Die Frage ist doch so unwahrscheinlich verräterisch. Im Grunde genommen bestätigen Sie meine ganze Rede.
Es geht Ihnen um die Kriminalisierung politischer Konkurrenten und nicht um die Gewalt gegen Polizisten. Danke, Herr Kolze, danke.
(Starker Beifall bei der LINKEN - Herr Dr. Thiel, DIE LINKE: Genau! - Zuruf von der CDU: So ein Quatsch! - Weitere Zurufe von der CDU - Unruhe)
Wir fahren in der emotionalen Debatte zu diesem Thema fort. Als nächster Redner spricht für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Herr Erben.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen! Herr Kolze! Herr Minister! Herr Gallert! Auch ich muss Variante B meiner Rede nicht aufrufen; denn Sie haben all das, was ich vermutet habe, heute tatsächlich in Ihren Redebeiträgen gesagt.
Wenn ich die Vorredner höre, vor allem Herrn Kolze, dann sind vor allem die hinterlistigen Attacken in der Magdeburger Puschkinstraße, die Brandanschläge und Brandstiftungen in Dessau, Magdeburg und Halle Anlass für die heutige Aktuelle Debatte gewesen.
Ja, es ist richtig: Die Entwicklung der Sicherheitslage in Sachsen-Anhalt in den letzten Monaten gerade in dieser Hinsicht muss uns große Sorgen machen. Der Landtag und die Landesregierung haben den Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten Aufgaben übertragen. Deswegen stehen wir auch in gemeinsamer Verantwortung, alles in unserer Macht Stehende für die Sicherheit unserer Polizistinnen und Polizisten zu tun.
Das gilt bei der Gesetzgebung genauso wie bei der Beschaffung der Ausrüstung, aber auch bei der Aus- und Fortbildung.
Das Thema Gewalt gegen Polizeibeamte ist ungeeignet, hier in diesem Haus Debatten über Extremismus zu führen.
Ich stand im Jahr 2008 an einem Montagvormittag geschockt in der Magdeburger Sieverstorstraße in der Alten Neustadt. Am Sonntag vorher war die Räumung eines rechten Szenetreffs im ehemaligen TGA-Gebäude erfolgt. Ein Beamter der PD Nord ist damals nur knapp dem Tod entgangen. Ein Unbekannter hatte aus 7 m Höhe einen Feuerlöscher vom Dach eines Nebengebäudes geworfen. Das Mordwerkzeug verfehlte den Kollegen damals nur um Haaresbreite.
Dies zeigt, wie gefährlich solche Einsätze für unsere Beamten sind. Außerdem zeigt es, wie wichtig es ist, dass mit Besonnenheit in solche Einsätze gegangen wird und man sich nicht blindlings in Häuserkampfsituationen begibt; denn wir dürfen das Leben und die Gesundheit unser Beamtinnen und Beamten nicht riskieren.
Deshalb unterstützen wir als Sozialdemokraten die Deeskalation als Einsatzmaxime unserer Polizei, egal ob es um ein Szeneobjekt von Linksautonomen geht, ein Skinheadkonzert aufgelöst wird oder
Ließe man sich von dem Bild leiten, das in den letzten Wochen von den Medien vermittelt wurde, und von den Schwerpunkten der politischen Debatte, so könnte man glauben, dass Gewalt gegen Polizisten vor allem bei sogenannten Großlagen stattfindet: bei Nazidemonstrationen, Castortransporten oder Fußballspielen. Doch - das ist bereits dargestellt worden - das ist nur die Spitze des Eisberges der Gewalt gegen Polizeibeamte.
