Protocol of the Session on January 29, 2016

Genau.

(Zuruf von Herrn Borgwardt, CDU)

Ich finde, man muss den Wunsch der Eltern auch respektieren, wenn sie ein Gymnasium wählen.

Dann gibt es also einen kleineren Dissens, als wir dachten; aber auf jeden Fall wäre dann eines schon einmal geklärt. Es ist ja manchmal auch viel Unsinn in der öffentlichen Debatte, zum Beispiel steht der Vorwurf, dass die SPD das 13. Schuljahr an den Gymnasien einführen will, ebenfalls im Raum.

Aber der ist nicht von uns.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Das ist offensichtlich genauso falsch wie das andere, das im Raum steht.

(Herr Borgwardt, CDU: Genau, richtig!)

Deshalb ist es gut, wenn es zur Bildungspolitik einen großen Konsens in diesem Raum gibt und jeder klarstellt, was er wirklich meint.

Vielen Dank. Damit haben wir das geklärt. - Nun kommen wir zum Debattenbeitrag der Fraktion DIE LINKE. Der Abgeordnete Herr Lüderitz hat das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich werde versuchen, von dem Überflug, den Frau Budde eben über unser schönes Land und unsere lebenswerte Heimat gemacht hat, wieder zurück auf den Tagesordnungspunkt zu kommen,

(Zustimmung bei der LINKEN)

das ist nämlich die Regierungserklärung des Ministers für Landwirtschaft und Umwelt.

Vielleicht hätte es Ihnen etwas geholfen, wenn Sie einen Rückblick auf die vorherige Legislaturperiode gewagt hätten, den ich hier einmal nehmen möchte. Der Herr Minister hat am 11. November 2010 eine Regierungserklärung unter dem Titel „Die Umwelt unserer Heimat schützen“ abgegeben. Herr Minister, Sie haben sich damals auf den Bereich der Umwelt in Ihrem Bereich beschränkt und haben dies heute auf eine nachhaltige Politik im Bereich von Minister Herrn Webel erweitert. Nicht mehr und nicht weniger haben Sie hier getan. Aber Sie sind sich im Wesentlichen treugeblieben. Sie wählten eine fast ähnliche Redestruktur wie im Jahr 2010.

Eigentlich könnte ich auch meine alte Rede hervorholen, aber das werde ich nicht tun. Ich werde Sie, Herrn Dr. Aeikens, aber zumindest an Ihre Versprechungen aus dem Jahr 2010 erinnern. Diese haben Sie in Ihrer Rede wohl vergessen. Die liegt ja auch schon mehr als fünf Jahre zurück.

Ich zähle einfach auf, was Sie in dieser Wahlperiode alles nicht umgesetzt haben; einiges davon haben wir schon gehört. Erstens. Sie haben damals davon gesprochen, dass Sie in dieser jetzt zu Ende gehenden Legislaturperiode die Unesco-Anerkennung für das Biosphärenreservat Südharz einlösen werden. - Nicht umgesetzt.

(Herr Rosmeisl, CDU: Dann sagen Sie, war- um es nicht umgesetzt ist!)

- Ja, Herr Rosmeisl: wegen eines Kollegen aus Ihrer Partei.

(Zustimmung bei der LINKEN und bei den GRÜNEN - Herr Borgwardt, CDU: Sie sind nicht auf dem Laufenden!)

Zweitens die Entwicklung des Naturparks Drömling zu einem Biosphärenreservat. Auch hierbei sind wir erst am Beginn dieser möglichen Entwicklung. Es soll, wie gesagt, am Montag eingeleitet werden. - Auch das ist nicht erfüllt.

Drittens die rechtliche Sicherung der Natura-2000Gebiete - dazu von mir später noch etwas mehr. Hier bleibt festzuhalten: Das dauert noch bis mindestens 2019. - Versprechen nicht gehalten.

Viertens hatten Sie versprochen, den Flächenverbrauch zu reduzieren und ein Kompensationsmanagement einzuführen. Auch hier bleibt festzustellen: nicht umgesetzt.

Fünftens die Umweltbildung besser zu etablieren und verbindlich zu gestalten. Auch in diesem Bereich ist wenig Greifbares passiert.

Sechstens. Sie haben sich zu der damals schon von mir erwähnten sehr umfänglichen Zielstellung hinreißen lassen, die biologische Vielfalt zu erhalten. Das ist zugegebenermaßen ein sehr anspruchsvolles Versprechen. Die dafür erforderlichen personellen Voraussetzungen in Ihrem Bereich haben gefehlt, um dort wesentlich voranzukommen. Aber Sie haben in dieser Legislaturperiode den Veränderungen, die im PEK gefordert wurden, zugestimmt und sie mitgetragen. Deshalb müssen Sie auch damit leben, dass es in diesem Bereich eher rückwärts- als vorwärtsgeht.

