Andere notwendige Veränderungen, die eine bessere Studierbarkeit bewirken können, bedürfen wiederum größerer Reformschritte. So berichten die befragten Studierenden von zu starren Studien- und Prüfungsordnungen. Diese beinhalten zum Teil Anwesenheitspflichten, die gerade von psychisch oder von chronisch erkrankten Studierenden nicht immer erfüllt werden können. Auch der hohe Zeitdruck während des Studiums und in der Prüfungszeit ist für diese Studierenden stark beeinträchtigend. Hier müssen flexible Regelungen getroffen werden.
Ich sage es ganz deutlich: An unseren Hochschulen müssen mehr Möglichkeiten für Teilzeitstudiengänge geschaffen werden.
Zum Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE. Der erste Punkt des Änderungsantrags wird von den Antragstellern übernommen.
Die verkürzte Zeitschiene ist sinnvoll. Es wurde richtigerweise bereits darauf hingewiesen, dass wir uns dann in Verhandlungen über die Zielvereinbarungen befinden und dass uns der Bericht dann natürlich schon vorliegen muss.
Die im Änderungsantrag der LINKEN aufgegriffenen konkreten Anforderungen an das mit den Hochschulen zu erarbeitende Handlungskonzept sind richtig. Ihnen kann ich inhaltlich nicht widersprechen. Dennoch sollte vor der Umsetzung von konkreten Punkten eine Bestandsaufnahme erfolgen, um zu erkennen, an welchen Stellen Handlungsbedarf besteht.
Ich gehe aber davon aus, dass die aufgeführten Punkte in der Diskussion mit den Hochschulen und dem Ministerium angezeigt werden, dass sie beachtet werden und auch diskutiert werden und letztlich auch in das Handlungskonzept Eingang
Vielen Dank, Frau Kollegin. - Es ist eine Fünfminutendebatte vereinbart worden. Wir beginnen mit einem Beitrag von Frau Kollegin Professor Dr. Dalbert.
- Entschuldigung. Wir beginnen mit einem Betrag der Landesregierung. Es spricht Ministerin Frau Professor Dr. Wolff.
Ich werde es auch kurz machen. - Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Deutschland hat bis zur Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention im Jahr 2009 die Situation von Studierenden mit Behinderungen oder gesundheitlichen Beeinträchtigungen überhaupt nur alle sechs Jahre erhoben.
Dies erschien den Ländern im Jahr 2009 als extrem unbefriedigend, weil die zu diesem Zeitpunkt zur Verfügung stehenden Daten aus dem Jahr 2006 stammten und neue Zahlen im normalen Turnus erst im Jahr 2013 vorgelegen hätten.
Als Reaktion darauf wurde die Sondererhebung des Studentenwerks für das Jahr 2011 vereinbart, die im März veröffentlicht wurde und Anlass für den Antrag der Regierungsfraktionen ist.
Aus Sachsen-Anhalt haben sich 796 Studierende an der Studie beteiligt, von denen 346 aufgrund der Gewichtung in die Auswertung einbezogen wurden, und zwar 244 Studierende von den beiden Unis und 152 von den übrigen Hochschulen.
Zunächst ist es natürlich erfreulich und ein in jeder Hinsicht gutes Zeichen, dass Menschen etwa mit Mobilitätsbeeinträchtigungen oder Sinnesbehinderungen oder auch mit Teilleistungsstörungen zunehmend den Weg in die Hochschulen finden. Positiv ist auch, dass die Hochschulen darauf reagieren und den Studierenden mit Behinderungen oder chronischen Erkrankungen ein möglichst barrierefreies Studium ermöglichen bzw. Nachteilsausgleiche gewähren. Ich erinnere dazu an die Antwort des Kultusministeriums auf die Kleinen Anfragen des Abgeordneten Herrn Lange aus dem Jahr 2010, die Drs. 5/2818 und 5/2811.
Die Ergebnisse der Studie selbst können natürlich nicht zufriedenstellen. Ich glaube, das ist auch nicht erwartet worden. Wir wissen, dass die bauliche Situation ebenso wie der barrierefreie Zugang für Studierende mit Sinnesbehinderungen, die
Akustik in Hörsälen, die Sichtverhältnisse und die Beleuchtung oder die vorhandenen Orientierungshilfen noch bei Weitem nicht überall optimal sind.
Die Hochschulen arbeiten daran, die baulichen Bedingungen so barrierefrei wie möglich zu gestalten. Dabei stoßen sie leider auch auf Grenzen. So finden die Regeln zur Barrierefreiheit im baulichen Bereich immer dann Anwendung, wenn Gebäude saniert, um- oder neu gebaut werden. Eine gesonderte Überprüfung aller Gebäude mit dem Ziel, sie rasch oder gar sofort barrierefrei zu machen, ist wohl nie vorgesehen gewesen, weil es für das Land schlichtweg unbezahlbar wäre. Wir können die Situation für Studierende und Hochschulmitarbeiter mit Behinderungen nur schrittweise verbessern.
