsetzung des Kernziels „Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit der Forschungsregion Sachsen-Anhalt steigern“ waren bis Oktober 2012 Einrichtungen und Unternehmen des Landes an rund 150 europäischen Verbundprojekten des Forschungsrahmenprogramms beteiligt. Sie haben dadurch Fördermittel in Höhe von mehr als 40 Millionen € eingeworben - wie gesagt: immer noch unterdurchschnittlich, aber immerhin.
Zum Kernziel „Tourismus: Sachsen-Anhalt für ausländische Besucher attraktiver gestalten“. Im Jahr 2012 konnte Sachsen-Anhalt die Zuwächse aus dem Ausland mit 9,3 % bei den Ankünften und sogar 16,6 % bei den Übernachtungen steigern. Das zeigt, dass die in den letzten beiden Jahren verstärkten Bemühungen um die Gästewerbung im Ausland erfolgreich sind.
Zum Kernziel „Jugendliche verstärkt an europäischer Politik beteiligen“ verweisen Kultusministerium, Sozialministerium und Staatskanzlei auf die Eurocamps des Landes, das Jugendevent „Europa geht weiter“, das Modellprojekt „Lernerfahrung durch grenzüberschreitende Mobilität für Jugendliche“ und manch anderes, zum Beispiel auch das EU-Programm „Jugend in Aktion“, ein Demokratieprojekt des Theaters Magdeburg mit Partnern in Le Havre, das ein offizieller Beitrag zu den Jubiläumsfeierlichkeiten „50 Jahre Elysée-Vertrag“ ist.
Zum Kernziel „Durchführung von Maßnahmen zur Senkung der Schulabbrecherquote“ verweist das Kultusministerium auf die entsprechenden Programme, die Früchte zu tragen beginnen.
Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich betonen, dass es bei all diesen Projekten nicht nur ums Geld geht. Die internationalen Verflechtungen Sachsen-Anhalts werden seit Jahren stetig intensiver. Sie sind ein wesentlicher Erfolgsfaktor für die weitere Entwicklung unseres Landes.
Das gilt gleichermaßen für die beiden Regionalpartnerschaften mit Masowien und Centre wie für die Einbindung in europäische Netzwerke, für die fachspezifischen internationalen und interregionalen Kooperationen, für die Entwicklung von internationalen Partnerschaften von Kommunen und Schulen, für die Kontakte von Kultureinrichtungen, Hochschulen und Forschungseinrichtungen sowie für die außenwirtschaftlichen Aktivitäten der Unternehmen des Landes. All das hat nicht nur aus ökonomischen Gründen Bedeutung, sondern ist für die Entwicklung unseres Landes, für seine Weltoffenheit und Internationalität unverzichtbar.
Sachsen-Anhalt hat seine Beziehungen zu anderen Regionen in der EU in den letzten Jahren kontinuierlich ausgebaut. Die Regionalpartnerschaften, insbesondere die mit Masowien, deren zehnjähriges Bestehen wir in diesem Jahr begehen, haben sich weiter intensiviert. Mit unseren polnischen Partnern sind wir in engen Gesprächen über gemeinsame Projekte, die im Rahmen der Strukturfonds für die nächste Förderperiode realisiert werden könnten.
Nennen möchte ich auch den Austausch mit der Autonomen Region Valencia, dem mit den vorhin schon erwähnten Besuchen von Minister Bischoff im April 2012 in Spanien, von Präsident Fabra im September 2012 in Sachsen-Anhalt und von Ministerpräsident Dr. Haseloff im November 2012 in Valencia weiterer Schwung verliehen worden ist.
Ein erfolgversprechender Schwerpunkt ist die Zusammenarbeit beim Thema Fachkräftesicherung. Seitens des Ministeriums für Arbeit und Soziales wird auch der internationale Jugendaustausch gefördert, der ganz konkret der jungen Generation praktizierte Weltoffenheit und Toleranz vermittelt.
Die Kooperationen des Ministeriums für Landwirtschaft und Umwelt, vor allem mit Partnern in den baltischen Staaten und in Polen, haben einen wichtigen Beitrag zur Festigung der Beziehungen zwischen Sachsen-Anhalt und diesen Ländern geleistet und zahlen sich, nebenbei bemerkt, auch in der gemeinsamen Agrarpolitik aus. Auf die Einigung im Agrarministerrat am 18. und 19. März 2013 - also vor wenigen Tagen - möchte ich hier nicht näher eingehen. Zu diesem abendfüllenden Thema wird der Kollege Dr. Aeikens demnächst zu Ihnen sprechen.
Das Ministerium für Wissenschaft und Wirtschaft unterstützt die Internationalisierung der Hochschulen und Forschungseinrichtungen in Sachsen-Anhalt sowie die außenwirtschaftlichen Aktivitäten der Unternehmen unseres Landes, die interregionale Wirtschaftskooperation und nicht zuletzt die Entwicklungszusammenarbeit. Der über längere Sicht beständige Anstieg des Außenhandelsvolumens legt Zeugnis ab von der wachsenden internationalen Verflechtung gerade auch unserer Wirtschaft.
In der Verantwortung des Ministeriums für Landesentwicklung und Verkehr wurden in dieser Förderperiode EU-Mittel in Höhe von ca. 9,5 Millionen € eingeworben. Partner aus Sachsen-Anhalt waren und sind damit in neun Projekten aktiv.
Nicht unerwähnt lassen möchte ich auch die erfolgreiche Arbeit des Kultusministeriums bei der Förderung internationaler Schulpartnerschaften oder - im Auftrag der Kultusministerkonferenz - bei der Kooperation mit Armenien in den Bereichen Bildung und Kultur. Das festigt Sachsen-Anhalts Ruf als verlässlicher Partner.
