Protocol of the Session on March 22, 2012

Ich habe mir sagen lassen, dass es eben nicht geht, eine Justizvollzugsanstalt auf Verschleiß zu fahren nach dem Motto: Die wird in fünf Jahren sowieso geschlossen. Wenn dort der erste ausbricht, wird man das Argument umdrehen und sagen: Seht her, das habt ihr davon, weil ihr damals gespart habt, wohl wissend, dass in fünf Jahren die Einrichtung schließt.

Für die Landesregierung möchte ich ankündigen: Wir werden mit dem Entwurf des Finanzausgleichsgesetzes - das haben wir uns in der gesamten Landesregierung als Aufgabe gestellt - auch zur Struktur der Landesverwaltung, zur Struktur der Kommunalverwaltung und zur Frage der Aufgabenentlastung bei Leistungsgesetzen etwas vorlegen. Ich bin gespannt, wie sich einige Fraktionen zu solchen Vorschlägen verhalten werden. - Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister. - Jetzt hat der Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE Herr Gallert um das Wort gebeten. Bitte schön.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben tatsächlich seit einigen Monaten darüber diskutiert, wie diese Enquetekommission angelegt wird. Wir haben uns nach eingehender Debatte dazu entschieden, den anderen Fraktionen ausdrücklich das Angebot zu unterbreiten, es mit uns gemeinsam zu machen. Wir waren doch der etwas naiven Vorstellung unterlegen, sie müssten sich eigentlich auch dafür interessieren.

Nun haben wir heute dazu relativ eindeutige Antworten bekommen: von Herrn Kolze: „Es geht uns nichts an“, von Herrn Erben: „Es hat eh keinen

Zweck!“ und von den GRÜNEN: „Na ja, wir wissen nicht so richtig.“

Nun gut, damit müssen wir leben. Ich will aber zumindest zum Kollegen Bullerjahn noch eines sagen: Wir hatten in der letzten Legislaturperiode die Enquetekommission Personalentwicklung. Aus dieser sind wir mit den entsprechenden Differenzen herausgegangen. Das kann natürlich immer wieder passieren.

Bei dieser Enquetekommission geht es aber ausdrücklich um eine andere Fragestellung: Was bedeutet der von dieser Koalition vorgesehene Personalabbau für die vorhandenen Verwaltungsstrukturen? - Eines ist klar: Wenn man diesen Personalabbau so realisiert, werden die Verwaltungsstrukturen, wie wir sie jetzt haben, in absehbarer Zeit nicht mehr existieren können. Wir müssen rechtzeitig im Parlament darüber diskutieren können, welche Konsequenzen diese Dinge haben.

Wir sehen es jetzt bei der Justizvollzugsreform: Immer dann, wenn die Dinge schon fast entschieden wurden, können wir als Parlament darüber reden und sind nicht mehr in der Lage, strategische Entscheidungen zu treffen. Wir wollen diese Enquetekommission, weil wir die strategische Entscheidungshoheit des Parlamentes haben wollen. Dazu müssen wir wissen, was ein Personalabbau für die Aufgaben und die Strukturen bedeutet.

(Beifall bei der LINKEN)

Dann haben wir das Problem, dass sich Politiker heute dabei gefallen, den gewerkschaftlichen Forderungen, den Kriterien für gute Arbeit, zuzustimmen, und das ganz besonders, wenn sie bei den Gewerkschaften sind. Sie tun sich damit auch gar nicht so schwer, wenn es darum geht, gegenüber privaten Arbeitgebern diese Forderungen aufzumachen. Womit sie sich schwer tun, ist, die Konsequenzen für ihre eigene Arbeitgeberrolle zu finden.

Deswegen sage ich noch einmal ausdrücklich: Das ist eine wichtige Aufgabe, die wir zu diskutieren haben; denn eines steht fest: Wenn wir die gleichen Aufgabenbestände auf immer weniger Personen konzentrieren, werden wir irgendwann den Druck im Kessel so hoch haben, dass das System irgendwann nicht mehr funktioniert.