Es ist wichtig und erfreulich, dass sich der Landtag in seinen Ausschüssen dem Thema widmen will. Die Hochschulen und das Ministerium für Wissenschaft und Wirtschaft werden Ihnen gerne zu den Maßnahmen berichten, die in unserem Zuständigkeitsbereich liegen, beispielsweise über die üblichen Nachteilsausgleiche und Sonderregelungen bei Lehrveranstaltungen. Analog kann das Finanzministerium über entsprechende Bauangelegenheiten informieren.
Meine Damen und Herren! Es wurde bereits gesagt: Barrierefreiheit ist ein Thema, dem es hilft, dass es in möglichst breiter Öffentlichkeit diskutiert wird; denn oft sind es Unkenntnis oder Unaufmerksamkeit, die zu Problemen führen. Diese Probleme zunehmend zu vermeiden, ist in unser aller Interesse. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Ministerin Wolff. - Wir fahren fort. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht Frau Kollegin Professor Dr. Dalbert.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin den regierungstragenden Fraktionen sehr dankbar für ihren Antrag. Ich verstehe den Antrag als einen Baustein für den Landesaktionsplan, insgesamt die UN-Konvention hier im Lande umzusetzen.
Ich finde es auch gut, dass Sie den Punkt aus dem Änderungsantrag der Linksfraktion übernommen haben, in dem klar gesagt wird, dass es einen Endpunkt geben muss, und der Endpunkt sind die Zielvereinbarungen; denn da muss irgendetwas Konkretes aufgenommen werden.
Ich würde mir wünschen, dass - neben konkreten Vereinbarungen - irgendeine Form von Monitorinstrument, also ein Ausschuss, ein Beauftragter der Universitäten, was auch immer - das kann man
sich ja noch überlegen - aufgenommen wird, damit die Sensibilisierung, die wir hoffentlich jetzt mit der Diskussion und dann mit den Verhandlungen über die Zielvereinbarungen erreichen, dann auch verstetigt wird. Denn wir werden nicht alle Probleme im Blick haben, und da muss es ein Instrument an den Hochschulen geben, durch das sichergestellt ist, dass das weiter begleitet wird.
Frau Pähle, Sie haben eben, glaube ich, einen sehr wichtigen Satz gesagt: Inklusion beginnt im Kopf. - Ich denke, es ist genau dort, wo das beginnt. Ich glaube, an unseren Hochschulen ist da noch sehr viel zu tun. Das betrifft nicht nur das Bauliche - wobei wir in Halle erlebt haben, dass selbst das Bauliche der besonderen Aufmerksamkeit bedarf, damit dann am Ende Aufzüge eingebaut werden und Gänge für Menschen mit Behinderungen breit genug sind -, sondern damit ist ja viel mehr gemeint.
Wenn man sich den Bericht anguckt, der hier schon vielfach zitiert wurde, so fallen bestimmte Dinge auf, die noch nicht erwähnt wurden. Wenn man sich fragt, was das für Menschen sind, die sagen: „Ich habe eine psychische Belastung; ich habe eine Behinderung im Studium“, dann müssen wir natürlich auch sehen, dass dazu der Punkt „Belastung durch das Studium“ gehört, also die Frage von Prüfungsängstlichkeit, von Sachen, die durch die Studiensituation evoziert werden.
Das heißt, zur inklusiven Hochschule gehört auch eine ordentliche Ausstattung mit Studienberatung, mit psychologischen Angeboten, damit Leute, die eine Prüfungsangst entwickeln, nicht aus dem Studium herausfallen. Das ist etwas, was man gut behandeln kann. Man muss es nur tun. Dann halten wir auch diese Leute an den Hochschulen.
Die physischen Bedingungen sind eben ausführlich beschrieben worden. Das will ich an dieser Stelle nicht wiederholen, sondern ich will zwei Punkte aus meinem eigenen Erfahrungsalltag berichten.
Wir haben ja Hochschulen, die zum Teil in historischen Gebäuden untergebracht sind. Das heißt, manche Räume sind barrierefrei zugänglich; andere sind das nicht. Das wird auch so bleiben; denn das kann man in historischen Gebäuden nicht anders machen. Hauptsache, es sind Lehrräume barrierefrei zugänglich.
Aber wenn Sie sich angucken, wie die Anmeldung zu den Lehrveranstaltungen läuft, dann sehen Sie, dass das dort kein Thema ist. Man weiß ja gar nicht, an welcher Veranstaltung jemand teilnimmt, der einen barrierefreien Zugang braucht, um so geeignete Räume finden zu können.
