Protocol of the Session on October 18, 2012

(Zustimmung bei der SPD)

Zudem nehmen Nachwuchswissenschaftlerinnen häufiger befristete und Teilzeitbeschäftigungen wahr. Aufgrund der Antwort der Bundesregierung auf eine Große Anfrage im Bundestag kann ferner die Vermutung geäußert werden, dass in diesen Bereichen oft kein „equal pay“ vorliegt.

Meine Damen und Herren! Lassen Sie uns gemeinsam die vorgelegte Datenbasis nutzen, um in den zuständigen Ausschüssen in einen intensiven und konstruktiven Austausch einzutreten, welche Einzelmaßnahmen der Hochschulen verallgemeinert werden können, wie Zielvereinbarungen und die leistungsorientierte Mittelvergabe darauf ausgerichtet werden können, Geschlechtergerechtigkeit zu unterstützen.

Ich möchte auch dazu auffordern, im Ausschuss in eine intensive Diskussion über die bereits vorliegenden Vorschläge zu diesem Thema von der Hochschulrektorenkonferenz, vom Wissenschaftsrat oder auch von der Deutschen Forschungsgemeinschaft einzutreten. Im Mittelpunkt dieser Diskussion sollte die Frage stehen, welche Praktiken für unser Bundesland anwendbar sind, damit wir schnell mit der Umsetzung beginnen können. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Dr. Pähle. - Bevor für die Fraktion DIE LINKE Herr Lange spricht, begrüßen wir ganz herzlich Studentinnen und Studenten der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Jetzt hat Herr Lange das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine sehr geehrten Damen und Herren! 2011 ging einer der wichtigsten deutschen Forschungspreise an die Hallesche Genetikerin Ulla Bonas. Eine große Ehre, ein großer Erfolg für das Land, für die Universität Halle-Wittenberg sowie für Frau Professor Bonas und ihr Team. Es ist erfreulich, dass eine Frau diesen hochdotierten Preis gewann. Leider sind Karieren in Führungspositionen wie die von Frau Professor Bonas bei Frauen bei weitem nicht die Regel.

Wie die Große Anfrage zeigt, vermittelt der Anteil der Frauen an den Professuren im Land ein trauriges Bild. Lediglich 18 % aller Professuren im Land - Frau Dalbert ist schon darauf eingegangen - waren mit Frauen besetzt. Besonders gravierend ist dabei das Verhältnis von C3- bzw. W2-Professuren zu den höher dotierten C4- bzw. W3-Professuren. Der Anteil bei den C3- bzw. W2-Professuren lag bei 22 %. 10 % sind es mittlerweile bei den C4- bzw. W3-Professuren. Das sind magere 10 %, meine Damen und Herren.

(Zustimmung von Frau Prof. Dr. Dalbert, GRÜNE)

Hinzu kommt, dass Frauen häufig geringere Leistungsbezüge erhalten. Auch dies ist ein Befund aus der Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage. Das ist nicht in allen Fächern der Fall; das ist durchaus unterschiedlich. Aber in vielen Fächern sind die Leistungszulagen bzw. Leistungsbezüge der männlichen Kollegen wesentlich höher.

Frauen besetzen wesentlich seltener Leitungspositionen, wie in Dekanaten und Rektoraten. Zudem sie sind in den Gremien stark unterrepräsentiert, und das, obwohl im Wesentlichen gleich viel Frauen und Männer ein Studium aufnehmen und Frauen häufiger die Prüfungen ablegen bzw. die Männer häufiger das Studium abbrechen.

Insgesamt ist die Situation höchst komplex und auf den unterschiedlichen Karrierestufen und in den unterschiedlichen Fachbereichen stark differenziert. Die Ingenieurswissenschaften liegen bei den Frauenanteilen ganz hinten, gefolgt von den mathematisch-naturwissenschaftlichen Fachrichtungen.

Darin ist eine gesamtgesellschaftliche Tendenz, die oft mit Rollenklischees in der Gesellschaft zu tun hat, zu erkennen. Diese Klischees sind oft auch in den Fachrichtungen wiederzufinden, sodass schon die Frage nach der Fächerkultur erlaubt sein muss, um an dieser Stelle Veränderungen zu erzielen.

Die Probleme haben nicht selten ihre Wurzeln in den Kindertagesstätten und ganz besonders auch in den Schulen. Beispielsweise kommt das Landesprogramm für ein geschlechtergerechtes Sachsen-Anhalt gerade im Bereich Schulbildung nur schleppend voran. Die Erarbeitung wird permanent ausgebremst. An dieser Stelle besteht hier im Land dringender Handlungsbedarf.

