Protocol of the Session on October 18, 2012

Nun sind Schulen nicht unbedingt und im Allgemeinen dafür bekannt, dass sie mit unterschiedlichen Lebenseinstellungen, unterschiedlichen Menschen tatsächlich differenziert und zugleich akzeptierend in der Gesamtheit umgehen. Dieses

Bild von Schule wird leider auch nicht durch die vorliegenden Antworten widerlegt bzw. relativiert.

Allein die Zahl der Fachkräfte, die an entsprechenden thematischen Bildungsangeboten in den letzten Schuljahren teilnahmen, spricht Bände. Es sind zwischen acht und zwölf Fachkräfte pro Schuljahr. Ich erspare es uns allen, diese Angabe in Relation zur Gesamtzahl der Lehrerinnen und Lehrern in Sachsen-Anhalt zu stellen.

Als geneigte Leserin der Antwort der Landesregierung ist man schon dankbar, dass der von der Fragestellerin gewünschten Differenzierung beim Fachpersonal, also zwischen Pädagoginnen und Pädagogen, Lehrerinnen und Lehrern, Hortnerinnen und Hortnern sowie Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen, nicht nachgekommen worden ist. Ein fataleres Bild kann auch diese Differenzierung wohl nicht mehr ergeben.

Wer nun glaubt, dass das Thema schwul-lesbische Lebensweisen Bestandteil der jeweiligen grundständigen Ausbildung sei, irrt leider ebenfalls. Insofern, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, müssen wir auch an dieser Stelle gemeinsam noch dicke Bretter bohren. Der Verweis auf das Schulgesetz ist zwar legitim, zeigt aber auch zugleich die Ratlosigkeit dieses Ministeriums.

Meine Damen und Herren! Die Wortgruppe „schwule Sau“ ist immer noch eine der am häufigsten verwendeten Schimpfwörter auf den Schulhöfen in Sachsen-Anhalt. Lehrerinnen und Lehrer wissen häufig immer noch nicht, wie sie adäquat damit umgehen.

Meine Damen und Herren! Es ist auch kein Geheimnis, dass der Erlass zur Sexualaufklärung, den schon Professor Dr. Olbertz als Kultusminister verändern wollte und dies als Wahlversprechen gab, bis zum heutigen Tag nicht verändert worden ist.

Insofern kann ich es nur begrüßen, dass sich die NGO einen Kopf darüber machen, wie und mit welchen Formen bei diesem Thema angesetzt werden kann. Das BBZ „lebensart“ geht beispielsweise im Rahmen des Projektes „Bildungsarbeit“ mit Fachleuten in Schulen und wirbt im Rahmen von Aufklärungsunterricht auf eine die Schülerinnen und Schüler ansprechende Art und Weise für Toleranz und Akzeptanz, allerdings nur dann, wenn es angefragt wird.

Einen hervorragenden und beispielhaften Ansatz zur ressortübergreifenden Arbeit an diesem Thema zeigt meines Erachtens der Berliner Aktionsplan gegen Homophobie und Transphobie auf. Im Übrigen wurde dieser Aktionsplan unter Mitwirkung der SPD initiiert.

Ich begrüße es ebenso wie Herr Borgwardt, dass zeitnah auch ein Landesaktionsplan in SachsenAnhalt realisiert wird in Kooperation mit der Lan

deszentrale für politische Bildung, mit der RosaLuxemburg-Stiftung und der Heinrich-Böll-Stiftung.

Meine Frage zur Mitwirkung der Konrad-AdenauerStiftung könnte ich auch an die SPD richten. Die Friedrich-Ebert-Stiftung hat leider auch ihre Teilnahme an diesem Projekt abgesagt mit der Begründung, dass zu tagesaktuellen Problemen keine Stellung bezogen wird. Das ist sehr schade.

Der schwul-lesbische Runde Tisch ist gerade intensiv mit der Ausarbeitung des Landesaktionsplans beschäftigt und ich bin sehr gespannt auf das Ergebnis. Ein erster Entwurf liegt druckfrisch vor.

Ein grundsätzliches Problem - das ist bereits angesprochen worden -, welches sich durch alle Antworten der Landesregierung zieht, ist die Datengrundlage in Sachsen-Anhalt, die sehr dünn ist. Ich sage ganz deutlich für meine Fraktion, dass wir eine generelle Datenerhebung in den verschiedenen Bereichen zur sexuellen Identität ablehnen. Denn hierbei handelt es sich um einen höchstpersönlichen Lebensbereich eines jeden Menschen.

Das soll auch so bleiben. Ich denke, das Bundesverfassungsgericht hat sich in seiner Rechtsprechung, beispielsweise zum Volkszählungsurteil, sehr deutlich positioniert. Ich habe die Kollegin Lüddemann von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auch nicht so verstanden, dass sie zukünftig andere Wege gehen will.

Alternativ zu einer solchen Datensammlung sind die Daten der NGO. Doch - auch das ist kein Geheimnis - gegenüber diesen Daten herrscht allzu oft ein grundsätzliches Misstrauen. Man hört nicht selten, dass die Zahlen weit nach oben aufgerundet seien, um entsprechende Finanzmittel zu erhalten bzw. um die eigene Existenz zu rechtfertigen.

