Wenn beispielsweise das Fest eines gemeinnützigen Vereins mit immerhin 15 € Eintritt zukünftig mit einer rein kommerziellen Veranstaltung gleichgesetzt wird und aus bisher 420 € dann 1 800 €
Gema-Gebühren werden, dann bedroht das das Ehrenamt in unserem Land, von der Meile der Demokratie in Magdeburg bis hin zur Karnevalsveranstaltung, und das geht nicht in Ordnung.
Die Gema ist eine privatrechtliche Organisation. Ihre Tarife werden von den beteiligten Verbänden in einem festgelegten Verfahren festgesetzt. Wie bereits erwähnt, gibt es jetzt ein Schiedsstellenverfahren. Anschließend steht dann allen Beteiligten der Rechtsweg offen. Da gerichtliche Verfahren bis zu fünf Jahre andauern können, wäre das für manche Musikveranstalter existenzgefährdend. Das können sie nicht abwarten.
Ein Vorhaben in dieser Dimension sollte doch vor seiner Umsetzung geprüft werden und mit allen Verhandlungspartnern kooperativ verhandelt werden. Es ist bedauerlich, dass dieser Schritt erst jetzt einsetzt und wir den politischen Druck aufmachen, aber es ist dennoch das richtige Signal. Ich hoffe, dass weitere Landtage in Deutschland diesem Beispiel folgen werden.
Weder kann unser Landtag im rechtlichen Sinne Einfluss nehmen, noch sind wir oder die Landesregierung in einem Gremium der Gema vertreten. Aber was wir machen können und hiermit auch tun, ist, den politischen Appell an die Gema zu richten, den Druck zu erhöhen. Ich freue mich sehr, dass es gelungen ist, diesen Antrag mit allen vier Fraktionen zu bewerkstelligen.
Das Verhalten der Gema gleicht dem Verhalten eines Monopolisten. Das ist bedauerlich. Ich glaube, darüber sollte in Zukunft auch noch einmal gesprochen werden. Schon die Enquetekommission des Bundestages empfahl bereits vor Jahren, die Aufsicht über die Gema auszuweiten, und mahnte mehr Kontrolle an.
Eine Tariferhöhung von 400 bis 800 %, wie sie den Clubs nach den geplanten Tariferhöhungen bevorstehen würde, Zeitzuschläge, die den Clubs nach fünf Stunden Betrieb alle drei Stunden eine 50-prozentige Erhöhung ihrer Abgaben bescheren, all das hat dramatische Auswirkungen. Darüber wurde heute auch schon gesprochen.
Bei einer großen Diskothek würde nach dem Jahreswechsel, sobald der Neujahrskater der Gäste vorüber ist, am 1. Januar die Gema-Rechnung von einem fünfstelligen Eurobetrag auf einen sechsstelligen Eurobetrieb hochschießen. Denkbar wäre, dass die Betreiber über die Eintrittspreise gegensteuern. Wenn aber die Eintrittspreise erhöht werden, dann steigen die Gema-Gebühren ebenfalls automatisch. Die Gema will nämlich mindestens je 10 % des Eintrittspreises bei Veranstaltungen, bei denen Musik im Spiel ist, abschöpfen.
Die Gema meint, dass Musik die Grundlage der Geschäftsmodelle solcher Veranstaltungen ist, und strebt daher eine einkommensabhängige Abfüh
rung an. Eine Gegenposition verlangt, dass die Vergütung abhängig vom Geschäftsmodell erfolgen soll.
Lassen Sie mich das an einem kurzen Beispiel verdeutlichen. Wenn ich 20 Beatles-Songs live singen würde, dann kämen vielleicht fünf Menschen und würden vielleicht 50 Cent oder weniger zahlen, und das wahrscheinlich auch nur aus Mitleid.
Käme aber ein bekannter Interpret, meinetwegen Herbert Grönemeyer in die Stadt und sänge dieselben 20 Songs, dann müsste man von Tausenden zahlenden Gästen ausgehen und der Eintrittspreis läge dann wahrscheinlich bei rund 40 €. John Lennon, Paul McCartney und Co. hätten als Urheber an diesem Highlight denselben Anteil.
Abgesehen von den zugegebenermaßen unterschiedlichen stimmlichen Qualitäten zwischen Grönemeyer und mir, würde ein professioneller Veranstalter hinzugezogen werden müssen, also es würde ein Riesenaufwand gemacht. Die Leistung der Urheber bliebe aber dieselbe, egal, ob ich singen würde oder Grönemeyer.
