Wenn wir zu den Minijobs zurückkommen, dann will ich einmal daran erinnern, dass wir seinerzeit - ich weiß nicht, wann das gewesen ist, im Jahr 2005 oder 2006 - zum Beispiel eine pauschale Sozialversicherungspflicht für Minijobs beschlossen haben. Es gab schon Überlegungen, aus Minijobs mehr zu machen. Eine Erkenntnis, die wir haben, ist, je mehr man die Hinzudienstgrenzen ausweitet - nun bin ich wieder bei den Kollegen von Schwarz-Gelb -, umso mehr Minijobs - -
Bitte nehmen Sie es uns ab und nehmen Sie es bitte auch mir ab: Ich zweifele nicht Ihre Intelligenz an. Aber bitte zweifeln Sie auch nicht daran, dass wir das, was wir sagen, sehr ernst meinen.
Wir wollen den Arbeitsmarkt wieder dahin bringen, wo er hingehört. Wir wollen mehr Ordnung auf dem Arbeitsmarkt. Wir wollen mehr Vollzeitarbeitsplätze. Wir wollen mehr vernünftige Teilzeitarbeitsplätze. Das ist unser erklärtes politisches Ziel. Mehr kann ich Ihnen heute dazu nicht sagen. - Danke schön.
Danke schön, Herr Kollege. - Wir schließen damit die zweite Aktuelle Debatte ab. Ich schließe den Tagesordnungspunkt. Beschlüsse in der Sache werden nicht gefasst.
Bevor wir zum nächsten Tagesordnungspunkt, der Regierungserklärung, kommen, freue ich mich, einen Kollegen von uns im Hause willkommen zu heißen, unseren Abgeordneten für Sachsen-Anhalt im Europaparlament, Herrn Dr. Schnellhardt. Willkommen im Hause!
Regierungserklärung des Staatsministers Herrn Rainer Robra zum Thema: „Europäisch und weltoffen - Schwerpunkte der Europapolitik des Landes“
Danke schön, Herr Präsident. - Meine Damen und Herren! Die Tagesordnung ist gut komponiert, die Agenda 2010 war Deutschlands Antwort auf eine nationale Krise. Derzeit durchlebt die Europäische Union mit der Wirtschafts- und Finanzkrise die größte Herausforderung ihrer Geschichte. Trotz einer gewissen Beruhigung an den Finanzmärkten zeigt uns das Beispiel Zypern, dass noch längst keine Entwarnung gegeben werden kann. Niemand weiß zum gegenwärtigen Zeitpunkt, welche Auswirkungen das Tauziehen um die Hilfsmaßnahmen aus dem ESM und vom IWF haben wird.
Betrachten wir die wirtschaftliche und soziale Entwicklung in den südlichen Mitgliedstaaten insgesamt, können wir nicht so tun, als ginge uns das nichts an; denn eine Nord-Süd-Spaltung der EU ist gerade für Deutschland keine Alternative. Die
„... Deutschland eine besondere Verantwortung für eine gute Zukunft der Europäischen Union hat..., dass unsere gute Zukunft mit der Zukunft der Europäischen Union insgesamt eng verknüpft ist und... dass Europa nur so in der globalen Welt auch in Zukunft seine Werte und seine Interessen behaupten kann.“
Ein Blick auf den Arbeitsmarkt und die soziale Situation in Europa zeigt, dass sich - wie es im Sozial- und Beschäftigungsbericht 2012 von Kommissar Andor heißt -
„eine neue Schere auftut zwischen Ländern, die in einer Abwärtsspirale aus sinkender Produktivität, rasant steigender Arbeitslosigkeit und schrumpfendem verfügbaren Einkommen der Haushalte gefangen zu sein scheinen, und Ländern, die der Krise bisher gut standgehalten oder wenigstens eine gewisse Widerstandsfähigkeit gezeigt haben.“
Kommissar Andor fügte hinzu, letztere wiesen in der Regel effizientere Arbeitsmärkte und stabilere Sozialfürsorgesysteme auf. - Deshalb ist auch die mit 6 Milliarden € unterlegte Jugendgarantie so wichtig.
Die Ursachen der Krise liegen in erster Linie in der übermäßigen Verschuldung und der fehlenden Wettbewerbsfähigkeit einzelner EU-Mitgliedstaaten. Eine unzureichende Finanzmarktregulierung und Spekulationsgeschäfte haben diese Entwicklung verstärkt.
