Protocol of the Session on April 26, 2012

Ich bitte das Hohe Haus, sich der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Recht, Verfassung und Gleichstellung anzuschließen, und danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der CDU und von Frau Niestädt, SPD)

Danke sehr, Herr Kolze, für die Berichterstattung. - Für die Landesregierung spricht die Justizministerin. Das wurde mir signalisiert. Nein? - Gut. Die Landesregierung spricht nicht.

Dann treten wir in eine Debatte mit einer dreiminütigen Redezeit je Fraktion ein. Als Erstes spricht der Abgeordnete Herr Dr. Thiel für die Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sie haben sicherlich die Ausführungen des Berichterstatters sehr aufmerksam verfolgt. Wer das gesamte Prozedere verfolgt hat, der konnte feststellen, dass es im Ausschuss noch eine gewisse Nuancierung von bestimmen Dingen gegeben hat. Ich will es einmal so höflich formulieren.

Wir als Fraktion hatten bei der Einbringung darauf aufmerksam gemacht, wie wichtig es ist, das Trauerspiel um die Besetzung der Stelle des oder der Landesbeauftragten endlich zu beenden.

(Zustimmung von Herrn Höhn, DIE LINKE)

Damit ist jetzt hoffentlich dieses monatelange Tauziehen zu einem gewissen Abschluss gebracht worden. Aber ich sage „hoffentlich“, weil - Herr Kollege Kolze hat darauf verwiesen - sich auch die Frage stellt: Wie geht man weiter damit um?

Wir als Fraktion sind ziemlich gespannt darauf, was im Rahmen des von Ihnen skizzierten Ausschreibungsverfahrens passieren wird. Ich sage also „hoffentlich“, weil eine Vielzahl von Vorschlagsmöglichkeiten existiert. Es bleibt tatsächlich abzuwarten, mit welcher Geschwindigkeit entsprechende Vorschläge auf den Tisch kommen werden.

Wir möchten zumindest signalisieren, dass wir als Fraktion selbstverständlich daran interessiert sind, an der Entscheidung um einen künftigen Landesbeauftragten mitwirken zu können. Es reicht sicherlich nicht aus, diesem Bedürfnis mit einem Vorstellungsgespräch Rechnung zu tragen.

Wir erwarten auch, dass wir in die Vorbereitung einbezogen werden, dass mit allen Fraktionen gesprochen wird - nicht nur über die Person, sondern auch über die Entscheidungskriterien, was wir hinsichtlich der Einbringung der Gesetzesänderung angemahnt haben.

Wir haben die Definition der Altersgrenze zur Kenntnis genommen. Die Begründung dafür ist sicherlich akzeptabel, weil absehbar ist, wie sich das in den nächsten Jahren entwickeln wird.

Ich kann mir durchaus vorstellen, dass die rechtliche Möglichkeit aufrechterhalten bleibt, auch wenn man noch nicht 65 Jahre alt ist, über die Wahlperiode hinaus zu agieren. Wir haben auch in anderen Bereichen die Regelaltersgrenze auf 67 Jahre erhöht, also steht dem nichts entgegen.

Deswegen haben wir uns als Fraktion darauf verständigt, das im Ausschuss gezeigte Abstimmungsverhalten auch heute zu praktizieren. Wir werden das Gesetz also nicht ablehnen, sondern werden uns bei der Abstimmung der Stimme enthalten. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Danke sehr, Herr Dr. Thiel. - Für die SPD-Fraktion spricht die Abgeordnete Frau Grimm-Benne.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit der zweiten Lesung des vorliegenden Gesetzentwurfs zur Änderung des Ausführungsgesetzes zum Stasi-Unterlagen-Gesetz greift der Landtag heute abschließend das auf, was die Koalitionsfraktionen während der Einbringung des Gesetzentwurfs am 15. Dezember 2011 in diesem Hohen Haus als zentrales Anliegen formuliert haben.

Im Einzelnen bedeutet dies, dass all diejenigen in den Wahlvorschlag aufzunehmen sind, die sich aufgrund einer von der Landtagsverwaltung zu veröffentlichenden Stellenausschreibung bewerben und sowohl die Mindestkriterien des § 3 Abs. 2 des Ausführungsgesetzes zum Stasi-Unterlagen-Gesetz, wie Vollendung des 35. Lebensjahres, gewöhnlicher Aufenthalt bis zum 9. November 1989 im Gebiet der ehemaligen DDR, keine Tätigkeit für das MfS, als auch die beamtenrechtlichen Ernennungsvoraussetzungen, wie „Jeder Bewerber und jede Bewerberin muss die Gewähr dafür bieten, jederzeit für die freiheitlich-demokratische Grund

ordnung im Sinne des Grundgesetzes einzutreten“, erfüllen. Dann erfolgt die Wahl im Parlament und der Ministerpräsident kann die Gewählte oder den Gewählten ernennen.

