Protocol of the Session on March 22, 2013

Wir haben damit begonnen, dass man als Hartz-IVEmpfänger 100 € hinzuverdienen konnte, ohne dass es angerechnet wurde. Dann gab es eine Abstufung. Man konnte 400 € hinzuverdienen und davon 15 % behalten. Mittlerweile sind wir im Jahr 2011 bei einem Hinzuverdienst in Höhe von 1 000 € angekommen. Davon darf man 20 % behalten. Darüber hinaus gibt es eine Abstufung.

Wer sich diese Entwicklung anschaut, der wird ganz klar erkennen, dass die Zahl der Minijobs mit der Ausweitung der Hinzuverdienstgrenzen ganz klar gestiegen ist. Das ist ein Ergebnis von schwarz-gelber Politik in Berlin. Deshalb glaube ich an dieser Stelle, dass man die Minijobs wieder eingrenzen und zurückführen muss.

(Zustimmung von Frau Niestädt, SPD)

Es kann nicht sein - das steht wieder im Zusammenhang mit dem Mindestlohn -, dass wir mittlerweile Unternehmen haben, insbesondere in dem ganzen Dienstleistungsbereich, in denen Minijobs angeboten werden, die davon ausgehen, die Frau oder der Mann - überwiegend sind es Frauen - bekommt Hartz-IV-Leistungen und noch etwas dazu und ist dann zufrieden. Natürlich ist es aber auch so, dass es den Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin recht wenig interessiert, von wem denn nun das Geld kommt; denn der Verdienst ist der gleiche.

(Herr Lange, DIE LINKE: Das stimmt nicht!)

Schöner auch für unsere Sozialkassen wäre es, wenn der Unternehmer die Kosten dieses Arbeitsplatzes tragen würde.

(Zustimmung bei der SPD)

Ich habe eben Herrn Buscher vom IHW erwähnt. Es gibt in der „MZ“ einen Artikel vom 13. März 2013. Herr Buscher sagt, es sei heute für ein Unternehmen kostengünstiger, vier Minijobs zu haben als einen Vollzeitarbeitsplatz. Das ist doch ein wirtschaftspolitischer Fehlanreiz,

(Herr Lange, DIE LINKE: Ja!)

wenn es für ein Unternehmen kostengünstiger ist, vier Minijobs statt einer Vollzeitstelle zu haben.

(Zustimmung von Herrn Dr. Thiel, DIE LIN- KE)

Das muss man politisch ändern und das kann man auch ändern. Wir werden das als Sozialdemokra

ten nach dem September tun, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Lassen Sie mich noch einen dritten und, wenn die Zeit noch reicht, vierten Punkt ansprechen. Der dritte Punkt ist das Thema Leiharbeit.

Ich hatte in der letzten Woche die Gelegenheit, an einer Veranstaltung unserer Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin aus Anlass von zehn Jahren Agenda 2010 teilzunehmen. Solche Veranstaltungen macht also nicht nur die LINKE. Es waren alle da, die damit früher zu tun hatten. Natürlich gibt es mittlerweile einen Erkenntnisgewinn. Ich bin ganz nah an Frank-Walter Steinmeier, der sagt, wenn wir damals gewusst hätten, dass Leiharbeit derart missbraucht wird, dass Unternehmen ganze Stammbelegschaften austauschen

(Herr Lange, DIE LINKE, lacht)

und die Stellen mit Leiharbeitern besetzen - das war nie die Flexibilität, über die wir damals geredet haben. Deshalb müssen wir auch bei der Leiharbeit etwas tun.

(Zustimmung von Frau Niestädt, SPD)

Deshalb muss die Leiharbeit wieder auf das frühere Maß zurückgeführt und auf die Fälle von Auftragsspitzen bei Unternehmen begrenzt werden. Unternehmen sollen nicht mehr ganze Stammbelegschaften austauschen dürfen. Das muss sich politisch wieder ändern. Auch das werden wir nach dem September, nach den Bundestagswahlen in Angriff nehmen, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei den GRÜNEN - Herr Borgwardt, CDU: Oh! - Zu- ruf von Frau Weiß, CDU)

Wir reden in vielen Zusammenhängen auch über das Thema „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“, gestern im Zusammenhang mit Equal Pay und Frauen, weil es noch Lohnunterschiede gibt. Diese Lohnunterschiede müssen weg. Es gibt dazu übrigens auch schon Vorgaben aus Europa. Für Leiharbeit muss dasselbe gezahlt werden, wie der Arbeitnehmer innerhalb des Betriebes erhält. Damit lösen wir das Problem von allein.

