Darüber stimme ich als Erstes ab. Ich lasse zuerst über die Drs. 6/26 abstimmen. Wer ist für eine Überweisung in die Ausschüsse für Bildung und Kultur, für Arbeit und Soziales, für Recht, Verfassung und Gleichstellung und für Inneres? Sie haben keinen federführenden Ausschuss genannt. Das müssen wir auch noch fragen.
- Innenausschuss federführend. - Ist die Abstimmung jetzt allen klar? - Gut. Dann frage ich, wer für die Überweisung ist. - Das sind die Fraktionen DIE LINKE und GRÜNE. Wer ist gegen die Überweisung? - Das ist die Koalition. Die Ausschussüberweisung ist abgelehnt worden.
Dann lasse ich jetzt über den Änderungsantrag in der Drs. 6/51 zur Drs. 6/26 abstimmen. Wer stimmt dem Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und der SPD zu? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer stimmt dagegen? - Das sind die Fraktionen DIE LINKE und GRÜNE. Wer enthält sich der Stimme? - Niemand. Der Änderungsantrag ist angenommen worden.
Dann lasse ich jetzt über den Antrag in der geänderten Fassung abstimmen. Wer dem Antrag in der geänderten Fassung zustimmt, den bitte ich jetzt um das Kartenzeichen. - Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer stimmt dagegen? - Das sind Teile der Fraktion DIE LINKE und die Fraktion GRÜNE. Wer enthält sich der Stimme? - Das sind große Teile der Fraktion DIE LINKE. Damit ist der Antrag in der geänderten Fassung angenommen worden.
Ich lasse jetzt über die Drs. 6/38 abstimmen. Wir sind wieder bei der Frage, wer für die Überweisung in die genannten Ausschüsse unter der Federführung des Ausschuss für Inneres ist. Diejenigen bitte ich jetzt um das Kartenzeichen. - Das sind die Fraktionen DIE LINKE und GRÜNE. Wer stimmt dagegen? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Damit ist die Überweisung abgelehnt worden.
Ich lasse jetzt über den Änderungsantrag in der Drs. 6/53 zur Drs. 6/38 abstimmen. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer stimmt dagegen? - Das sind die Fraktionen DIE LINKE und GRÜNE. Damit ist der Änderungsantrag angenommen worden.
Dann lasse ich jetzt über den Antrag in der geänderten Fassung abstimmen. Wer dem Antrag in der geänderten Fassung zustimmt, den bitte ich jetzt um das Kartenzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Das sind Teile der Fraktion DIE LINKE und die Fraktion GRÜNE. Wer enthält sich der Stimme? - Teile der Fraktion DIE LINKE. Damit ist der Antrag angenommen worden. Vielen Dank.
Einbringerin ist Frau Quade von der Fraktion DIE LINKE. Frau Quade, Sie haben das Wort. Frau Quade, Sie halten auch Ihre erste Rede.
Danke. - Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als Parlamentsneuling - es wurde eben gesagt - habe ich mir in der Vorbereitung einige Debatten des Landtages der vergangenen Legislaturperiode angeschaut, so auch die in vielerlei Hinsicht interessante Debatte der Sitzung des Landtages im Februar 2011 zum gemeinsamen Antrag aller Fraktionen mit dem Titel „Sachsen-Anhalt weltoffen und tolerant“, in der der damalige Ministerpräsident Professor Dr. Böhmer den, wie ich finde, in vielerlei Hinsicht bemerkenswerten Satz prägte, dass - ich zitiere - „wir die Weltoffenheit wahrscheinlich mehr brauchen als die Welt uns“.
Angesichts eines möglichen Einzugs der neonazistischen NPD in den Landtag - wir sprachen eben darüber - wurde an dieser Stelle viel über die demokratische Verfasstheit Sachsen-Anhalts geredet und es gab in dieser Debatte nicht einen Redner und nicht eine Rednerin, der oder die nicht auf den gesellschaftlichen Wert und auf die demokratische Verpflichtung zur Weltoffenheit verwiesen hätte.
Daran möchte ich erinnern, wenn wir über den Antrag meiner Fraktion zum Beitrag des Landes Sachsen-Anhalt zum Schutz von Flüchtlingen aus Nordafrika und dem Nahen Osten reden. Denn das Bekenntnis zur Weltoffenheit verkommt zur hohlen
Phrase, wenn es nicht auch Ausgangspunkt für Engagement und Verantwortungsübernahme des Landes in Sachen Flüchtlingspolitik ist.
Wenn ich mir, mit der Aussage von Professor Dr. Böhmer im Kopf, die Situation in Nordafrika und an den Grenzen Europas anschaue, dann stelle ich fest, dass es zumindest in diesem Fall anders sein dürfte. Auch das Land Sachsen-Anhalt ist in der Pflicht, einen Beitrag zum Schutz von Flüchtlingen zu leisten, und dieser Beitrag wird sehr wohl sehr dringend gebraucht.