Was bleibt letztendlich übrig? - Studien, die jedoch Geld kosten. Momentan müssen vor allem Sie, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der Koalition, diese Abwägung treffen.

Langfristig halte ich den folgenden Mittelweg für denkbar: Vertrauen in die Verbände, aber in bestimmten Bereichen eben auch das Erstellen von Studien, die einen größeren Überblick und eine entsprechende Analyse geben können. Daten sind wichtig, um politische Entscheidungen treffen zu können, sei es im Bereich der Gewaltprävention, der Arbeitsmarktpolitik, der Bildungspolitik, der Gesundheitspolitik und letztlich auch im Bereich der Budgethoheit, also der Finanzpolitik.

Zusammenfassend bleiben auch nach der Antwort der Landesregierung Forderungen nicht nur der Fraktion DIE LINKE offen, nämlich die nach der Änderung von Artikel 7 Abs. 3 der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt. Das betrifft das Verbot der Diskriminierung wegen der sexuellen Identität.

Frau Lüddemann hat hierzu bereits ausgeführt. Wir haben gemeinsam in der letzten Landtagssitzung einen Beschluss zur Rehabilitation und Entschädigung der nach den §§ 175 und 175a des Strafgesetzbuches sowie nach den §§ 175 und 175a oder nach § 151 des Strafgesetzbuches der DDR verurteilten Menschen gefasst. Das ist auch gut so.

Nach wie vor besteht unsere Forderung nach der Gleichstellung der Lebenspartnerinnen und Lebenspartner auch im Adoptionsrecht. Wir wissen, dass es sich hierbei um eine bundesrechtliche Regelung handelt.

Wir in Sachsen-Anhalt können uns auf jeden Fall für eine finanzielle Sicherheit der Verbände stark machen. Wir stärken damit die Verbände und stärken somit auch die Arbeit für die individuellen Rechte der Betroffenen. Wir brauchen angemessene und verlässliche Finanzierungen. Ich nenne das Stichwort mehrjährige Verträge sowohl durch das Land als auch durch die Kommunen. In diesem Bereich ist es ganz besonders wichtig, dafür Sorge zu tragen - damit sind wir bei dem Tagesordnungspunkt von heute Vormittag -, dass es zu keiner prekären Entlohnung kommt.

Im Rahmen der Debatte um die Zukunft der Beratungsstellen müssen wir diese Forderungen zwingend berücksichtigen. Wir dürfen uns nicht allein auf das Ehrenamt verlassen, das sicher hoch motiviert und sehr engagiert Beratungen anbietet. Dieses Ehrenamt benötigt jedoch auch ein verlässliches Hauptamt, welches unter anderem Sorge dafür trägt, dass man dem hohen Anspruch an die Fachlichkeit gerecht wird, welches aber auch die wichtige gesellschaftliche Lobbyarbeit organisieren kann.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren! DIE LINKE stellte schon in der vergangenen Wahlperiode in den Jahren 2006 und 2009 entsprechende Anträge, um all diese Vorhaben zu realisieren. Eine Mehrheit fanden diese Anträge in diesem Hause leider nicht. Immerhin hat sich unter Innenminister Hövelmann die Gleichstellung bei den Versorgungs- und Beihilfeleistungen für Beamte und Richter verbessert. Es ist also nicht so, dass nichts passiert ist.

Ich möchte diesem benannten Stimmverhalten der damals auch schon aus SPD und CDU bestehenden Koalition ein Zitat des spanischen Ministerpräsidenten Zapatero aus dem Jahr 2005 entgegenhalten, der im Rahmen der Debatte der Öffnung der Ehe im spanischen Parlament feststellte, dass wir von zwei Kräften getrieben sind, die aus meiner Sicht auch in Deutschland gelten, nämlich Freiheit und Gleichheit. Zapatero sagte Folgendes:

„Wir … verbessern die Chancen, glücklich zu werden, für unsere Nachbarn, unsere Kollegen und Kolleginnen, Freundinnen und

Freunde, Verwandten, und gleichzeitig bauen wir eine anständigere Gesellschaft. Denn eine anständigere Gesellschaft ist eine, die ihre Mitglieder nicht beschämt. Dieses Recht wird keinen Schaden anrichten; denn es wird nur zur Folge haben, unnützes Leiden von Menschen zu verhindern. Mit Ihrer Zustimmung macht unser Land einen weiteren Schritt der Freiheit und Toleranz, der mit dem Übergang zur Demokratie begann.“

Dieses Zitat ist meines Erachtens uneingeschränkt auch auf Deutschland und auf Sachsen-Anhalt übertragbar. Haben Sie somit mehr Mut zur Toleranz und mehr Mut zur Normalität.

Insofern kann ich der Landesregierung nur Recht geben, wenn sie in der vorliegenden Antwort auf die Große Anfrage der GRÜNEN Folgendes formuliert: „Unterschiedliche sexuelle Orientierungen und Lebensentwürfe sollten in einer Gesellschaft nicht nur toleriert werden, sondern zur Normalität gehören“.

