Protocol of the Session on October 7, 2011

Deswegen finde ich den sanierten Kindergarten zwar immer noch klasse, aber die Situation ist in Sachsen-Anhalt wie folgt: Es gibt auf der einen Seite Stark III und auf der anderen Seite reduzierte Finanzuweisungen an die Kommunen, die verhindern, dass diese aus der Konsolidierung herauskommen. Das heißt, wir entscheiden im Landeshaushalt über die kommunale Investitionstätigkeit. Das ist falsch, liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist eine Entmachtung der kommunalen Selbstverwaltung, und deswegen sind wir dagegen.

(Zustimmung bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Gehen wir weiter zu Stark III. Es gibt einen interessanten Haushaltsansatz - das ist der einzige, den ich jetzt einmal herausnehme -, in dem die Belastungen für dieses Stark-III-Programm aufgelistet sind. Nur für die Erstattung der Zinsen des kommunalen Anteils, der jetzt, wie ich hörte, auf 30 % gesenkt werden soll, und die Verwaltungskosten der Investitionsbank sind es im Jahr 2012 200 000 €, im Jahr 2013 1,6 Millionen €, im Jahr 2015 sollen es schon 4,3 Millionen € sein und in der Summe 167 Millionen € Zinserstattung für den kommunalen Anteil und für die IB. Ich frage mich: Bitte, was ist das für ein Programm? Welches Volumen steckt denn darin? Was soll denn die IB davon abkriegen?

Deswegen sage ich noch einmal ganz deutlich: Ein Programm in dieser Dimension muss in diesem Raum hier entschieden werden. Wir müssen als Landtag darüber entscheiden: Wie sind die Zugangsvoraussetzungen, wie sind die Kofinanzierungsbedingungen, wie ist die Ausführung dieses Programms?

Deswegen plädieren wir dafür, Stark III nicht nur in diesem Haushalt zu verankern. Für Stark III brauchen wir ein Gesetz - so wie wir schon für Stark II ein Gesetz gebraucht hätten und wie wir für Stark IV ein Gesetz brauchen. Dann haben wir unsere Haushaltshoheit verteidigt, sonst nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Angesichts dieser Zahlen wäre es für uns übrigens außerordentlich interessant, wieder eine Kostenaufstellung darüber zu bekommen, was die IB bei einer sinkenden Investitionsquote eigentlich aus dem Landeshaushalt an Geld zu erwarten hat. Im letzten Jahr haben wir diese Übersicht noch bekommen, diesmal ist sie eigenartigerweise nicht

dabei. Ein Schelm, der Böses dabei denkt. Wir werden noch keine Rückschlüsse daraus ziehen, wir werden uns dann einmal anschauen, was aus dem Finanzministerium dazu kommt.

(Minister Herr Bullerjahn: Böswillig!)

- Ich habe gerade gesagt, dass ich an der Stelle mal nicht böswillig war, Herr Bullerjahn. - Das vielleicht dazu.

Noch ein kleiner Hinweis. Es mag sein, dass der Eckwertebeschluss der Landesregierung für die Haushaltsplanaufstellung wichtig war, und es mag auch sein, dass Anlagen für den Eckwertebeschluss wichtig waren. Aber jetzt ist der Haushalt hier bei uns, jetzt ist er im Parlament. Deswegen ist es falsch, in diesen Haushalt als Begründung für Ansätze „laut Eckwertebeschluss“ oder „laut Eckwertebeschluss Anlage 3“ zu schreiben. Das muss die Landesregierung verstehen.

Der Eckwertebeschluss hat jetzt keine Bedeutung mehr, deswegen gehört er nicht in den Haushaltsplan. Wir sind jetzt Herr des Verfahrens. Entweder Sie machen den Eckwertebeschluss Ihres Kabinetts zur Anlage dieses Haushaltsplans oder Sie legen uns einen Haushaltsplan vor, in dem solch ein Verweis nicht enthalten ist. Dann können uns die Leute das einmal richtig erklären. Das ist eine interessante Vorlage innerhalb der Landesregierung gewesen. Interessant, wie Sie sich intern abstimmen, aber uns interessiert es nicht.

(Zuruf von Minister Herrn Bullerjahn)

Wir wollen einen Haushalt haben und darin muss stehen, wie die Dinge dort hineinkommen. - Danke so weit.

(Zustimmung bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Kommen wir zum nächsten Problem. Wie orientiert sich das Land bezüglich der zentralen Herausforderung der Entwicklung einer Bildung, der zentralen sozialen Frage in diesem Land, die wir zumindest im Landeshaushalt realisieren können?

Beispiel Kindertagesstätten. Wir finden es zunächst einmal gut, dass der Ganztagsanspruch für alle Kinder, unabhängig von dem Status ihrer Eltern, sich inzwischen offensichtlich zumindest auf der Ebene der Überschrift zu einem politischen Konsens entwickelt hat. Herr Bullerjahn, Sie haben sich heute stark selbst gelobt. Ich fand das gut, das hat Ihre Redezeit ausgedehnt.