Deswegen gibt es auch im Bereich Leiharbeit in Zukunft viel zu tun. Ich glaube, unsere Genossinnen und Genossen in Berlin - sage ich an dieser Stelle einmal - werden das nach den Bundestagswahlen sehr zielgerichtet angehen.

(Zustimmung bei der SPD und von Herrn Lange, DIE LINKE - Herr Borgwardt, CDU: Die haben so einen großen Rucksack auf dem Rücken!)

Ein weiterer Punkt ist der - dann will ich zum Ende kommen -, dass es mit dem Fördern und Fordern gut gedacht war. Sicherlich ist es richtig, Herr Gal

lert, meine Damen und Herren, dass wir vor zehn Jahren vielleicht eine andere Situation gehabt haben. Heute haben wir einen aufnahmefähigen Arbeitsmarkt.

Das mit dem Fordern und Fördern hat damals nicht funktioniert, weil gerade in Ostdeutschland und hier in Sachsen-Anhalt die Arbeitsplätze für die Arbeitslosen nicht da waren. Das war ein Problem. Deshalb gab es auch diese Proteste, sicherlich damals zu Recht, weil das Prinzip nicht umzusetzen war.

Heute, meine Damen und Herren, ist der Arbeitsmarkt besser geworden. Ich befürchte, wir werden wieder neue Probleme bekommen. Damit bin ich wieder bei Schwarz-Gelb in Berlin. Seit über drei Jahren regiert Schwarz-Gelb, und wir haben erlebt, dass die Mittel der Bundesagentur für Arbeit im Bundeshaushalt um 70 % insgesamt gekürzt worden sind.

(Zuruf von Frau Take, CDU)

Wenn man Arbeitsmarktintegration betreiben will, wenn man sich die Fachkräfte für die Zukunft sichern will, dann muss man auch in die Arbeitsmarktintegration von Langzeitarbeitslosen investieren. Wenn man aber die Mittel in diesem Bereich kürzt, wird das nicht mehr funktionieren. Deshalb muss wieder mehr Geld in den Topf, damit unsere Langzeitarbeitslosen wieder eine richtige Chance haben.

Sie sehen, meine Damen und Herren, wir als Sozialdemokraten beschäftigen uns mit den Herausforderungen für die Zukunft und weniger mit der Vergangenheit. Ich glaube, das ist auch richtig so. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD - Herr Borgwardt, CDU: Vor allen Dingen in die Zukunft - Prinzip Hoffnung!)

Herr Kollege Steppuhn, es gibt eine Anfrage. Möchten Sie diese beantworten? - Herr Kollege Gallert, bitte.

Wissen Sie, Herr Steppuhn, ich wäre jetzt der Letzte, der sagt, gut, man könnte nicht in zehn Jahren Dinge dazulernen und man könnte möglicherweise nicht nach zehn Jahren seine Position revidieren. Wer wäre ich? Ich muss das andauernd machen. Ich muss mich revidieren, für das, was früher falsch war. Insofern verlange ich, dass mir Leute glauben, wenn ich sage, ich sehe das inzwischen völlig anders.

Herr Steppuhn, das Problem ist doch, ähnlich wie Kollegin Frau Dalbert und wie Kollegin Nahles zur Agenda 2010 zu sagen, das ist eine Bomben

geschichte, wunderbar, und dann alle einzelnen Dinge durchzudeklinieren und selbst zu konstatieren: Das war eigentlich Mist, so funktionierte es nicht, die negativen Folgen haben wir, das müssen wir korrigieren.

Wissen Sie, das passt nicht zusammen. Deswegen gibt es an dieser Stelle ein Glaubwürdigkeitsproblem dahin gehend, ob man die Dinge wirklich anders anpacken will.

Ich habe unter anderem zum Aspekt Steuerreform noch einmal darauf hingewiesen, welche Position der Finanzminister und der Ministerpräsident - voll in der Logik der Agenda 2010 - vertreten: Wir haben nicht zu wenig Einnahmen, wir haben zu viel Lehrer, wir haben zu viel Hochschulen, wir haben zu viel Polizisten, wir haben zu viel Kultur. Das ist doch das Problem. Daher kommt das Glaubwürdigkeitsproblem.