(Beifall bei der LINKEN)

Hingegen sind Projekte wie das „Haus der kleinen Forscher“ eine sehr gute Maßnahme, um das Interesse aller Geschlechter an den MINT-Fächern zu wecken, und verdienen unsere Unterstützung. So sieht der Alltag aber längst nicht in allen Kitas aus.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn schon die Zahl der Studienanfängerinnen gering ist, dann pflanzt sich das sehr spürbar auf den weiteren Karrierestufen fort. Dagegen ist der Anteil der Frauen, die ein Medizinstudium beginnen, mit 67 % recht hoch. Die Medizin hat heute bereits eine Rolle gespielt. Dennoch liegt die Quote bei den Professuren bei geringen 6 %. Das sollte uns mit Blick auf die Fächerkultur auch an dieser Stelle zu denken geben. Fächerübergreifend nimmt der Frauenanteil schon bei den Promotionen ab und noch weniger Frauen habilitieren oder haben eine Juniorprofessur inne.

Bundesweit zeigt sich, dass Frauen in der Wissenschaft wesentlich stärker von Befristungen, Teilzeitverträgen und prekären Beschäftigungsverhältnissen betroffen sind als Männer. In der Begründung zu einem gemeinsamen Antrag der drei Oppositionsfraktionen im Bundestag heißt es dazu - ich zitiere:

„Laut Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage arbeiten 58 % der wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen befristet und in Teilzeit, also mit vergleichsweise wenig Einkommen und unsicherer Perspektive. Bei den Männern sind knapp 40 % betroffen. Auch über alle wissenschaftlichen Beschäftigtengruppen hinweg arbeitet über die Hälfte der Frauen in befristeten Teilzeitverhältnissen, bei den Männern hingegen ein gutes Drittel. Die Qualität der Beschäftigung wird maßgeblich davon beeinflusst, wie viel Zeit und Ressourcen bereitgestellt werden, um beruflich weiterzukommen. Das Ausscheiden aus dem wissenschaftlichen Werdegang ist vielfach Folge und Problem.“

Auch wenn unsere Hochschulen dazu sehr lapidare Antworten geben, kann man vor diesem Fakt nicht einfach die Augen verschließen, besonders dann nicht, wenn Karriere und Familie unter einen Hut passen sollen; denn dann ist die Sicherheit der Arbeitsverhältnisse das A und O.

Dass Frauen - sicher aus verschiedenen Gründen - deutlich häufiger als Männer in der Wissenschaft unattraktive oder schlechter bezahlte Beschäftigungsverhältnisse eingehen müssen, ist für uns ein erhebliches soziales und gleichstellungspolitisches Problem, dass in all seinen Fassetten angegangen werden muss.

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung bei den GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die dargestellte Situation ist schon aus moralischen und gleichstellungspolitischen Gründen höchst unbefriedigend. Aber auch unsere Gesellschaft kann es sich nicht leisten, intellektuelles Potential zu verschenken, indem sie es nicht fördert, will sie nicht ein gravierendes Innovations- und Qualitätsdefizit in Kauf nehmen. Denn die Wissenschaft vergibt sich in allen Fachrichtungen Chancen, wenn sie die Vielfalt einschränkt und den weiblichen Blick auf die Forschung und Lehre in zu geringem Maße zulässt. Deswegen muss gehandelt werden, in den Hochschulen und Wissenschaftseinrichtungen genauso wie in der Politik.

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft hat daher beschlossen, dass ihre Mitglieder forschungsorientierte Gleichstellungsstandards implementieren. Darin inbegriffen ist das sogenannte Kaskadenmodell. Es ist bereits mehrfach vorgestellt worden.

Wir sehen das Kaskadenmodell als Schritt in die richtige Richtung. Sowohl auf Landes- als auch auf Bundesebene muss sich die Landesregierung für mehr Verbindlichkeit der Zielquoten nach dem Kaskadenmodell einsetzen und es vor allem auch weiterentwickeln; denn dieses Modell kann rein rechnerisch auch zum Stillstand führen.

Daher schlagen wir eine Kaskade plus vor, wobei für die nächsthöhere Hierarchieebene ein prozentualer Aufschlag auszuhandeln ist. Leider setzt die Landesregierung insgesamt stark auf die Selbstverpflichtung der Hochschulen, auch wenn es in der leistungsbezogenen Mittelvergabe 5 % Leistungsmittel bezogen auf die Gleichstellung gibt.

Neben der Relativität der leistungsorientierten Mittelvergabe möchte ich ein Beispiel nennen, das die Grenzen der Selbstverpflichtung aufzeigt. Wenn wir uns die Berichte der beiden Universitäten an die DFG ansehen - diese liegen vor -, dann sieht man, dass in einigen Fächern zwar Zielquoten entsprechend den frei werdenden Professorenstellen vereinbart werden, aber bei drei frei werdenden Professuren ist eine Steigerung von 100 % Anteil

Männer zu 0 % Frauen hin zu 95 % Anteil Männer zu 5 % Frauen gerade einmal eine Professur, die mit einer Frau besetzt wird. Meine Damen und Herren, damit kommen wir zu langsam voran.

