Protocol of the Session on February 20, 2013

(Zustimmung bei der CDU)

Danke schön, Herr Abgeordneter Kolze. - Als nächster Redner spricht für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Herr Abgeordneter Striegel.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! „Keine Sorge, wir werden streng kontrolliert“ - das ruft das Bundesamt für Verfassungsschutz auf seiner Internetseite all denjenigen Bürgerinnen und Bürgern zu, die sich über das Selbstbild eines Inlandsgeheimdienstes informieren wollen, um sich schlussendlich verbal zu einer der bestkontrollierten Institutionen unseres Staates aufzuschwingen.

All das hat mit der Realität eines Geheimdienstes nicht viel zu tun, passt aber in das Bild einer staatlichen Behörde, die von sich selbst behauptet, sie tue nicht, was sie selbst wolle, sondern nur das, was sie in unser aller Interesse müsse und dürfe. Der Verfassungsschutz beschränke nicht die Freiheit der Bürgerinnen und Bürger, er schütze sie.

Das ist mit Blick auf 60 Jahre Skandalgeschichte und nach allem, was wir nicht nur aus den bisherigen Untersuchungen über das Versagen der Sicherheitsbehörden beim Erkennen eines neonazistischen Terrornetzwerks wissen, gefährlicher Unsinn.

Bei allen politischen Auffassungsunterschieden zur Zukunft des Inlandsgeheimdienstes - die Optionen variieren derzeit zwischen Beibehaltung, Auflösung und Neugründung als Inlandesaufklärung sowie konsequenter Abschaffung - sind sich nahezu alle politischen Akteure und Kommentatoren einig, es braucht mehr und es braucht eine effizientere Kontrolle. Selbst der Kollege Kolze wies soeben darauf hin.

Meine Fraktion hat mit Blick auf das von uns verfolgte Ziel einer mittelfristigen Abschaffung des Geheimdienstes den kurzfristig zu beschließenden Gesetzentwurf für eine verbesserte Kontrolle des Geheimdienstes eingebracht. Die darin enthaltenen Befugnisse, insbesondere die Befugnisse der Parlamentarischen Kontrollkommission lösen das grundsätzliche Dilemma eines demokratisch nicht zu kontrollierenden Geheimdienstes nicht, sie lindern es aber.

Sie sind auch kein Hexenwerk, weil nahezu alle Befugnisse bereits in anderen Bundesländern oder auf der Bundesebene vorhanden sind. Herr Kollege Kolze, Sie mögen selbst entscheiden, ob das dazu führt, dass mehr Geheimnisse an die Öffentlichkeit treten. Ich glaube das nicht. Aber es hilft, die Parlamentarier überhaupt zu ermächtigen, parlamentarische Kontrolle auszuüben.

Selbst die Redner der Koalitionsfraktionen haben hier im Rahmen der ersten Lesung einzelne Bestimmungen als diskussionswürdig empfunden. Umso absurder mutet Ihr Verhalten nunmehr an. CDU und SPD haben im Innenausschuss dem Gesetzentwurf jegliche inhaltliche Befassung verweigert. Eine Anhörung zum Gesetzentwurf verhinderten Sie mit der Mehrheit Ihrer Stimmen.

Inhaltliche Beiträge Ihrerseits zum Gesetzentwurf erfolgten nicht. Herr Kolze, das war jetzt das erste Mal, dass ich Sie jenseits der ersten Lesung überhaupt inhaltlich auf den Gesetzentwurf habe Bezug nehmen hören.

Das lässt nur zwei Schlüsse zu: Entweder sehen Sie trotz der mannigfaltigen Erkenntnisse über ein Versagen der Sicherheitsbehörden kein Kontrolldefizit beim Verfassungsschutz - Sie schützen also Blindheit vor - oder Sie wissen um die mangelnde Kontrolle des Geheimdienstes, wollen sie aber nicht schnellstmöglich abbauen helfen.

(Zuruf von Herrn Kolze, CDU)

Das wäre fahrlässig und der Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger in diesem Lande nicht dienlich. Ich frage Sie: Wie wollen Sie Ihr Verhalten denjenigen erklären, die als Angehörige von Opfern des NSU geliebte Menschen verloren haben?