Deswegen kann ich sagen, man kann nicht das eine gut finden - Agenda 2010: klasse -, aber alle Positionen, die damit im Zusammenhang stehen, politisch revidieren wollen. Das funktioniert nicht. Ich glaube Ihnen doch, dass Sie das gern machen wollen. Dann haben Sie aber das Problem, wenn Sie sagen, aber eigentlich war es klasse. Das ist das Problem, Herr Steppuhn.

Herr Gallert, ich habe nicht gesagt, dass das klasse war, was gemacht worden ist. Ich sage Ihnen - und das wissen Sie auch -, ich habe auch die Agenda 2010 damals kritisiert. Nun war ich zu der Zeit nicht im Parlament, aber ich hätte mich dazu wahrscheinlich auch sehr kritisch verhalten. Aber es hilft nichts.

Sie können uns schon glauben, dass wir - Katrin Budde sitzt da - das Thema auch innerhalb unserer Partei sehr intensiv und strittig diskutiert haben. Dabei ist nicht nur Friede, Freude, Eierkuchen gewesen. Ich denke, die Menschen, aber auch wir selbst, haben den Anspruch, dass wir in Zukunft eine Politik machen, bei der wir uns an den Herausforderungen für die Zukunft messen lassen.

Ich habe in meiner Rede mehrere Fehlentwicklungen dargestellt, wo wir handeln müssen. Das findet sich alles in unserem Wahlprogramm wieder. Ich denke, deutlicher kann man die Zukunft nicht beschreiben. Das, was man dann politisch umsetzt - das brauche ich hier nicht zu erklären -, hat allerdings etwas mit politischen Mehrheiten zu tun.

Von daher ist es wichtig, dass wir die Dinge auch herausstellen, damit die Menschen im September, wenn sie zur Wahl gehen, wissen, wer für was steht. Ich denke, es ist in diesem Haus deutlich, wer für einen gesetzlichen Mindestlohn ist und wer dagegen ist.

(Beifall bei der SPD)

Es gibt eine weitere Anfrage von Frau Kollegin Dirlich. Möchten Sie diese beantworten?

Frau Kollegin Dirlich, bitte.

Herr Kollege, Sie haben uns in Ihrem ersten Satz eine etwas vereinfachte Weltsicht vorgeworfen. Abgesehen davon, dass ich es besonders liebe, wenn man meine Intelligenz anzweifelt, haben Sie uns in Ihrer Rede erklärt - lesen Sie bitte noch einmal nach -, dass die SPD naiv genug war, nicht zu glauben, nicht daran zu denken, dass Arbeitgeberinnen die Tatsache ausnutzen würden, dass sie mit Minijobs Einsparungen erzielen können, dass sie Vollzeit in Minijobs umwandeln. Sie haben uns gerade erklärt, dass Sie nie auf den Gedanken gekommen wären, dass die Arbeitgeberinnen aus Einsparungsgründen die Möglichkeiten der Leiharbeit bis zum Letzten ausreizen würden. Ist das wirklich Ihr Ernst?

(Herr Höhn, DIE LINKE: Ja, leider!)

Frau Dirlich, natürlich kann man immer Befürchtungen haben. Aber ich sage Ihnen ganz ehrlich, dass sich Leiharbeit so dramatisch entwickelt, hätte ich nie so eingeschätzt, wobei man dabei auch immer differenzieren muss. Wir sind jetzt schon auf einem Weg, wo große Industrieunternehmen mittlerweile Leiharbeiter als Stammbelegschaft übernehmen. Auch dabei findet eine Entwicklung statt, die die Gewerkschaften - Gott sei Dank - gemeinsam mit den entsprechenden Arbeitgeberverbänden unterstützen. Das ist ja etwas Positives.

Wenn wir zu den Minijobs zurückkommen, dann will ich einmal daran erinnern, dass wir seinerzeit - ich weiß nicht, wann das gewesen ist, im Jahr 2005 oder 2006 - zum Beispiel eine pauschale Sozialversicherungspflicht für Minijobs beschlossen haben. Es gab schon Überlegungen, aus Minijobs mehr zu machen. Eine Erkenntnis, die wir haben, ist, je mehr man die Hinzudienstgrenzen ausweitet - nun bin ich wieder bei den Kollegen von Schwarz-Gelb -, umso mehr Minijobs - -