Protocol of the Session on July 13, 2012

(Beifall bei allen Fraktionen)

Vielen Dank, Herr Kollege Gebhardt. - Wir können weitere Gäste begrüßen, nämlich Schülerinnen und Schüler der Ganztagsschule Sekundarschule Wanzleben. Willkommen im Haus!

(Beifall im ganzen Hause)

Es ist eine Fünfminutendebatte vereinbart worden. Es spricht für die Landesregierung Ministerin Frau Professor Dr. Wolff.

Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Einigkeit zwischen allen Fraktionen gehört in einer parlamentarischen Demokratie wahrlich nicht zum politischen Alltag. Das hat Herr Gebhardt bereits betont. Die Einigkeit in diesem Fall zeigt, dass die neuen Tarife der Gema Menschen in sehr vielen Bereichen tangieren, und dass die Folgen, die wir alle befürchten, tiefgreifend sein könnten.

Wie sehr die Gema-Gebühr die Menschen betrifft, zeigt unter anderem die Petition an den Bundestag mit dem Titel „Gegen die Tarifreform 2013 - Gema verliert Augenmaß“. Gestartet wurde diese Petition von einer Eventagentur im Harz in Absprache mit der Bundesvereinigung der Musikveranstalter e. V. Nachdem sich bislang mehr als 220 000 Unterstützer eingetragen haben und damit die Grenze von 50 000 Unterstützern um ein Mehrfaches überschritten wird, muss sich nach Fristablauf im September 2012 der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages mit der Angelegenheit beschäftigen. Auch in anderen Kreisen und auf anderen Ebenen hat sich heftiger Widerspruch artikuliert.

Ein Interessenausgleich ist kompliziert, und es fällt uns allen schwer, spontan einen konkreten Vorschlag für einen solchen Ausgleich zu unterbreiten; denn das Interesse der Künstler, von den Nutzungsgebühren ihrer Werke zu leben, trägt ebenso

wie die Interessen der Diskothekenbesitzer oder der ehrenamtlich Tätigen und der Vereine. So berechtigt die Positionen sind, so schwer scheinen sie auszugleichen zu sein.

Gleichwohl wird die Landesregierung gern alles unternehmen, was in ihrer Zuständigkeit liegt, um auf die Beteiligten einzuwirken und einen sinnvollen Kompromiss zu unterstützen.

Ein solcher Kompromiss kann in dem Schiedsstellenverfahren gefunden werden, das die Gema bei der Schiedsstelle beim Deutschen Patent- und Markenamt initiiert hat. Die Gema strebt damit eine baldige Einigung mit der Bundesvereinigung der Musikveranstalter durch ein geordnetes Verfahren an. Auch eine gütliche Einigung zwischen den Beteiligten direkt ist noch möglich. Die Gema ist bereit, die Gespräche mit den Veranstalterorganisationen fortzusetzen. Sie hat die Beteiligten zu einem öffentlichen runden Tisch eingeladen, um eine Lösung zu finden.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Gema hat gewissermaßen einen Torschuss aus weiter Distanz versucht; er wird aber wohl, wenn überhaupt, nicht ungebremst am Tor ankommen. Der Torwart hat also eine faire Chance und das ist auch gut so. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der LINKEN und bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Ministerin Wolff. - In der Debatte spricht für die Fraktion der CDU der Abgeordnete Herr Kurze.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die so genannte Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte - den meisten vermutlich besser unter den Namen Gema bekannt - hat am 2. April 2012 die Eckpunkte ihrer Tarifreform 2013 vorgestellt. War sie anfangs eher verhalten, so hat die Kritik an der Reform in der Zwischenzeit zugelegt. Für die Politik ist es an der Zeit, aus der Sicht der Landtage ein deutliches Stoppsignal an die Gema zu senden.

Ich bin den Kollegen Gebhardt, Herbst und Mormann dankbar, dass es uns gelungen ist, einen gemeinsamen interfraktionellen Antrag zu formulieren.