Es ist natürlich gerade im Natur-, Wasser-, Umwelt- und Bodenschutz in Ihrem Bereich sehr schwierig, wenn im PEK Einwohnerzahlen zugrunde gelegt werden, die auf der Gesamteinwohnerzahl basieren, und sich der Personalschlüssel nicht an den fachlichen Aufgaben orientiert. Personalanforderungen in diesem Bereich müssen sich an der Fläche, den Flusskilometern oder den rechtlichen Kontrollvorgaben orientieren; nichts anderes geht. Dort sieht es leider nicht ganz so gut aus. Das Durchsteuern war eher eine Slalomfahrt bei sehr schlechter Sicht. Leider haben Sie dazu kein Wort verloren.

Es bleibt also festzuhalten: Mit den Versprechen aus dem Jahr 2010 war es nicht so weit her. Die Zielstellung wurde sechsmal nicht erreicht; zehn Ziele hatten Sie damals genannt.

(Zustimmung von Frau Tiedge, DIE LINKE, und von Frau Hunger, DIE LINKE)

In einigen Punkten haben Sie heute zumindest eine Verlängerung beantragt. Das ist Ihr gutes Recht.

Nun zu Ihrer heutigen Regierungserklärung. Die Überschrift ist schon einmal nicht verkehrt. Man kann sie durchaus auch so interpretieren, wie es Frau Budde getan hat. Ich möchte versuchen, sie aus der Sicht eines Umweltpolitikers zu interpretieren; so wie auch Sie es getan haben.

Dass unser Land liebens- und lebenswert bleibt und noch lebenswerter wird, diesen Wunsch haben auch Sie, Herr Dr. Aeikens, geäußert, nur haben wir leider eine etwas andere Sichtweise auf das, was sich hinter einer nachhaltigen Politik verbirgt. Ihre Sichtweise kann man in dieser schönen bunten Broschüre, die wir vor wenigen Wochen erhalten haben, nachlesen. Nun kommt der Begriff Nachhaltigkeit im Titel nicht vor, trotzdem wurde, denke ich, dieses Heft unter genau diesem Aspekt geschrieben.

Was hat diese Landesregierung dem Land alles Gutes getan? Und: Es kann nur mit uns so gut und positiv weitergehen! - Auch das hätte man darüberschreiben können. Aber das trifft nicht ganz das, was darin steht. Einiges darin Aufgeschriebene ist schon etwas eigentümlich. Was man zum Beispiel in dem Abschnitt „Regionale Mobilität gestärkt“ ab Seite 31 nachlesen kann, hat mit nachhaltigen oder gar ökologischen Politikansätzen wenig zu tun.

(Zustimmung von Frau Tiedge, DIE LINKE, und von Frau Hunger, DIE LINKE)

Danach findet Verkehr im ländlichen Raum nur noch auf Autobahnen und Straßen statt, in erster Linie als Individualverkehr. Schon gar nicht gibt es etwas Konkretes zur Ausgestaltung des Personennahverkehrs in der Fläche; er wird wohl eher weniger, ist ja auch nicht erforderlich. Man kann den schönen Satz lesen: Gleichzeitig bleibt die ältere Generation länger mobil durch die Nutzung des eigenen Pkw. Dann kann man das Engagement des Landes noch weiter zurückschrauben. Irgendwie ist in Ihrem Hause, Herr Webel, die Definition einer nachhaltigen Politik nicht angekommen.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Denn diese besteht noch immer aus drei Säulen, der ökonomischen, der ökologischen und der sozialen, wie es Ihr Kollege Herr Dr. Aeikens auch richtig gesagt hat. Von den beiden letzteren Säulen finden wir in diesem Heft sehr wenig, zuweilen

an manchen Stellen gar nichts, und das, obwohl Sie, Herr Minister, dies doch umfänglich ausgeführt haben.

Da wir gerade bei dem Begriff Nachhaltigkeit sind und viele wissen dürften, dass es sehr unterschiedliche Definitionen dafür gibt, möchte ich einmal auf zwei verschiedene Sichtweisen hinweisen und mich an der zweiten orientieren.