Frau Edler hatte gesagt, welche Entwicklungen wir im Bereich des öffentlichen Dienstes leider konstatieren müssen, was die Frage der Motivation und des Willens, so schnell wie möglich herauszukommen, anbelangt. Das sind ernste Alarmzeichen, die uns doch auch als Parlament berühren. Deswegen müssen wir uns mit diesen Dingen beschäftigen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der LINKEN)

Natürlich haben die Einführung von E-GovernmentStrukturen und die entsprechenden Anforderungen

an die Verwaltung auch etwas mit den Strukturen zu tun, die sich möglicherweise unter diesen Umständen ändern müssen. Das sind keine völlig voneinander getrennten Dinge.

Wer vielleicht noch einen letzten Beweis braucht: Wir hatten seinerzeit vor dem Wahltermin auch so eine hervorragende Debatte. Auf einmal fällt es zwei Personen in diesem Land ein, dass man jetzt eigentlich dafür sein könnte, das Landesverwaltungsamt aufzulösen. Ich glaube, die Betreffenden erinnern sich noch daran, wer das war. Kurz nach den Wahlen war die Debatte darüber verschwunden. Bei den Betroffenen hat es eine Menge Unruhe und Fragezeichen hinterlassen. Solche Dinge darf man in dieser Art und Weise nicht anpacken.

(Beifall bei der LINKEN)

Dafür brauchen wir eine politische Strategie. Dafür brauchen wir eine politische Erkenntnis in diesem Parlament und dafür brauchen wir diese Enquetekommission. - Danke.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke schön, Herr Gallert. - Damit ist die Debatte abgeschlossen. Wir treten in das Abstimmungsverfahren zur Drs. 6/916 ein.

Sowohl Artikel 55 unserer Landesverfassung als auch § 17 der Geschäftsordnung des Landtages unterscheiden bei der Einsetzung einer Enquetekommission zwischen einer Minderheiten- und einer Mehrheitsenquete. Diese Einsetzungsvarianten sind den Varianten bei der Einsetzung der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse nachgebildet.

Danach hat der Landtag das Recht, auf Antrag der üblichen Antragsberechtigten, wie etwa Fraktionen, mit Mehrheit darüber zu entscheiden, ob er die beantragte Kommission einsetzt oder nicht. Liegt der Einsetzung allerdings ein Einsetzungsverlangen zugrunde, das mindestens von einem Viertel der Mitglieder des Landtages persönlich unterzeichnet worden ist, dann ist eine Ablehnung nicht statthaft und es muss eingesetzt werden.

In diesem Fall hat eine Fraktion den Antrag gestellt und nicht ein Viertel der Abgeordneten, sodass die beantragte Einsetzung einen Mehrheitsbeschluss erfordert. Nach dem, was dazu in der Debatte gesagt worden ist, wird es wohl auch dazu kommen. Das überprüfen wir jetzt, indem wir darüber abstimmen.

Wer stimmt dem Antrag zu? - Das ist die Fraktion DIE LINKE. Wer stimmt dagegen? - Das ist niemand. Wer enthält sich der Stimme? - Das sind die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die Regierungsfraktionen. Damit hat der Antrag eine Mehrheit gefunden und ist angenommen worden. Der Tagesordnungspunkt 2 ist damit abgearbeitet.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 3 auf:

Beratung

Gesundheitsschutz stärken - Initiative gegen Antibiotika-Resistenzen

Antrag Fraktionen CDU und SPD - Drs. 6/933

Änderungsantrag Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drs. 6/955

Die Einbringerin ist Frau Grimm-Benne. Frau Kollegin, Sie haben das Wort. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! Der Schock saß tief. Vier Frühchen hatten sich im Januar auf der NeugeborenenIntensivstation des Universitätsklinikums Freiburg mit dem gefährlichen MRSA-Keim angesteckt. Wen das näher interessiert, ich habe auch den lateinischen Ausdruck hier stehen. Doch alles ging noch einmal gut. Die Säuglinge konnten schnell geheilt werden.

Ähnlich dramatische Fälle gab es bereits im Jahr 2010 in Mainz und im Jahr 2011 in Bremen. Weiterhin denken wir in diesem Zusammenhang an die tödlichen Infektionen bei Heidelberger Krebspatienten. Alle diese Ereignisse lassen die Hygienezustände in deutschen Kliniken in einem schlechten Licht erscheinen.

Immer neue Berichte über Infektionen ängstigen die Menschen. 56 % der Deutschen fürchten, sich während eines Klinikaufenthaltes mit einem gefährlichen Keim anzustecken.

