Protocol of the Session on October 18, 2012

sei. Das war sie in gewisser Weise, und zwar sehr deutlich.

Das war im letzten Jahrtausend. Aber auch aus diesem Jahrtausend gibt es vergleichbare Anekdoten. Als Dekanin habe ich in vielen Berufungskommissionen gesessen. Der Klassiker war: einzige Frau, vielleicht noch die Gleichstellungsbeauftragte.

Da geht es zum Beispiel bei der Sichtung der schriftlichen Bewerbungsunterlagen so, dass geguckt wird, wie alt sind die Leute, wie viele Publikationen haben sie. Dann passiert es nach wie vor häufig, dass die Bewerbungen von Frauen aussortiert werden, weil sie vielleicht schon drei Kinder großgezogen haben und einfach älter sind als männliche Kollegen mit vergleichbaren Publikationslisten.

Andererseits passieren aber auch solche Sachen wie: Frau, Anfang 30, tolle Publikationsliste, ledig, keine Kinder, und es kommt ein Kommentar wie: Mensch, die ist aber karrierefixiert, während ein Mann mit einem solchen Lebenslauf einfach als zielorientiert und leistungsstark eingeschätzt würde.

Drei Kinder zu haben und verheiratet zu sein, ist bei männlichen Bewerbern ein Zeichen von Solidität, bei Frauen ein Indiz für ein Ausfallrisiko, weil die Kinder ja krank werden könnten.

Sie merken schon, an diesen Stellen muss Gleiches gleich bewertet werden, aber auch Ungleiches ungleich. Es ist nun einmal nach wie vor so - das zeigen Erfahrungen -, dass eine Frau in der akademischen Laufbahn pro Kind per saldo um drei Jahre in ihrer Veröffentlichungsaktivität zurückfällt. Männern passiert das nicht. Das passiert Frauen. Dafür gibt es statistische Belege.

Insofern ist es wichtig, gerade in Berufungskommissionen noch Bewusstseinsarbeit zu leisten und solche Zusammenhänge vielleicht auch in Schulungen und Informationsveranstaltungen noch mehr bekannt zu machen.

Meine Damen und Herren! Bei den außeruniversitären Forschungseinrichtungen gibt es auch gewisse Fortschritte. Mit dem Pakt für Forschung und Innovation haben sich die großen deutschen Wissenschaftsorganisationen verpflichtet, verstärkt darauf hinzuarbeiten, dass der Frauenanteil bei der Neubesetzung von Entscheidungs- und Führungspositionen dem jeweiligen Anteil an habilitierten oder entsprechend hochqualifizierten Wissenschaftlerinnen in den verschiedenen Fächergruppen angeglichen wird, also ein Kaskadenmodell.

Bund und Länder überprüfen regelmäßig in jährlichen Monitoring-Berichten den erreichten Fortschritt. Am beeindruckendsten finde ich die Entwicklung bei der Max-Planck-Gesellschaft. Diese hat es tatsächlich geschafft, mit einer Strategie

selbst festgelegter Quoten den Frauenanteil signifikant zu erhöhen. Das zeigt, dass es geht und nicht die Qualität der Arbeit vermindert, ganz im Gegenteil.

Um den Anteil von Frauen in den höheren Stufen akademischer Karrieren weiter zu erhöhen, gibt es - auch das hat Frau Dalbert bereits erwähnt - von der DFG Vorschläge. Mit dem sogenannten Instrumentenkasten der DFG steht ein wissenschaftsadäquater Maßnahmenkatalog für die Hochschulen auch unseres Landes zu Verfügung. Die Hochschulen des Landes haben sich in den Zielvereinbarungen verpflichtet, diesen Instrumentenkasten zu nutzen.

Um diesen Prozess zu befördern, ist vom Wissenschaftszentrum Wittenberg gemeinsam mit dem Forschungsinstitut für Bildungs- und Sozialökonomie ein Gutachten erstellt und anschließend ein Abstimmungs- und Vermittlungsprozess eingeleitet worden. Das Gutachten umfasst eine Analyse der Situation in Sachsen-Anhalt, erörtert Best-PracticeBeispiele und gibt konkrete Handlungsempfehlungen, wie die im Instrumentenkasten der DFG enthaltenen Vorschläge auf die Verhältnisse in Sachsen-Anhalt angewendet werden können.

Das Gutachten und insbesondere die Umsetzungsvorschläge sind mit der Landeskonferenz der Gleichstellungsbeauftragten der Hochschulen diskutiert worden, auch kontrovers. Die Landeskonferenz hat in einem Gespräch mit mir am 8. Mai 2012 auf meine Bitte hin angeboten, als Schritt zu einer weiteren Verbesserung der Situation bei uns im Land einen ESF-Antrag für die kommende Förderperiode vorzubereiten. Dieser Antrag wird zurzeit erarbeitet und soll noch vor Weihnachten im Ministerium eingehen. Darin werden an der „Front“ gemachte Erfahrungen eingehen. Ich bin sicher, wir werden eine ganze Reihe guter Ideen aufnehmen können.

