Drittens. Es wird an den staatlichen Hochschulen keine Studiengebühren für Regelstudiengänge bis zum ersten berufsqualifizierenden Abschluss und einem weiteren, darauf aufbauenden Masterstudiengang geben.
Mit all diesen Maßnahmen verfolgt die Koalition das Prinzip: Abbau von Bildungsschranken und Aufbau von Lebenschancen.
Ich will auch etwas zur Finanzierung der Hochschulen sagen. Wir haben einen Koalitionsvertrag. In dem steht: eine aufgabengerechte und angemessene Finanzausstattung, die Absicherung über einen mehrjährigen Zeitraum und Vereinbarungen mit den Hochschulen im Anschluss mit fünfjähriger Laufzeit. Es ist normal, dass sie alle fünf Jahre neu verhandelt werden. Das ist nichts Ungewöhnliches. Es gibt keine Laufzeiten über zehn oder 15 Jahre. Insofern ist es, glaube ich, verfehlt, das hier als Drohkulisse aufzubauen.
Wir werden jedenfalls besonderes Augenmerk darauf legen, dass die Vereinbarungen vernünftige Realität werden.
Wenn wir von einem sozial gerechten SachsenAnhalt reden, haben wir große Baustellen im Bereich des Arbeitsmarktes. Das ist wahr. Die Baustellen heißen Dumpinglöhne, extrem niedrige Löhne und Leiharbeit. Deshalb will ich an dieser Stelle ganz deutlich sagen: Sachsen-Anhalt darf kein Billiglohnland sein. „Billig“ können andere - das ist weiter weg - besser als wir. Wir brauchen Qualität. Wir brauchen gute Löhne. Das muss die Zukunft des Arbeitsmarktes in Sachsen-Anhalt sein.
Zu dem, was dazu im Koalitionsvertrag steht, gab es Kritik von der Opposition, auch von den Gewerkschaften. „Absage an den gesetzlichen Mindestlohn“ wurde geschrieben.
Ich will einmal mit zwei Irrtümern aufräumen. Erstens. Im Koalitionsvertrag steht keine Absage an den gesetzlichen Mindestlohn. Darin steht: Die Koalition bekennt sich ausdrücklich zur Tarifautonomie und betont deren Vorrang vor staatlicher Lohnfestsetzung.
Darin steht außerdem: Die Koalition setzt sich für eine offensive Anwendung der Allgemeinverbindlichkeitserklärung tariflicher Mindestlöhne und eine Ausweitung des Entsendegesetzes auf weitere Branchen ein.
Auch das war und ist bis heute die Position der Gewerkschaften und der Sozialdemokratie. Der gesetzliche Mindestlohn ist es ebenso, auch wenn er nicht im Koalitionsvertrag steht, was wir, die Sozialdemokraten, schade finden. Die CDU findet es nicht schade. Deshalb ist es aber noch lange nicht eine Absage von uns an den gesetzlichen Mindestlohn, sondern es ist eine Einsicht in die Gegebenheiten einer großen Koalition.
Moment auch gar keine Chance, das auf der Bundesebene durchzusetzen. Die praktischen Auswirkungen wären gleich Null.
Ich hoffe als Sozialdemokratin sehr, dass wir wieder einmal in die Lage kommen, dass es gesetzliche Mindestlöhne gibt, die auch im Bund politisch mehrheitsfähig sind.
Zweiter Irrtum. Es wurde von verschiedenen Stellen kolportiert - vielleicht sollte man auch sagen: polemisiert -, in dem Vertrag stehe zu dem Thema gute Löhne und Mindestlöhne gar nichts. Blanker Unsinn! Darin steht nämlich alles, was wir in Sachsen-Anhalt selbst tun können. Das ist ein Vergabegesetz mit Tariftreueklausel.
Die Vergabe von öffentlichen Aufträgen wird künftig an europarechtskonforme gesetzliche und tarifliche Standards gebunden. Das steht so darin. Anders geht es auch gar nicht. Denn viele Gesetze sind gescheitert, weil gegen sie bei der Europäischen Union oder vor Gerichten geklagt worden sind. Deshalb steht dieser Satz darin.
Über die Details des Gesetzentwurfs und des Gesetzes selbst werden wir sicherlich mehr als in dieser Debatte heute zu reden haben. Es gibt im Übrigen in der Bundesrepublik auch große Koalitionen, die ein solches Vergabegesetz vernünftig auf den Weg gebracht haben und damit auch gute Vorbilder sind.
