Protocol of the Session on February 22, 2013

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich hoffe sehr, dass Sie, Herr Finanzminister, diesen Antrag nicht wieder so kommentieren, dass Sie sagen: Frau Paschke, kommen Sie einmal mit mir eine Tasse Kaffee trinken, dann werden ich Ihnen alles erklären, obwohl ich es Ihnen schon so oft erklärt habe.

(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜNEN - Herr Gallert, DIE LINKE: Ihr Redekonzept ist jetzt weg, Herr Minister!)

Das wäre ein sehr schlechter Weg; denn erstens trinke ich keinen Kaffee und zweitens wäre es der Sache nicht angemessen.

(Beifall bei der LINKEN)

Eine ähnliche Hoffnung habe ich auch, was die Koalitionsfraktionen betrifft, wie sie mit dem Antrag umgehen. Ich hoffe, Sie wischen ihn nicht wieder einfach vom Tisch.

Der Antrag ist der Sache angemessen, weil sich die Personalsituation in vielen Teilen der Landesbehörden und der Schulen immer weiter zuspitzt. Wir diskutieren seit dem Jahr 2007 immer wieder intensiv darüber, ob das Benchmarking des Finanzministers zur Aufgabenerfüllung realistisch oder unrealistisch ist. Trotzdem hat sich die Situation seit dem Jahr 2007 - eigentlich begann es

schon im Jahr 2002 - mit jeder neuen Vorlage weiter verschärft.

Wir müssen die Frage stellen, worin die Ursachen dafür liegen. Liegt es, wie die Gewerkschaften, vor allen Dingen die GEW und ver.di in ihren Papieren behaupten, daran, dass es bei den Vergleichen mit den Flächenländern grundlegende methodische Fehler gibt?

Wenn es daran liegt, dass es grundlegende methodische Fehler gibt - -

(Minister Herr Bullerjahn: Das wissen Sie doch besser, Frau Paschke, dass diese Fehler nicht da sind!)

- Ich weiß es besser? - Nein. - Ich möchte auch gar nicht sagen, dass Ihres falsch ist. Der Antrag besagt vielmehr, dass wir herausbekommen wollen, ob es grundlegende methodische Fehler bei der Aufstellung Ihrer Prognosen gibt, mit denen Sie die Absicht begründen, Personal abzubauen. Es ist nach unserer Auffassung unsere politische Pflicht, das herauszubekommen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir oder - ich sage es einmal so - Teile des Parlaments haben sich ziemlich lange abgedruckt und gesagt: Wenn es so ist, dass wir den Vergleichsländern hinterherhinken, dann müssen wir mehr Personal abbauen. Wir haben immer wieder nach den Ursachen gefragt. Sind wir als Gesetzgeber nicht in der Lage, Gesetze zu verabschieden, die einen geringeren Personalaufwand verursachen? - Nein. Wir verabschieden in der Regel, auch gestern wieder, Gesetze, die eigentlich einen Personalaufwuchs notwendig machen.

Sind die Ministerien nicht in der Lage, den Personalabbau politisch umzusetzen, obwohl sie ihn im Kabinett immer wieder beschließen? Das ist doch die Frage. Oder liegt es tatsächlich daran, dass die Vergleiche nicht stimmen? Wenn das so ist, dann muss man ein Stoppzeichen setzen und kann nicht immer wieder auf das nächste Papier warten, bis wir ganze Bereiche der Landesverwaltung sozusagen an den Baum gefahren haben.

(Beifall bei der LINKEN - Herr Lange, DIE LINKE: Aber die, um die es geht, sind alle nicht da!)

Was in den Papieren kritisieren wir hauptsächlich? Ich möchte nicht alles darstellen, weil a) die Zeit dafür nicht ausreicht und weil b) in dem Antrag steht, dass wir die beiden Autoren im Ausschuss für Finanzen anhören wollen.

Neben einer grundsätzlichen Methodenkritik ist in dem Papier von ver.di vor allen Dingen darauf hingewiesen worden, dass der unterschiedliche Kommunalisierungsgrad in den Ländern überhaupt nicht in die Betrachtungen einbezogen wurde. Sachsen-Anhalt weist nach dem Saarland den

zweitniedrigsten Kommunalisierungsgrad auf. Das heißt, viele Aufgaben bleiben bei der Landesverwaltung. Ver.di hat ausgerechnet: Wenn man den Kommunalisierungsgrad bei den Kernbehörden einbezieht, dann liegen wir bei 6,22 Vollbeschäftigteneinheiten je 1 000 Einwohner. Damit liegen wir auf dem 11. Platz in der Länderriege, also weit unter dem Durchschnitt.

Des Weiteren wird kritisiert - darüber haben wir in der letzten Enquete-Kommission dauernd geredet -, dass die Ausweisung eines demografischen Einsparfaktors, der de facto erst in diesem Jahr mit dem Personalstandsbericht hineingekommen ist, sozusagen für alle Behörden gleich gilt.