Um die weitreichenden Auswirkungen der Schuldenkrise auf die gesamte Eurozone und die Europäische Union einzudämmen, wurden verschiedene, bislang auch erfolgreiche Maßnahmen zur Euro-Rettung eingeleitet.
Seit Mai 2010 bekam Griechenland Kreditzusagen im Umfang von insgesamt 219 Milliarden €. Seit dem Jahr 2011 müssen die Euro-Staaten ihre Haushaltsentwürfe der Kommission zur Kommentierung vorlegen, bevor sie sie dem nationalen Parlament zuleiten, das sogenannte europäische Semester.
Um den Stabilitäts- und Wachstumspakt effizienter wirksam zu machen, wurden die Kontroll- und Sanktionsmöglichkeiten im sogenannten EuroPlus-Pakt verschärft.
Der befristete Rettungsschirm EFSF entstand im Frühjahr 2010, um Euro-Staaten in finanziellen Schwierigkeiten dabei zu unterstützen, ihre Wirtschafts- und Finanzsysteme zu sanieren und ihre Wettbewerbsfähigkeit zurückzugewinnen.
Rettungsschirm geschaffen worden, der den EFSF abgelöst hat. Er kann 500 Milliarden € Kredithilfen zur Verfügung stellen; dabei sind der Bundestag und der Bundesrat, also die Parlamente, einzubeziehen.
Meine Damen und Herren! Niemand soll glauben, dass die Maßnahmen zur Euro-Rettung nicht auch im deutschen Interesse liegen. Vergessen wir nicht, dass Deutschland als Exportnation am meisten vom europäischen Binnenmarkt profitiert.
Nicht nur aus europäischer Solidarität, sondern auch aus wohlverstandenem Eigeninteresse setzen wir uns daher für eine starke, zukunftsgerichtete Europäische Union ein.
In Deutschland haben Bundestag und Bundesrat dem Gesetzespaket zur Ratifikation von ESM und Fiskalvertrag im Juni 2012 zugestimmt. In den Verhandlungen mit der Bundeskanzlerin sicherte die Bundesregierung zu, mögliche Strafzahlungen an die EU bis 2020 zu übernehmen, die sonst zwischen Bund und Ländern geteilt worden wären.
Der Fiskalpakt soll die Länder zudem nicht stärker in die Pflicht nehmen als die Schuldenbremse des Grundgesetzes. Damit rückt der Abbau der strukturellen Defizite in den öffentlichen Haushalten noch stärker in den Mittelpunkt. Deshalb erwarten wir von der Bundesregierung auch eine Erfüllung ihrer Zusage zu den Entflechtungsmitteln.
Insgesamt gewinnen unsere Bemühungen zur Haushaltskonsolidierung auf der Landes- und der kommunalen Ebene somit eine europäische Dimension und sind für uns schon deshalb alternativlos, weil sie in einen für uns verbindlichen Rechtsrahmen eingebunden sind.
Die Haushaltsautonomie des Parlaments umfasst unter diesen Bedingungen nicht mehr das Recht, in beliebiger Höhe Schulden zu machen. So bitter das auch klingen mag - es ist die einzige Möglichkeit, die Staatsfinanzen dauerhaft auf eine solide Grundlage zu stellen und die Gestaltungsräume aller staatlichen Ebenen zu sichern.
Die irische Europaministerin hat gestern in einem Interview in der „FAZ“ dazu geraten: Du musst den Haushalt schnell konsolidieren. Irland hat bewiesen, dass das geht.
Meine Damen und Herren! Nach mehr als 50 Jahren europäischer Integration ist die Europäische Union längst Teil unserer politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Realität, unserer Staatsräson geworden. Ich bin mir sicher, dass uns auch unsere Vision von Europa wieder deutlicher wird, wenn unser europäischer Alltag nicht mehr so intensiv vom Krisenmanagement geprägt ist.
Eine Chance in der Krise sind beispielsweise die Vertiefung der Wirtschaftsunion, ihre Weiterentwicklung zur Finanzunion, die gemeinsame Vertretung Europas auf dem Felde der Außenpolitik und die Abstimmung in der Verteidigungspolitik. All das macht Europa stärker und Deutschland europäischer. Ein Europa ohne Grenzen mit einem entwickelten Binnenmarkt - das ist unsere Antwort auf die Globalisierung und die wirtschaftliche Dynamik in vielen anderen Ländern der Welt.
