Herr Minister, ich gehe davon aus, dass wir wieder einen Doppelhaushalt bekommen. So hatten Sie es zumindest gesagt.
tens oder der Bewertung der Landesregierung etwas anderes machen will, gibt es da auch Möglichkeiten. Nur für die Landesregierung gibt es aus heutiger Sicht keinen Grund, diesen Weg von vornherein anders auszulegen. Jetzt Bewertung mit dem Haushalt, dann Vorlage des Gutachtens, Bewertung durch die kommunalen Spitzenverbände
und durch das Parlament. Dann werden wir die Konsequenz ziehen müssen, ob alles so bleiben kann oder ob Sie mit Mehrheit andere Schritte für möglich halten.
Vielen Dank, Herr Minister. Weitere Nachfragen gibt es nicht. Wir können somit den Tagesordnungspunkt Fragestunde abschließen.
Ich unterbreche die Beratung. Wir haben jede Menge Verzug aufgrund der längeren Regierungserklärung. Ich bedanke mich bei allen, die daran mitgewirkt haben, die Zeit herauszuwirtschaften. Wir sehen uns nach der Mittagspause um 14.14 Uhr wieder hier im Saal.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie uns weitermachen. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, um mich bei Ihnen noch einmal herzlich für das entgegengebrachte Vertrauen zu bedanken. Ich will mir Mühe geben, es zu rechtfertigen. Wir haben gerade festgestellt, dass hier vorn drei Neue sitzen. Wir hoffen, dass wir trotzdem gut durchkommen, und vertrauen nicht auf die Hilfe von oben, sondern von hinten.
a) Landesprogramm gegen Rechtsextremismus - „Für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit in Sachsen-Anhalt“
b) Landesprogramm für Demokratie - gegen Neonazismus, Rassismus, Antisemitismus und andere Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit
Die Einbringerin ist Frau Tiedge für die Fraktion DIE LINKE. Danach spricht Herr Striegel für die Fraktion GRÜNE. Frau Tiedge, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich weiß, dass mir diese Bemerkung jetzt nicht zusteht. Aber ich hätte mir gewünscht, dass gerade bei diesem Thema das Hohe Haus besser gefüllt wäre.
Meine Damen und Herren! Als sich am 20. März 2011 nach der Schließung der Wahllokale in Sachsen-Anhalt in den Prognosen und später dann auch in den ersten Hochrechnungen abzeichnete, dass die NPD nicht in den Landtag von Sachsen-Anhalt einziehen wird, ging ein Aufatmen durch das Land.
Das Bundesland Sachsen-Anhalt, welches schon einmal im Fokus der Öffentlichkeit stand, weil die rechtsextreme DVU im Jahr 1998 mit 12,9 % ins Parlament einzog, konnte erleichtert sein. Doch diese Erleichterung währte nur kurze Zeit; denn analysiert man die Einzel- und letztendlich auch die Endwahlergebnisse im Detail, ergibt sich ein letztendlich doch erschreckendes Bild.
Mit nur knapp 0,4 Prozentpunkten verfehlte die NPD den Einzug in das Landesparlament. Knapp 4 000 Stimmen fehlten ihr zu guter Letzt. Insgesamt haben 45 826 Wählerinnen und Wähler in Sachsen-Anhalt ihre Zweitstimme der NPD gegeben. In zehn Wahlkreisen kam die NPD über die Fünfprozenthürde. In der Wählergruppe der 18- bis 24-Jährigen erhielt die NPD sogar 18 %.
Das Ergebnis der Juniorwahlen – die Juniorwahlen wurden bei den Neun- bis 17-Jährigen durchgeführt - ergibt ein noch erschreckenderes Bild. Zum Beispiel in Bad Bibra erhielt die NPD in der Gruppe der Neun- bis 17-Jährigen 27,69 %. Insgesamt erzielte die NPD ein Wahlergebnis von 20,53 %. Diese Zahlen muss man erst einmal verdauen.