(Zustimmung bei der LINKEN)

Dazu kam es unter anderem, weil der Verfassungsschutz nichts hören und nichts sehen wollte, weil er im schlimmsten Fall sogar trotz vorliegender Erkenntnisse nichts sagen wollte.

Meine Fraktion arbeitet an der Abschaffung des Inlandsgeheimdienstes. Bis zu dessen Auflösung bedarf es stärkerer Kontrolle, die im Übrigen auch notwendig wäre, wenn wir Teilkompetenzen der bisherigen Verfassungsschutzämter auf andere Sicherheitsbehörden übertragen würden, zum Beispiel im Bereich der Terrorismusbekämpfung.

Die Denunziationskompetenz des Geheimdienstes ist für uns in keinem Fall erhaltenswert. Wir streiten für eine Demokratie, in der die Grenzen des Sagbaren nicht durch den Staat, sondern durch den öffentlichen Diskurs festgelegt werden. Nur derjenige, der die Schwelle zur Gewalt überschreitet, der muss und soll mit staatlichen Sanktionen rechnen.

Die Bedrohung der Demokratie wollen wir umfassend beschrieben wissen von einer unabhängigen Beobachtungsstelle für Demokratie und Menschenrechte, die dann, anders als ein Geheimdienst oder ein Verfassungsschutz, auch im Bereich der politischen Aufklärung und der Bildung als Multiplikator tätig sein darf.

Unsere grüne Vision ist eine mittelfristige Abschaffung des Inlandsgeheimdienstes. Wir wollen einen effektiven Republikschutz und eine offene Demokratie. Bis dahin kämpfen wir für eine bessere Kontrolle der Geheimdienste.

Daher bitte ich Sie, die vorliegende Beschlussempfehlung abzulehnen. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung von Frau Prof. Dr. Dalbert, GRÜNE)

Wir kommen nunmehr zu dem letzten Redner in der Debatte. Für die Fraktion der SPD spricht Herr Abgeordneter Erben.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bereits bei der Einbringung des Gesetzentwurfes im November 2012 hatte ich für meine Fraktion dargelegt, warum wir dem Gesetzentwurf der GRÜNEN nicht zustimmen können. Kollege Striegel hat bei der Einbringung in den Ausschuss und auch heute bewiesen, dass es ihm um etwas anderes als das geht, was im Text des Gesetzentwurfs steht. Es geht ihm um die Abschaffung des Verfassungsschutzes.

(Zustimmung von Herrn Weigelt, CDU)

Aber Debatten haben immer auch etwas Lehrreiches. Ich durfte meinen Wortschatz heute erweitern. Den Begriff „Denunziationskompetenz“ werde ich mir tatsächlich merken.

(Zustimmung von Herrn Striegel, GRÜNE)

Das Gesetz ist aus unserer Sicht untauglich, den Verfassungsschutz neu auszurichten. Ich kann mir aus meiner eigenen Erfahrung und aus praktischen Erwägungen nicht vorstellen, wie ein Kollegialorgan Parlamentarische Kontrollkommission einen V-Mann führen soll. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass wir immer nur dasitzen und palavern, ob wir ihn nun abziehen oder nicht. Das erscheint mir kein taugliches Instrument zu sein, um den Verfassungsschutz neu auszurichten.

Wir haben entsprechende Vorschläge gemacht und warten natürlich auch auf die Vorschläge der Landesregierung. Auch die Innenminister in Bund und Ländern beraten über eine Neuausrichtung des Verfassungsschutzes. Ich will nur einige wenige Punkte an dieser Stelle nennen, vor allem auch dort, wo es einen Bezug zu Ihrem Gesetzentwurf gibt.

Auch wir wollen eine gesetzliche Regelung für den Einsatz von V-Leuten, und zwar eine Regelung, die bestimmt, wer überhaupt V-Mann sein kann. Ich nenne das Stichwort Vorstrafen.

