Protocol of the Session on October 7, 2011

- Das habe ich schon öfter mitgekriegt, auch bei meinen Freunden. Ich dachte, das dauert doch noch ein bisschen, und es stimmte mich nachdenklich, dass das offenbar die einzige Perspektive ist.

Aber es ist trotzdem eine wichtige Frage, was man bekommt und wie man lebt, wenn man nicht mehr berufstätig ist oder sein kann.

Richtig ist auch, was Frau Dirlich angemahnt hat, dass es 21 Jahre nach der Wiederherstellung der deutschen Einheit immer noch nicht gelungen ist, die Renten in Ost und West, was Lebensleistung und Ähnliches angeht, anzugleichen. Mittlerweile haben das alle Parteien in ihrem Wahlprogramm - ich kenne keine, bei der es nicht so ist -; alle Parteien verfolgen dieses Ziel.

Ich will dann auf etwas eingehen, was Sie am Ende gesagt haben; sonst kann ich mich hier relativ kurzfassen. Ein solches Thema geht ja jeder aus der eigenen Betroffenheit heraus an.

Mich hat immer die Frage beschäftigt, ob es eine Gerechtigkeit gibt, wenn man die Renten in Ost und West betrachtet. Dann stellt man immer fest, dass es eine solche nicht gibt. Wir haben immer noch die zu DDR-Zeiten Geschiedenen, die nicht gut behandelt werden. Wir haben manche Künstlerversicherungen.

Wenn ich mich selbst betrachte, dann muss ich sagen: Ein Glück, dass ich seit 1994 im Landtag bin. Ich hatte nach 22 Jahren Rentenanwartschaft bis zu dem Zeitpunkt Ansprüche von umgerechnet 210 € erworben; denn als kirchlicher Mitarbeiter hat man nur ein geringes Einkommen bezogen und konnte sich auch nicht zusätzlich versichern.

Dass ich Glück hatte, will ich nicht in Abrede stellen; denn ich kenne Kollegen, die aus dem kirchlichen Dienst ausgeschieden sind und zurzeit eine Rente beziehen, die noch weit unter dem von mir genannten Betrag liegt; sie sind auf Grundsicherung im Alter angewiesen.

Meines Erachtens wird es keine Gerechtigkeit in dem Sinne geben können, dass man alles ausgleichen kann, was vorher an Lebensleistung erbracht worden ist oder auch verhindert worden ist; das weiß man ja gar nicht. Das größere Glück ist trotzdem die Einheit gewesen. Zumindest war der Weg richtig, auch was die Höherbewertung an

geht, damit man mit der Rente einigermaßen leben kann.

Die Angleichung aber ist eine Herausforderung. Nach 20 Jahren sind diese Unterschiede nicht mehr hinnehmbar. Daher denke ich, wir sollten uns das nach wie vor auf die Fahnen schreiben.

(Zustimmung von Frau Mittendorf, SPD)

Nun hat die Koalition in Berlin tatsächlich gesagt - das haben Sie auch ausgeführt -, in dieser Wahlperiode soll ein einheitliches Rentensystem in Ost und West geschaffen werden.

Von der Idee, man könne das in einem Handstreich umstellen, hat man Abstand genommen, weil alle festgestellt haben, dass wir hier dann erst richtig benachteiligt wären. In der Zwischenzeit sind sehr viele Vorschläge gemacht worden, die mehr oder weniger ausgereift ist.

Der letzte Vorschlag, den Sie auch genannt haben, kam von den Gewerkschaften, den Wohlfahrtsverbänden, von Fachpolitikern, teilweise auch von Arbeitgebern - es haben sich dem nicht alle angeschlossen - und sah eine steuerfinanzierte Angleichung vor. Aber auch dagegen gibt es Bedenken, die ich nennen will.

Die Bundesregierung hat am 7. September 2011 den Regierungsdialog Rente als breit angelegten offenen Diskussionsprozess initiiert, an dem alle Vertreter, die Sie eben genannt haben, beteiligt werden sollen, nämlich die Fachpolitiker, die Wohlfahrtsverbände, die Gewerkschaften, die Arbeitgeber und auch anlassbezogene weitere Institutionen und Akteure, die Menschen vertreten, die außerhalb des Wirtschaftsprozesses ihre Arbeitsleistung erbracht haben.

Ziel dieses Diskussionsprozess ist es, bis Anfang 2012 ein Gesetzgebungsverfahren zur Rentenangleichung in Gang zu bringen und ein Inkrafttreten der Regelung zum 1. Januar 2013 zu bewerkstelligen.