Das MLU zeigt exemplarisch, dass das gar nicht geht; denn sehr viele Aufgaben sind gar nicht auf den demografischen Wandel zurückzuführen. Die Elbe interessiert sich eben nicht dafür, wie viele Einwohner rechts und links von ihr wohnen. Auch die Dämme interessieren sich dafür nicht.

(Beifall bei der LINKEN)

So hat die GEW ausgerechnet, dass man, wenn man diesen Teil der Landesbehörden herausrechnet, im Jahr 2019 nicht bei den 18 Vollzeitäquivalenten pro 1 000 Einwohner liegen würde, sondern bei 15 Vollzeitäquivalenten. Der guten Ordnung halber muss man an dieser Stelle noch sagen, dass sie auch kritisiert haben, dass die einbezogenen Bereiche nicht stimmten.

Weiterhin interessiert uns ein Fakt immer mehr, nämlich das Verhältnis zwischen aktivem und passivem Personal. Nachdem mit dem letzten Doppelhaushaltsplan mit der Verlängerung der Altersteilzeit und mit Sonderregelungen ein den Abbau unwahrscheinlich beschleunigendes Konzept umgesetzt wurde, steht in ganz vielen Bereichen de facto nur die Hälfte des ausgewiesenen Personals zur Verfügung.

Herr Finanzminister, selbstverständlich sehe ich ein, dass das zutrifft, wenn Sie es rein fiskalisch betrachten, wenn nämlich die Beschäftigten, die sich in der passiven Phase der Altersteilzeit befinden, noch mit eingerechnet werden. Aber sie stehen zur Aufgabenerfüllung nicht zur Verfügung. Das muss man in den Behörden berücksichtigen. Daran kann man nicht vorbeigehen.

Werte Kolleginnen und Kollegen! Um das Problem noch deutlicher darzustellen, habe ich mir beispielhaft drei Behörden herausgegriffen. Als erstes Beispiel möchte ich das Umweltministerium nennen. Der Umweltminister hat dieser Tage im Fachausschuss erklärt, er habe an den Finanzminister einen Brief geschrieben. Na ja, das ist doch schon ein anzuerkennender Widerstand.

(Beifall und Lachen bei der LINKEN)

Denn in dem Brief wird darauf hingewiesen, dass das Ministerium allein für die jetzt umzusetzenden EU-Standards in den Bereichen Tier-, Pflanzen- und Immissionsschutz einen Einstellungsbedarf an qualifizierten Externen von ca. 80 Bediensteten habe. Man stelle sich die Frage: Wie ist das mit der vorgesehenen Abbaurate von immerhin noch 20 % in diesem Bereich zu vereinbaren? - Vorher betrug die Abbaurate der übrigen Verwaltung 30 %.

Zweites Beispiel: In aller Munde sind jetzt die Schließungsabsichten für kleine Grundschulen. Wir sind uns auch darüber einig, dass nicht jede Kleinstschule erhalten bleiben kann. Wenn wir aber diese jetzt in Rede stehenden 75 Grundschulen schließen, dann werden wir etwa 200 Lehrer einsparen bzw. anderweitig einsetzen können. Bei den vorgesehenen Abbauraten geht es aber nicht um 200, sondern es geht um das Zehnfache, es geht um 2 000 bis 2 500.

Nirgends ist ein Licht am Horizont, das erkennen lässt, wo, abgesehen von diesen Grundschulen, Lehrpersonal in dieser Größenordnung abgebaut werden könnte. Auch hieran zeigt sich, dass die reinen Abbauraten und ein demografischer Faktor nicht gelten können, wenn die Schülerzahlen über Jahre konstant bleiben. Hierbei muss nachgesteuert werden. Das kann uns doch nicht egal sein.

(Beifall bei der LINKEN - Herr Lange, DIE LINKE: Eigentlich ist das einfache Mathema- tik!)

Das dritte Beispiel ist die Situation im Verbraucherschutz. Nun haben wir uns gestern ausführlich über das Pferd im Rind unterhalten. Fakt ist eines: Auch in diesem Bereich sind durch unterschiedlichste Entwicklungen immer mehr Aufgabenkomplexe hinzugekommen, die sich aus EU-Vorschriften oder durch Landesgesetze ergeben. Im Übrigen wird gerade in diesem Bereich sehr oft ein Langzeit-Monitoring durchgeführt. Bei einer starken Reduzierung des Personals sind diese Aufgaben nicht mehr zu erfüllen.

Deshalb - das ist das Fazit - wollen wir - das steht in dem vorliegenden Antrag - noch vor den Haushaltsberatungen und den Beratungen zum Personalmanagementkonzept diejenigen hören, die diese Papiere vorgelegt haben und eine kritische Sicht auf diese Personalabbaukonzepte haben. Die Realität zeigt, dass es absolut nötig ist.

Die Landesregierung soll darstellen, in welcher Weise sie bei der Erarbeitung ihrer Konzepte die Interessenvertretungen und andere Konzepte einbezieht. Schließlich wollen wir die Autoren der alternativen Berechnungen anhören. Ich denke, das sind wir ihnen schuldig.