Meine Damen und Herren! Ich meine, dass Menschen nicht nur zahlen sollten, weil jemand singt, sondern weil sie auch für das Drumherum zahlen sollten, wie die künstlerische Interpretation dargestellt wird. Das findet in dem neuen Tarifmodell, wie es im Moment geplant ist, keine Berücksichtigung. Diese qualitative Komponente muss aber unbedingt berücksichtigt werden, meine Damen und Herren.
Ich wünsche mir genauso wie meine Vorredner, dass wir diesen Antrag heute möglichst einstimmig auf den Weg bringen, dass wir den politischen Druck auf die Gema erhöhen und dass wir es nicht den Kommunen anlasten, zu Einzelgesprächen nach Berlin fahren zu müssen, um mit der Gema zu verhandeln. Wir brauchen eine grundsätzliche Regelung, die allen Rechtssicherheit gibt und die Sicherheit, weiterhin ihre Veranstaltungen durchführen zu können. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Grönemeyer. - Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir kommen zum Abschluss des Tagesordnungspunktes.
Hier liegt ein Antrag aller Fraktionen vor. Wer dem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Gegenstimmen? - Keine. Stimmenthaltungen? - Auch keine. Damit ist der Antrag einstimmig angenommen worden. Ich schließe den Tagesordnungspunkt.
Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung des Landes Sachsen-Anhalt
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das SOG, das wir haben, ist in die Jahre gekommen. Es ist solide, aber die Zeit hat sich weiterentwickelt. Wir haben andere Störerverhalten und wir haben auch andere technische Entwicklungen, die sich Störer zu eigen machen und bei denen wir mit Blick auf die rechtlichen Möglichkeiten keine Grundlage haben, damit umzugehen. Wir benötigen als eine neue Befugnis die Überwachung der unverschlüsselten Telekommunikation.
Meine Damen und Herren! Wir haben aufgrund der Rechtslage schon heute die Möglichkeit, Telefone zu überwachen, Festanschlüsse und Handys. Dies gilt aber nicht, wenn jemand über einen Computer telefoniert - Voice over IP.
Stellen Sie sich bitte folgendes Szenario vor: Es wird im Vorfeld ein Anschlag geplant. Der Täter ruft einen anderen Täter über ein normales Telefon in dem Wissen an, möglicherweise abgehört zu werden. Er nennt ein vereinbartes Stichwort, beendet das Gespräch und telefoniert über einen Computer weiter. Wir haben in diesem Fall keine Möglichkeit, diesen Telekommunikationsverkehr zu überwachen. Am Ende stehen wir vor der Situation, dass es zur Realisierung eines geplanten Sprengstoffanschlages und somit zu einer Gefahr für Leib oder Leben kommt.
Wir haben diese Lücke fahrlässig - aus rechtsstaatlichen Gründen war dies vielleicht gut gemeint - billigend in Kauf genommen. Das möchte ich nicht und das möchte mein Ministerium nicht. Ich glaube, wenn wir unsere Verantwortung ernst nehmen, dann dürfen wir das alle nicht wollen.
Angesichts des Umstandes, dass es sich hierbei um einen Grundrechtseingriff handelt, müssen diese Maßnahmen unter Richtervorbehalt gestellt werden und dürfen nur in ganz eng eingegrenzten Fällen Anwendung finden. Dies ist in diesem Gesetz mit Augenmaß gemacht worden und die Anwendung steht, wie gesagt, unter Richtervorbehalt.
Wir müssen auch in der Lage sein - auch das ist im Gesetz geregelt -, den Aufenthaltsort einer suizidgefährdeten oder hilflosen Person mittels Handyortung zu ermitteln. Damit können wir Leben retten.
Videoaufzeichnungen bei Anhalte- und Kontrollsituationen. Polizeibeamte sind immer häufiger und immer mehr Gewalt ausgesetzt. Daher ist es gut, wenn erkennbar die Gefahr von Gewaltanwendung besteht, zur Sicherung Aufnahmen zu machen, die auch in einem möglichen späteren Strafprozess als Beweismittel Verwendung finden können zur Darlegung von Notwehrlagen, bei denen es auf einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff ankommt.
Wir haben ferner die Anordnung von DNA-Analysen zur Identifizierung von hilflosen Personen und Toten geregelt. Dies ist im Übrigen eine Erkenntnis aus dem großen Unfall mit vielen Toten in Hordorf. Diese Möglichkeit hätte uns die Identifizierung wesentlich leichter gemacht.