(Beifall bei der LINKEN)

Auf der Landesebene muss meines Erachtens mehr Verbindlichkeit einziehen durch die Aufnahme der Zielquoten nach dem Kaskadenmodell in die Zielvereinbarungen und in das Anreizsystem der leistungsorientierten Mittelvergabe, die wir zwar wegen ihrer Gesamtanlage kritisieren, aber wenn sie einmal in der Welt ist, dann muss sie auch Gleichstellungsparameter wirksamer aufnehmen.

Dennoch bleibt DIE LINKE der Auffassung, dass perspektivisch mindestens 40 % der Führungspositionen von Frauen bzw. von Männern besetzt werden müssen; denn was die Wirtschaft können muss, dass sollte auch in den Bereichen gelten, für die die Politik Verantwortung trägt. Zu diskutieren bleibt daher, ob es nicht doch eine Quotenregelung bei den Professuren geben muss. Mehr Verbindlichkeit, meine Damen und Herren, braucht es allemal.

Eine klare Position haben wir dabei bei der Besetzung von Leitungsgremien sowie der Senate und Kuratorien. An dieser Stelle soll zukünftig eine Quote von 50 % gelten, um der homosozialen Kooptation bzw. der Gläsernen Decke entgegenzuwirken. Die Berufungskommissionen sollen statusgruppenübergeifend zu jeweils 50 % mit Frauen und Männern besetzt werden. Einen entsprechenden Vorschlag kündige ich zur Novellierung des Landeshochschulgesetzes an.

Damit die Landtagsfraktionen nicht im regelmäßigen Abstand solche Anfragen stellen müssen, wäre ein Fortschrittbericht zur Geschlechtergerechtigkeit in den Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen hilfreich. Da es einen solchen Vorschlag auch für den Bund gibt, ließe sich das kombinieren; denn ein regelmäßiges Kontrollieren und Nachjustieren ist in diesem komplexen System unabdingbar.

Erfreulicherweise sind unsere Hochschulen mehrheitlich auf einem guten Weg, wenn es um das Audit „Familiengerechte Hochschule“ geht. Zunehmend organisieren sie sich auch in Double-CareerNetzwerken, damit Berufungen nicht an der familiären Situation scheitern und der jeweilige Partner auch eine Jobaussicht im Land hat.

Herr Kollege, Sie sind gewaltig über der Zeit.

Ich komme zum Ende. - Meine Damen und Herren! Abschließend nehme ich noch einmal Bezug auf

die Bundestagsdrucksache, in der ein Zitat von Viviane Willis-Mazzichi zu finden ist. Sie sagt, wir müssen einen Strategiewechsel vornehmen: from fixing the women to fixing the institutions.

Ich schließe an: Nachdem lange Zeit Frauen für Wissenschaft und Forschung fit gemacht werden sollten, ist es an der Zeit, die Einrichtungen für die Frauen fit zu machen, damit - das füge ich hinzu - Karrieren und Erfolge wie die von Frau Professor Bonas zur Regel werden können.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke schön. - Für die CDU spricht jetzt der Kollege Harms. Bitte Herr Harms.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Quote ist völlig in Ordnung: Bei diesem Tagesordnungspunkt reden Männer und Frauen im richtigen Verhältnis miteinander. Das ist eine Angelegenheit, die mir gerade bei diesem Tagesordnungspunkt wichtig ist. Ich würde es völlig verkehrt finden, wenn sich nur Frauen mit dieser Zielstellung auseinandersetzen.

(Zustimmung von Frau Dr. Paschke, DIE LINKE, und Frau Dr. Klein, DIE LINKE)

Frau Dr. Pähle - ich sehe sie im Moment nicht; doch, auf der Tribüne -, sehr geehrte Frau Professorinnen,

(Frau Bull, DIE LINKE: Das ist schwierig! - Heiterkeit bei der LINKEN)

Sie sind der lebende Beweis dafür, wie erfolgreich Frauen in der Wissenschaft, in der Forschung und überhaupt in unserer Gesellschaft sind. Wir freuen uns gemeinsam über Ihre Leistungen und wir freuen uns gewiss auch über Ihre Unterschiedlichkeit - die Unterschiedlichkeit innerhalb der Gruppe der Frauen -, über die Unterschiedlichkeit Ihrer Ansichten, Ihres persönlichen Werdegangs und über Ihre unterschiedlichen Vorschläge.

Diese Unterschiedlichkeit erfreut mich nicht nur bei Frauen, sondern sie erfreut mich auch bei Männern,

(Frau Bull, DIE LINKE: Das ist ein Ding!)

auch bezüglich der Ansichten und dergleichen mehr.

(Heiterkeit bei der LINKEN)