Das zeigt die polizeiliche Kriminalstatistik, aber deutlicher und fundierter wird dies in diversen Gutachten des KFN in Hannover und dem bundesweit einheitlichen Lagebild „Gewalt gegen Polizeibeamte“. Sie alle kommen zu dem Ergebnis, dass der weit überwiegende Teil der Beamten, die von schädigenden Ereignissen betroffen sind, im normalen Streifendienst unterwegs war. Die Masse passiert nun einmal im täglichen Dienst, bei Festnahmen, Gewahrsamnahmen, Identitätsfeststellungen oder auch einfachen Sachverhaltsaufklärungen. Dabei wurde auch herausgearbeitet, wie exorbitant hoch der Anteil der Täter ist, die unter Alkohol-, Drogen- oder Medikamenteneinfluss standen.
Viele von diesen fundierten Kenntnissen hätten wir nicht, wenn sich die Innenminister der Länder nicht im Jahr 2008 zunächst gemeinsam auf den Weg gemacht hätten, die Gewalt gegen Polizeibeamte systematisch wissenschaftlich zu behandeln. Leider war damals die Einigkeit nicht von sehr langer Dauer; denn zunächst klinkte sich der Bundesinnenminister aus, dann weitere Bundesländer. Auch Holger Hövelmann und ich hatten damals mit Blick auf die Befragung ein paar Bedenken, weil wir die Stigmatisierung ostdeutscher Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten befürchteten.
Das alles wurde bereinigt und heute haben wir eine ganze Menge wertvolle Aufschlüsse, Erklärungen und Handlungsempfehlungen bekommen.
Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Erste Ergebnisse zum besseren Schutz hat es bereits gegeben. So wurden - das wurde heute bereits mehrfach betont - der Strafrahmen des § 113 des Strafgesetzbuches erhöht und wichtige Arbeitsmittel der Polizei in den § 305a des Strafgesetzbuches einbezogen. Feuerwehrleute und Rettungskräfte sind nunmehr besser geschützt.
Doch das reicht immer noch nicht; denn tätliche Angriffe müssen härter bestraft werden als pure Widerstandshandlungen.
Ich werde jetzt einen Satz sagen, der mir sonst wahrscheinlich nicht über die Lippen kommen würde - die GRÜNEN mögen mir nicht böse sein, dass ich auf Ihre Plätze gucke -: Schade, dass die FDP nicht mehr hier ist; denn dann hätte ich heute
Herrn Wolpert und Herrn Kosmehl sagen können, dass es die FDP ist, die auf der Bundesebene verhindert, dass wir einen besseren strafrechtlichen Schutz der Polizei vor Gewalt bekommen.
Aber was nutzt die beste Maßnahme, wenn der Schutz nicht bei den Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten ankommt oder auch gefühlt nicht ankommt.
Der KFN-Bericht beleuchtet auch deutlich die Rolle der Justiz und wie sie von den Beamten wahrgenommen wird. Zwar werden in fast neun von zehn Fällen Strafverfahren eingeleitet, aber jedes dritte dieser Strafverfahren wird eingestellt. Das ist auch bei Verfahren nicht anders, bei denen am Ende eine Dienstunfähigkeit von sieben und mehr Arbeitstagen vorlag. Ich verstehe, dass viele Beamte damit unzufrieden sind und sich auch mehrheitlich mit dem Strafmaß nicht einverstanden erklären; auch das kann ich gut verstehen.
Was können wir im Landtag tun, um unsere Beamten vor Gewalt besser zu schützen? - In den letzten Jahren wurde viel getan, gerade im Hinblick auf den Schutz der Einsatzeinheiten, aber auch der Kollegen im Einzeldienst, beispielsweise bei der persönlichen Ausstattung mit einer Schutzweste.
Wir haben aber auch die Situation, dass bestimmte Verletzungsmuster immer wieder vorkommen, gegen die die aktuelle Schutzausrüstung nicht ausreichend ist. Deswegen ist es aus meiner Sicht sehr wichtig, dass auch im Bereich der Ausstattung im Einzeldienst weiter gearbeitet wird; denn man kann nun einmal im täglichen Dienst zur Schlichtung einer Familienstreitigkeit in der Nacht nicht mit schwerem Körperschutz in die Wohnung eindringen.