Das geistige Eigentum ist ein hohes Gut. Der Urheber einer geistigen Leistung, sei es in der Wissenschaft, in der Musikindustrie oder in der Kunst, muss bei Inanspruchnahme seiner Leistung durch Dritte einen Anspruch auf eine Gegenleistung und einen Einwilligungsvorbehalt haben. Geistiges Eigentum wirksam zu schützen, auch unter den Be

dingungen des Internets, ist eine Aufgabe der Politik; denn eine technisch problemlose und kostenfreie Beschaffungsmöglichkeit kann und darf nicht gleichbedeutend damit sein, jahrhundertealte Rechtsstaatsprinzipien über Bord zu werfen.

Wirksamer Schutz des geistigen Eigentums heißt aber nicht, dass die Gema die Bedingungen allein diktieren kann.

Es geht - darin sind wir uns fraktionsübergreifend einig - um einen sinnvollen Interessenausgleich zwischen den Kultur- und Inhalteschaffenden auf der einen Seite und den Verwertern, also den Klubbetreibern, den Musikveranstaltern, den Inhabern von Musikkneipen, den Verbänden und Vereinen, auf der anderen Seite.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die CDU-Fraktion unterstützt jeden Versuch, die Tarifstruktur der Gema grundsätzlich einfacher und transparenter zu gestalten. Dies bedeutet aber nicht, einseitige Mehrbelastungen für einige wenige zu schaffen. Gerade diese Befürchtung besteht angesichts der bisher vorliegenden Eckpunkte.

Ich möchte nicht alle Berechnungsbeispiele vortragen; diese sind bekannt und jedem zugänglich. Ein Beispiel möchte ich jedoch herausgreifen, um das Problem bildlich darzustellen. Für eine mittelgroße Diskothek mit zwei Tanzflächen von 310 m² und 410 m², mit durchschnittlich zehn Veranstaltungen pro Monat und einem Eintrittsgeld in Höhe von 8 € würde sich inklusive aller Berechnungszuschläge eine Steigerung um 686 % ergeben. Das würde bedeuten, die heutigen Gebühren in Höhe von rund 21 000 € netto erhöhen sich auf rund 148 000 € netto. Das muss man sich einmal vorstellen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Genau deshalb muss die Gema-Tarifstruktur im Rahmen des Schiedsverfahrens im Deutschen Patent- und Markenamt auf ihre Auswirkungen untersucht und nach berechtigten Interessen ausreichend gewichtet werden.

Die wirtschaftliche Betätigung von Musikveranstaltern darf nicht in unverhältnismäßiger Weise beeinträchtigt werden. Das Zehn-Prozent-Kriterium ist freilich gerichtlich gedeckt, aber bei den Zeitzuschlägen muss es noch Verhandlungsspielräume geben.

Die Folgen der Gema-Tarifreform für die gewerbliche Wirtschaft in Sachsen-Anhalt sind das eine. Darüber hinaus befürchten aber auch zahlreiche ehrenamtlich Aktive Kostensteigerungen. In Sachsen-Anhalt gibt es ein lebendiges bürgerschaftliches Engagement. Es gibt Volks- und Straßenfeste. Die finanziellen Rahmenbedingungen für ehrenamtlich Tätige und Vereine sind deshalb auch zu berücksichtigen. Geltende Rabattsysteme und Freistellungsregelungen müssen im gemeinnützigen Interesse weiter aufrechterhalten werden.

Man muss ernsthaft über das Modell eines Brauchtumsrabatts nachdenken.