An dieser Stelle möchten wir noch einmal sagen: Auch das ist ausdrücklich unser Erfolg. Wir standen einmal ziemlich allein. Wir haben es geschafft, die gesellschaftliche Mehrheit zu verändern und diesen Konsens herbeizuführen. Auch das ist Grund zur Freude, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Aber jetzt geht die Sache in die Realität und da ist die Frage der Überschriften nicht mehr entscheidend, sondern jetzt geht es an das Eingemachte. Erstens gab es folgende Vorstellung des Finanzministers: Ja, wir machen das, aber wir quetschen das - zum Teil zumindest - aus dem System heraus, da ist ja noch Luft. - Nein, in diesem System ist überhaupt keine Luft mehr. Das System Kindertagesstätte ist extrem auf Kante genäht.

Jetzt kommt das nächste Problem hinzu. Das sehe ich ausdrücklich mit gemischten Gefühlen. Es gibt erste Beschlüsse auf kommunaler Ebene, die besagen: Wenn ihr eine Ganztagsbetreuung wollt, könnt ihr das machen, aber bitte ohne uns, bezahlt uns das vollständig, mit 100 %.

Dazu sage ich: Dafür habe ich außerordentlich beschränkt Verständnis. Das kann ich nicht akzeptieren, denn das ist immer noch eine kommunale Aufgabe. Die Kommunen beschweren sich, dass wir ihnen nun die Standards vorschreiben, aber es muss zwischen Land und Kommunen ein Miteinander geben. Zu sagen: „Uns geht die Kinderbetreuung nichts an“, ist aus kommunaler Perspektive falsch, aber wir haben das Problem auf dem Tisch.

Nun kommt etwas hinzu, was wir im Grunde alle schon seit Jahren wissen, über das aber außer uns kaum jemand gesprochen hat. Ich kenne auch die Erfolgsmeldung „die beste und schönste Kinderbetreuung weltweit“ - zumindest in der Bundesrepublik, um es nicht zu übertreiben.

(Herr Borgwardt, CDU: Das stimmt doch aber auch!)

- Das stimmt nur an einer Stelle, Herr Borgwardt, und zwar was die Quantität der Nutzung anbelangt. Schauen Sie sich einmal die letzte Bertelsmann-Studie an, die sich mit der Qualität in den Kindertagesstätten beschäftigt hat. Wissen Sie, was die Aussage darin ist, Herr Borgwardt?

Bei den qualitativen Standards in den Kindertagesstätten haben wir die rote Laterne innerhalb der Bundesrepublik Deutschland. Wir haben den schlechtesten Betreuerschlüssel, wir haben die schlechteste Personalausstattung, wir haben die schlechteste Rahmensicherstellung in den Kindertagesstätten.

(Widerspruch bei der CDU)

- Lesen Sie sich die Bertelsmann-Studie durch! Das ist doch kein Blatt von uns, Herr Daldrup.

(Zurufe von der CDU)

Das ist so. Wir haben in der Bundesrepublik Deutschland in den Kindertagesstätten den schlechtesten Betreuerschlüssel, wir haben die schlechtesten Rahmenbedingungen, um den Bildungsauftrag durchzusetzen. Das ist jetzt offenbar geworden. Diese Situation haben wir in Sachsen

Anhalt, und deswegen sehen wir auf einmal, dass wir Handlungsbedarf haben.

Ich sage noch einmal ausdrücklich, wir haben mit starkem Stirnrunzeln zur Kenntnis genommen, dass jetzt bei manchen solch eine Debatte einsetzt: Dann realisieren wir den Ganztagsanspruch mal nur ein bisschen und dann tun wir ein bisschen bei der Verbesserung des Betreuerschlüssels.

Dazu sage ich ausdrücklich Nein. Für uns existiert beides, und zwar unverhandelbar. Wir wollen den Ganztagsanspruch für alle Kinder, und zwar in Höhe von zehn Stunden - wir wissen, dass er in diesem Bereich gar nicht genutzt wird, aber vorbereiten müssen wir uns darauf -, garantiert ab dem Jahr 2013, spätestens aber ab dem Jahr 2016. Wir brauchen zusätzlich die Verbesserung der Arbeitsbedingungen in den Kindertagesstätten. Das sind unsere Forderungen. Sie stehen nebeneinander, sie sind gegeneinander nicht verhandelbar und das werden wir auch überall sagen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Zustimmung bei der LINKEN - Herr Schrö- der, CDU: Sparen lohnt sich ja nicht!)

Nun diskutieren Sie innerhalb der Koalition darüber, was das alles kosten wird. Das ist völlig legitim, denn die Dinge muss man sich ordentlich ausrechnen. Nur eines steht fest: 10 Millionen € für die letzten fünf Monate des Jahres 2013 reichen überhaupt nicht aus. Insofern können wir diesen Haushaltsansatz schon einmal völlig vergessen.