Ich halte es auch im Zusammenhang mit den heute hier bereits erwähnten konkreten Ereignissen für wichtig, dass die Einsatzmaxime von Besonnenheit und Deeskalation weiterhin Leitlinie in der Strategie unserer Polizei ist.
Unsere Polizeiführer handeln überaus verantwortungsbewusst. Sie achten darauf, dass die Polizisten nicht unkalkulierbaren Gefahren ausgesetzt werden. Das sollten wir unterstützen.
Auch wir in der Landespolitik können eine ganze Menge tun, um den Schutz der Beamten zumindest mittelfristig zu verbessern, was nicht zusätzlich viel Geld kostet. Ich will einige Punkte nennen:
Ein Vertrauensbeweis vonseiten der Politik, aber auch der Justiz, vor allem der Letzteren, wäre es, dass jeder Täter, der Gewalt gegen Polizeibeamte ausübt, mindestens genauso hart bestraft wird, als wenn er Gewalt gegen einen Zivilisten ausüben würde.
Wir haben heute die Situation, dass Polizeibeamte nur schwer verstehen, dass mit der Begründung, sie seien im täglichen Dienst Gewalt gewöhnt, das Strafmaß für Verletzungen, die ihnen zugefügt wurden, meist geringer ist.
Wir haben weiterhin zu verzeichnen, dass die Masse der Gewalttaten gegen Polizeibeamte unter Alkoholeinfluss verübt wird. Bei der Bekämpfung des Alkoholmissbrauchs müssen wir erfolgreicher werden. Dazu gehören auch Verbote bei Verkauf und Werbung.
Schließlich haben wir alle gemeinsam die Aufgabe, den gesellschaftlichen Polarisierungstendenzen entgegenzuwirken; denn es gibt eine große Kluft zwischen Arm und Reich, es gibt Konflikte zwischen linken und rechten Extremisten und es gibt Konflikte zwischen Einheimischen und Migranten in Ballungszentren. Diese Kluft müssen wir beseitigen, um zu verhindern, dass diese gesellschaftlichen Polarisierungstendenzen auf dem Buckel unserer Polizei ausgetragen werden.
Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Um der Gewalt gegen Polizeibeamte zu begegnen, helfen warme und magische Worte wenig, aber unsere Taten sehr viel. Mit der heutigen Aktuellen Debatte ist das Thema folglich nicht abgehakt. Es muss ständige und beharrliche Aufmerksamkeit von uns allen genießen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Danke schön, Kollege Erben. - Als nächster und letzter Redner in der Aussprache spricht für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Herr Abgeordneter Striegel.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als ich am vergangenen Wochenende den Medien entnehmen konnte, die Fraktion der CDU werde zur Landtagssitzung eine Aktuelle Debatte zur Gewalt gegen Polizeibeamte auf die Tagesordnung setzen, hatte ich die zugegebenermaßen vage Hoffnung, es ginge Ihnen, meine Damen und Herren, im tatsächlichen Sinne um das Wohl der rund 7 000 Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten im Land,
das heißt um Menschen, die im Laufe ihres Dienstes für den Rechtsstaat unter Wahrnahme des staatlichen Gewaltmonopols für uns alle den Kopf hinhalten und bisweilen dafür auch Prügel beziehen oder denen sogar nach dem Leben getrachtet wird.
Der Begründung Ihres Antrages und leider auch dem heutigen Redebeitrag und Ihren Nachfragen, Herr Kolze, musste ich anderes entnehmen: Sie wollen dramatisieren und Sie wollen vor allem instrumentalisieren.
Nur einen Tag, nachdem wir hier gemeinsam der Opfer rechter Gewalt gedacht haben, die durch den NSU brutal ermordet wurden - unter ihnen übrigens eine Polizistin -, versuchen Sie in einer infamen Weise, den Protest gegen Neonazis unter Verweis auf Autonome als insgesamt, überwiegend oder doch zumindest maßgeblich gewalttätig zu diffamieren. Das ist relativ dreist.