(Beifall bei der CDU -Zustimmung bei der LINKEN und bei der SPD)

Es kann doch nicht sein, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass Erzieher aus dem Kindergarten mit ihrem Kinderchor im Seniorenheim nicht mehr auftreten, weil das Protokollieren der Notenblätter und Liedtexte zu einem bürokratischen Spießrutenlauf ausartet.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der LINKEN und bei der SPD)

Insofern denke ich, dass ein Beschluss des Landtages ein klares Signal an die Schiedsstelle ist, denn sie ist die einzige Institution, die im Zuge der Gema-Tarifreform noch für Anpassungen im Interesse aller Betroffenen sorgen kann. Deshalb freue ich mich, dass wir diesen Antrag gemeinsam, wahrscheinlich einstimmig, verabschieden werden. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und bei der LINKEN)

Danke schön, Herr Abgeordneter Kurze. - Mir wurde signalisiert, dass Herr Gebhardt auf einen weiteren Beitrag verzichtet. Danke schön. - Als Nächster in der Debatte spricht für die SPD Herr Abgeordneter Mormann.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich würde meinen heutigen Redebeitrag überschreiben mit „Geschichten aus Absurdistan“ oder „Die Geschichte von einem, der auszog, vor der Gema das Fürchten zu lernen“, wenn es nicht so ernst wäre. Es ist ernst, sozusagen fünf vor zwölf, genau so, wie es rund 700 deutsche Diskotheken vor knapp zwei Wochen mit ihrer Protestaktion, fünf Minuten die Musik auszuschalten, uns allen vor Augen oder besser: vor Ohren geführt haben.

Was haben wir nicht seit Jahren gesamtgesellschaftlich über Monopole diskutiert? Im Mineralöl-, sprich Benzinbereich, im Energiesektor - alles Themen, die dem Bürger oft genug die Grenzen seiner Selbstbestimmung aufzeigen. Jedoch kann er hier vieles nutzen, um gegenzusteuern. Er kann Sprit sparen, er kann sich Photovoltaik auf sein Dach montieren etc.

Wie aber kann er sich gegen das Alleinmonopol des wahrlich letzten Dinosauriers wehren, der ungezügelt mit Tariferhöhungen bis 2 000 % in Deutschland Beute macht? - Laut „Tagesthemen“ vom 3. Juli hat die Gema 2011 825 Millionen € eingenommen, 702 Millionen € davon hat sie an ihre 64 000 Mitglieder ausgeschüttet.

Es bleibt unbestritten, dass die Urheber für ihre Rechte eine angemessene Vergütung bekommen müssen. Sie leben unter anderem davon. Was aber ist angemessen und wie viele sind eigentlich nur Rechteinhaber durch Erbschaft oder Verlage, Platten-Labels etc.? Wie viele Künstler müssen heute, wenn sie ihr eigenes Lied singen, dafür bereits an die Gema zahlen, weil sie am Beginn ihrer Karriere gar keine andere Chance hatten, als von vornherein die Rechte an ihrem Werk anderen zu verkaufen?

Wenn dann die Gema im Jahr 2011 123 Millionen € allein für ihren Apparat einbehält, dann scheint mir dies die Lizenz zum Gelddrucken.

Wenn Kinder kostenfrei im Seniorenheim singen und dafür Gema-Gebühren fällig werden, wenn in unseren Kitas Weihnachtslieder gebührenpflichtig werden, wenn durch die völlig ungebremste Explosion der Tarife ab 2012 und erst recht ab dem 1. Januar 2013 jedes Heimat-, Brauchtums-, Dorf-, Stadt- oder Traditionsfest infrage steht, wenn die Ehrenamtlichen mit ihrem kulturellen und sozialen Engagement sogar eintrittsfreie gemeinnützige Veranstaltungen Gema-bedingt finanziell kollabieren sehen, dann verändert sich unser Land.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD - Zuruf von der CDU: Jawohl!)

Wenn ich lese, dass Veranstaltungen von Gehörlosen „immerhin“ einen Rabatt von einem Drittel bekommen können, dann fällt mir einen Moment lang gar nichts mehr ein.

