Sowohl in der BRD als auch in der DDR waren es Eliteschulen in den 50er-, 60er- und 70er-Jahren. Oder haben Sie dazu eine andere Auffassung?
Die nächste Frage: Es geht doch darum, dass die CDU-Fraktion eine verbindliche Schullaufbahnempfehlung haben möchte, weil die Kinder ohne verbindliche Schullaufbahnempfehlung das Abitur überhaupt nicht erreichen würden. Das heißt, Sie brauchen die verbindliche Schullaufbahnempfehlung, um mehr Schülerinnen und Schüler zum Abitur zu führen. Das ist Ihre Aussage.
Nun ist es doch aber so: Die Schülerinnen und Schüler der gymnasialen Oberstufe, die sich jetzt in der 10., 11. und 12. Klasse befinden, sind doch genau Schülerinnen und Schüler, die mit einer verbindlichen Schullaufbahnempfehlung an das Gymnasium gekommen sind.
Wissen Sie, das Gute oder das Schlechte an der Großen Anfrage ist genau das, was Frau Dalbert gesagt hat: Wir wissen nicht, ob es die Schülerinnen und Schüler sind, die extra einen Test gemacht haben, oder ob es diejenigen sind, von denen die Eltern geklagt haben und bei denen der Elternwille galt. Diese Aussagen bleiben außen vor.
Frau Feußner, Sie wissen es doch selbst: Es sind Einzelfälle gewesen, bei denen die Eltern geklagt haben.
- Doch, natürlich! - Die große Mehrheit der Schülerinnen und Schüler hat von der Schule die verbindliche Schullaufbahnempfehlung bekommen. Das ist doch nun einmal Fakt. Genau über diese Schülerinnen und Schüler sprechen wir.
Sie machen es sich sehr einfach. Ihre Argumentation ist doch, weniger Schülerinnen und Schüler zum Gymnasium zu schicken, damit Sie mehr für die duale Ausbildung haben. Das ist doch Ihre Denke.
Sie haben es doch jetzt schon nicht geschafft. Wie wollen sie es denn später schaffen? Sie haben es doch jetzt auch schon nicht geschafft. Also, nun erzählen Sie mal noch einen!
(Zustimmung bei der LINKEN - Herr Schrö- der, CDU: Sie haben es nicht geschafft, uns zu verstehen! - Frau Feußner, CDU, meldet sich zu Wort)
Frau Hohmann möchte sie nicht beantworten. - Es bewahrheitet sich wieder einmal: Beim Thema Schule können alle mitreden. Jetzt redet aber aus
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mensch, da wurde die Debatte zum Schluss doch noch richtig emotional.
Lassen Sie mich mit einer Feststellung beginnen, die ich heute schon öfter gehört habe. Diese Schulstatistiken, die wir bekommen haben, eignen sich überhaupt nicht, um Karriereverläufe im Bereich Gymnasium darzustellen.
Mein Dank geht an das Kultusministerium, das versucht hat, trotzdem noch Rückschlüsse zu ziehen, obwohl es diesbezüglich keine Daten hatte. Auch wenn wir die Kerndatensätze umsetzen - das wollen wir gern als Koalitionsfraktionen -, werden wir nicht alles davon ableiten können. Aber die Frage, die gestellt worden ist: Wie viele Schülerinnen und Schüler mussten eine Klasse zweimal wiederholen? - Das wird dann statistisch erhoben, es wird zurzeit bei den Summendaten nicht erfasst.
Ich persönlich setze meine Hoffnung eher auf die NEPS, also die National Educational Panel Study, zu den Bildungsverläufen in Deutschland. Hierbei führen 200 Forscher eine Langzeitstudie durch, um Ursachen und Wirkungszusammenhänge im Bereich der Karriereverläufe an den Schulen zu erforschen und dazu sozial-wirtschaftlich verallgemeinerungswürdige Aussage zu treffen.
Ich komme zu der Großen Anfrage zurück. Auch ich möchte noch etwas zur Schullaufbahnempfehlung sagen. Wir stellen fest: Es gab keine Schwemme, wie sie von einigen prognostiziert wurde, als wir im Schulgesetz die Verbindlichkeit abgeschafft haben. Wir haben gehört, es gab war eine Steigung um 3,7 %. In letzten drei Jahren lag also die Übergangsquote zwischen 46,5 % und 47,1 %.
