Wir würden auch sehr gerne weitergehen. Ich muss auch sagen, bei uns hält sich auch die Begriffsverwirrung sehr in Grenzen. Wir wissen genau, was wir wollen. Insofern sagen wir, die Thüringer Mindestlohninitiative ist ein solcher Schritt. Es steht Sachsen-Anhalt gut zu Gesicht, wenn die Landesregierung, aber auch der Landtag sie unter
Man muss auch ganz ehrlich sagen, dass die Thüringer Mindestlohninitiative einer großen Koalition eine Vorreiterrolle dahin gehend einnimmt, dass sie so weit gediehen ist, dass sie in den Bundesrat eingebracht wird. Ich muss Ihnen von der LINKEN auch neidlos zugestehen, dass Sie mit Ihrem Antrag die Debatte in der hiesigen Koalition sehr beschleunigt haben.
- Das ist so. Ja, das ist so. Was soll es? Wenn es so ist, ist es so. Es nützt nichts, dies zu negieren. Es ist so.
Wenn man auf Sachsen-Anhalts Autobahnen in das Land fährt, dann stehen dort immer so nette Schilder: „Willkommen im Land der Frühaufsteher“. Wenn man sich diesen Spruch einmal auf der Zunge zergehen lässt, heißt das nicht nur, wir stehen früher auf, sondern das ist Ausdruck auch des Umstandes, dass viele Sachsen-Anhalter und Sachsen-Anhalterinnen, weil sie arbeiten wollen, weil sie fleißig sind und weil sie einer geregelten Arbeit nachgehen wollen, es auf sich nehmen, dass sie früher aufstehen und fahren. Es ist schlecht, dass sie aus dem Land hinausfahren müssen, aber es ist gut, dass dafür steht, wir wollen arbeiten.
Das andere Versprechen, das es allerdings seit Jahrzehnten in der Bundesrepublik gab, dass man, wenn man fleißig und vernünftig arbeitet und sich anstrengt, auch einen existenzsichernden Lohn bekommt, wird inzwischen allerdings nicht mehr in allen Bereichen erfüllt. Es gibt ganz viele, die arbeiten und trotzdem zum Amt gehen müssen. Für mich ist ganz klar, das ist eine strukturelle Demütigung von Menschen. Da müssen wir ein Stoppzeichen setzen.
Das korrespondiert auch mit anderen Themen. Wie sollen Menschen stolz sein auf ihr Land, auf die Demokratie, auf das, was sie erreichen, wenn sie nach Hause kommen und noch nicht einmal sagen können, ich oder wir - das gilt zum Teil auch für Doppelverdienerhaushalte, je nachdem, in wel
chen Beschäftigungsverhältnissen sie sind - bezahle mit dem Geld, das ich verdiene, meine Wohnung, meinen Lebensunterhalt, kann mir ein bisschen was leisten, und wenn ich mehr arbeite, wenn ich fleißiger bin, dann kann ich mir auch mehr leisten. Stattdessen heißt es für viele, dann bekomme ich nur etwas weniger vom Amt dazugeschossen.
Das kann die Situation nicht sein, die wir wollen. Wir müssen das wieder verändern. Man muss sich wirklich fragen, wo der Stolz auf das Land, auf die Demokratie herkommen soll. Wie sollen diese Menschen auch aus voller Überzeugung hierbei mitgestalten?
Ich finde, es gehört auch ein bisschen die Lebensgrundlage dazu, bei der wir mithelfen müssen, sie zu gestalten. Dabei ist der Mindestlohn eben ein Punkt. Deshalb müssen wir das Versprechen einlösen, dass wir am Arbeitsmarkt wieder Ordnung herstellen. Da ist in einigen Bereichen richtig Unordnung. Wir müssen sichern, dass es keine Dumpinglöhne mehr gibt und dass es existenzsichernde Mindestlöhne gibt.
Wenn man sich den gesellschaftlichen und politischen Diskussionsstand einmal vor Augen führt, gibt es drei Dinge, die man ganz klar sagen kann:
Erstens. Es gibt eine gesellschaftliche Mehrheit für Mindestlöhne. So ist das. Über 80 % der Bürgerinnen und Bürger wollen das. Die Zustimmung ist sehr stabil, quer durch alle politischen Lager, quer durch die Anhänger aller Parteien. Das nennt man dann einen breiten politischen Grundkonsens in der Bevölkerung. Das sollten wir nicht vergessen.
Zweitens. Der Grundkonsens besteht auch, hat der Ministerpräsident gesagt, im politischen Raum. Die SPD fordert seit langem Mindestlöhne, die GRÜNEN, die LINKEN ebenso. Bei der CDU gibt es mittlerweile auch eine relative klare Beschlusslage auf Bundesebene.
Drittens - das ist jetzt so ein bisschen der wunde Punkt -: Von allen im Bundestag vertretenen Parteien blockiert nur noch die FDP eine vernünftige Lösung. Dazu muss man sagen, das ist schon ein bisschen skandalös. Darf eine solche 3%-Partei das verhindern, was 86 % der Bevölkerung wollen?
Fazit: Es lohnt sich ein breiter Konsens im Landtag. Ich werbe um Zustimmung für den Alternativantrag.