In Vorbereitung auf die Arbeits- und Sozialministerkonferenz, die am 23. und 24. November 2011 stattfindet, liegt ein Antrag aller Länder vor, in dem die Bundesregierung aufgefordert wird, auch die Länder in den Regierungsdialog mit einzubeziehen. Das ist bisher nämlich nicht vorgesehen.

Ich will erst einmal abwarten, in welcher Weise die Länder einbezogen werden, und dann sehen, ob man den Vorschlag, den Sie jetzt mit Ihrem Antrag unterbreiten, in dieser Art mitgehen kann.

Im Übrigen hat die SPD eine Große Anfrage unter der Überschrift „20 Jahre Rentenüberleitung - Perspektiven für die Schaffung eines einheitlichen Rentenrechts in Deutschland - an die Bundesregierung gerichtet. Die Anfrage stammt vom April dieses Jahres und die Antwort der Bundesregierung soll in Kürze vorliegen.

Kurz zu dem vorliegenden Antrag, der einen steuerfinanzierten stufenweisen Zuschlag als Ausgleich vorsieht. Man kann es ja so machen, wie Sie es vorschlagen. Aber es gibt Bedenken, die darin bestehen, dass dieser Vorschlag nicht die Heterogenität, also die Unterschiedlichkeit der Entgelt- und Einkommensstrukturen in Ost und West berücksichtigt. Insoweit spielt auch die Steuer eine Rolle. Wie sind die Einkommensverhältnisse in Ost und West? Sind sie regional unterschiedlich und wird das berücksichtigt?

Vor allen Dingen ist nicht ersichtlich, wie die Anpassung des aktuellen Rentenwertes erfolgen soll; denn wenn das weiterhin auf der Basis des Wertes im Westen berechnet wird, sind die Ungerechtigkeiten in ein paar Jahren erneut vorhanden.

Man muss sich also mit dem System genauer auskennen. Ich habe es, ehrlich gesagt, aufgegeben, mich persönlich da tief hineinzubegeben; denn das ist viel zu differenziert. Aber die Abkoppelung der Rentenangleichung - man könnte das ja in einer kürzeren Zeit machen - von der Lohn- und Einkommensentwicklung würde im Hinblick auf die unterschiedliche Leistung auch wieder zu sozialen Ungerechtigkeiten gegenüber Erwerbstätigen führen.

Man kann das für eine gewisse Zeit machen. Aber man muss es dann wieder an die Lohn- und Einkommensentwicklung koppeln. Oder man müsste generell auf eine Steuerfinanzierung umstellen, die wir bisher nicht so kennen.

Ich sage zu, dass wir am Ball bleiben. Ich werde, wenn es gewünscht wird, auch regelmäßig im Ausschuss berichten. Eine gesamtdeutsche Lösung, bei der niemand in Ost und West benachteiligt wird, ist Voraussetzung dafür, dass man eine Mehrheit findet.

(Zustimmung von Herrn Schröder, CDU)

Daher glaube ich, dass ich mit dem Änderungsantrag besser leben kann. Er versetzt uns doch in die Lage, als Land aktiv an dem Prozess des Regierungsdialogs Rente teilzunehmen. - Danke schön.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Danke sehr, Herr Minister. - Es ist eine Debatte mit fünf Minuten Redzeit je Fraktion vereinbart worden.

(Frau Dr. Klein, DIE LINKE: Ich hatte mich gemeldet, weil ich eine Frage stellen wollte!)

Es gibt eine Nachfrage, Herr Bischoff. - Frau Dr. Klein, bitte sehr.

Danke, Frau Präsidentin. - Herr Minister, Ihr letzter Satz, dass Sie mit dem Änderungsantrag der

Koalitionsfraktionen besser leben können, verleitet mich dazu nachzufragen. Ich habe die konkrete Frage: Wie stehen Sie zu dem Satz - das ist der zweite Punkt in dem Änderungsantrag -:

„... sich dafür einzusetzen, dass Niedrigverdiener, die ihr Leben lang gearbeitet und vorgesorgt haben, im Alter besser gestellt werden als diejenigen, die wenig gearbeitet und sich nicht um ihre Alterssicherung gekümmert haben.“

Es gibt sehr unterschiedliche Gründe dafür, dass Menschen manchmal nicht arbeiten und auch keine Alterssicherung aufbauen können. Ich würde gern wissen, wie Sie dazu stehen.