Deutschland wäre auf Dauer ohne ein vereintes Europa fast bedeutungslos, Sachsen-Anhalt wäre ohne Europa nicht handlungsfähig.
Es ist deswegen eine Pflichtaufgabe jeglicher Politik, auch der Landespolitik, die europäischen Bezüge in den eigenen Zuständigkeiten zu erkennen und aktiv wahrzunehmen, und natürlich auch bürokratische Auswüchse zu bekämpfen, auf welcher Ebene sie auch vorkommen mögen. Auch wir sind nicht frei davon.
Wir nähern uns der Halbzeit unserer Legislaturperiode im Herbst dieses Jahres. Die Legislaturperiode des Europäischen Parlaments endet im nächsten Jahr. Aus der Sicht des parlamentarischen Kalenders ist es daher ein guter Zeitpunkt, um eine Standortbestimmung für die Europapolitik des Landes vorzunehmen und sich einige Fragen zu stellen: Was will Sachsen-Anhalt bis 2016 erreichen? Wo stehen wir? Wie gehen wir die Herausforderungen an?
Erstens. Was wollen wir in dieser Legislaturperiode erreichen? Wie Sie wissen, haben sich die Koalitionspartner in ihrer Vereinbarung für die laufende Legislaturperiode für ein starkes Sachsen-Anhalt in einem handlungsfähigen, starken, wettbewerbsfähigen, demokratischen und sozialen Europa ausgesprochen. Weil die Europäische Union einen großen Beitrag für die erfolgreiche Entwicklung unseres Landes leistet, gelte es die Vorteile des europäischen Integrationsprozesses und die Unterstützung der EU gezielt für den weiteren Aufbau Sachsen-Anhalts zu nutzen.
Auf dieser Grundlage hat die Landesregierung am 10. Januar 2012 erstmalig in der Geschichte unseres Landes eine Internationalisierungs- und Europastrategie beschlossen, die die Grundlage für entsprechende Aktivitäten in der gesamten Legislaturperiode bildet.
Für die verstärkte internationale und europäische Ausrichtung werden neben ressortübergreifenden Schwerpunkten Kernziele für die einzelnen Politikbereiche vorgeschlagen. Dadurch haben wir den Zusammenhang von Europapolitik und Landespolitik deutlicher gemacht als früher. Gleichzeitig wird die Strategie konkreter.
Die Umsetzung dieser Strategie ist keine Aufgabe der Staatskanzlei allein, sondern eine gemeinsame Aufgabe der gesamten Landesregierung; denn nach der Landesverfassung ist jedes Ressort für seinen Politikbereich selbst verantwortlich.
Die Einzelheiten beschreibt der jährliche vorausschauende Bericht, den wir interministeriell erarbeiten und dem Landtag übermitteln. Den Bericht für das Jahr 2012 haben wir in den Ausschüssen und zum Teil auch im Plenum behandelt. Der Bericht für das Jahr 2013 liegt Ihnen vor und ist Gegenstand der Ausschussberatungen.
Unter Berücksichtigung der aktuellen Entwicklungen sowie der für uns bedeutsamen Punkte der Arbeitsprogramme der Kommission und des Rates beinhaltet der Bericht die Maßnahmen zur Umsetzung der ressortübergreifenden Schwerpunkte der internationalen Zusammenarbeit, der europapolitischen Schwerpunkte sowie der ressortspezifischen Kernziele.
Mit diesem Vorgehen möchte die Landesregierung dem Landtag und der Öffentlichkeit die Möglichkeit geben, sich verstärkt in die Europapolitik des Landes einzubringen. Deshalb haben wir auch unsere Unterrichtungspraxis über wichtige EU-Vorhaben erweitert. Sie erhalten seit September 2012 spezielle Berichtsbögen zu allen für uns wesentlichen EU-Vorlagen.
Zweitens. Wo stehen wir heute? Zunächst ist die Umsetzung der Strategie Europa 2020 zu nennen, die selbstverständlich auch für Sachsen-Anhalt ein Leitbild ist. Die fünf europäischen Kernziele bis zum Jahr 2020 und die Bezugsgrößen für Sachsen-Anhalt haben wir Ihnen in dem Europabericht 2013 dargestellt.