Ich kann die LINKEN verstehen, dass sie lieber ihren eigenen Antrag kurz und knapp angenommen sehen möchte. Möglicherweise reicht auch - da bin ich mir nach der Rede von Herrn Gallert nicht mehr so ganz sicher - das Wissen über eine Katalysatorenfunktion, die der Antrag hatte. In jedem Fall möchte ich eines ganz deutlich für meine Fraktion sagen: Für uns steht fest, die Deutungshoheit über den Antrag ist begrenzt.
Danke, Frau Kollegin Budde. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht Frau Fraktionsvorsitzende Professor Dr. Dalbert.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In Anbetracht der Lohnstruktur bei uns im Land ist ein Mindestlohn mehr als geboten. Einige Zahlen dazu: Der DGB teilt uns mit, dass im Moment mehr als 30 Tarifverträge Bruttostundenlöhne von weniger als 7,50 € vorsehen, und jeder zehnte sozialversicherungspflichtige Beschäftigte erhält Arbeitslosengeld II zusätzlich zu seinem Lohn.
Sie alle wissen, dass diese Lohnstruktur hier bei uns im Land dazu führt, dass wir die niedrigste Kaufkraft pro Einwohner im Bundesgebiet haben. Würden wir einen Mindestlohn von 8,50 € einführen, hätte jeder fünfte Beschäftigte Anspruch auf eine Lohnerhöhung. Die Zahl der Beschäftigten im Niedriglohnsektor wuchs in den letzten Jahren um mehr als eine Million Menschen.
Deswegen sagen wir, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, ein gesetzlicher Mindestlohn ist längst überfällig und gerade auch für Sachsen-Anhalt dringend geboten.
Meine Fraktion begrüßt daher nachdrücklich die Bundesratsinitiative des Landes Thüringen zur Einführung eben eines solchen Mindestlohnes, der die Existenz sichert und den Menschen gesellschaftliche und soziokulturelle Teilhabe ermöglicht. Die Bestimmung eines solchen Mindestlohnes durch eine unabhängige Mindestlohnkommission ist daher ein wichtiger und ein längst überfälliger Schritt.
Natürlich können wir darüber debattieren, welche Möglichkeiten es gibt, die Thüringer Initiative - jetzt greife ich einmal ein Verb des Alternativantrages auf - weiterzuentwickeln - schönes Wort.
Da fällt mir als Erstes die Frage einer verbindlichen Lohnuntergrenze auf. Natürlich gibt es Sorgen. Es muss vermieden werden, dass eine solche Mindestlohnkommission am Ende im schlimmsten denkbaren Fall Lohndumping legitimiert.
Die Politik sollte hier ganz klare Erwartungen formulieren, was denn ein Mindestlohn ist. Unseres Erachtens liegt ein solcher Mindestlohn bei 8,50 €. Darunter wird es nicht gehen. Sie wissen, dass wir mit dieser Einschätzung nicht allein stehen.
Im einfachsten Fall schreibt man so eine Untergrenze in das Gesetz. Dann herrscht für alle Klarheit, alle Irrtümer sind ausgeschlossen. Oder - das ist sozusagen der implizite Vorschlag der Thüringer Initiative - man verlässt sich auf die Verhandlungsmacht der Gewerkschaften. Das ist die Frage, vertraut man auf die Verhandlungsmacht der Gewerkschaften. Um diese Initiative zu unterstützen, sind wir bereit, darauf zu vertrauen.
Dann kann man, wenn man das weiterentwickeln will, über den Charakter der Mindestlohnkommission reden. So wie die Kommission im Moment im Gesetzentwurf angelegt ist, ist sie ein Abbild gängiger Tarifverhandlungen, also: Arbeitnehmer und Arbeitgeber sitzen sich gegenüber und verhandeln über einen Mindestlohn.
Schauen wir nach Großbritannien, könnten wir uns auch eine andere Form einer Mindestlohnkommission vorstellen. In Großbritannien haben wir eine Low-Pay-Commission. Diese besteht aus drei Vertretern der Gewerkschaft, drei Vertretern der Wirtschaft und drei Vertretern der Wissenschaft, weil diese Low-Pay-Commission eben nicht nur die Höhe des Mindestlohnes festlegt, sondern jährlich über die Wirkungen des Mindestlohnes, die Wirkungen auf die Gesamtwirtschaft und die Wirkungen auf den Niedriglohnsektor berichtet.
Wenn man eine solche Debatte führen will, dann braucht man die Beteiligung der Wissenschaft. Denn dann braucht man empirische Daten über die Preisentwicklung, man braucht wissenschaftliche Beiträge, etwa zur Beschreibung dessen, was genau eine angemessene Teilhabe eigentlich ist. Wir halten eine solche Fundierung der Mindestlohndebatte für überaus sinnvoll.
Etwas, das wir allerdings nicht brauchen, ist der Alternativantrag der Regierungskoalition; denn dessen Sinn erschließt sich beim Lesen nicht. Wenn man ihn liest, fragt man sich, was das soll.
Der Thüringer Gesetzesvorschlag sieht eine verbindliche Übergangsregelung vor, nämlich genau ein Jahr nach der Festlegung des Mindestlohnes. Wenn also die Kommission gearbeitet hat, dann
haben wir noch immer eine Übergangsfrist von einem Jahr. Ich denke, wir brauchen hierbei wirklich keine weiteren Verzögerungen.