Protocol of the Session on May 12, 2011

- ich füge ein: hoffentlich -

„praktikablen Gesprächsleitfaden. Auf dieser Basis treffen die Eltern“

- die Eltern! -

„die Übertrittsentscheidung für ihre Kinder.“

Glauben Sie mir: Uns als CDU-Fraktion ist es gewiss nicht leichtgefallen, diese Eignungsfeststellung fallen zu lassen zugunsten eines weniger verbindlichen Beratungsgesprächs.

(Zustimmung von Frau Weiß, CDU)

Dennoch tragen wir den nun gefundenen Kompromiss jedenfalls mehrheitlich in der Fraktion mit in der Überzeugung, dass auch mit einer Pflichtberatung der Eltern die Sensibilität für die richtige Entscheidung zugunsten eines bestmöglichen schulischen Entwicklungsweges ihres Kindes gefördert wird.

Offensichtlich war - das hat sich in der Praxis ergeben - unsere eigene Erwartungshaltung gegenüber dem Instrument der Eignungsfeststellung zu hoch, wohl wissend, dass nach wie vor - das ist auch schon gesagt worden - deutlich mehr als 40 % eines Jahrganges die Grundschulen in Richtung Gymnasien verlassen, ohne dass diese 40 % plus x in jedem Fall eine Empfehlung dafür er

halten haben. - Die Steigerungsraten, die Sie, Herr Minister Dorgerloh, eben genannt haben, müssen wir uns noch einmal gemeinsam ansehen, die habe ich so nicht in Erinnerung.

(Frau Bull, DIE LINKE, lacht)

Die Eignungsfeststellung hat also auch aus unserer Sicht nicht die erhoffte Wirkung erzielt. Die jetzt vereinbarte Pflichtberatung ist schon vom Namen her ein verbindlicheres Instrument im Sinne der schulfachlichen Beratung, weil alle Eltern verpflichtet werden, an diesem Gespräch mit den Lehrkräften teilzunehmen.

Wir sollten uns also nicht auf die weicheren Formulierungen einlassen, die Sie in Ihrem Entwurf vorgeschlagen haben, sondern eine durchaus zwingende Regelung in das Schulgesetz aufnehmen.

Im Übrigen möchte ich Ihnen ins Stammbuch schreiben, dass Sie den Lehrerinnen und Lehrern an den Grundschulen - Sie haben dann versucht, es noch ein bisschen abzuschwächen - ein hanebüchen schlechtes Zeugnis ausstellen,

(Zustimmung bei der CDU)

wenn Sie Ihnen, wie Sie es in Ihrer Begründung getan haben, unterstellen, sie seien nicht in der Lage, eine verbindliche Laufbahnempfehlung an die Eltern zu richten. Dazu sage ich Ihnen: Unsere Grundschullehrer sind aufgrund ihrer guten Ausbildung sehr wohl befähigt, eine solche Empfehlung abzugeben. Das möchte ich ausdrücklich festhalten

(Zustimmung bei der CDU - Frau Dr. Klein, DIE LINKE, meldet sich zu Wort)

Wenn ich Grundschullehrer wäre, dann würde ich Ihnen sagen, dass das an eine Verunglimpfung grenzt, und zwar in einer richtig üblen Form.

(Zustimmung bei der CDU - Unruhe bei der LINKEN)

Herr Abgeordneter Weigelt - -

(Frau Dr. Klein, DIE LINKE: Am Ende!)

- Am Ende. Aber Sie sind bereits 49 Sekunden über der Zeit.

Die CDU-Fraktion wird sich aus den beschriebenen Gründen bei der Abstimmung über den Gesetzentwurf der Stimme enthalten, wohl wissend, dass sie eine Überweisung des Gesetzentwurfes an den Ausschuss nicht verhindern kann, was sie vielleicht auch gar nicht möchte, meine sehr verehrten Damen und Herren. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der CDU)

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Frage der Kollegin Frau Dr. Klein?

Frau Dr. Klein, ich vermute, Sie wollen intervenieren?

Nein, ich habe eine Frage, also eine Bemerkung und eine Frage. Ich meine, nach wie vor ist es leider Gottes so, dass die Mehrheit der Grundschullehrer Grundschullehrerinnen sind. Sie haben hier konsequent die männliche Form benutzt; aber das nur nebenbei.

Meine Frage ist, welche Folgen wird es für Eltern haben, wenn sie an diesen Pflichtgesprächen, die Sie einführen wollen, nicht teilnehmen? Es gibt ja unterschiedliche Gründe. Planen Sie dann Folgen, wenn sie nicht teilnehmen? Bekommen dann die Kinder keine Schullaufbahnempfehlung? Werden sie vorgeführt? In manchen Ländern gibt es dann auch Geldstrafen. Wie soll das dann aussehen?

Also, wissen Sie. Man sagt immer, es gebe keine dummen Fragen, sondern es gebe nur dumme Antworten. Ich muss Ihnen sagen: Ich unterstelle einmal, dass alle Eltern, die davon betroffen sind, an diesen Beratungen teilnehmen. Ich gehe nicht davon aus, dass man gleich mit der erhobenen Keule kommen und sagen muss: Wenn ihr nicht kommt... Ich gehe davon aus, dass dieses Angebot von den Eltern dankbar angenommen wird.

(Zustimmung bei der CDU - Herr Lange, DIE LINKE: Sie haben aber von Pflicht gespro- chen, nicht von Angebot!)