Das meine ich mit dem Satz: „Das beginnt im Kopf.“ Es muss gar nicht immer umgebaut werden. Das muss es vielleicht an der einen oder anderen
Stelle auch. Das ist aber auch eine Frage der Logistik, die sensibel ist für die Bedürfnisse der Menschen mit Behinderungen an unseren Hochschulen.
Was den Nachteilsausgleich betrifft, so muss ich Ihnen sagen: Da können, glaube ich, die Hochschulen noch viel von den Schulen lernen. Da sind die Schulen viel weiter. Dazu, denke ich, sollten in einer Zielvereinbarung ganz konkrete Aufgaben stehen, so etwa, dass es egal ist, ob jemand, der eine bestimmte Behinderung hat, eine Prüfung mündlich oder schriftlich macht, wenn es ihm dadurch erleichtert wird, ein Studium erfolgreich abzuschließen, und vieles mehr. Ich denke, da müssen wir einen ganzen Schritt vorankommen.
Eines ist aber auch klar: Wenn wir eine inklusive Hochschule wollen, wenn wir auf die Probleme eingehen wollen, die ja auch in diesem Bericht genannt wurden, dann müssen wir die Langzeitstudiengebühren abschaffen; denn viele Menschen mit Behinderungen brauchen einfach länger für das Studium. Das eine verlangt das andere.
In meinen letzten 25 Sekunden möchte ich eine Frage an Frau Pähle richten. Sie haben in Ihrem Antrag geschrieben: „eine Übersicht von Lehrveranstaltungen“ - ich beziehe mich jetzt nur auf die Lehrveranstaltungen -, „die angeboten werden besonders für Studierende mit Behinderungen, um Unterstützungsangebote bereitzuhalten“.
Das habe ich nicht verstanden; denn für mich ist eine inklusive Hochschule eine Hochschule, in der jede Lehrveranstaltung so gestaltet wird, dass sie für alle zugänglich ist. Da ist einfach die Frage: Was meinen Sie damit? - Herzlichen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Vorfeld meiner Rede habe ich mich mit dem Thema „barrierefreie Hochschule“ intensiv beschäftigt und bin immer wieder auf die Formulierung „sorgenfreies Campusleben“ gestoßen. Ich habe mir natürlich Gedanken darüber gemacht, was man darunter verstehen könnte, was das denn eigentlich heißt.
Nun, viele Studierende werden sicherlich in dieser Zeit Sorgenfalten im Gesicht haben, weil das Semester zu Ende geht und Prüfungen anstehen. Wir reden aber hier nicht von ganz normalen Sorgen, die man mit ganz normalen Prüfungsvorbereitungen hat. Wir reden hier über Hürden, die sich nicht
durch reguläre Prüfungen auftun; vielmehr muss ein Teil der Studierenden in Deutschland Klippen überwinden, die nicht aus ihren kognitiven Fähigkeiten resultieren.
Seit 20 Jahren gibt es verstärkte Anstrengungen, die Bedingungen für Menschen mit Behinderungen an den Hochschulen und Universitäten zu verbessern. Gleichstellungsgesetze in Bund und Ländern zeugen von verbesserten Rahmenbedingungen. Zum Glück hat auch das Thema Barrierefreiheit schon lange in den Hochschulbereich Einzug gehalten. Beachten muss man aber immer, dass die Hochschulleitungen diejenigen sind, die vor Ort auf die Belange der Studierenden mit Behinderungen eingehen können und die vor Ort kleine Barrieren abbauen können.
In dieser Hinsicht ist deutschlandweit viel passiert, so auch in Sachsen-Anhalt. Ich glaube durchaus sagen zu dürfen, dass die neuen Bundesländer sogar einen klaren Vorteil haben, der aus der Wendezeit resultiert. Die erheblichen Investitionen in die Hochschul- und Universitätsstruktur haben dazu geführt, dass die neuen Länder nicht nur exzellente Studienbedingungen vorweisen können - Gespräche mit Studenten aus den alten Bundesländern zeigen das immer wieder -, sondern sie haben auch die Möglichkeit gehabt, die Belange von Studierenden mit Behinderungen von Anfang an zu berücksichtigen.
Insgesamt darf aber nicht vergessen werden, dass der Grad und die Ausprägung von Behinderungen vielfältig sein können. Im Baubereich reden wir vor allem von Barrierefreiheit. Da sind wir, glaube ich, auch im Verständnis und in der Umsetzung schon richtig gut. Aber - wir haben es vorhin gehört - was ist mit Studierenden, die chronische Erkrankungen haben, die blind oder gehörlos sind?