Meine Damen und Herren! Durch die Gesetzesänderung sind nunmehr auch Personen, die das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, wählbar und könnten ihre Wahlperiode vollenden.

Da die Tätigkeit als Stasi-Unterlagen-Beauftragter vor dem Hintergrund von höchstpersönlichen Erfahrungen in der ehemaligen DDR wahrgenommen werden soll - nicht zuletzt, um eine wirksame Aufarbeitung im Sinne des Gesetzeszwecks zu ermöglichen -, ist es nunmehr fast 20 Jahre nach der Verabschiedung des Ausführungsgesetzes geboten, die Regelaltersgrenze zu erhöhen.

Wir können nach den Erfahrungen der Vergangenheit bereits heute von einer hohen Bewerberanzahl ausgehen. In diesem Zusammenhang möchte ich bereits heute die Bitte äußern und dafür werben, fair mit allen Bewerbern in der öffentlichen Diskussion umzugehen.

(Zustimmung von Frau Niestädt, SPD, und von Herrn Miesterfeldt, SPD)

Diesem Hohen Haus kommt eine hohe Verantwortung zu, auch weil der Landtag in der Frage des Verfahrens zur Wahl hinsichtlich des Stasi-Unterlagen-Beauftragten Neuland betritt.

Ich bitte um Zustimmung zur Beschlussempfehlung und habe die Hoffnung, dass wir noch vor der Sommerpause eine neue Landesbeauftragte oder einen neuen Landesbeauftragten wählen können. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der SPD)

Danke sehr, Frau Grimm-Benne. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht der Abgeordnete Herr Herbst.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Akten müssen offen bleiben. Aufarbeitung ist und bleibt wichtig. Die gerade in letzter Zeit wieder gestiegene Zahl der Anträge auf Akteneinsicht zeigt, dass die Institutionen, für die wir gesetzliche Grundlagen auf der Bundes- und der Landesebene geschaffen haben, die sich mit der Aufarbeitung von DDR-Geschichte, insbesondere mit dem schrecklichen Unterdrückungs- und Bespitzelungsapparat der Stasi befassen - dazu gehören der Bundesbeauftragte sowie die Landesbeauftragte -, nach wie vor wichtig sind und in Zukunft wichtig bleiben.

Ich möchte an dieser Stelle eine Kritik und ein Lob an die Landesregierung loswerden. Die Kritik zu

erst. Ich finde es schade, Frau Professor Kolb, dass Sie hier heute nicht Stellung zu diesem Thema nehmen

(Herr Gallert, DIE LINKE: Nicht mal zugehört hat sie!)

- und offensichtlich auch nicht zuhören. Aber das passt - das muss ich ganz ehrlich sagen - in die Genese des Gesamtanliegens hinein. Es wundert mich nicht; schade finde ich es dennoch. Denn operationell und institutionell bleibt die Landesbeauftragte nach wie vor im Justizressort angesiedelt.

Ich möchte, wie angekündigt, auch ein Lob loswerden, und zwar an den Ministerpräsidenten. Das kommt nicht oft vor, aber ich finde es wichtig.

(Zustimmung von Herrn Scheurell, CDU)

Er hat sich, wie auch Herr Jahn, dafür ausgesprochen, dass die Außenstellen in unserem Land erhalten bleiben, weil auch diese für die Aufarbeitung, für die regionale Aufarbeitung wichtig sind.

(Zustimmung von Herrn Scheurell, CDU, und von Herrn Schwenke, CDU)

Zu dieser regionalen Struktur gehört auch die Landesbeauftragte. Es kann auch ein Landesbeauftragter sein - es sollte auf jeden Fall die beste Person sein, die fachlich am besten geeignete Person. Hierfür haben wir nach langer Zeit - dafür können wir uns wirklich nicht auf die Schulter klopfen; denn es war nun wirklich höchste Zeit dafür - eine gesetzliche Grundlage geschaffen, eine Änderung des Gesetzes vorgenommen, die auch, so glaube ich, von einer breiten Mehrheit des Hauses mitgetragen wird.

Diese Änderungen, die wir an dem Gesetz vornehmen wollen, werden eine Herausforderung für dieses Haus sein. Es geht darum, das Wahlverfahren sauber zu gestalten, sicher zu gestalten, es auch in der technischen Umsetzung auf die Reihe zu bekommen. Das ist, wenn wir es mit einer Ausschreibung machen, der eben kein Vorschlag der Landesregierung folgt, eine Herausforderung.