Lassen Sie mich zum Ende meiner Rede noch auf ein Erlebnis der sogenannten dritten Art im öffentlich-rechtlichen Fernsehen im Sommer dieses Jahres hinweisen, das einmal mehr zeigt, dass wir eben noch lange nicht so weit sind, wie manche von uns gern glauben möchten. Es gab eine Diskussion im Zweiten Deutschen Fernsehen zur Gleichstellung im Adoptionsrecht. Hierzu erklärte eine im Studio als Gesprächspartnerin der Runde anwesende Frau, dass mit dem besonderen Schutz der Ehe und dem Adoptionsverbot für homosexuelle Paare der Staat im Grunde nur das Natürliche, dass Mann und Frau die Kinder zusammen zeugen, aufziehen, pflegen und erziehen, bestätige. Sie fügte hinzu, das sei das Natürliche und das werde zurzeit - sie wolle hoffen, dass das auch so bleibt - von unserem Grundgesetz geschützt. Der Zweck der Ehe sei es, so die Frau weiter, Kinder zu kriegen.

Meine Damen und Herren! Es geht mir an dieser Stelle ganz bestimmt nicht darum, die Meinungsfreiheit zu beschränken. Denn wenn solche Gedanken gedacht werden und zur inneren Überzeugung eines Menschen gehören, müssen sie auch öffentlich ausgesprochen werden können. Man muss sie aber nicht teilen.

Nein, es geht mir darum, dass die von der Landesregierung in der Antwort aus meiner Sicht ganz berechtigt und auch gut formulierte Normalität eben nicht das ist, was alle Menschen in unserer Gesellschaft auch tatsächlich mittragen. Bestimmte Lebensformen und Lebensweisen werden eben nach wie vor in den Köpfen von Menschen als abnorm angesehen. Daran müssen wir vereint arbeiten und wir müssen vereint für diese Normalität werben. - Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung bei den GRÜNEN)

Herr Präsident, entschuldigen Sie bitte, ich habe die Redezeit überzogen.

Vielen Dank, Frau von Angern, das Eingeständnis eingeschlossen. - Ich rufe nun Frau Hampel von der Fraktion der SPD auf.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich bin der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dankbar für ihre Große Anfrage. Denn die Beantwortung gibt uns die Gelegenheit, über die Lebenswirklichkeit von lesbischen, schwulen, bisexuellen, transgender und intersexuellen Menschen in unserem Bundesland und darüber hinaus zu reden.

Über die Gleichstellung von Frauen und Männern und die Gleichstellung eingetragener Lebenspartnerschaften wird zu Recht viel diskutiert, aber leider von der Politik noch zu zögerlich reagiert.

(Zustimmung von Herrn Lange, DIE LINKE, und von Herrn Herbst, GRÜNE)

Es sei mir ein kurzer Blick in unsere Bundeshauptstadt erlaubt. Die Berliner Koalition setzt leider - das meinte ich mit zögerlicher politischer Aktion - die bisher vom Bundesverfassungsgericht erlassenen Entscheidungen zur Ungleichbehandlung von Ehe und Lebenspartnerschaft nicht um.

Diese Ungleichbehandlung ist mittlerweile als verfassungswidrig beanstandet worden. Es fehlt aber an den entsprechenden gesetzlichen Vorgaben. Es wird Aufgabe der neuen Bundesregierung sein, Nägel mit Köpfen zu machen. Wir schätzen, dass die jetzt noch laufenden Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht im nächsten Jahr abgeschlossen sein werden. Dann wird es allerhöchste Zeit, die entsprechenden Gesetze auf den Weg zu bringen.

Das bisherige Eheversprechen, das davon ausging, dass eine Ehe nur zwischen Mann und Frau eingegangen werden könne, hat das Bundesverfassungsgericht mittlerweile selbst hinterfragt. Das macht ein Urteil aus dem Jahr 2008 zum Transsexuellengesetz sehr deutlich. Darin heißt es nämlich, dass es für ein Ehepaar nicht zumutbar sei, sich scheiden lassen zu müssen, wenn sich ein Partner im Verlauf der Ehe einer geschlechtsangleichenden Operation unterzieht und die Anerkennung seiner geschlechtlichen Identität beantragt.

Mit dieser sehr deutlichen Ausweitung des Ehebegriffs gab das Bundesverfassungsgericht erstmalig die Geschlechtsverschiedenheit als notwendige Voraussetzung für die Ehe auf. Das sollten auch wir zur Kenntnis nehmen.

An dieser Stelle möchte ich kurz die wesentlichen Punkte der derzeit bestehenden Ungleichbehandlung benennen.

(Unruhe)

Frau Hampel, ich würde Ihnen gern ein wenig mehr Ruhe verschaffen.

(Beifall bei der SPD)

Das ist nett.

Der Geräusch-Tsunami nimmt wieder zu. - Jetzt haben Sie wieder das Wort.

Als fast letzte Rednerin in der Debatte ist es schwierig, die Zuhörer mit schlagkräftigen Argumenten zum Zuhören zu bewegen.

(Herr Herbst, GRÜNE: Nein, das können Sie!)