Man stelle sich den Schaden für den Wirtschaftsstandort Deutschland vor. Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband kämpft seit Ende letzten Jahres gegen diese Tariferhöhungen. Der Widerstand der Getränkeindustrie, der Schaustellerverbände formiert sich. Der Untergang der Diskotheken und Musikkneipen wird diskutiert. Die kulturelle Vielfalt unseres Landes ist bedroht. Das Beispiel, das Herr Kurze eben gebracht hat, ist deutlich genug.

Ich kann Ihnen gern noch ein anderes Fallbeispiel über eine Galanacht bringen: Eine große Tanzschule veranstaltet traditionsgemäß einmal im Jahr eine große Galanacht mit verschiedenen Paartänzen und Shows. Diese finden in einem großen Haus in mehreren thematischen Sälen statt. Es gibt Flanierkarten und Karten mit Sitzplatz. Die teuerste Karte kostet mit Dinner und Sitzplatz 49 €. Da auch ein Galadinner serviert wird und ein ausgiebiges Showprogramm stattfindet, beginnt die Veranstaltung bereits um 19.30 Uhr und endet um 4.30 Uhr. Der große Hauptsaal hat 1 000 m², eine zweite Fläche 300 m², eine dritte 230 m² sowie das Foyer mit 500 m². Wir haben in Magdeburg Hotels, die erfüllen diese Prämissen und die Veranstaltungen finden auch so statt.

In der Summe kommen somit 2 030 m² zusammen. Auf allen Flächen wird von DJs Musik aufgespielt. Diese nutzen dazu Laptops mit zum Teil nicht originalen MP3-Dateien. Nach dem Tarif M-U 2012 ergibt sich eine Gema-Gebühr in Höhe von 2 221 €. Nach dem Tarif M-V 2013 ergibt sich eine Gema-Gebühr in Höhe von 20 580 €. Das entspricht einer Steigerung der Gema-Gebühr um 826,4 %.

Wenn beim Magdeburger Stadtfest vor dem Rathaus eine Bühne steht und im Breiten Weg vor dem Hundertwasserhaus die erste Verkaufsbude, dann beginnt die Berechnung der Veranstaltungsfläche bereits vor dem Hundertwasserhaus. Wenn in einem kleinen Dorf auf dem Dorfplatz das Fest stattfindet, werden zur Berechnung auch die Parkflächen auf den Stoppeläckern um das Dorf herum hinzugerechnet.

Und nicht zuletzt: Sachsen-Anhalt hat 190 Mitgliedsvereine im Karneval-Landesverband mit 16 000 Mitgliedern. Kommt keine Änderung, werden die Gema-Gebühren für ca. 1 000 Karnevalsveranstaltungen um bis zu 300 % steigen. Wie viele Veranstaltungen oder gar Vereine deshalb sterben, bleibt abzuwarten.

Das Fazit: Kein Bauer schneidet seiner besten Milchkuh das Euter ab, um mehr zu melken.

Ich freue mich, dass dieser Antrag die Zustimmung aller findet. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und bei der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Mormann. - Als Nächster spricht in der Debatte der Abgeordnete Herr Herbst.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ob live oder aus Lautsprechern, einen Musikbereich hat jede Veranstaltung und sie lässt die Kassen der Gema klingeln. Das ist prinzipiell okay und das steht auch nicht zur Disposition, weder die musikalische Bereicherung von Veranstaltungen, noch dass die Gema gemäß ihrem Vereinszweck die Interessen der Kulturschaffenden vertritt.

Aber die leider politisch gewollte - das muss man so sagen - Monopolstellung der Gema verpflichtet den Verein dann aber auch dazu, ihre Stellung nicht zu missbrauchen und ihre eigene Legitimation nicht zu untergraben.

Wenn beispielsweise das Fest eines gemeinnützigen Vereins mit immerhin 15 € Eintritt zukünftig mit einer rein kommerziellen Veranstaltung gleichgesetzt wird und aus bisher 420 € dann 1 800 €