Meine Damen und Herren! Wir müssen darauf achten, dass wir mit der Personalpolitik das Schiff nicht auf Grund steuern. Ich denke, wir sind gera

de dabei. Wir müssen aufpassen, dass es nicht kentert. Mit der Annahme dieses Antrages würden wir einen kleinen Schritt in die richtige Richtung tun. - Schönen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Dr. Paschke. - Für die Landesregierung ergreift Herr Minister Bullerjahn das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am Ende ist das eine Diskussion über das Personalkonzept, festgemacht am Gewerkschaftspapier. Es wird sich vieles wiederholen, was wir hier schon häufig besprochen haben. Deswegen sage ich gleich vorab, weil ich mir erlaube, das in diese Diskussionen einzubinden: Wir werden an dem PEK, das wir jetzt vorgelegt haben, nichts, aber auch gar nichts ändern.

Ich kann von Ihnen offenbar nicht verlangen, dass Sie sich überhaupt irgendwelche Gedanken um den Landeshaushalt machen. Nachher befassen wir uns noch mit einem Antrag zu Stark IV. Darin fordern Sie ganz locker, dass wir den Kommunen in der nächsten Zeit mal eben 450 Millionen € hinüberreichen sollen.

Wenn ich einmal die ganzen Diskussionen zum PEK und auch zum FAG und darüber, wer es bezahlen soll, betrachte, so ist festzustellen, dass es keine Vorstellungen darüber gibt, wie es mit der Wirklichkeit in Sachsen-Anhalt in Einklang zu bringen ist. Deswegen ist für mich auch langsam der Punkt erreicht, wo ich mich bei der Diskussion zurückziehe auf das, was wir machen und gemacht haben. Denn egal was ich Ihnen vorlege, Sie werden es ohnehin kategorisch ablehnen. Das habe ich zu akzeptieren.

Ich lese einmal vor, was andere zu der GEWAnalyse gesagt haben.

„Die von der GEW vorgelegte Analyse enthält schwerwiegende methodische, rechnerische und inhaltliche Fehler. Der GEWAutor arbeitet intellektuell unredlich. Die Behauptung, es gebe keine verlässliche Darstellung des Personalaufwandes für den Schulbereich, ist angesichts des Umfangs, der Differenziertheit und der Qualität des veröffentlichten Materials ignorant.“

Wahrscheinlich würde jetzt jeder, der das liest, sagen, das kann nur aus dem Finanzministerium kommen. Ich kann Sie aber beruhigen; es kommt aus dem Kultusministerium. Und wenn diejenigen, die eine größere Nähe zur GEW haben, schon so etwas schreiben, dann, so glaube ich, muss ich dem nicht mehr viel hinzufügen.

Es gibt einige Dinge - ich kann sie auch darstellen -, bei denen das Kultusministerium und das Finanzministerium gemeinsam darauf hinweisen können, warum es eben nicht richtig ist.

Es wurde erstens - darüber möchte ich auch inhaltlich diskutieren, Frau Dr. Paschke - ein völlig falsches Referenzsystem gewählt. Wir müssen uns, bezogen auf die Mittel, die uns nach dem Auslaufen des Solidaritätsbeitrages und allen anderen Programmen ab dem Jahr 2019 zur Verfügung stehen werden, mit westdeutschen Ländern vergleichen, nicht mit den ostdeutschen Ländern.

(Zustimmung bei der CDU)

Es ist völlig unsinnig, jetzt im Vergleich mit Sachsen, mit Brandenburg und anderen ostdeutschen Ländern zu sagen: Die haben vielleicht mehr oder weniger. Denn Benchmark bedeutet für mich zu schauen, was westdeutsche Länder haben.

Sie müssen das nicht zur Kenntnis nehmen. Ich bereite gerade die Diskussion in der Föderalismuskommission III vor. Ich sage Ihnen eines: Wenn der Osten dort nicht mit guten Argumenten dafür aufwarten kann, warum das eine oder andere auch nach 2019 noch nötig ist, dann werden wir untergehen. Denn die Geberländer werden - das müssen Sie doch auch mitkriegen - auf Dauer nicht akzeptieren, dass wir mit Überhängen in unserer Größenordnung noch den Anspruch erheben, dass sie das bitte noch mitbezahlen.

(Zuruf von Frau Dr. Paschke, DIE LINKE)

Deswegen ist aus meiner Sicht das Referenzsystem falsch.

Wir haben auch die Annahmen, wie wir bestimmte Quoten in Sachsen-Anhalt definieren, sehr objektiv herausgearbeitet. Wir haben bezogen auf das Schüler-Lehrer-Verhältnis mit das beste Ergebnis. Wir haben in Bezug auf die Anzahl der Lehrer und Lehrerinnen mit die meisten und in Bezug auf die Stundenbudgets bei den Lehrerinnen und Lehrern mit die geringste Quote. Das ist weder schlecht noch gut. Aber das nicht zu akzeptieren, halte ich für geradezu fahrlässig.