Meine Damen und Herren! Wir alle kennen die schrecklichen Bilder, die uns seit Wochen erreichen. Bei dem Versuch, das Mittelmeer von Libyen aus zu überqueren, geraten immer wieder Boote in Seenot und zahlreiche Menschen sterben bei dem Versuch, die Grenzen der Festung Europa zu überwinden. In der letzten Woche kam es zu einer der größten bekannten Tragödien im Mittelmeer. Ein Boot mit mehr als 600 Flüchtlingen an Bord sank kurz nach dem Ablegen von libyschem Staatsgebiet. Es ist davon auszugehen, dass die meisten dieser Menschen ertrunken sind. 16 Leichen wurden bisher geborgen, unter ihnen Frauen und Kinder.
Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl kritisiert, wie ich finde, sehr zu Recht - ich darf zitieren -:
„Eine hochgerüstete Armada aus Nato, Verbänden der europäischen Grenzschutzagentur Frontex sowie der EU-Mitgliedstaaten betreibt eine weitgehend lückenlose Überwachung der libyschen Seegrenzen und Häfen, registriert jede Schiffsbewegung und schaut dennoch zu, wie fliehende Menschen auf seeuntüchtigen Booten verdursten, verhungern und ertrinken.“
Meine Damen und Herren! Wir alle kennen auch die Bilder von der italienischen Insel Lampedusa und an niemanden von uns dürften die wiederholten Appelle, Bitten und Forderungen der EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström an alle Mitgliedstaaten der EU nach Solidarität und Aufnahme der Flüchtlinge aus Nordafrika vorbeigegangen sein. Dennoch ist bislang kaum etwas geschehen. Im Gegenteil, angesichts der zu erwartenden und mittlerweile tatsächlich bereits eingetretenen Flüchtlingsströme erlebten und erleben wir eine Debatte darüber, wie sich Europa noch besser abschotten könne.
Da werden Menschen dafür verurteilt, dass sie flüchten, statt die Übergangsprozesse mitzugestalten, am demokratischen Aufbruch und am Aufbau ihrer Länder mitzuwirken. Das ist nicht nur eine Anmaßung aus der wohlfeilen, sicheren Perspektive der ersten Welt, es ignoriert auch die Spezifik der Flüchtlinge in den Grenzregionen zwischen Li
byen, Tunesien und Ägypten. Denn es sind eben nicht nur Libyer, Tunesier und Ägypter, die auf der Flucht aus diesem Gebiet sind. Im Gegenteil, es sind Flüchtlinge aus anderen afrikanischen Bürgerkriegsgebieten wie Somalia und Eritrea, aber auch Staaten im Nahen und Mittleren Osten, die auf ihrer Flucht notwendigerweise diese Regionen passieren.
Statt die durch das Zurückdrängen von Booten aus internationalen Gewässern in libysches Hoheitsgebiet stattgefundenen Verstöße der Regierung Berlusconi gegen die Europäische Menschenrechtskonvention zu verurteilen, wurde und wird über die Möglichkeiten, die Grenzen Europas dichtzumachen, räsoniert und erwogen, das SchengenAbkommen außer Kraft zu setzen und Grenzkontrollen innerhalb Europas wieder einzuführen.
Die bayerische Landesregierung zeigte sich empört, als angesichts der zunehmenden Flüchtlingsströme an die europäische Verantwortung appelliert wurde, und kündigte Grenzkontrollen an. Ja, auch die nur kurze Zeit zuvor erfolgte Ankündigung des CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer, Deutschland bis zur letzten Patrone vor Zuwanderung in die deutschen Sozialsysteme schützen zu wollen, lässt sich von dieser Debatte um die Flüchtlinge in Nordafrika nicht trennen.
Die allgemeine Untätigkeit in weiten Teilen der EU und in der BRD in Sachen Flüchtlingsaufnahme finde ich nicht hinnehmbar. Denn die allseits geäußerte Freude über die und das Lob der demokratischen Bestrebungen in den nordafrikanischen Staaten bleiben Lippenbekenntnisse, wenn denjenigen, die angesichts der humanitären Notlage in den Grenzregionen zwischen Libyen, Tunesien und Ägypten zur Flucht gezwungen sind, die Zuflucht und der vorübergehende Schutz in Europa verwehrt werden.
Die BRD und mit ihr das Land Sachsen-Anhalt sind diesbezüglich nicht nur in einer humanitären Pflicht, sie sind auch in einer demokratischen; denn das Recht auf Asyl und Schutz sind grundlegende Werte der Demokratie.
Wir sehen ganz klar die Bundesregierung in der Pflicht, dem Schicksal dieser Menschen nicht länger gleichgültig gegenüberzustehen und ihren
sicheren Transit in die EU zu unterstützen. Das Land Sachsen-Anhalt sollte genau dies einfordern und kann zudem selbst einen Beitrag zum Schutz dieser Flüchtlinge leisten, indem es sich an der Aufnahme der vom UN-Flüchtlingshochkommissariat registrierten Flüchtlinge in Libyen beteiligt und in Abstimmung mit der Europäischen Union und selbstverständlich der Bundesregierung selbst Kapazitäten für die Aufnahme Schutzsuchender zur Verfügung stellt.
