Protocol of the Session on March 21, 2013

Ich finde es immer sehr schön, wenn man dort genau hinschauen kann, wo das systematisch möglich ist. Bei den Sekundarschulen kann man das tun, weil das eine so große Zahl ist. Es gibt einen Vergleich von Sekundarschulen mit Schulsozialarbeit und solchen ohne Schulsozialarbeit. Daran wird sehr deutlich, dass die Zahl der Schüler und Schülerinnen ohne Schulabschluss in den Schulen ohne Schulsozialarbeit sogar leicht angestiegen ist, in den Sekundarschulen mit Schulsozialarbeit hingegen deutlich gesunken ist. Ich finde, das sind Ergebnisse, die eine deutliche Sprache für die Schulsozialarbeit sprechen.

Auch bei den Sitzenbleibern ist nicht das Ziel erreicht worden, das man erreichen wollte - noch nicht erreicht worden, sage ich. Aber auch hier sind drastische Erfolge zu verzeichnen, wenn die Zahl der Klassenwiederholer in den Sekundarschulen von 3,2 % auf 1,9 % oder in den Gymnasien von 6,3 % auf 4,2 % sinkt.

Dass in den Grundschulen keine Veränderung zu beobachten ist, hat sicherlich auch damit zu tun, dass es dort kaum Schulsozialarbeit gibt. Auch darüber, ob das eine gute Entscheidung ist, werden wir zu sprechen haben.

„Das Klima wurde verbessert“, steht in den Dokumenten. Da hätte ich mir einen systematischeren Blick gewünscht als den hier beschriebenen. Da kann man sehr viel systematischer arbeiten, als das getan worden ist. Vielleicht werden wir das in der zweiten Runde erleben.

Zum Schluss noch ein Ergebnis, das auch mich sehr beeindruckt hat und das der Minister bereits erwähnt hat: dass offensichtlich die Schulsozialarbeit eines der wenigen erfolgreichen Vehikel ist, die wir haben, um die Eltern wieder an die Schule heranzuführen. Dort, wo die Schulsozialarbeiter zusammen mit den Lehrern die Eltern besuchen, sind offensichtlich die Eltern wieder bereit, enger mit der Schule zu kooperieren. Wir alle wissen, wie wichtig das ist. Deswegen halte ich das für einen nicht zu unterschätzenden Erfolg.

Deswegen bleibt mir zum Abschluss nur zu sagen: Mein Ergebnis ist ganz klar, die Schulsozialarbeit ist erfolgreich. Deswegen ist es wichtig, dass wir dieses Projekt verstetigen und es in der nächsten Förderperiode noch einmal auflegen, damit der Übergang gesichert ist.

Wir werden den Minister beim Wort nehmen, dass das so passiert, wie er es heute ausgeführt hat. Denn wir brauchen die neue Förderperiode, um uns für die Zukunft aufzustellen, nämlich zu fragen: Wie soll es an den Schulen weitergehen, wenn wir Schulsozialarbeit nicht mehr über europäische Mittel finanzieren können? - Herzlichen Dank.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und von Herrn Höhn, DIE LINKE)

Danke sehr, Frau Kollegin Dalbert. - Für die SPDFraktion spricht die Abgeordnete Frau Reinecke.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Wenn ich die Debatte verfolge - wir haben in diesem Hohen Haus schon sehr oft über dieses Thema gesprochen -, dann steht für mich die große Leitfrage: Jugendhilfe und Schule in einem Boot? Wenn ja, rudern sie alle in die gleiche Richtung?

Ich freue mich, dass alle Fraktionen die Botschaft herausgearbeitet haben: Jawohl, Schulsozialarbeit ist ein Erfolgsmodell. - Deshalb möchte ich meinen Dank an alle Kolleginnen und Kollegen voranstellen, die in der Praxis an diesem erfolgreichen Modell mitgewirkt haben.

(Zustimmung bei der SPD, bei der CDU und bei der LINKEN)

Erinnern wir uns an die Ausgangslage. Mit dem Stichwort „Strategie Europa 2020“ war die Zielvorgabe im Rahmen der Lissabon-Agenda verbunden, die Schulabbrecherquote im EU-Durchschnitt auf höchstens 10 % aller Schüler zu senken. Mit dieser Vorgabe sind wir in die EU-Förderperiode 2008 mit dem „Projekt zur Vermeidung von Schulversagen und Senkung des vorzeitigen Schulabbruchs“ eingetreten.

Wir befinden uns inzwischen in der Phase der Auswertung des bisher Erreichten. Es wurde angesprochen, der Endbericht der wissenschaftlichen Begleitung liegt uns vor.

Wir alle haben heute schon mehrfach gehört, dass Schulversagen bzw. vorzeitiger Schulabbruch nicht vordergründig auf personale Eigenschaften der Schülerinnen und Schüler zurückgeht. Schulversagen wird vielmehr durch einen Interaktionsprozess hervorgerufen, an dem sowohl Personen als auch Institutionen beteiligt sind. Darüber hinaus ist Schulversagen kein Zustand, sondern vielmehr ein Prozess, der sich dynamisch gestaltet und der als eine Art Karrieremodell verstanden werden kann. Karrieremodell nach oben oder auch nach unten, was wir beklagen.