Wir wollen die Videoüberwachung von in Gewahrsam Genommenen, die erheblich gesundheitlich beeinträchtigt sind. Dies dient sowohl der Sicherheit der in Gewahrsam Genommenen als auch der Beamten. Darüber hinaus wollen wir die Anordnung einer körperlichen Untersuchung, insbesondere der Blutentnahme zur Abwehr einer Infektionsgefahr, damit nicht eine Krankheit im Rahmen eines Angriffs von einer Person, die mit der Krankheit infiziert ist, auf unsere Beamten übertragen wird.
Wir haben jetzt rechtlich gründlich geregelt, dass Kommunen den Verzehr von Alkohol an bestimmten Orten verbieten können. Das war bisher nicht möglich, weil die Rechtsgrundlage fehlte. Dies ist eine Rechtsgrundlage, die unsere Kommunen benötigen, um den exzessiven Verzehr von Alkohol an gewissen Brennpunkten verbieten zu können; denn Alkohol enthemmt und führt dann in der Folge auch zu einer Begehung von Straftaten. Nunmehr können wir den Kommunen präventiv ein Instrument an die Hand geben, um dies zu verhindern.
Meine Damen und Herren! Wir haben bei der Erstellung des Gesetzes die aktuelle höchstrichterliche Rechtsprechung eingearbeitet. Wir haben Grundrechtseingriffe, die den unmittelbaren Kernbereich berühren, unter Richtervorbehalt gestellt. Ich sage auch an dieser Stelle ganz deutlich: Mein Vertrauen in die Justiz ist sehr hoch,
sodass ich davon ausgehe, dass ein Amtsrichter, wenn der Antrag gestellt wird, eine solche Maßnahme sehr wohl durch einen ausgewogenen Beschluss bewilligen wird oder nicht.
An die Fraktion der GRÜNEN gerichtet, möchte ich sagen: Als Minister äußerst man sich selten so politisch. Dies macht man eher, wenn man eine Fraktion führt oder dort sitzt. Ich habe natürlich das gelesen, was Sie alles aufgeschrieben haben. Sie werden jetzt gleich den Untergang des Rechtsstaates beklagen. Das können Sie tun. Vielleicht
Wenn Sie keine Eingriffsrechte wollen, werden Sie aber erklären müssen, wenn es zu einem Schaden und zu Todesopfern gekommen ist, dass Sie diejenigen waren, die, möglicherweise gut gemeint, uns die Instrumentarien zur Verhinderung solcher Gefahren aus der Hand genommen haben.
Gehen Sie davon aus: Wir haben eine Polizei, die rechtsstaatlich handelt - wir sind hier kein Polizeistaat -, die ein SOG auch immer mit Augenmaß anwenden wird. Auch die Kommunen werden das SOG mit Augenmaß anwenden.
Daher sage ich rein vorsorglich, weil ich die Debatte nachher nicht noch einmal eröffnen will - ich könnte zum Schluss noch einmal nach vorn gehen -: Reden Sie bitte auch mit Augenmaß, sprechen Sie nicht wieder vom Abbruchunternehmen der Demokratie oder ähnlichen Sprüchen, die Sie hier gelegentlich absetzen. Das kann man alles machen, wenn man ein bisschen jünger ist. Herr Striegel, dafür habe ich volles Verständnis, aber vielleicht spricht ja Frau Dalbert. Wir schauen einmal. In diesem Sinne herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Minister. - Es ist eine Fünfminutendebatte vereinbart worden. Als Erste spricht in der Debatte für die Fraktion DIE LINKE Frau Abgeordnete Tiedge.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als der Ministerpräsident von Norwegen Jens Stoltenberg gefragt wurde, wie sein Land, wie die Politik mit den unvorstellbaren Verbrechen des Anders Behring Breivik vom 22. Juli 2011 umgehen wird, antwortete er Folgendes - ich zitiere -:
Ein sehr mutiger und zukunftsweisender Satz, der von der großen Mehrheit der norwegischen Bevölkerung und auch der Politikerinnen und Politiker, egal welcher politischen Ausrichtung, akzeptiert und folglich mitgetragen wird.
Ich habe mir letztendlich die Frage gestellt, ob dieser Satz, diese Position, aber vor allem die alltägliche Umsetzung auch in der Bundesrepublik Deutschland möglich wäre. Meine Antwort an dieser Stelle ist: Ich halte es für äußerst unwahrscheinlich. Vielmehr ist zu vermuten, dass der
schon oft praktizierte Ruf nach härteren Strafen, nach verschärften Sanktionen und den damit verbundenen Einschränkungen der demokratischen Grund- und Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger wieder laut werden würde.