Und hinter diesen Zahlen stehen Bürgerinnen und Bürger dieses Landes, die zu einem nicht unbedeutenden Teil bewusst dieser rechtsextremen Partei ihre Stimme gegeben haben, gerade auch wegen ihrer rassistischen und menschenverachtenden Ideologie. Und da müssen wir uns alle die Frage stellen, was haben wir falsch gemacht? Wo haben Politik und Gesellschaft versagt, wenn Menschen sich ganz bewusst gegen demokratische Grundsätze und Werte entscheiden?
Die Antworten auf diese Fragen sind vielfältig, und einfache Erklärungsmuster helfen an dieser Stelle nicht weiter. Der erneute Aufschwung des Rechts
extremismus verlangt grundlegende gesellschaftspolitische Antworten, über die wir gegenwärtig nur begrenzt verfügen. Eine rechtlich umfangreich ausgestaltete repressive Praxis, polizeiliche Prävention, Versuche, für gefährdete Jugendliche demokratische Alternativen aufzutun, oder die Förderung zivilgesellschaftlicher Alternativen sind dabei gute Ansätze.
Aber die Realität zeigt auch, dass sie nicht ausreichen. Viele Gegenmaßnahmen greifen zu kurz, weil sie die Verfassung der Mitte der Gesellschaft vernachlässigen und sich ausschließlich auf den sichtbaren Rechtsextremismus konzentrieren. Es geht perspektivisch um gesellschaftspolitische Reformen, welche längerfristig dazu beitragen können, die Nachfrage nach den rechtsextremen Angeboten zu senken.
Noch immer sehen viele im heutigen Rechtsextremismus nur eine Wiederbelebung von Gespenstern der Vergangenheit, eine Neuauflage der alten Nazibewegung. Das aber geht an der Realität vorbei. Meine Damen und Herren! Rechtsextremismus ist keine zeitweilige Erscheinung und ist auch nicht begrenzt auf einzelne soziale Gruppen. Er ist Teil der modernen Gesellschaft und wird durch deren Widersprüche und Konflikte immer neu genährt.
An dieser Stelle möchte ich zunächst auf einige Anregungen für eine gesellschaftliche Reformdebatte eingehen, die an die Wurzeln des Rechtsextremismus heranreicht. Neuere Einstellungsuntersuchungen verdeutlichen das Gewicht früher Sozialisationserfahrungen für die individuelle Bereitschaft, in die rechtsextreme Gedankenwelt einzutauchen. Die aus anderen Gründen gesteigerte Aufmerksamkeit für vorschulische Erziehungs- und Bildungsarbeit muss ihren Fokus auf das Erreichen von demokratischer und sozialer Kompetenz ausrichten.
„Mehr Demokratie und Beteiligung wagen“, lautet auch die Überschrift über eine weitgehend vernachlässigte Dimension der zuletzt durch die PisaStudie ausgelösten Schulreformdebatte. Menschenrechte, Vielfalt und Toleranz können im Schulalltag ebenso erfahren und erlebt werden wie die Fähigkeit zur Moderation und gewaltfreien Konfliktlösung.
Negative Bildungskarrieren und frühe Auswahlerfahrungen sind nicht selten wichtige Bausteine für die spätere Übernahme rechtsextremer Orientierungen. Schülerinnen und Schüler, die in demokratischen und integrierenden Schulkulturen groß geworden sind, haben vermutlich keinen gesteigerten Bedarf an Führern und Unterordnung.
Eine wichtige Rolle kommt in diesem Zusammenhang den Kommunen zu, ohne dass unrealistische Forderungen an die kommunalen Vertreterinnen gestellt werden dürfen. Die Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus in den Kommunen
kann weder als spezielle Aufgabe einzelnen Personen noch den Fachausschüssen übertragen werden, sondern ist nur als Querschnittsaufgabe zu verstehen, allerdings nicht als irgendeine, sondern als eine Aufgabe, die ihre Zukunft beeinflusst und mitbestimmt. Dabei ist die Tatsache, dass die Politik in den Kommunen leichter erfahrbar und eher mitgestaltbar ist, eine wichtige Grundlage dafür, dass viele Bürgerinnen und Bürger mit einbezogen werden können.