Das sind gesicherte Ergebnisse aus der Forschung zum abweichenden Verhalten von Schülerinnen und Schülern. Nachgewiesen wurde auch, dass als Reaktion auf abweichendes Schülerverhalten in der Schule Etikettierungs- und Stigmatisierungsprozesse einsetzen können, die weitreichende Konsequenzen für die Verfestigung abweichenden Verhaltens aufweisen.

In Bezug auf Schulversagen kann also festgestellt werden, dass die kontinuierliche Zuschreibung von Defiziten und das ständige Vor-Augen-Halten des Scheiterns an gesetzten Normen einen gravierenden Einfluss auf die weitere Schullaufbahn haben wird.

Entscheidend für den Erfolg des Projektes zur Vermeidung von Schulversagen ist die Erkenntnis, dass der Austritt aus einer Negativkarriere jederzeit - ich betone: jederzeit - möglich ist. In jeder Stufe der Entwicklung abweichenden Verhaltens ist es möglich, intervenierend einzugreifen sowie negative Schulkarrieren aufzuhalten oder gar umzukehren.

Das ist sicherlich ein hochkomplexer Prozess und stellt höchste Anforderungen an alle beteiligten

Akteure. Mir gefällt die Einstellung der Schulsozialarbeiter, indem sie sagen: Trauen wir uns doch mal, tiefer zu schauen. Mit welchen Problemen haben Kinder zu kämpfen, aus welchem familiären Kontext kommen sie zur Schule und welche Ressourcen bringen sie mit? In welcher Form können wir behilflich sein im Auftrag des Kindes?

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Fachausschuss beschäftigt sich nun seit dem Maßnahmenbeginn regelmäßig mit den Fragen der Erfolgssicherung der Schulsozialarbeit. Darüber hinaus hat jede Fraktion eigene Formen und Aktivitäten gefunden, dieses Projekt zu begleiten.

So hat zum Beispiel der Arbeitskreis Kultus meiner Fraktion im vergangenen Jahr ein Werkstattgespräch mit 120 Akteuren aus der Schulsozialarbeit durchgeführt und darauf aufbauend ein Expertengespräch zur Weiterentwicklung der Schulsozialarbeit organisiert. Des Weiteren wurden Fachveranstaltungen besucht. Erwähnt wurde schon die DKJS, die den großen Dachverband für dieses Projekt bildet und sehr exklusive Veranstaltungen durchgeführt hat.

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an diesen Veranstaltungen zeigten die hochgesteckten Ziele des ESF-Programms auf der einen Seite auf und nannten Bedingungen, wie diese erfüllt werden können,

nämlich erstens, wenn die Zusammenarbeit aller Beteiligten systematisch und zielbezogen verstärkt wird,

zweitens wenn die eigentliche Zielgruppe, die Schülerinnen und Schüler, konsequent in die Problemlösungsstrategien einbezogen werden - Stichwort Betroffenenbeteiligung -,

drittens wenn die Rolle der Eltern verstärkt zum Tragen kommt und sie als gleichberechtigte Partner akzeptiert werden

und nicht zuletzt viertens wenn die seit Januar 2009 aufgebauten Kooperationsstrukturen über das Jahr 2013 hinaus verstetigt werden, woran wir alle in dieser Runde denken.

Die Verbesserung der Kooperationsstrukturen zwischen den schulischen Akteuren sowohl im internen als auch im externen Bezug wurde mit Blick auf die Zielsetzung des ESF-Programms als zentrales Anliegen thematisiert. Für diese Kooperationsbereiche wurden erfolgreich Modellprojekte wie das Übergangsmanagement für die Schnittstellen zwischen der Kita und der Grundschule oder zwischen der Grundschule und der weiterführenden Schule konzeptionell flankierend entwickelt und begleitet.

Diese Projekte sind auch eine Reaktion auf die Erkenntnis, dass Schulversagensprozesse im Regelfall nicht erst im Sekundarbereich, also in den weiterführenden Schulen einsetzen, sondern bereits

viel früher, nämlich in den Grundschulen beginnen und deshalb auch frühzeitiger angegangen werden müssen.

Kollegin Dalbert hat es angesprochen, der Grundschulbereich ist von diesem Programm ausgeschlossen. Aktuelle Entwicklungen gibt es aber im Land, wenn auch in unterschiedlicher Ausprägung. Über das sogenannte Bildungs- und Teilhabepaket wurden Schulsozialarbeiterstellen an Grundschulen implementiert. Ich denke, hier gibt es ein gutes Miteinander. Das eine sollte das andere nicht ausschließen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Schaue ich einmal auf meinen Heimatlandkreis Wittenberg, so stelle ich fest, dass 15 Schulen an diesem Projekt beteiligt sind. Für die Netzwerkstelle habe ich die Schirmherrschaft übernommen. Diese Netzwerkstelle ist beim Landkreis angesiedelt. Hier habe ich sehr vieles erfahren können und mir wurde bewusst, was alles nötig ist, um Schulversagen zurückzudrängen.