Wenn man den Koalitionsvertrag weiter liest, steht darin auch etwas über die Wirtschaftsförderung, und zwar Wirtschaftsförderung mit Tariftreueklausel; denn auch die soll künftig an soziale und tarifliche Standards gebunden werden.
Der Ministerpräsident hat auch etwas zum Stichwort Leiharbeit in den Unternehmen gesagt. Das finde ich sehr vernünftig. Das Ziel jedenfalls ist klar: kein Lohndumping durch den Staat. Es ist das, was wir im Land tun können, und das werden wir auch tun. Das wird ein Anfang für bessere Löhne in Sachsen-Anhalt sein.
Wenn übrigens Herr Gallert die Urheberschaft am Vergabegesetz anmeldet und so tut, als hätten die LINKEN das erfunden, dann ist das auch blanker Unsinn.
- Haben Sie nicht. Sie haben genauso wenig das Vergabegesetz erfunden wie die Chinesen den Ricola Schweizer Kräuterzucker erfunden haben.
Da trügt Sie Ihr historisches Gedächtnis sehr massiv. Das gab es schon einmal 2001. Damals haben Sie uns toleriert und das mitgetragen. Deshalb kann ich nur sagen: Dieser Ansatz war vor zehn Jahren richtig; er ist auch heute richtig und er wird gut für Sachsen-Anhalt sein.
Herr Ministerpräsident, Sie haben in Ihrer Regierungserklärung einiges zur Wirtschaftsförderung gesagt. Ich habe das mit großer Spannung gehört. Ich will mir nur den Satz erlauben: Wenn ich, sagen wir einmal, im Herbst 2002 diese Rede als wirtschaftspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt so gehalten hätte, dann hätte mich die CDU-Fraktion, allen voran ihr wirtschaftspolitischer Sprecher, vermutlich ausgebuht und gesagt: Was für ein Unsinn. Ich habe vorhin aus den Reihen gehört: Wir sind halt lernfähig.
Deshalb will ich etwas charmant sagen: Die CDU hat es eben doch mit dem lebenslangen Lernen, und ich glaube, die SPD tut Ihnen als Koalitionspartner manchmal auch ganz gut.
Ich will noch auf ein Beispiel eingehen, das auch Herr Gallert angeführt hat, die Investitionsbank. Sie wissen doch genauso gut wie ich, dass die Mittel für die Wirtschaftsförderung in den nächsten Jahren dramatisch zurückgehen werden, und zwar sowohl die Bundesmittel als auch die europäischen Mittel, und dass wir in der Tat einen strategischen Partner brauchen, der langfristig mit uns darüber redet, wie wir uns neue Finanzierungsinstrumente erschließen können. Diese können wir uns als Land Sachsen-Anhalt inhaltlich ausdenken und politisch benennen, aber umsetzen muss sie irgendetwas, was mit Bank zu tun hat, weil wir dazu nämlich anderes Geld brauchen werden, das wir als Land Sachsen-Anhalt so gar nicht aufnehmen können.
Insofern ist die Investitionsbank sehr wohl ein strategischer Partner, nicht wenn es um die politischen Inhalte geht, sondern wenn es darum geht, die Instrumente gemeinsam zu entwickeln und dann umzusetzen. Das wird Sachsen-Anhalt auch gut tun.
Ich würde gern auf ein weiteres Thema zu sprechen kommen, da ich aufgrund der Vorredner Gott sei Dank noch viel Zeit habe. Wenn wir von gerechter Teilhabe in der Gesellschaft sprechen, dann will ich das Thema Gleichstellung ansprechen. Wir haben in diesem Jahr den 100. Internationalen Frauentag gefeiert. Nach 100 Jahren können wir sicherlich sagen, dass schon vieles, aber längst noch nicht alles erreicht wurde, und schon gar keine wirkliche Gleichberechtigung der
Frauen in der Gesellschaft. Frauen verdienen trotz besserer Abschlüsse weniger. Sie sind weniger in Führungspositionen vertreten. Das ist ein bitterer Befund für eine Gesellschaft, die sich eigentlich für so emanzipiert hält, es in Wahrheit aber nicht ist.