Aber es ist der richtige Weg, davon sind wir als Fraktion überzeugt. Es ist der rechtssicherste Weg. Ich hoffe, dass wir, wie durch die Koalition angekündigt, im Juli gemeinsam einen neuen oder eine neue Beauftragte wählen können, hoffentlich mit einer breiten Mehrheit - die Hürden dafür sind aus gutem Grund recht hoch -, damit wir uns der fachlichen Arbeit widmen können und auf diesem Gebiet endlich auch wieder mit Inhalten glänzen können. - Vielen Dank

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Danke sehr, Herr Herbst. - Für die CDU-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Wunschinski.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Stasi-Unterlagen-Gesetze und deren Ausführungsgesetze in den Ländern sind ein herausragendes Beispiel für eine lebhafte Demokratie. Sie sind gewachsen und veränderten sich durch Anpassung an die Rechtsprechung und an die Erfahrungen der Verwaltungspraxis.

Der Zweck der Gesetze ist die wirksame Aufarbeitung von Vertrauensmissbrauch, Bespitzelung und Verrat sowie deren existenzvernichtender Folgen. Wir sind es den Opfern der Diktatur schuldig, dass ihre Schicksale umfassend aufgearbeitet werden. Die bzw. der Landesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes leistet hierfür einen unverzichtbaren und hoch einzuschätzenden Beitrag.

Es ist erklärtes Ziel der Koalitionsfraktionen, dass das Verfahren zur Besetzung des Amtes der oder des Landesbeauftragten teilweise neu geregelt wird. Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat der Beschlussempfehlung im Ausschuss zugestimmt, die Fraktion DIE LINKE hat sich, wie zu erwarten war, bei der Abstimmung der Stimme enthalten.

Lassen Sie mich kurz den Inhalt der Neuregelungen zum Verfahren zur Besetzung des Amtes der oder des Landesbeauftragten zusammenfassen. Wir verzichten künftig auf das Vorschlagsrecht der Landesregierung zur Besetzung. Nach unserer Auffassung bedarf es keiner Unterbreitung eines Wahlvorschlages durch die Landesregierung, zumal aufgrund des festgelegten Wahlquorums die Wahl auf einem breiten parlamentarischen Konsens beruhen muss.

Daneben wollen die Koalitionsfraktionen die Regelaltersgrenze als Wählbarkeitsvoraussetzung und als Zeitpunkt der Beendigung der Amtszeit auflockern. Wir müssen auch zukünftig einen Kreis von geeigneten Bewerberinnen und Bewerbern mit einer entsprechenden Vita, also Bewerber, die die notwendigen persönlichen Voraussetzungen erfüllen, sicherstellen. Machen wir uns nichts vor, der Kreis der geeigneten Kandidaten, die den Hintergrund dieser höchstpersönlichen Erfahrungen in der ehemaligen DDR aufweisen können, wird immer enger werden. Aus diesem Grund halten wir eine Angleichung an die Grundsätze der Amtszeit für Bürgermeister nach § 58 Abs. 3 der Gemeindeordnung des Landes Sachsen-Anhalt für absolut zweckmäßig.

Es ist kein Geheimnis, dass die Regierungsfraktionen das Besetzungsverfahren rechtssicher gestalten wollen. Wir wollen nicht, dass sich das Auswahl- und Besetzungsverfahren durch Rechtsbehelfe unterlegener Konkurrenten verzögert. Aus diesem Grund möchten die Koalitionsfraktionen auf einen Hinweis des GBD hin an dem Erfordernis der Stellenausschreibung festhalten. Die Umset

zung eines freien Zugangs zu öffentlichen Ämtern setzt logischerweise eine Information über offene Ämter voraus. Dabei soll es auch bleiben.

Zum Verfahren nur so viel: Nach dem Inkrafttreten des Änderungsgesetzes könnte die Landtagsverwaltung damit beauftragt werden, eine entsprechende Stellenausschreibung, die nur die Ernennungsvoraussetzungen für das Amt des StasiUnterlagen-Beauftragten beinhaltet, zu veröffentlichen. Es erfolgt lediglich eine Vorauswahl unter den Bewerbern und eine Feststellung in Bezug auf das mögliche Fehlen von Ernennungsvoraussetzungen. Auf sonstige Auswahlentscheidungen wird im Vorfeld des Wahlaktes verzichtet. Alle verbleibenden Bewerber werden dann dem Landtag zur Wahl gestellt.

Das ist ein sehr transparentes Verfahren. Gegen die Ernennung eines in einem solchen Verfahren gewählten Bewerbers dürften Rechtsbehelfe unterlegener Bewerber keine Aussicht auf Erfolg haben, da die Wahlentscheidung der gerichtlichen Kontrolle entzogen ist. Der Landtag kann somit rechtssicher als Eignungsvoraussetzung für die Besetzung dieser Stelle auch politisches Vertrauen fordern.

Ich bitte Sie um Zustimmungen zu der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Recht, Verfassung und Gleichstellung. - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.