Meine Damen und Herren! Ein solcher Beschluss dieses Hohen Hauses am heutigen Tage wäre angesichts der heute in Brüssel stattfindenden Aussprache der EU-Innenminister ein wichtiges Signal und entspräche bei Weitem nicht nur dem Willen meiner Fraktion. Das UN-Flüchtlingshochkommissariat appellierte erst gestern wieder an die europäische Gemeinschaft, Aufnahmeplätze für schutzbedürftige Sub-Sahara-Flüchtlinge zur Verfügung zu stellen und für sie die Option des Resettlement, also der Neuansiedlung aus einem Erstzufluchtsland in einem Drittland, als derzeit einzige verbleibende Schutzalternative zu eröffnen. Vor allem aber wäre es ein Akt der Humanität.
In diesem Sinne geht es mit unserem Antrag in erster Linie um einen konkreten Beitrag SachsenAnhalts zum Schutz von Flüchtlingen aus Nordafrika. Zugleich geht es aber auch um Europas und damit auch Deutschlands Rückerlangung von Glaubwürdigkeit in Menschenrechtsfragen. Sachsen-Anhalt kann dazu heute einen Beitrag leisten. Und - dies will ich zuletzt auch bemerken - ein Sachsen-Anhalt, das sich seiner Verantwortung in Europa und in der Welt bewusst ist, würde der derzeit in Sachsen-Anhalt wie in allen Bundesländern stattfindenden Europawoche einen wahrhaft europäischen Charakter verleihen. - Vielen Dank.
Wir treten jetzt in die Debatte ein, fünf Minuten je Fraktion. Für die Landesregierung spricht als Erstes Herr Minister Stahlknecht. Herr Stahlknecht, es ist nicht Ihre erste Rede in diesem Haus, aber Ihre erste Rede als Minister. Viel Glück, alles Gute!
Herzlichen Dank, Herr Präsident. - Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal gilt, auch wenn am Ende ein abweichender Änderungsantrag vorliegt, den ich unterstützen würde, der Dank Ihnen, dass wir uns heute dieses Themas annehmen und gemeinsam darüber sprechen, und Dank auch an die Einbringerin.
Der Bürgerkrieg in Libyen hat zu einer großen Fluchtbewegung in die Nachbarländer geführt. Lassen Sie mich einige Fakten zur aktuellen Migrationssituation im Mittelmeerraum nennen. Nach Angaben der internationalen Organisation für Migration sind bisher etwa 700 000 Menschen in die Nachbarländer geflohen. Hierunter sind etwa 220 000 Libyer, etwa 260 000 drittstaatsangehörige Gastarbeiter und gut 200 000 Gastarbeiter, die direkt in ihre Heimatländer, zum Beispiel Ägypten, zurückgekehrt sind. Hauptaufnahmeländer sind Tunesien und Ägypten mit etwa 330 000 bzw. 260 000 aufgenommenen Flüchtlingen bzw. zurückgekehrten eigenen Staatsangehörigen.
Die Europäische Union, meine Damen und Herren, versucht durch eine intensive Zusammenarbeit mit Ägypten und Tunesien, die Situation der Flüchtlinge zu verbessern und hat bisher 85 Millionen € - das ist der Stand vom April 2011 - für humanitäre Hilfe zur Verfügung gestellt. Der Schwerpunkt der Unterstützungsleistungen muss aufgrund der tatsächlichen Gegebenheiten auch in den betroffenen Nachbarstaaten liegen.
Das Ziel der überwiegenden Zahl der geflüchteten Drittstaatsangehörigen dürfte die schnelle Rückkehr in ihr jeweiliges Heimatland sein. Hier haben internationale Organisationen wie der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen und die bereits von mir genannte Organisation IOM auch mithilfe der Europäischen Union und ihrer Mitgliedstaaten bereits viel geleistet. So konnten etwa 130 000 Drittstaatsangehörige, also etwa die Hälfte der Flüchtlinge, in ihre Heimatländer weiterreisen. Ägypten und Tunesien konnten, Gott sei Dank, so spürbar entlastet werden.
Die Landesregierung teilte die Sorge um das Schicksal von Flüchtlingen aus Libyen. Das zeigen schon die wiederholten Schiffsunglücke, die immer wieder vielen Menschen das Leben kosten. Allerdings ist der Antrag der Fraktion DIE LINKE nicht geeignet zur Lösung dieser Situation, zumindest nicht aus Landessicht. So soll mit dem vorliegenden Antrag unter anderem der Landtag die Bundesregierung auf das Schicksal der Flüchtlinge in Libyen aufmerksam machen. Die Redundanz, meine Damen und Herren, dieser Forderung ist offensichtlich.