Das Motto des diesjährigen Frauentages lautete: Ohne Gleichstellung kein Fortschritt. Ich persönlich würde sogar noch weitergehen und sagen: Ohne wirkliche Gleichstellung keine wirkliche Demokratie. Der Kampf für die Rechte von Frauen ist nicht nur eine Frage der individuellen und sozialen Gerechtigkeit, sondern er ist eine Frage des Selbstverständnisses unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung.
Deshalb sage ich als Frau und als Sozialdemokratin: Wir werden nicht eher ruhen, bis wir eine Gesellschaft haben, in der die Stellung und der Status der Menschen nicht vom Geschlecht abhängig ist.
Bei der Verwirklichung dieses Zieles hat die SPD übrigens gute Erfahrungen mit Geschlechterquoten gemacht. Die Männer in meiner Fraktion sind heute auch wirklich begeistert davon, dass wir diese haben, und zwar im Interesse beider Geschlechter. Denn sie findet mal für die Frauen und mal für die Männer Anwendung und ist damit gleichberechtigt.
Unser Ziel ist es, einen Anteil von 40 % der leitenden und gehobenen Funktionen in der Landesverwaltung mit Frauen zu besetzen. Dazu gehören auch, meine Damen und Herren, Referatsleiterinnen und Abteilungsleiterinnen, um damit auch die Voraussetzungen für das zu schaffen, was zum Beispiel die Unternehmerinnen im letzten Jahr auf ihrer Unternehmerinnen-Konferenz gefordert haben, dass nämlich die Besetzung der Aufsichtsräte und ähnlicher Gremien durch die Ebenen der Landesregierung auch mit Frauen erfolgen kann, weil sie in der entsprechenden Funktion sind, die man haben muss, um überhaupt benannt zu werden.
Insofern ist das zwar ein ambitioniertes Ziel, aber es ist richtig und wichtig. Ich bin fest davon überzeugt, dass es an der Zeit ist, dass die Gleichstellung zumindest auch strukturell im öffentlichen Dienst ankommt. Damit das kein reiner Wunsch bleibt, haben wir das Thema aufgewertet und prominent im Ministerium für Justiz und Gleichstellung angebunden. Ich wünsche der Ministerin viel Erfolg bei dieser verantwortungsvollen Aufgabe.
Nur noch einige wenige Stichworte. Zum Bereich Energie. Aus Sachsen-Anhalt wird es keine Stimme für ein „Weiter so mit der Atomkraft“ geben. Wir setzen auf eine sichere, auf eine effiziente, umweltverträgliche und bezahlbare Energieversor
gung in Sachsen-Anhalt. Atomenergie ist eine Risikotechnologie. Für uns ist die Rücknahme der Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken eine Mindestforderung. Sie ist eine Voraussetzung für die Entwicklung einer neuen Gesamtstrategie für den Ausstieg, aber auch eine Voraussetzung einer Gesamtstrategie für die Energieversorgung; denn die muss dabei genauso Berücksichtigung finden. Aber es ist einfach auch vernünftig, auf diesem Weg voranzugehen.
Zu dem Bereich der Kultur. Die Kultur ist in Sachsen-Anhalt schön und reichhaltig. Das gilt sowohl für die Angebote als leider auch für die Probleme. Damit das Angebot schön und reichhaltig bleibt, wird es in dieser Legislaturperiode einen Kulturkonvent geben. Dabei kommen alle Beteiligten an einen Tisch und am Ende steht ein neues Landeskulturkonzept. Das ist wichtig für die Kultur im Lande; denn sie kann nur dann schön und reichhaltig bleiben, wenn sie auf sicheren Füßen steht.
Zum Bereich der Finanzen. Die Eckpunkte sind klar. Sachsen-Anhalt soll spätestens am Ende des Jahres 2019 finanziell auf eigenen Füßen stehen. Die Schuldenbremse ist in der Landeshaushaltsordnung verankert und wird umgesetzt. SachsenAnhalt wird zudem die steuerpolitische Stimme der Vernunft im Bund sein.
Angesichts der Geltung der Schuldenbremse für den Bund und für die Länder wird die Haushaltskonsolidierung im Bund und bei den Ländern natürlich Priorität vor eventuellen Vorhaben der Steuersenkung seitens des Bundes haben. Wir werden keine Steuersenkungsvorschläge mittragen, die dazu führen, dass der Ausgleich des Landeshaushalts bei uns erschwert wird. Deshalb sagen wir ganz klar: Schuldenabbau geht vor Steuergeschenken.