Vielen Dank, Herr Weigelt. - Für die Fraktion DIE LINKE spricht jetzt die Abgeordnete Frau Bull.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Schullaufbahnempfehlung oder genauer gesagt, die Verbindlichkeit der Schullaufbahnempfehlung ist die logische Konsequenz der Philosophie des gegliederten Schulsystems; denn sie ist der Türöffner dafür. Der Grundgedanke ist, dass man Kinder nur dann optimal fördern kann, wenn sie quasi in einer Lerngruppe zusammen sind, in der sie auf vermeintlich gleiche oder ähnliche Lernvoraussetzungen treffen.

Das Ganze nennt man „Lernen in homogenen Leistungsgruppen“. Das ist sehr umstritten. Wir haben in der vergangenen Legislaturperiode mehrere Male darum gestritten.

(Zuruf von Herrn Dr. Schellenberger, CDU)

DIE LINKE hält das gegliederte Schulsystem selbst für eine der größten Lernbarrieren. So wird es niemanden verwundern, dass wir gerade deshalb das Prozedere der verbindlichen Schullaufbahnempfehlung kritisieren.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Worin besteht unsere Kritik? - Prognose, meine Damen und Herren, ist immer ein sehr unsicheres Unterfangen, weil es eben um Menschen und nicht um Maschinen geht und weil der Entwicklungsprozess eines jeden Menschen immer verlaufs- und ergebnisoffen ist.

Menschen entwickeln sich bisweilen unerwartet. Das ist abhängig von Lehrerinnen und Lehrern - das hat Frau Professor Dalbert schon gesagt -, von der Motivation und vom Umfeld. Darüber hinaus sind Vorhersagen interessanterweise immer auch sehr stark abhängig von denjenigen, die die Prognosen anstellen.

Ein statistisches Indiz sind die so genannten Kompetenzbänder bei Pisa, die Auskunft darüber geben, dass sich in allen Schulformen gleiche Kompetenzstufen wiederfinden. Das ist immer verbunden mit Überforderungs- und Unterforderungssituationen.

Dennoch möchte ich, um nicht missverstanden zu werden, auch sagen: Entwicklungseinschätzungen sind unerlässlich für pädagogisches Handeln. Aber sie erfassen eben nur einen Ausschnitt, nämlich den derzeitigen Entwicklungsstand - wenn überhaupt - und seine Geschichte. Sie können aber nur eine vage Einschätzung davon geben, wie Potenziale in der Zukunft genutzt werden.

Eine pädagogische Diagnose kann immer nur als ein ständiger Prozess verstanden werden. Es ist eben keine Kritik an den Grundschullehrerinnen oder an irgendjemandem, dass er oder sie diese Prognose nicht treffen kann. Man kann sie genauso wenig treffen, wie ich jetzt das Wetter in 20 Jahren voraussagen kann.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN - Zuruf von Herrn Leimbach, CDU)

Das eigentlich Problematische ist die damit verbundene verbindliche Entscheidung über den Bildungsgang, meine Damen und Herren, weil damit über einen schmaleren oder einen breiteren Zugang zu Bildungsangeboten entschieden wird, und das eben zu einem Zeitpunkt, der extrem zu früh ist. Kinder werden auf ein Bildungsgleis gesetzt, von dem sie nicht so einfach wieder herunterkommen, eben weil die Schere ab diesem Zeitpunkt weit auseinandergeht. Das ist quasi ein Teufelskreis. Man kann es auch eine sich selbst erfüllende Prophezeiung nennen.

Vor diesem Hintergrund findet dieses Ansinnen der Fraktion GRÜNE unsere Zustimmung, das ist keine Frage. Ich möchte aber trotzdem in gewisser

kollegialer Weise kritisieren, weil ich denke, der Gesetzentwurf ist ein Stück weit auch halbherzig. Ich möchte sagen, warum, und zwei Probleme anreißen.

Zum einen muss sich mit der Abschaffung der verbindlichen Schullaufbahnempfehlung nach unserer Ansicht auch das Gymnasium verändern. Das so genannte Abschulen - in Anführungszeichen - ist für das Gymnasium relativ - ich bitte Sie, mich jetzt nicht misszuverstehen - komfortabel geregelt. Die Quote derer, die es nicht schaffen, ist ohnehin zu hoch.

Das heißt, wenn sich Kinder und Eltern dafür entscheiden, das Gymnasium zu besuchen, dann muss das Gymnasium diese Kinder auch annehmen, dann müssen sie auf eine Willkommenskultur, eine Willkommenslernkultur treffen.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Das Gymnasium muss sich damit sehr viel stärker auf Heterogenität einstellen als bisher, sonst haben wir Misserfolgserlebnisse vorprogrammiert. Mit anderen Worten: Die Abschaffung der Schullaufbahnempfehlung bleibt sonst ein zahnloser Tiger. Ich vermute, in gewisser Weise ist das auch das Kalkül der CDU. Denn zu den Gymnasien, meine Damen und Herren, finden Sie in der Koalitionsvereinbarung interessanterweise kein Wort.

Zweiter Punkt. Reformbedarf wird sich im Anschluss auch bei den Sekundarschulen ergeben. Sie werden also vor ziemlich großen Herausforderungen stehen. Auch die Gymnasien sind gefragt, die UN-Konvention für die Rechte behinderter Menschen umzusetzen. Die Monitoringstelle hat den Sekundarschulen hier die - in Anführungszeichen - Nachtwächterrolle zugeschrieben, wobei ich persönlich bezweifle, dass das in umfänglichem Maße in der gegliederten Struktur möglich ist.

Das heißt, Sie müssen dem etwas entgegensetzen. Die Sekundarschule muss in ihren Potenzialen aufgewertet werden. Öffnen Sie offensiv den Weg zum Abitur mit dem Besuch der Sekundarschule. Gleichen Sie die Bildungsgänge an.

(Zustimmung bei der LINKEN)