Wir wollen eine gesetzliche Verpflichtung der Verfassungsschutzbehörden darauf, dass staatliche Gegenleistungen nicht dazu genutzt werden können, extremistische Organisationen aufzubauen oder auch bewusst zu steuern.

Wir wollen unter Umständen auch eine Pflicht zur Genehmigung des V-Mann-Einsatzes.

Außerdem wollen wir eine zentrale Koordinierung des V-Mann-Einsatzes beim Bundesamt für Verfassungsschutz. Dazu hat es in den letzten Wochen vonseiten des Bundesamtes für Verfassungsschutz bereits Organisationsvorschläge gegeben, denen wir ausdrücklich zustimmen.

Dazu gehört auch, dass aus dem Recht zum Informationsaustausch eine Pflicht zum Informationsaustausch wird. Damit meine ich vor allem die Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen Polizei und Staatsanwaltschaft einerseits und Verfassungsschutzverbund andererseits.

Das werden wir mit Sicherheit in dieser Legislaturperiode hier noch mehrfach erörtern müssen; denn wir stehen bei der Neuausrichtung der Verfassungsschutzbehörden in Bund und Ländern am Anfang und nicht am Ende. Deswegen wird es nicht das letzte Mal sein, dass wir über die Organisation des Verfassungsschutzes im Allgemeinen und den Einsatz von V-Leuten im Besonderen sprechen werden. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Danke schön, Herr Abgeordneter Erben. - Es gibt eine Wortmeldung, eine Anfrage. Möchte Sie diese beantworten?

Ja.

Herr Abgeordneter Striegel, bitte.

Danke, Herr Präsident. - Nur eine Klarstellung, an den Kollegen Erben gerichtet: Wenn Sie unseren

Gesetzentwurf richtig gelesen haben, dann wird Ihnen vielleicht aufgegangen sein, dass es jedenfalls in unserem Gesetzentwurf nicht darum geht, die PKK zum Kollegialorgan zur Führung von V-Männern zu machen, sondern dass im Ausnahmefall die PKK die Kompetenz erhalten soll, eine bestimmte nachrichtendienstliche Operation zu beenden. Das ist der Gegenstand, den wir im Gesetzentwurf behandeln. Das will ich an dieser Stelle noch einmal klargestellt wissen.

Ich habe Ihren Gesetzentwurf selbstverständlich gelesen. Aber das Recht zur Verkürzung von dieser Stelle aus haben natürlich nicht nur Sie, sondern das habe auch ich.

(Zustimmung bei der SPD)

Danke schön. - Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Damit können wir die Debatte abschließen und in das Abstimmungsverfahren eintreten.

Ich rufe zur Abstimmung die Beschlussempfehlung in der Drs. 6/1768 auf, die eine Ablehnung des Gesetzentwurfes vorsieht. Wer der Beschlussempfehlung zustimmen möchte, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind die Koalitionsfraktionen und die Fraktion DIE LINKE. Wer stimmt dagegen? - Das ist die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Möchte sich jemand der Stimme enthalten? - Das ist nicht der Fall. Damit hat die Beschlussempfehlung in der Drs. 6/1768 eine Mehrheit bekommen und der Gesetzentwurf wurde abgelehnt.

Ich rufe nunmehr den Tagesordnungspunkt 16 auf:

Erste Beratung

Entwurf eines Gesetzes zum Staatsvertrag über die abschließende Aufteilung des Finanzvermögens gemäß Artikel 22 des Einigungsvertrages zwischen dem Bund, den neuen Ländern und dem Land Berlin

Gesetzentwurf Landesregierung - Drs. 6/1806

Für die Landesregierung bringt der Minister der Finanzen Herr Bullerjahn den Gesetzentwurf ein.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es wird jetzt sehr spannend und leider sehr formal. Ich werde die Einführung komplett vorlesen, weil es um einen Vertrag geht, der einmal behandelt werden muss. Frei zu reden ist hierbei nicht möglich; denn das Ganze steckt voller Paragrafen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Einigungsvertrag vom 31. August 1990 regelt in Kapitel VI