Auf der Seite der Landesregierung ist dieser Antrag auch schon vorbesprochen. Die Kollegin Kolb und die anderen Kollegen unterstützen diese Idee sehr. Wir sind uns alle einig, dass wir an dieser Front deutlich weiterkommen müssen.

Meine Damen und Herren! Es wird wichtig sein, in Zukunft Gleichstellung nicht mehr in die Büros von Gleichstellungsbeauftragten wegzusperren, sondern in die institutionelle und strukturelle Normalität der Hochschulen und Forschungseinrichtungen aufzunehmen.

(Zustimmung bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Es gibt eine ganze Reihe von Beispielen gut gemeinter, aber handwerklich schlecht gemachter Frauenförderung, leider auch bei uns im Land. Zum Beispiel sind Graduiertenförderstipendien speziell für Frauen ein zweischneidiges Schwert.

Diese führen nämlich dazu - ich habe selbst in den Begutachtungskommissionen gesessen -, dass sich etliche gerade männliche Kollegen sagen: Dann gebe ich die Lehrstuhlstelle dem männlichen Bewerber, die Frau kann ich auf das schlechter dotierte Stipendium abschieben.

Das ist keine Frauenförderung, sondern das ist wieder Stigmatisierung. Das Stipendium ist erstens schlechter dotiert und zweitens schlechter angesehen als die Lehrstuhlstelle. Drittens steht dann im Lebenslauf: gefördert über ein Frauenförderprogramm. Das ist keine handwerklich gut gemachte Frauenförderung. Ein Beispiel für besser gemachte Frauenförderung ist das Professorinnenprogramm des BMBF.

Wir müssen uns an den guten Beispielen orientieren, diese mit eigenen Ideen anreichern und dann ein richtig gutes Programm für das Land basteln. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Ministerin. - Jetzt spricht für die SPD-Fraktion Frau Dr. Pähle. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich freue mich, zunächst einmal feststellen zu können, dass bisher zwischen den Rednerinnen Einigkeit besteht über ganz viele Punkte; denn das Thema Gleichstellung ist nicht dazu geeignet, Fraktionsunterschiede in diesem Hohen Haus auszutragen. Dafür ist das Thema zu wichtig, weil dies eine zukunftsentscheidende Frage für unser Bundesland sein wird.

Die Große Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zeigt deutlich, dass es bei der Gleichstellung im Bereich der Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen viel zu tun gibt, aber in kleinen Schritten schon etwas erreicht wurde. Dies reicht aber noch nicht aus, wenn wir zukünftig die in unserem Land vorhandenen Potenziale von Männern und Frauen gleichermaßen nutzen wollen; und darum muss es uns gehen. Gleichberechtigte Teilhabe von Männern und Frauen muss in allen gesellschaftlichen Bereichen erreicht werden, weil dies ein Gewinn für die Gesellschaft ist.

Da Diskussionen über eine Frauenquote und über Frauenförderung oftmals zu den bekannten Ablehnungsreflexen führen, möchte ich an dieser Stelle vorausschicken: Hier geht es nicht um die Schaffung einer Sonderrolle oder um eine besondere Förderung von Frauen.

Vielmehr muss die Gesellschaft die Verantwortung dafür übernehmen, dass Männern und Frauen gleiche Möglichkeiten eröffnet werden. Das ist et

was anderes. Beide Geschlechter müssen ihre Potenziale ausschöpfen können. Dazu gibt es eine gesellschaftliche und eine politische Verpflichtung.

So ist in diesem Prozess auch eine Diskussion darüber notwendig, warum Männer so selten Sprachen studieren oder bestimmte Lehramtsabschlüsse anstreben. Beim Grundschullehrerabschluss ist ein Frauenüberhang festzustellen. Warum ist das so?

(Frau Prof. Dr. Dalbert, GRÜNE: Weil es schlechter bezahlt wird!)

- Natürlich weil es schlechter bezahlt wird. Also müssen wir an diesem Punkt etwas ändern. Was muss getan werden, damit in diesem Bereich Männer gleichwertig partizipieren können?

Die Zahlen machen auch für unser Bundesland klar, dass Frauen in Wissenschaft und Forschung nach wie vor deutlich unterrepräsentiert sind. Damit nimmt Sachsen-Anhalt keine Sonderrolle ein. Vielmehr gilt dieser Befund differenziert für alle Bundesländer.

Je höher die Qualifikations- bzw. Karrierestufe, umso höher ist das Exklusionsrisiko für Wissenschaftlerinnen. So zeigen die Daten, dass an unseren Hochschulen im Wintersemester 2010/2011 rund 50 % der Studierenden weiblich waren, bei den Absolventen im Prüfungsjahr 2010 die Frauenquote sogar bei 58 % lag. Frau Dalbert ist schon auf die Zahlen eingegangen.

Eine Promotion legten Frauen jedoch nur zu 44 % ab. In den Reihen der Professorenschaft finden sich beispielsweise an der Martin-Luther-Universität lediglich 19 % Frauen auf den W2-Stellen und lediglich 11% auf den W3-Professuren. An der Otto-von-Guericke-Universität sehen die Zahlen ein bisschen besser aus, aber auch 22 % Frauen auf W2-Stellen und 4 % Frauen auf W3-Stellen schaffen noch keinen Grund, um in Jubel auszubrechen.