Die generelle Aussage ist erst einmal richtig. Aber ich halte es auch für richtig, es differenziert zu betrachten. Ich bin zunächst bei dem ersten Punkt hängen geblieben, weil das eher mit Ihrem Antrag in Zusammenhang steht, bei dem es um eine Angleichung durch ein steuerfinanziertes Modell geht.

Mit dem zweiten Punkt muss man sich auch intensiver beschäftigen. Vom Grundansatz her ist es richtig, dass man auch diejenigen nicht benachteiligen darf, die gearbeitet und Vorsorge betrieben haben.

Es gibt natürlich auch andere Lebensumstände, die berücksichtigt werden müssen. Ich denke daran, dass wir im Osten zurzeit eine Altersarmutsfalle haben. Vor ein paar Wochen wurde eine statistische Zahl veröffentlicht, die ich mit kommentiert habe.

Bei der Rentenberechnung liegt der Osten zurzeit über dem Rentendurchschnitt des Westens. Wir waren da sogar besser dran. Aber das ändert sich in den nächsten 20 Jahren rasant, weil die Bevölkerungsgruppe in Rente geht, die durch Langzeitarbeitslosigkeit, Ein-Euro-Jobs und Ähnliches geprägt war und für die wir keine Lösung haben, durch die wir das ausgleichen können. Das war eher das Thema für mich. Unter diesem Aspekt hatte ich das gesehen.

Darf ich eine Nachfrage stellen? - Es geht hier um die Angleichung der Ost- und Westrenten. Man muss auch im Blick haben, dass bestimmte Ausbildungszeiten und Ähnliches nicht für die Rente anerkannt werden. Es gibt natürlich auch Leute, die durchaus gearbeitet haben, aber denen allein zehn Jahre fehlen, weil sie eine Ausbildung gemacht haben. Da konnten sie nicht für die Rente vorsorgen. So etwas gab es zu DDR-Zeiten halt nicht. Die werden bei solch einer Sichtweise bestraft. Ich glaube, man muss sehr differenziert her

angehen, wenn in der Koalition eine solche Formulierung gewählt wird.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich will das jetzt nicht kommentieren. Wenn ich meinen eigenen Lebensweg betrachte, dann, denke ich, wird es ähnlich sein.

Danke, Herr Minister. - Für die CDU-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Rotter. Die Landesregierung hat ihre Redezeit um fast zwei Minuten überzogen. Diese stehen Ihnen zusätzlich zur Verfügung; das muss aber nicht genutzt werden.

Ich werde mich bemühen, Frau Präsidentin. - Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unter dem Titel „Gerechte Angleichung der Renten in Ostdeutschland“ liegt uns ein Antrag der Fraktion DIE LINKE vor, der auf eine schnelle und gerechte Angleichung der Renten in Ost und West abzielt. Dass eine Angleichung von Ost und West gebraucht wird und nach mehr als 20 Jahren nach der Wiedervereinigung unseres Vaterlandes längst überfällig ist, darin sind sich die Vertreter aller auch im Bundestag vertretenen Parteien einig.

Es besteht Handlungsbedarf, um die deutsche Einheit endlich auch im Rentenrecht zu vollenden. Ich glaube sagen zu dürfen, auch hier in diesem Hohen Haus wird dies so gesehen. Ausdruck dafür sind auch die Verankerung des Vorhabens einer zeitnahen Angleichung der Ostrenten an die Westrenten und die Festschreibung eines einheitlichen und zukunftsfesten Rentenrahmens im Koalitionsvertrag.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sollten uns darüber im Klaren sein, dass dies nicht so einfach zu erreichen sein wird. Die Rentenangleichung zwischen Ost und West ist eine sehr komplexe Materie, bei deren Behandlung konsensorientiert und sehr sensibel vorgegangen werden muss. Auch wenn es ziemlich abgedroschen klingt: Auch hierbei muss die Qualität der Ausführungen vor Geschwindigkeit gehen.

(Frau Dr. Klein, DIE LINKE: Das merken wir seit 20 Jahren! - Herr Czeke, DIE LINKE: Gut Ding will Weile haben!)

- Leute! - Es darf auf keinen Fall dazu führen, dass neue Gerechtigkeitsverwerfungen im System entstehen.

(Frau Dr. Klein, DIE LINKE: Keine Hektik!)

- Ich sollte mich beeilen. - Es darf auf keinen Fall dazu führen, dass Rentnerinnen und Rentner im

Osten unseres vereinten Vaterlandes schlechter gestellt werden. Würde man den Vorschlägen der LINKEN folgen, würde aber genau das eintreten.