- Das ist sehr schön, dass Sie das sagen. Aber ich habe mir dazu die Frage aufgeschrieben: Wissen Sie, wie hoch die Übergangsquote im Schuljahr 2004/2005 bzw. 2005/2006 war? - Damals war sie noch höher und lag bei 47,4 %.
Damals war sie verbindlich. Frau Feußner, wir wissen, dass es Möglichkeiten gab, die Verbindlichkeit zu umgehen und sein Kind trotzdem aufs Gymnasium zu schicken. Aber was ist der Grund dafür, dass in den Bundesländern, in denen es eine verbindliche Schullaufbahnempfehlung gibt, trotzdem eine hohe Übergangsquote besteht?
Das Wirtschaftszentrum für Sozialforschung in Berlin hat das einmal in den einzelnen Bundesländern erforscht. Es gab natürlich Probleme, bei den verschiedensten Reformen in den Bundesländern den Überblick zu behalten. Aber es wurde festgestellt, dass die Verbindlichkeit zu einem Ausweichverhalten sowohl bei Lehrern als auch bei Eltern führt, weil sie den Kinder die Zukunft offenhalten wollen und deswegen eher dazu tendieren, für sie erst einmal das Gymnasium zu favorisieren.
Für uns ist die Entscheidung in der vierten Klasse, ob das Kind das Abitur am Gymnasium schaffen wird oder doch eher in Richtung Sekundarschule gehen und einen Berufsausbildung machen sollte, einfach zu früh. Frau Professor Dalbert erwähnte es bereits, dass auch in der Pisa-Studie dargelegt wird, dass dies zu sozialer Selektion führt. Regelmäßig bekommen wir von der OECD, wie man so schön sagt, den Blauen Brief, in dem genau das gerügt wird. Wir sind in Europa eines der wenigen Länder, das so früh selektiert.
Die neun Jahre, die Frau Professor Dalbert vorhin erwähnt hat, sind nicht aus der Luft gegriffen. Wenn wir uns im europäischen Kontext umschauen, dann stellt man in Bezug auf die Zeit Folgendes fest: Zum Beispiel in Frankreich geht das Collège bis zur Neunten und dann wird entschieden, ob es an das Lycée oder an die Berufsschule geht.
Ich stimme auch der französischen Kultusministerin, Najat Vallaud-Belkacem, zu, die gesagt hat, dass wir mehr soziale Mischungen an den Schulen brauchen. Das schaffen wir nicht, wenn wir früh selektieren.
Deswegen steht die SPD für längeres gemeinsames Lernen und zu unserer Gemeinschaftsschule, weil wir so lange wie möglich alle Bildungsgänge offenhalten wollen. Im Saarland gibt es zum Beispiel nur noch ein Zweisäulenmodell: Es gibt das Gymnasium - Abitur nach zwölf Jahren - und die Gemeinschaftsschule mit dem Abitur, wenn man es machen möchte, nach 13 Jahre. Dort ist es im Übrigen auch eine CDU-geführte Regierung.
Frau Hohmann, Sie haben von der Quote derjenigen gesprochen, die das Abitur nicht machen. Ich stimme Ihnen nicht zu; es ist nicht so, dass davon alle nicht das Abitur machen. Wir wissen nicht, ob diese Schülerinnen und Schüler nicht über Umwege das Abitur machen, das heißt erst den Abschluss der 10. Klasse machen, danach einen Beruf erlernen und dann das Abitur machen oder ob sie das Abitur am Fachgymnasium machen. Das wissen wir alles nicht. Derartige Statistiken liegen
uns nicht vor. Das können wir nicht sagen. Wir würden es gern wissen. Deswegen war Ihre Aussage verallgemeinernd.
Wir sind aber - das müssen wir feststellen - mit diesen 29 % Schlusslicht bei der Abiturquote. Man kann daher in unserem Land nicht von einer Akademikerschwemme sprechen. Wir müssen herausfinden, was die Gründe dafür sind, dass so viele Schülerinnen und Schüler das Gymnasium zwischen Klasse 5 und Klasse 12 wieder verlassen und kein Abitur machen.
Ich stimme den Leuten, die sagen, dass wir ein flexibles Schulsystem haben, nicht zu; denn das System ist recht starr. Der Aufstieg von der Sekundarschule oder anderen Schulformen zum Gymnasium ist verschwindend gering. Dabei liegt das Land Sachsen-Anhalt bei den Übergängen bei unter 1 %.