Es geht zum einen um die Begrifflichkeit, wie sie bei den Vereinten Nationen schon seit 1987 verwandt wird und wie sie auch der Minister heute dargelegt hat: Nachhaltige Entwicklung ist eine Entwicklung, die gewährleistet, dass künftige Generationen nicht schlechter gestellt sind, ihre Bedürfnisse zu befriedigen, als gegenwärtig lebende. Das ist eine Definition, die in erster Linie auf die Generationengerechtigkeit abstellt. Das ist mir zugegebenermaßen etwas zu kurz gefasst und, so meine ich, auch zu weit weg von der Ursprungsaussage von von Carlowitz.

Als Umweltpolitiker nehme ich lieber Bezug auf Daly, einen Ökonomen der Weltbank. Seine Definition stammt aus dem Jahr 2001. Er zieht drei Schlüsse: Erstens. Das Niveau der Abbauraten erneuerbarer Ressourcen darf ihre Regenerationsrate nicht übersteigen. Zweitens. Das Niveau der Emissionen darf nicht höher liegen als die Assimilationskapazität. Drittens. Der Verbrauch nicht regenerierbarer Ressourcen muss durch eine entsprechende Erhöhung des Bestandes an regenerierbaren Ressourcen kompensiert werden.

Gehen wir von diesen Grundsätzen aus, wird sehr deutlich: Es gibt in Sachsen-Anhalt noch eine ganze Menge zu tun. Dazu fallen einem viele Stichworte ein. Flächen- und Ressourcenverbrauch habe ich bereits angeschnitten. Aber auch bei den Emissionen liegen wir über der Assimilationsrate, vor allem im verkehrlichen Bereich, aber auch in der Wohnungswirtschaft und im Gebäudemanagement. Dazu haben wir von Ihnen heute leider nichts zu hören bekommen. Aber das ist auch nicht Ihr Bereich, sondern das ist wieder einmal der Bereich des Ministers Herrn Webel.

(Herr Borgwardt, CDU: Was ist denn das jetzt hier?)

Sie haben sich heute auf Ihren unmittelbaren Verantwortungsbereich bezogen. So möchte ich mich nun auch unmittelbar Ihrem Haus zuwenden. Zunächst bleibt festzustellen: In Ihrem Haus, vor allem in den vielen nachgeordneten Bereichen, wird trotz zunehmender personeller Anspannung eine gute Arbeit geleistet. Dafür gebührt den Kolleginnen und Kollegen dort unser aller Dank.

(Zustimmung bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Aber in dem Begriff „personelle Anspannung“ widerspiegelt sich auch die Krux, mit der man es

oftmals zu tun hat: Nicht alle Aufgaben können so, wie es möglich und erforderlich wäre, umgesetzt werden. Ich möchte einige wenige Probleme benennen.

Beginnen möchte ich mit der Umsetzung von Natura 2000; auch das hat heute bereits mehrmals eine Rolle gespielt. In der letzten Förderperiode wurden Mittel in Höhe von mehr als 15 Millionen € aus diesem Bereich in andere Bereiche umgeschaufelt. Nachdem nun Brüssel mit Vertragsverletzungsverfahren gedroht hat, ist im Jahr 2015 etwas Bewegung in das Umsetzungsverfahren bekommen. Sie haben es bereits geschildert: personelle Verstärkung im Landesverwaltungsamt, mehr finanzielle Mittel, Konzentration auf eine Verordnung - diese sehe ich nach wie vor als kritisch an.

Aber man muss feststellen: Sachsen-Anhalt hatte und hat gemeinsam mit Niedersachsen und Thüringen aus der Sicht von Brüssel die rote Laterne bei der Umsetzung in Deutschland. In Thüringen geht es nun deutlich schneller voran. Dafür war aber ein Regierungswechsel erforderlich. Dieser wäre wohl auch bei uns hilfreich; denn auch die Managementplanung, die begleitend erforderlich ist, erfolgt überaus schleppend. Das ist übrigens ein Thema, das nunmehr in die nächste Wahlperiode weitergeschleppt werden muss.

Nicht viel besser sieht es bei den Mitteln der Europäischen Union aus. Voll Stolz haben Sie, Herr Minister, in der letzten Ausschusssitzung berichtet, dass die Mittel der letzten Förderperiode aus dem ELER-Bereich zu 98 % ausgeschöpft wurden und in der jetzigen Förderperiode sogar etwas mehr Mittel zur Verfügung stehen.

(Herr Borgwardt, CDU: Das ist schlecht, oder was?)

- Das ist gut.

(Herr Borgwardt, CDU: Man muss es ja mal hören!)