Für das Ministerium für Inneres und Sport verweise ich auf die Beteiligung von Polizeibeamten aus Sachsen-Anhalt an wichtigen internationalen Missionen unter dem Dach der Uno, der EU und der OSZE, etwa im Kosovo, in Bosnien und in Herzegowina oder auch in Afghanistan.
Meine Damen und Herren! Gerade diese Beamtinnen und Beamten im Auslandseinsatz wie auch unsere Soldatinnen und Soldaten, die in internationalen Missionen Dienst leisten, verdienen unseren besonderen Dank und unsere Anerkennung.
Und auch die Ressorts, bei denen man vielleicht auf den ersten Blick keine nennenswerten Kontakte ins Ausland vermuten würde, leisten auf ihre Weise einen Beitrag zur weiteren Internationalisierung unseres Landes, wie etwa das Finanzministerium, das beständig im Ausland aktiv ist, um Anleger für sachsen-anhaltische Anleihen und beste Kreditbedingungen zu finden - und das mit großem Erfolg. Unser Islamic Bond ist inzwischen legendär.
Sie sehen also, dass die Staatskanzlei und die Ministerien ihren Teil dazu beitragen, dass SachsenAnhalt internationaler wird. Sie betrachten ihre internationalen Aktivitäten nicht als überflüssiges Beiwerk, sondern als elementaren Bestandteil der beständigen Arbeit an der Zukunft Sachsen-Anhalts und setzen dies auch weiterhin und verstärkt um.
Klar ist aber auch, dass ohne die Mitwirkung vieler im Lande internationale Kontakte nicht möglich wä
ren. Daher möchte ich an dieser Stelle den Verbänden, Vereinen, Kammern, Schulen, Hochschulen, Forschungseinrichtungen, Unternehmen und nicht zuletzt den unzähligen Menschen, die sich ehrenamtlich einbringen, einen herzlichen Dank sagen.
Wie gehen wir diese Ziele inhaltlich an? - Das große Thema für die Europapolitik des Landes ist derzeit selbstverständlich die Vorbereitung der neuen Strukturfondsperiode. Wie Sie wissen, vertritt Sachsen-Anhalt seit Jahren die ostdeutschen Länder in diesem Bereich. In allen Gremien haben wir maßgeblich die Positionsbestimmung im Länderkreis sowie gegenüber dem Bund und der Kommission mitbestimmt und unsere Interessen aktiv eingebracht.
Mit der Einigung der Staats- und Regierungschefs zum mehrjährigen Finanzrahmen stehen nunmehr vorbehaltlich der Einigung mit dem Europäischen Parlament die Rahmenbedingungen für die Strukturfonds fest.
Alle ostdeutschen Länder werden in der nächsten Förderperiode erwartungsgemäß aus der Höchstförderung, dem Ziel Konvergenz, ausscheiden. Das ist eine gute Nachricht; denn es ist eine Folge unserer positiven wirtschaftlichen Entwicklung. Wir haben die EU-Strukturfonds immer als eine temporäre Hilfe zur Selbsthilfe verstanden.
Gleichwohl war für die nächste Förderperiode eine angemessene Übergangsregelung mit einem Sicherheitsnetz nötig, weil ein zu schnelles Wegbrechen der Förderung das Erreichte gefährdet hätte.
Unsere wichtigsten Ziele haben wir erreicht: Das Sicherheitsnetz liegt bei 64 % der Mittelausstattung der bisherigen Förderperiode für EFRE und ESF, also rund 8,4 Milliarden € für Ostdeutschland.
Das Land wird als Übergangsregion ein einheitliches Fördergebiet bilden; es ist also Schluss mit Nord und Süd. Die Mehrwertsteuer wird förderfähig sein. Der EU-Kofinanzierungshöchstsatz wird für EFRE und ESF 80 %, für den ELER 75 % betragen. Das bedeutet eine Haushaltserleichterung für uns. Vorbehaltlich der Neuauflage von Bundesprogrammen und der innerstaatlichen Verhandlungen können wir mit bis zu 2 Milliarden € für EFRE und ESF rechnen. Zur Aufteilung der ELER-Mittel stehen noch komplizierte innerstaatliche Verhandlungen an.
Das, meine Damen und Herren, ist ein gutes Verhandlungsergebnis für unser Land und für Ostdeutschland insgesamt.
Hochtouren. Die EU-Kommission hat ihre Vorschläge für die Fonds-Verordnungen vorgelegt. Diese orientieren sich an den Zielen der Europa2020-Strategie für intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum. Zudem erwartet die EUKommission zu Recht eine thematische Konzentration auf die für das Land prioritären Förderbereiche, sowie - das ist für uns keine Neuheit - eine fondsübergreifende Herangehensweise und eine Einbeziehung der betroffenen Akteure in allen Phasen der Programmierung und Umsetzung der EU-Fonds.
Im ersten Schritt der Programmierung hat ein unabhängiger Evaluator die Stärken und Schwächen, Chancen und Risiken des Landes Sachsen-Anhalt analysiert, und es war ein eigenes Förderprofil zu entwickeln. Die sozioökonomische Analyse wurde dem Landtag bereits im September 2012 übermittelt. Auf dieser Basis haben wir den Dialogprozess innerhalb des Landes zu den Schwerpunkten der EU-Förderung in der nächsten Förderperiode durchgeführt.
Am 12. Februar 2013 hat die Landesregierung die bisherigen Erkenntnisse in strategischen Eckpunkten zusammengefasst, die nun weiter zu konkretisieren sind. Auch die Eckpunkte und die Beschlusslage der Landesregierung dazu sind dem Landtag übermittelt und auf den Europaseiten des Landes im Internet veröffentlicht worden.