Kommen wir zu dem nächsten Punkt, der Frage der Herausforderungen des demografischen Wandels in unserem Land, der sich sehr stark in dem fehlenden Fachkräftenachwuchs abbildet. Es ist immer interessant, dass Politiker in unserem Land, vor allen Dingen der Landesregierung, dieses Thema permanent und andauernd artikulieren - mit einer Ausnahme: ihrem eigenen Zuständigkeitsbereich, nämlich der Entwicklung des Fachkräftepersonals im Landesdienst.

Dazu ist es notwendig, noch einmal einen Blick zurückzuwerfen. Personalentwicklungskonzept 2009, Beschluss: 800 Neueinstellungen pro Jahr im Land Sachsen-Anhalt in dieser Legislaturperiode. - Kollege Bullerjahn, es ist wirklich grenzenlos zu sagen: Es ist doch absurd und illusorisch, wenn ihr uns damals geglaubt habt. - Wenn Sie diese Position vertreten, wer soll Ihnen denn dann heute glauben?

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN)

Absurd und illusorisch, einem Kabinettsbeschluss zu glauben! Sich dann hier hinzustellen und zu sagen: „Ich habe euch aber gleich gesagt, dass der nicht ernst gemeint war“, das ist ein besonders

überzeugendes Argument eines Finanzministers, in dessen Zuständigkeit das Papier erstellt worden ist.

Nein, wir haben es hierbei mit einer dramatischen Entwicklung zu tun. Wir haben mit 800 Neueinstellungen gerechnet. Wir bleiben bei unserer Forderung von 1 000 Neueinstellungen bei einem jährlichen Abgang von 2 000 Menschen aus dem öffentlichen Dienst.

Das ist übrigens die Untergrenze, liebe Kollegen von der CDU, die Sie fordern müssten, wenn Sie Ihr Wahlprogramm ernst nehmen würden. Nach dem, was Sie dort alles über die Polizei oder über die Bildung hineingeschrieben haben, müssten Sie mindestens 1 000 Neueinstellungen realisieren. Aber das haben Sie den Leuten natürlich nicht gesagt. Deswegen haben Sie an dieser Stelle lieber gar keine Zahl genannt.

(Herr Borgwardt, CDU: Wenn man unter eu- res einen Strich zieht, können aber auch ein paar Nullen dran!)

Jetzt haben wir aber eine geänderte Situation. Für das Jahr 2012 haben wir einen Neueinstellungskorridor von etwa 400. Danach landen wir, weil die Aussage im Koalitionsvertrag nicht durchzuhalten gewesen ist, jetzt nicht bei maximal 400 Neueinstellungen im Jahr, sondern bei knapp 600. Diese Entwicklung war abzusehen.

Ich sage aber noch einmal deutlich: Es gibt nicht nur das Problem der numerischen Differenz zwischen unseren Forderungen und dem, was jetzt im Haushaltsplan steht. Wir haben noch ein völlig anderes Problem. Bei dem kleinen Einstellungskorridor, den wir vorher hatten, hatten wir tatsächlich die Situation, dass sage und schreibe 440 Stellen in der letzten Legislaturperiode nicht besetzt werden konnten. 440 Stellen schon bei dem kleinen Einstellungskorridor der letzten Legislaturperiode!

Jetzt gibt es einen Kabinettsbeschluss, der sagt: Ihr habt noch einmal die Chance, die Stellen zu besetzen, nämlich im Jahr 2012. Das hieße, wir hätten im Jahr 2012 einen Einstellungskorridor von etwa 850 Personen. Dazu sage ich: Hervorragend! - Wissen Sie, was das Problem ist? - Wir werden nie und nimmer in der Lage sein, ihn zu besetzen. Es gibt keine Nachausbildungsoffensive mehr, die Ausbildungskapazitäten innerhalb des Landesdienstes wurden radikal nach unten gefahren, es gibt keine qualifizierte Werbekampagne für Bewerber in unserem Land. Es reicht nicht, wenn man da irgendwann zu einem Stammtisch nach BadenWürttemberg fährt. Da braucht man eine qualifizierte Werbekampagne, wie andere es uns vormachen.

Wir werden nicht in der Lage sein, dieses Fachkräftepotenzial, das wir jetzt schon unbedingt brauchen, zu realisieren. Das ist das Problem. Das

sind die Sünden der letzten Jahre. Diese werden jetzt zuschlagen, und das Problem ist: Sie werden erst am Beginn der nächsten Legislaturperiode richtig sichtbar sein, und dann ist es zu spät.

Deswegen kämpfen wir wenigstens in dieser Legislaturperiode darum, dieses Delta aufzufüllen, mehr für die Werbung junger Leute zu machen, mehr für den Fachkräftenachwuchs zu tun. Denn das ist unsere Pflicht; ansonsten brauchen wir es den anderen nicht zu erzählen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Es gibt in diesem Haushaltsplan einige andere Probleme. Unter anderem das Problem, dass Strukturentscheidungen mit Haushaltsansätzen getroffen werden sollen, ohne dass sie schon in der Strategie vorgesehen waren, zum Beispiel beim Wissenschaftszentrum Wittenberg. Möglicherweise muss das so sein, aber dann müssen wir es hier erst einmal inhaltlich diskutieren, bevor wir es im Haushaltsplan realisieren.