Dabei geht es vor allem um folgende Forderungen: Schaffung eines Klimas der Toleranz und des Humanismus, Verhinderung, dass rechtsextreme Handlungsträger zur Normalität werden und lokale Vereine übernehmen, Beschränkung der Handlungsspielräume für organisierte Neonazis, harte Auseinandersetzung in den kommunalen Vertretungen mit Abgeordneten rechtsextremer Parteien, Entwicklung und Förderung zivilgesellschaftlicher Initiativen, Schutz von stigmatisierten Gruppen und Opfern rechter Gewalt und Einsatz von finanziellen und materiellen Mitteln für die Entfaltung demokratischer Jugendkulturen.
Wir wollen an dieser Stelle aber auch nicht verschweigen, dass es in vielen Orten gute Beispiele gibt, wo ein breites zivilgesellschaftliches Klima herrscht, in dem der Rechtsextremismus keinen Platz hat. Aber wir müssen auch feststellen, dass es vielerorts noch versäumt wird, sich inhaltlich und rechtzeitig mit rechtsextremen Erscheinungen auseinanderzusetzen.
Das Unterlassen ist manchmal auf eine Unterschätzung der realen Gefahren und manchmal auf die Sorge um den Imageverlust für die Kommune zurückzuführen. So glaubt man, dass das Eingeständnis, dass in der Kommune die rechte Jugendkultur dominiert, dass es Gewaltbereitschaft gibt, Ausländer nicht willkommen sind oder dass in manchen Vereinen rechtsextremes oder völkisches Gedankengut widerspruchslos artikuliert wird, dem Ort schaden würde.
Man verkennt dabei, dass nicht die Auseinandersetzung mit diesen Erscheinungen dem Image schaden würde, sondern dass gerade das Verschweigen und Vertuschen zu einem erheblichen Imageverlust führt; denn jedes Verdrängen der Auseinandersetzung verringert die Chance für wirkliche Interventionen und Veränderungen.
Meine Damen und Herren! Demokratie und Bürgerrechte dürfen nicht unter dem Deckmantel der Bekämpfung des Rechtsextremismus aufgegeben werden und alle politisch Verantwortlichen, egal auf welcher Ebene, dürfen die Auseinandersetzung nicht scheuen. Rechtsextremismus stellt zuallererst die Frage nach der Verfassung der Zivilgesellschaft. Er hat vor allem dort eine Chance, wo
So versuchen Rechtsextreme immer unverblümter, Einfluss auf das soziale, kulturelle und sportliche Leben in den Städten und Gemeinden zu erlangen. Das belegt auch die Einleitung einer Broschüre des Bundesvorstandes der NPD. Darin heißt es - ich zitiere -:
„Tatsache ist, dass wir uns auch in einem überwiegend feindlich gegenüberstehenden Umfeld um eine Beeinflussung der öffentlichen Meinung im Rahmen unserer Möglichkeiten bemühen müssen.“
Dass ihnen das leider auch gelingt, zeigen nicht zuletzt die Ergebnisse der Kommunalwahlen, aber auch das Ergebnis der Landtagswahl. Hierbei muss festgestellt werden, dass die NPD grundsätzlich dort hohe Zustimmung erzielte, wo ihre Kandidaten Präsenz zeigten und im Gemeinwesen verankert waren, wie zum Beispiel in Sportvereinen, bei der freiwilligen Feuerwehr oder in anderen Vereinen. Es kommt also auch darauf an, die demokratischen Orientierungen in den Vereinen und Verbänden zu stärken.