Es hat sich ein Fachkreis von Akteuren aus den unterschiedlichen Ebenen etabliert. Nach der sogenannten Portfolio-Methode sind wir schon seit drei Jahren im Gespräch, um eigene regionale Akzente im Bereich der Schulsozialarbeit zu setzen, um das Thema Nachhaltigkeit voranzutreiben und um in die Reflexion zu gehen. Alle diese Punkte, die von meinen Vorrednern auch schon benannt wurden, konnte ich hier live miterleben. Die Begleitung ist an dieser Stelle einfach noch einmal zu unterstreichen.

Eine gute Schule für alle Kinder ist nur zu erreichen, wenn sie sich bewusst wichtigen Entwicklungs- und Öffnungsprozessen stellt. Hierzu wurden bereits Stichpunkte benannt: das Schulklima, die Lehrer-Schüler- und die Schüler-Schüler-Verhältnisse, die Kultur der gemeinsamen Verantwortung für alle Schülerinnen und Schüler bis hin zur Freizeitgestaltung und die Verbesserung der Elternarbeit.

Die Schulsozialarbeiter stellen insofern Fortschritte fest, als sich die interprofessionelle Kooperation zunehmend auch systematisch etabliert hat. Ich denke, das Wort „Interdisziplinarität“ wurde auch schon mehrfach benannt. So wird die Erarbeitung von Lösungsstrategien vermehrt gemeinsam im Team unter Einbeziehung des betreffenden Schülers bzw. der betreffenden Schülerin und der jeweiligen Eltern vorgenommen.

Schulsozialarbeit ist also auf eine Erziehungspartnerschaft angewiesen. Für diese Art der Kooperation ist auch weiterhin eine intensive Vorbereitung der Lehrkräfte erforderlich. Die bisher erfolgten Tandemfortbildungen, also gemeinsame Fortbildungen von Schulsozialarbeitern und Lehrkräften, sind dazu weiter auszubauen. Hier sehe ich durchaus noch beträchtliche Reserven.

Dabei beziehe ich auch die Arbeit der Beratungslehrer mit ein. Denn wie wir wissen, sollte die Zusammenarbeit im pädagogischen Team mehr sein, als gleichzeitig am gleichen Ort bzw. gleichzeitig vor Ort zu sein. Es geht in erster Linie um das Bearbeiten von Störungen. Schließlich gilt in der Sozialarbeit das Prinzip, Störungen haben Vorrang. Es geht auch darum, die Probleme zu erkennen, zu benennen und vor allem an den Ursachen zu arbeiten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Insgesamt kann festgestellt werden, dass man bezüglich des programmatischen Zieles der Verringerung der Schulabbrecherquote an der Stelle noch keine Punktlandung erreicht hat. Aber das starke Absinken des Anteils an Schulabgängern unterhalb des Hauptschulabschlusses im Schuljahr 2011/ 2012 sowie die positiven Tendenzen an Schulen mit Schulsozialarbeiterprojekten können als positive Signale gewertet werden.

Frau Reinecke, Sie sind weit über die Zeit. Könnten Sie bitte zum letzten Satz kommen?

Ja. - Ich möchte einfach darauf abstellen, dass es uns gelingen muss, durch den Einsatz von Schulsozialarbeit qualifizierte Abschlüsse für die Schülerinnen und Schüler zu ermöglichen. Ich kann an dieser Stelle abschließend feststellen, dass die Schulen in einer Aufbruchstimmung sind, die ich vorher noch nicht erlebt habe. Mit dem Beitrag der Schulsozialarbeit wird auch die Schulentwicklung zukünftig gut gelingen. - In diesem Sinne danke ich für die Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Frau Kollegin Bull, Sie können noch einmal reden.

(Frau Bull, DIE LINKE: Ich verzichte!)

- Frau Bull verzichtet auf einen weiteren Beitrag. Damit ist die Aussprache zur Großen Anfrage beendet. Wir verlassen den Tagesordnungspunkt 6.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir fahren fort mit dem Tagesordnungspunkt 7, der schon mehrfach angesprochen worden ist.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 7 auf:

Erste Beratung

Sozialpädagogische Arbeit langfristig an den Schulen verankern

Antrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 6/1884

Einbringerin ist erneut die Abgeordnete Frau Bull. Frau Kollegin, Sie haben das Wort.

Meine Damen und Herren! Das Programm, über das wir soeben im Rückblick diskutiert haben, geht dem Ende entgegen. Das heißt, wir sind, weil die Aufgabe bestehen bleibt, gefragt, wie wir die Perspektiven gestalten wollen. Dazu liegt Ihnen unser Antrag vor. Ich will zu einigen wenigen Punkten die Diskussion eröffnen. Ich sage gleich, dass wir uns damit umfassender im Ausschuss befassen sollten, weil das Plenum dafür eher nicht der geeignete Ort ist.