Das ist auch nicht unbegründet. Zwischen 400 000 und eine Million Patienten infizieren sich jährlich in deutschen Krankenhäusern mit lebensgefährlichen Erregern. 7 500 bis 30 000 sterben nach vorsichtigen Schätzungen der Bundesregierung und des Robert-Koch-Instituts.

Die Bundesregierung reagierte im Juli des letzten Jahres mit dem Infektionsschutzänderungsgesetz. Es macht die seit Jahren geltenden Empfehlungen des Robert-Koch-Institutes zu Hygiene, Reinigung und Desinfektion zur Pflicht. So sollen künftig 20 bis 30 % der Ansteckungen in Krankenhäusern verhindert werden.

Das Gesetz sieht zudem vor, dass die Länder bis zum 31. März 2012 per Rechtsverordnung Regelungen treffen, zum Beispiel zu den Aufgaben und zur Zusammensetzung der Hygienekommission und zur erforderlichen personellen Ausstattung mit Hygienefachkräften, Krankenhaushygienikern und hygienebeauftragten Ärztinnen und Ärzten. Dieser Schritt ist zweifellos zu begrüßen.

Leider steht die notwendige Einbeziehung von Alten- und Pflegeheimen noch aus; denn in Heimen

wie in Kliniken leben Menschen mit geschwächten Immunsystemen oder offenen Wunden. Infusionsschläuche oder Katheter machen es Erregern leicht, in den Körper einzudringen und Infektionen zu verursachen.

Einem gesunden Menschen können die Keime meist nichts anhaben. Sie besiedeln sogar die Haut oder den Darm. Übertragen werden können die Keime allerdings überall, wo Patienten, Pflegekräfte, Ärzte und Besucher aufeinandertreffen.

Ein häufiges Desinfizieren der Hände und eine Reinigung der Gegenstände gehören zu den wichtigen Maßnahmen, um Patienten vor lebensgefährlichen Infektionen zu schützen.

Konkrete Regelungen des Robert-Koch-Instituts existieren bereits seit dem Jahr 1997. Sie legen etwa fest, wann Ärzte und Pfleger sich die Hände desinfizieren müssen und wann und wie Handschuhe sowie Mund- und Nasenschutz getragen werden.

Durch die Gesetzesänderung sind daraus verbindliche Regeln geworden, für deren Einhaltung die Klinikleitungen haften. Hinzu kommt die bußgeldbewährte Ahndung von Verstößen, die durch die Kontrollen der Gesundheitsämter aufgedeckt werden.

Damit entfällt allenthalben das Argument, dass für notwendige Hygienemaßnahmen das Geld fehle. Unterschiedliche Initiativen wie die nationale Aktion „Saubere Hände“ versuchen zudem, Ärzten und Pflegenden die Bedeutung der Hygiene ins Bewusstsein zu rufen.

Verhaltensregeln allein lösen allerdings das Problem nicht. Deshalb muss jedes Krankenhaus mit mehr als 450 Betten zukünftig einen Facharzt für Hygiene anstellen, der die Umsetzung der Hygieneregeln überwacht und die Ärzte sowie die Klinikleitung berät.

Doch diese Hygienefachärzte gibt es deutschlandweit nicht. Man hat hochgerechnet, dass bereits jetzt schon 270 Kräfte fehlen, um die gesetzlichen Grundlagen im März 2012 umsetzen zu können. Zudem fehlen etwa 1 300 speziell geschulte Hygienepflegekräfte.

Ich will nicht verhehlen, dass es auch in unserem Land zäh anläuft. Wenn man unsere Krankenhausgesellschaft hört, dann wird deutlich, dass oftmals Assistenzärzte ohne Weiterbildung einfach so zu Hygienebeauftragten gemacht werden, die weder eine Weisungsbefugnis haben, noch sich im Klinikalltag so durchsetzen können, dass diese Verhaltensregeln umgesetzt werden.

Und das alles geschieht, obwohl es uns andere Länder vormachen, wie man es viel besser machen kann.

So erreichen die skandinavischen Länder eine erhebliche Reduktion durch das Screening der Pa

tienten auf multiresistente Erreger. Holländische Kliniken sind noch viel besser. Sie haben eine MRSA-Rate von nur 1 %. In Deutschland liegt sie bei über 20 %.