Grundsätzlich verdeutlichen diese Zahlen aber auch den beschriebenen Geschlechter-Gap. Das ist das Wesentliche.

Meine Damen und Herren! Dies sind einzelne Befunde, die aus dem sehr umfänglichen Datenmaterial der Großen Anfrage hervorgehen. Sie zeigen, dass es, auch wenn bereits einiges erreicht wurde, an der Zeit ist, Hochschulen und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen noch verbindlicher zur Frauenförderung zu verpflichten.

(Zustimmung bei der SPD)

Ein Mittel, um dies zu erreichen, ist die Bestimmung von Zielquoten, deren Nichterfüllung Konsequenzen bei der Mittelvergabe zur Folge haben muss. Diese Forderung ist aus der Wissenschaft selbst zu hören.

Meine Damen und Herren! Im Bericht des Wissenschaftsrates zur Evaluation der Offensive Chancen

gleichheit von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern - die Ministerin hat selbst über diesen Bericht informiert - kann man Folgendes nachlesen:

„Angesichts der anhaltenden Unterrepräsentanz von Wissenschaftlerinnen an Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen und der geringen Steigerungsraten empfiehlt der Wissenschaftsrat, flexible Zielquoten verbindlich und umgehend zu implementieren, um den Anteil von Frauen mit entsprechender fachlicher Qualifikation in wissenschaftlichen Führungspositionen an den Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen nachhaltig zu steigern.“

Um allen Quotengegnern den Wind aus den Segeln zu nehmen, möchte ich darauf hinweisen, dass flexible Zielquoten bedeuten, dass bei der Quotenbestimmung fachspezifische Besonderheiten berücksichtigt werden müssen. Darauf ist Frau Dalbert schon eingegangen. Bei einem Anteil von 20 % Studienanfängerinnen in den Ingenieurwissenschaften wird niemand die Forderung nach einer 50-prozentigen Professorinnenquote erheben.

Das Interessante bei den Ingenieurwissenschaften ist allerdings, dass Frauen, die dieses Studienfach wählen, meistens auch die Promotion schaffen und den Weg zur Professur anstreben. In den Geistes- und Sozialwissenschaften hingegen geht die Schere zwischen Hochschulabsolventinnen und Professorinnen weit auseinander. In diesen Wissenschaftszweigen gehen viele Frauen auf dem Weg zur Professur einfach verloren.

Der Wissenschaftsrat empfiehlt vielmehr ein gestuftes Verfahren nach dem Kaskadenmodell, das durch weitere Frauenförderungsmaßnahmen zu begleiten ist. Was heißt das? - Zum einen müssen die fachspezifischen Rahmenbedingungen genau analysiert werden. Wie viele Stellen stehen zur Besetzung an? Welche spezifischen Bedingungen beeinflussen die Teilhabe von Frauen in den einzelnen Fachgruppen und wie ist dies zu beeinflussen?

Letztendlich sollen dann im Sinne des Kaskadenmodells Zielquoten festgelegt werden, die als Bezugsgröße immer die Festlegung einer Quote am direkt darunter liegenden Qualifikationsniveau vorsehen. Fachspezifische Zielkorridore für die Steigerung des Frauenanteils in den hochqualifizierten und leitenden Funktionen der Hochschulen und Forschungseinrichtungen müssen dann festgelegt werden.

Für Sachsen-Anhalt sollten diese Überlegungen in den bereits laufenden Prozess der Frauenförderung integriert werden und in die Neuverhandlung der Zielvereinbarungen und der Vereinbarungen für die leistungsorientierte Mittelvergabe integriert

werden. Der Anteil von Frauen in Führungspositionen macht momentan bei der Verteilung der leistungsorientierten Mittelvergabe 5 % aus. Will man hier wirklich etwas erreichen, ist das meiner Meinung nach zu wenig.

(Zustimmung bei der SPD)

Wenn wir heute über Geschlechtergerechtigkeit diskutieren, dann müssen wir auch über die unterschiedlichen Arbeitsverhältnisse von Männern und Frauen sprechen. Das ist ein wesentlicher Grund dafür, dass nur wenige Frauen den Weg bis zu einer Professur durchhalten. Im Verlauf der wissenschaftlichen Qualifikation wird die Schere zwischen Männern und Frauen sehr schnell sichtbar und vergrößert sich mit der Höhe der jeweiligen Qualifikationsstufe.

Das liegt zum einen an den unplanbaren Karrierewegen, zum anderen meiner Meinung nach aber auch an den Auswirkungen des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes. Kurze Laufzeiten, kurze befristete Anstellungen an Hochschulen oder Forschungseinrichtungen machen es kaum möglich, in der Forschung zu bleiben und dies mit einer Familiengründung zu vereinbaren.

Die Familiengründung ist auch im Bereich der Wissenschaft immer ein Einschnitt auf dem Karriereweg. Dieser wird vornehmlich von Frauen getragen. Wir als Politik müssen dafür sorgen, dass das nicht so bleibt.

(Zustimmung bei der SPD)